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TEAM IM RHYTHMUS

RHYTHMUS ALS BASIS FÜR SOZIALE
KOMPETENZENTWICKLUNG IN TEAMS

GERHARD KERO

Studie zur analogen rhythmischen Intervention:
das.imtakte.team©

VORWORT

Rhythmus ist …

… Ordnung in der Bewegung (Plato)

Als mich Mitte der 1980er-Jahre ein starkes rhythmusfokussiertes Interesse nach Afrika lockte, konnte ich noch nicht ahnen, wie sehr der Rhythmus mit all seinen Aspekten mein weiteres Leben prägen würde. Die komplexe Trommeldialektik der westafrikanischen Maninka zog mich genauso in ihren Bann wie die Menschen, die damit umzugehen und zu leben wussten. Mit ihren Rhythmen stellten sie auf direktem Weg Verbindung zueinander her und bedienten sich einer nonverbalen Kommunikation, deren unmittelbarer Auswirkung ich mich kaum entziehen konnte: Kohäsion auf Gemeinschaftsebene.

Je tiefer ich als Musiker in die vielschichtigen Strukturen rhythmischer Gestalten vordrang, umso mehr interessierte mich, warum Menschen für das zeitlichen Moden unterworfene Zusammenfügen von Tönen so großen Aufwand betreiben. Welchen „biologischen Vorteil kann es […] haben, komplizierten Schallmustern zuzuhören“ (Jourdain 2009, S. 370)? Hat Rhythmus, und im weiteren Sinne Musik, eine „soziale Funktion wie das Herstellen von Gemeinschaft“ (Koelsch & Schröger 2008, S. 409) und wirkt daher unmittelbar gestaltend auf die Entwicklung unserer sozialen Kompetenzen ein? Die vorliegende Arbeit ist der Versuch einer Antwort.

„Western music is very stereotyped in rhythm“ (Hébert & Peretz 1997, S. 530). Aktuell überwiegt im westlichen Kulturkreis zwar die melodische gegenüber der rhythmischen Konditionierung, aber wie sieht es in Kulturen aus, die sich weniger der harmonischen, umso mehr aber der rhythmischen Ästhetik zugewandt haben? Als Beispiel sei die hochentwickelte westafrikanische Rhythmuskultur genannt, deren komplexe Strukturen Musikforscher des 19. Jahrhunderts nicht erfasst haben und sich zu, nach heutiger Sicht, unqualifizierten Aussagen hinreißen ließen. Heute ist evident: afrikanische Rhythmik ist so komplex, dass sie „von verschiedenen Musikethnologen mit einer eigenständigen Terminologie beschrieben […]“ (Pfleiderer 2006, S. 114), zum Teil theoretisch reflektiert und auch systematisiert wurde und immer noch wird.

Auch wenn die genauen Wirkungen des Rhythmus auf den Menschen bis heute nicht vollständig erforscht sind, werde ich nach einem klärenden Exkurs hin zur Frage, was Rhythmus überhaupt ist, das Interesse auf die möglichen Wirkungen von Rhythmen auf Gemeinschaften lenken. „Als sicher gilt, dass die Fähigkeit des Menschen, sich gleichermaßen zu konstanten wie zu sich verändernden Rhythmen synchronisieren zu können, innerhalb der Klasse der Wirbeltiere etwas Besonderes ist“ (Fischinger & Kopiez 2008, S. 458). Diese exklusive, in engem Zusammenhang mit unserem Sozialverhalten stehende evolvierte Fähigkeit gilt für einfache Stammesgesellschaften genau so wie für hochkomplexe Teamstrukturen moderner Arbeitswelten: Rhythmische Intervention wird sich als effiziente Teamentwicklungsmaßnahme insbesondere hinsichtlich sozialer Kompetenzentwicklung herausstellen. Die Theorie wird in ein nachvollziehbares Licht gerückt und ein kritischer Blick auf das Kompetenzanforderungsprofil von Teamtrommeltrainer_innen geworfen. Im Anhang verdeutlicht ein Prozessbeispiel die Praxis eines Teamtrommelevents. Zuallererst wird allerdings jenes Organ in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, das ein Fünftel der vom menschlichen Körper aufgenommenen Kalorien für sich beansprucht und für soziales Verhalten, in weiterer Folge für soziale Intelligenz und schlussendlich für soziale Kompetenz zuständig ist: unser Gehirn.

