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Seit 1979 verbindet Glenn Randall seine Liebe zur Wildnis mit seiner Leidenschaft für Fotografie, um atemberaubende Landschaftsbilder zu schaffen. Seine intime Kenntnis der atmosphärischen Sichtverhältnisse, der Wetterbedingungen und der Landschaften, die er fotografiert, ermöglichen es ihm, Kombinationen aus magischem Licht und atemberaubenden Motiven aufzuspüren, die zu außergewöhnlichen Bildern führen.

Seine Arbeiten wurden in Kalender für Audubon, Avalanche, Barnes & Noble, Brown Trout, Sierra Club, Nature Conservancy und Runner's World aufgenommen. Seine Fotografien wurden in Zeitschriften wie Audubon, GEO, Outdoor Photographer, Outside, SKI, Los Angeles Times Magazine, National Geographic Adventure und New York Times Magazine veröffentlicht. Mit seinen derzeit 58 Jahren kann er auf fast 1.200 Credits, darunter 73 Titelbilder, und über 10.000 verkaufte Fine-Art-Prints zurückblicken.

Glenn hat 200 Zeitschriftenartikel und 11 Bücher verfasst, darunter drei Bücher mit Landschaftsfotografien: »Rocky Mountain National Park Impressions«, »Colorado Wild & Beautiful« und »Sunrise from the Summit: First Light on Colorado's Fourteeners«, in dem Glenn ein siebenjähriges Projekt dokumentiert, bei dem er den Sonnenaufgang (oder gelegentlich den Sonnenuntergang) von allen Vierzehntausendern (Gipfeln über 14.000 Fuß) in Colorado aufnahm. www.glennrandall.com

Titelbild: Die Milchstraße über dem Bear Lake und dem Longs Peak im Rocky Mountain Nationalpark in Colorado.

16.07.2017, 0:10 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16 -35 mm 1:2,8 L II USM.

Landschaft: vier Aufnahmen in Photoshop gestapelt, um mit dem Stapelmodus Median das Bildrauschen zu reduzieren. Je 2 min bei Blende 2,8 und ISO 6400.

Himmel: fünf Aufnahmen mit der Kamera auf einem Nachführsystem (iOptron SkyTracker Pro) mit äquatorialer Montierung. Die Bilder wurden in RegiStar zueinander ausgerichtet, danach wurde das Bildrauschen herausgerechnet. Je 2 min bei Blende 2,8 und ISO 1600.

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Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

www.dpunkt.plus

Glenn Randall

Der Himmel bei Nacht

Landschaftsfotografie nach Sonnenuntergang – Sternspuren, Milchstraße und Polarlicht

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Volker Haxsen

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Glenn Randall

www.glennrandall.com

Lektorat: Rudolf Krahm

Übersetzung: Volker Haxsen

Copy-Editing: Alexander Reischert, Redaktion ALUAN

Satz: Nadine Thiele

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de, unter Verwendung eines Fotos des Autors

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print978-3-86490-582-7

PDF978-3-96088-498-9

ePub978-3-96088-499-6

mobi978-3-96088-500-9

1. Auflage 2018

Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2018 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

© dpunkt.verlag GmbH 2018. Authorized translation of the English 1st edition of "Dusk to Dawn" © 2018 by Glenn Randall. This translation is published and sold by permission of Rocky Nook, Inc., the owner of all rights to publish and sell the same.

Original ISBN: 978-1-68198-306-6

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.

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»Dieses Buch ist den Helden der Wildnis gewidmet, sowohl den gefeierten als auch den gänzlich unbekannten, die sich für den Erhalt der unberührten Orte stark gemacht und auf diese Weise die Naturfotografen zu ihrer Kunst inspiriert haben.«

Inhaltsverzeichnis

Danksagungen

Vorwort

Einleitung

1. Vorbereitungen für die Nachtfotografie

Wandern bei Nacht

Klare dunkle Nachthimmel finden

2. Ausrüstung für die Nachtfotografie

Kamera und Sensor

Objektive für die Nachtfotografie

Stative

Zubehör für die Nachtfotografie

3. Wichtige Fertigkeiten in der Nachtfotografie

Punktgenaues Scharfstellen

Bildkomposition bei Nacht

Korrekte Belichtung bei Nacht

Eindämmung des Bildrauschens

Weißabgleich

Detailzeichnung in der Landschaft bewahren

4. Planung von Milchstraßen-Fotos

Planung der Milchstraßenaufnahme über Longs Peak

Panoramaaufnahmen der Milchstraße planen

5. Fotografieren der Milchstraße

Die Milchstraße mit einer Einzelaufnahme erfassen

Milchstraßen-Panoramen fotografieren

Finden des Nodalpunkts

Mehrreihige Panoramen

Kameraeinstellungen bei Panoramen

6. Bearbeitung nächtlicher Landschaftsaufnahmen

Die Farbe des Nachthimmels

Bearbeitung von Bildern aus mondlosen Nächten

Zwei Bilder in Photoshop vereinen

Auswahl komplexerer Umrisse in Nachtbildern

Aufhellen des Himmels und Abdunkeln der Landschaft im Bereich der Horizontlinie

Bildbearbeitung bei nächtlichen Panoramen

7. Fortgeschrittene Techniken in der nächtlichen Landschaftsfotografie

Lichtmalerei

Focus-Stacking bei Nacht

Rauschreduzierung mit dem Stapelmodus Median

Einsatz von Nachführsystemen bei Sternenhimmel-Aufnahmen

8. Sternspuren fotografieren

Belichtung bei Sternspuren

Gestaltung von Sternspurbildern

Bearbeitung von Sternspurbildern

Retuschieren von Flugzeugspuren

Vereinigung der Einzelbilder zu langen Sternspuren

Schließen der Lücken

9. Polarlichter fotografieren

Vorbereitungen für Polarlichter-Fotos

Belichtung bei Polarlichtern

Bildkomposition bei Polarlichtern

Bildbearbeitung bei Polarlichter-Fotos

10. Meteorschauer fotografieren

Aufnahmetechnik bei Meteorschauern

Aufnahme und Bearbeitung eines Bildes der Geminiden

11. Eine Mondfinsternis