Mit dem vorliegenden Werk publiziere ich die überarbeitete Version einer 2015 vom Department für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur an der Donau Universität Krems angenommenen, und von Dr.in Martina Sailer-Berhel begutachteten Master Thesis.

Großer Dank gebührt Mag.a Heidi Thyri, Dr.in Martina Sailer-Berhel, Dr. Peter Winkler, Dr.in Barbara Schörner, Prof.in Dr.in Monika Petermandl und Prof. Dr. habil. Volker Heyse für ihre kompetente Unterstützung. Das Co-Interesse meiner Frau Judith M. Kero, MSc, an den bildungswissenschaftlichen, psychologischen und neurowissenschaftlichen Aspekten erleichterte nicht nur die Vertiefung in die vorliegende Arbeit, sondern ermöglichte mir Reflexion und Feedback, wann immer ich dies benötigte. Ihre Genderkompetenz, ihre grammatikalischen Adleraugen beim Korrekturlesen und letztendlich ihre Rhythmusbegeisterung waren mir eine unschätzbar wertvolle Unterstützung.

Gender-Hinweis: In der vorliegenden Arbeit kommt der Gender_Gap zur Anwendung. Dabei wird zwischen männlicher und weiblicher Form ein Abstand eingefügt, der einen Raum für Menschen markiert, die sich nicht eindeutig den Kategorien Frau und Mann zuordnen lassen oder lassen wollen. Diese nichtdiskriminierende Schreibweise ist ein Mittel der sprachlichen Darstellung aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten zur Anerkennung der Vielfalt von Menschen.

KURZFASSUNG

Rhythmus ist …

… die Wiederkehr des Ähnlichen in ähnlichen Abständen (Klages 1934)

Im Mittelpunkt der gegenständlichen Studie steht die vielseitige menschliche Rhythmisierungs- und Synchronisationsfähigkeit als eine nicht nur für zahlreiche sportliche Disziplinen und das Heben schwerer Lasten unverzichtbare koordinative Fähigkeit, sondern auch als eine elementare Eigenschaft mit der primär soziobiologischen Funktion, den sozialen Zusammenhalt innerhalb eines Teams oder einer Gruppe durch den Erwerb sozialer Kompetenzen zu festigen.

Erklärtes Ziel der Forschung war, anhand einer Partizipient_inneneinschätzung die durch Theorie und Beobachtungen gestützte Kernthese zu untersuchen, ob nicht nur archaische Stammesgesellschaften, sondern im modernen betrieblichen Kontext auch Teams und deren Mitglieder in ihrer sozialen Kompetenzentwicklung von rhythmischen Gruppenaktivitäten profitieren.

Es mangelt weder an allgemeinen Theorien zum Rhythmus, seinen Funktionen für Gemeinschaften, seinen Wirkungsphänomenen und den psychologischen Grundlagen der Rhythmuserfahrung, noch an Untersuchungen und Theorien zum Thema Kompetenzentwicklung in Teams. Die gemeinsame Schnittmenge stellt jedoch eine Forschungslücke dar, die es zu füllen gilt. Wissenschaftliche Daten über Kompetenzerwerb, Teamgeiststärkung, verbesserte Kommunikation, Kooperation und Beziehungsfähigkeit durch analoge Rhythmusinterventionen sind kaum auffindbar.

Gewählt wurde ein quantitativer Forschungsansatz mittels standardisierter Vollerhebung im Untersuchungszeitraum von einem halben Jahr mit 263 Teilnehmer_innen an insgesamt 15 das.imtakte.team©-Trommelevents.

Entsprechend den Umfrageergebnissen erhöhte aus Teilnehmer_innenperspektive die professionell ausgeführte analoge rhythmische Interventionen das.imtakte.team© eindeutig die Gruppenkohäsion, wirkte unmittelbar gestaltend auf die im Fokus der Untersuchung stehenden sozialen Kernkompetenzen von Gruppen- und Teammitgliedern ein und bewirkte das Auftreten von Flow. Im Team zu trommeln scheint sich zu lohnen.

Schlüsselbegriffe: Rhythmus, Soziale Kompetenz, Synchronisation, Trommeln, Teamtrommelevent, Flow, Gruppenkohäsion, Team

ABSTRACT

Rhythm is …

… the recurrence of the similar in similar intervals (Klages 1934)

The focus of the subject study is on the versatile human capability for rhythmization and synchronization not only as an indispensable coordinative ability for numerous sporting disciplines and the lifting of heavy objects, but also as a fundamental property with the primarily socio-biological function to consolidate social cohesion within a team or a group through the acquisition of social competences.

The declared aim of the research was to use a participant assessment to investigate the central proposition, previously supported by observations and theory, that not only archaic tribal societies but also teams and their members in a modern operational environment will benefit from rhythmic group activities in the development of their social competence.

There is no lack of general theories of rhythm, its functions for communities, its effect phenomena and the psychological principles of rhythm experience, nor of studies and theories about competence development in teams. However, the area of overlap represents a gap in research that needs to be filled. Scientific data on competence acquisition, strengthening team spirit, improved communication, cooperation and relationship skills through analog rhythm interventions is difficult to find.

A quantitative research approach was chosen using a standardized full survey during the period of half a year with 263 participants in a total of 15 das.imtakte.team©-drum events.

According to the survey results, professionally executed analog rhythmic interventions such as das.imtakte.team© clearly increased group cohesion from the participant´s perspective, directly shaped the social core competencies of group and team members on which the investigation focused, and resulted in the appearance of Flow. Drumming in teams seems to be worthwhile.

Keywords: rhythm, social competence, synchronization, drumming, drum-team-event, flow, group cohesion, team

Inhalt

Vorwort

Kurzfassung

Abstract

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

1.2. Zielsetzung

1.3. Wissenschaftliche Relevanz

1.4. Forschungsfragen

1.4.1. Hauptforschungsfrage

1.4.2. Subforschungsfragen

2. Theorie

2.1. Soziales Gehirn

2.2. Soziale Intelligenz

2.3. Soziale Kompetenz

2.4. Team

2.5. Rhythmus

2.6. Rhythmus, Synchronisation und Gruppenkohäsion

2.7. Rhythmusarbeit im Bildungsforschungskontext

2.8. Rhythmus und Soziale Kompetenz

2.8.1. Rhythmus und Kommunikationsfähigkeit

2.8.2. Rhythmus und Beziehungsfähigkeit

2.8.3. Rhythmus und Anpassungsfähigkeit

2.8.4. Rhythmus und Kooperationsfähigkeit

2.9. Rhythmus und Flow

2.10. Team im Rhythmus

2.10.1. das.imtakte.team©

2.10.2. Kompetenzprofil von das.imtakte.team©-Trainer_innen

3. Methodik der empirischen Untersuchung

3.1. Untersuchungsgegenstand

3.2. Hypothesen

3.2.1. Hypothese zur Hauptforschungsfrage

3.2.2. Hypothesen zu den Subforschungsfragen aus der Theorie

3.2.3. Hypothesen zu den Subforschungsfragen aus der Erhebung

3.3. Forschungsmethodologischer Zugang

3.4. Begründung und Beschreibung der Erhebungsmethode

3.5. Auswahl und Begründung des Samples

3.6. Statistische Auswertungsmethode

3.7. Qualitätssicherung

3.8. Erweiterte Intention

4. Darstellung und Analyse der Ergebnisse

4.1. Formatspezifische Ergebnisse

4.2. Rhythmus und Sozialkompetenz Anpassungsfähigkeit

4.3. Rhythmus und Sozialkompetenz Kooperationsfähigkeit

4.4. Rhythmus und Sozialkompetenz Beziehungsfähigkeit

4.5. Rhythmus und Sozialkompetenz Kommunikationsfähigkeit

4.6. Rhythmus und Gruppenkohäsion

4.7. Rhythmus und Flow

4.8. Generalfrage nach Sozialer Kompetenz

4.9. Soziographischer Kontext

4.10. Team- und Gruppenunterschiede

5. Diskussion der Ergebnisse

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. English summary

8. Literatur- und Quellenverzeichnis

9. Abbildungsverzeichnis

10. Glossar

11. Anhang

1. EINLEITUNG

1.1. PROBLEMSTELLUNG

Rhythmus ist …

… nicht nur schwer zu schreiben, sondern auch schwer zu beschreiben (Kero 2014)

Welche Kraft lässt Menschen, die sich gemeinsam mit anderen einem Trommelrhythmus hingeben, stundenlang tanzen, fröhlich ein Feld bestellen, effizienter rudern? Ist es dieselbe Kraft, die uns beim tosenden Applaus von Tausenden ein starkes Gemeinschaftsgefühl in Verbindung mit einem temporär veränderten Hormonhaushalt schenkt? Oder die Kraft, derer sich immer schon schlaue Heerführer zu bedienen wussten, wenn sie ihre Soldaten trommelgestützt im Gleichschritt marschieren ließen und in ihnen dabei ein überwältigendes Zusammengehörigkeitsgefühl auslösten?

Wie McNeill beschrieb (1995, zit. nach Fischinger & Kopiez 2008, S. 459), erfüllte die Fähigkeit zur Synchronisation zunächst primär soziobiologische Funktionen, da durch gemeinsame Bewegungen, wie bei rituellen Handlungen oder beim Tanzen, das soziale Gefühl für Zusammenhalt gestärkt wird. Rhythmisches Handeln ist als eine Form des sozialen Handelns in die Zusammenhänge der sozialen Organisation eingebunden.

Zugleich versetzt uns das Erleben von Rhythmus im musikalischen Kontext in die Lage, die Zeitorientierung des alltäglichen Lebens vorübergehend ausser Kraft zu setzen und uns aus der sozialen Wirklichkeitszeit zu entführen (vgl. Eggbrecht 1996, S. 552). Im Zustand dieser temporären, „anderen“ Zeitwahrnehmung sorgt der Organismus nicht nur für Regeneration, sondern auch für kollektive Erlebnisse und somit für stark gemeinschaftsbindende Eigenschaften. Ob gemeinsam getanzt, getrommelt oder im Gleichschritt marschiert wird, es funktioniert nicht nach dem Motto „alle in der eigenen Geschwindigkeit“, sondern vielmehr auf Basis eines Minimalkonsenses: des kollektiven Timings, der synchronisierten Bewegung.

Gesellschaften im Takt sind intakt, zumindest im Augenblick ihrer synchronisierten Tätigkeit und im Kontext ihrer gemeinsamen Ausrichtung. Rhythmus wirkt im funktionalen Sinne verbindend auf Gruppen ein. Kann aus dieser offensichtlichen Wirkung eine Wirkerkenntnis abgeleitet werden, die für rhythmusgestützte Teambildungsprozesse von Nutzen sein kann (vgl. Kero 2014, S. 3)? „Yet historians and social theorists […] have paid little attention to muscular manifestations of group solidarity. We are captives of our language for our explanations, and words do not capture the visceral emotions aroused by keeping together in time. People have […] almost never tried to analyze what they felt while moving rhythmically together“ (McNeill 1995, S. 10).

Die wissenschaftliche Datenlage ist spärlich. Im Gegensatz zu gut erforschten allgemeinen Theorien von Rhythmus, seinen Funktionen für Gemeinschaften, seinen Wirkungsphänomenen und den psychologischen Grundlagen der Rhythmuserfahrung liegt in Hinsicht auf seinen möglichen Transfernutzen für rhythmusgestützte Gruppen- und Teamtrommeltrainings ein Forschungsdefizit vor (vgl. Kero 2014, S. 19). Trotzdem in der Literatur zum Thema Team- und Kompetenzentwicklung kein Mangel herrscht, sind im rhythmischen Kontext weder gut dokumentierte empirische Daten, noch Untersuchungen in Bezug auf Kompetenzerwerb, Teamgeiststärkung, verbesserter Kommunikation und Zusammenarbeit oder der Nachhaltigkeit von Lern- und Praxistransfers durch Rhythmuserfahrung zu finden.

Eine schon viele Jahre vor dem Projektstart durchgeführte Umfrage im Schüler_innenkreis der Wiener Rhythmusakademie Beatfactory mit 70 Teilnehmenden fließt impulsgebend und ideenstiftend in die gegenständliche Forschung ein:

Abb-1

Abbildung 1: Schüler_innenbefragung, eigene Darstellung, 2014

Gut dokumentierte Erkenntnisse finden sich sowohl auf der Seite der Rhythmusforschung, als auch auf der Seite der kompetenzorientierten Teamentwicklung. Dazwischen wartet eine Forschungslücke darauf, geschlossen zu werden. Die Verbindung der beiden Bereiche ist für mein Betätigungsfeld von besonderem Interesse: Ob im Hochseilgarten, beim Bau eines Iglus oder beim Rafting: adaptive Teamentwicklungsmaßnahmen zum Zweck von Kompetenzerwerb gelten heute als unverzichtbare Bestandteile einer innovativen Unternehmenskultur.

Von der Wiener Trommelschule Beatfactory werden das.imtakte.team©-Teamtrommeltrainings durchgeführt. Dabei können regelmäßig nicht nur stark ausgeprägte gemeinschaftsbildende Wirkungen, sondern auch eindeutige Ausdehnungen von Fähigkeiten beobachtet werden, die in der Bildungsforschung zu den sozialen Kompetenzfeldern zählen. Ebenso regelmäßig werden diese in Reflexionen von Teilnehmenden bestätigt. Ergänzend zu intensiven theorie- und hypothesenbildenden Nachforschungen wurden im Rahmen einer professionell moderierten explorativen Erhebung mit einer aus Expert_innen bestehenden Fokusgruppe anhand eines konsensuell entstandenen Beobachtungskataloges entsprechende Hypothesen generiert. Sowohl aus Beobachtungen als auch aus rhythmustheoretischer Perspektive kulturanthropologischer und soziobiologischer Forschung scheint es sich dabei neben der evozierten Gruppenkohäsion und dem Zugang zu einer Flow-Erfahrung insbesondere um soziale Kompetenzfelder zu handeln.

1.2. ZIELSETZUNG

Rhythmus ist …

… essentiell, denn: wie so sauer wird Musik, so süß sonst, wenn die Zeit verletzt und das Verhältnis nicht geachtet wird (William Shakespeare)

Der in Kulturanthropologie, Evolutionsbiologie, Psychologie und Soziologie gut erforschten Wirkung rhythmischer Gruppenbetätigungen auf Gemeinschaften steht eine in Bildungsforschung und Organisationsentwicklung kaum erforschte Wirkung rhythmischer Gruppenaktivitäten auf Teams im betrieblichen Kontext gegenüber. Es spricht nichts dagegen, die aus den oben genannten Disziplinen gewonnenen rhythmusrelevanten Erkenntnisse über Gemeinschaften auf Teams zu übertragen.

Die gegenständliche Studie soll untersuchen, ob Rhythmuserfahrung im Team eine Basis für die Entwicklung sozialer Kompetenzfelder, und somit von Nutzen im arbeitsteiligen Kontext sein kann. Anhand der assoziierten Theorie wird davon ausgegangen, dass sich Rhythmuserfahrung im Team in wahrgenommener

1. erhöhter Gruppenkohäsion

2. Stärkung / Erwerb sozialer Grundkompetenzen:

• Kommunikationsfähigkeit

• Beziehungsfähigkeit

• Anpassungsfähigkeit

• Kooperationsfähigkeit

3. und Auftreten des Flow-Effekts niederschlägt.

Ziel der Forschung ist es, die durch Theorie und Beobachtungen gestützte Annahme zu untersuchen, ob rhythmische Gruppenaktivitäten im betrieblichen Kontext effiziente Teamentwicklungsmaßnahmen darstellen.

Im Sinne der Verschränkung von Rhythmus und Team leitet sich mein persönliches und berufsrelevantes Interesse ab, das.imtakte.team© als sinnvolles Veranstaltungsformat zu beleuchten. Ich möchte in Erfahrung bringen, wie die Teilnehmer_innen die Auswirkungen der Rhythmuserfahrung hinsichtlich der Gruppenkohäsion, des Flows und der sozialen Kompetenzen einschätzen.

In meiner täglichen Arbeit mit Menschen initiiere ich Rhythmuserfahrungen als Grundlage für soziale Interaktionen. Es entspricht daher meinem starken persönlichen Interesse, die Schnittmenge Rhythmusforschung und Bildungsforschung unter die Lupe zu nehmen. Das intendierte Erhebungsinstrument soll ein Stück weit die Frage erhellen, was Rhythmus als Basis für soziale Kompetenzentwicklung im betrieblichen Kontext leisten kann.

Nicht-Ziele:

• Nicht von Forschungsinteresse ist die Frage, ob durch die beschriebene Teamaktivität die Produktivität gesteigert werden kann.

• Die Untersuchung langfristiger oder nachhaltiger Wirkungen oder Auswirkungen ist nicht intendiert.

• Branchenspezifische Differenzierungen werden hier nicht untersucht.

• Die Studie unterliegt weder unternehmensbezogenen Vorgaben, noch ist sie auf betriebliche Bedürfnisse abgestellt.

1.3. WISSENSCHAFTLICHE RELEVANZ

Rhythmus ist …

… bis heute nicht einheitlich und allgemein anerkannt definiert

Im Wesentlichen vereint die Untersuchung die beiden in vielerlei Hinsicht gut dokumentierten Disziplinen Rhythmusforschung und Kompetenzforschung als Teil der Bildungsforschung:

• Rhythmus ist sowohl allgemein theoretisch, als auch hinsichtlich seiner evolutionsbedingten Wirkphänomene, seiner psychologischen Grundlagen und seiner Funktion als Strukturgeber der sowohl physikalischen als auch subjektiv erlebten Zeit hinreichend erforscht.

• Kompetenzentwicklung ist in der Bildungsforschung und der Organisationslehre gut belegt und ausgearbeitet.

Recherchen nach Untersuchungen, die beide oben genannten Forschungsfelder miteinander verbinden, zeichnen ein defizitäres Bild. In Hinsicht auf Auswirkungen und Transfernutzen rhythmusgestützter Gruppen- und Teamtrommeltrainings liegen kaum Publikationen vor. Musikwirkungsforschung ist ein etablierter Begriff, aus ihr haben sich Musiktherapie und Musikmedizin entwickelt. Rhythmuswirkungsforschung jedoch ist ein nahezu unbekannter, nur in speziellen Fachkreisen geläufiger Terminus. Quellen, die Wirkungen rhythmischer Aktivitäten auf Teams beschreiben, sind kaum erhebbar. Speziell hinsichtlich der Korrelation rhythmischer Teamaktivitäten mit Kompetenzerwerb im betrieblichen Kontext liegt ein Forschungsdefizit vor. Über Teamgeiststärkung, Verbesserung der interpersonalen Kommunikation und Zusammenarbeit oder der Nachhaltigkeit von Lerntransfer liegen weder gut dokumentierte empirische Daten, noch Untersuchungen vor.

Da ein Überschneidungsbereich zwischen Rhythmus und den fokussierten teamrelevanten sozialen Kompetenzen erkennbar ist, scheint die disziplinäre Relevanz gegeben zu sein.

1.4. FORSCHUNGSFRAGEN

Rhythmus ist …

… die Dauernfolge (Aristoxenos)

Aus der Rhythmusforschung ist evident, dass die dem Rhythmus inhärente zeitlich voraussagbare Struktur einzelner Ereignisse in der Zeit rhythmische Erwartungen evozieren. „Das periodische Verhalten oszillatorischer Prozesse im Gehirn steuert unsere Erwartungen in Form einer aktiven zeitlichen Antizipation“ (Fischinger 2010, S. 54). Wird solch ein Prozess mit einem externen Rhythmus gekoppelt, kann er sich zu diesem Rhythmus synchronisieren. Wir passen uns an und können manchmal gar nicht anders, denn die rhythmische Erwartungshaltung wird umso stärker und fokussierter, je länger das periodische Verhalten solcher oszillatorischen Abläufe anhält.

Rhythmisierungsfähigkeit ist eine unverzichtbare koordinative Fähigkeit, die nicht nur für Leistungen im Sport oder in der Musik eine Rolle spielt. Da gemeinsame Bewegung den sozialen Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe stärkt, stellt sie vielmehr eine aus der Kulturanthropologie bekannte elementare Eigenschaft des Menschen dar, die primär soziobiologische Funktion hat (vgl. McNeill 1995, zit. nach Fischinger & Kopiez 2008, S. 459).

Evolutionsbiologisch lässt sich kooperatives Verhalten durch bildgebende Verfahren im Gehirnscan abbilden: Die Aktivierung des als Belohnungssystem geltenden Nucleus accumbens verstärkt altruistisches Verhalten, motiviert zu weiterer Kooperation und vor allem dazu, der Versuchung kurzfristiger Vorteilsnahme zu widerstehen. Auch wenn kooperatives Verhalten biologisch angelegt ist, gehört es zugleich zu den höchsten zu erlernenden Kulturleistungen. Sich im synchronisierten Zustand motorischer Koordination und musikalischer Resonanz kooperativ aufeinander einzulassen, setzt ein hohes Bereitschaftspotential für soziale Bildung und soziale Kompetenz voraus.

Die Forschungsfrage stützt sich sowohl auf eine gute Quellengrundlage, welche die Vernetzung von Team mit Rhythmus und die Ableitung sozialer Kompetenzen ermöglicht, als auch darauf, was Expert_innen und Teilnehmer_innen bestätigen und widerspiegeln. Die vorliegende Arbeit geht daher der Frage nach, ob die bereits durch Theorie, Exploration und Expert_inneninput generierten Hypothesen durch die subjektiven Einschätzungen von Partizipient_innen hinsichtlich teamrelevanter sozialer Kompetenzfelder hinreichend bestätigt oder falsifiziert werden. Mit anderen Worten interessiert mich, in welcher Form sich in den subjektiven Einschätzungen der Teilnehmenden an einer professionell geleiteten Rhythmuserfahrung die Auswirkungen der theoretisch angenommen Rhythmusgrundlagen auf teamrelevante soziale Kompetenzen widerspiegeln. Im Speziellen handelt es sich dabei um das.imtakte.team©-Trommelevent.

1.4.1. HAUPTFORSCHUNGSFRAGE

In welchem Ausmaß spiegeln sich die theoretisch angenommenen Rhythmuseigenschaften als Basis für die Entwicklung teamrelevanter sozialer Kompetenzfelder in den subjektiven Einschätzungen der Partizipient_innen am Veranstaltungsformat das.imtakte.team© wider?

1.4.2. SUBFORSCHUNGSFRAGEN

Rhythmusarbeit ermöglicht Kompetenzerwerb als teamrelevanten Lerntransfer. „Die Lernergebnisse eines das.imtakte.team©-Teamtrommeltrainings manifestieren sich im Erwerb besonderer Kompetenzen. Auf der Qualifikationsebene werden soziale Kompetenzen entwickelt“ (Kero 2014, S. 30). Kommunikationsfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit sind die Grundkompetenzen der sozial-kommunikativen Kompetenzgruppe aus dem Kode®-Kompetenzatlas (vgl. Heyse 2013, S. 26). Dieses Kompetenzquartil spiegelt sich in den theoretischen Subforschungsfragen auf Literaturbasis wider:

1. Welche Parallelen sind zwischen der Rhythmusforschung und dem sozialen Kompetenzfeld Kommunikationsfähigkeit erkennbar?

2. Welche Parallelen sind zwischen der Rhythmusforschung und dem sozialen Kompetenzfeld Beziehungsfähigkeit erkennbar?

3. Welche Parallelen sind zwischen der Rhythmusforschung und dem sozialen Kompetenzfeld Anpassungsfähigkeit erkennbar?

4. Welche Parallelen sind zwischen der Rhythmusforschung und dem sozialen Kompetenzfeld Kooperationsfähigkeit erkennbar?

Auf Basis einer Erhebung mittels standardisiertem Fragebogen im unmittelbaren Anschluss an das.imtakte.team©-Teamtrommeltraining wird folgenden empirischen Subforschungsfragen nachgegangen:

Welche Veränderungen stellen die Teilnehmenden bei sich selbst und im Team

1. hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit

2. hinsichtlich ihrer Kooperationsfähigkeit

3. hinsichtlich ihrer Beziehungsfähigkeit

4. hinsichtlich ihrer Kommunikationsfähigkeit

5. hinsichtlich der Gruppenkohäsion

6. hinsichtlich des Auftretens von Flow

fest bzw. können sich aufgrund der Teilnahme am Trommelevent deren Eintreten vorstellen?

2. THEORIE

Für einen theoretischen Diskurs zum Thema Rhythmus als Basis für soziale Kompetenzentwicklung in Teams – so der Untertitel dieser Arbeit – bedarf es der Auseinandersetzung mit den Schlüsselbegriffen Rhythmus, Soziale Kompetenz und Team.

Rhythmus wird in Unterkapitel 2.5. ausführlich erläutert. Der darauf folgende Abschnitt 2.6. widmet sich der Auswirkung von Rhythmus auf Gruppen und Teams und Unterkapitel 2.7. geht der Frage nach, wie Rhythmus im Bildungsforschungskontext betrachtet werden kann. Wie sich Rhythmus auf soziale Kompetenzentwicklung auswirkt, wird in Abschnitt 2.8. behandelt. Schließlich setzt sich Unterkapitel 2.9. mit dem Zusammenhang zwischen Rhythmus und Flow auseinander.

Team ist ein in dieser Arbeit sehr präsenter Begriff, der in seinen Eigenschaften, seiner Nomenklatur und seinen Funktionen in vielen Kapiteln vertreten ist und wiederholt behandelt wird. Unterkapitel 2.4. befasst sich ausschliesslich damit, in Abschnitt 2.6. wird die Auswirkung von Rhythmus auf Teams und Gruppen untersucht und Unterkapitel 2.10. legt dar, wie Teams durch das antizipatorische Moment von Rhythmus in gemeinsame Bewegungsabläufe eingebunden werden können und dadurch Arbeitserleichterung und Gemeinschaftsgefühl erfahren.

Soziale Kompetenz im rhythmischen Kontext wird ausführlich im Unterkapitel 2.8. sondiert. Abschnitt 2.10.2. beschreibt die Kompetenzanforderungen für Trainer_innen eines Teamtrommelevents. Soziale Kompetenz ist eine komplexes Angelegenheit: um sie angemessen verständlich zu machen, spannt der Theorieteil einen Bogen dorthin zurück, von wo sie ihren Ursprung nahm und seither ihren festen Sitz hat: in das menschliche Gehirn.

Da mitunter zahlreiche aktuelle Erkenntnisse zu den drei beschriebenen Schlüsselbegriffen aus der Gehirnforschung kommen, räumt die vorliegende Arbeit ihren neurowissenschaftlichen Aspekten einen gebührenden Platz ein.

2.1. SOZIALES GEHIRN

Rhythmus ist …

… in der Musik eine Leben bekundende Pulsation (Arthur Rubinstein)

Innerhalb von relativ kurzen drei Millionen Jahren der Evolution hat die Gattung Homo default mode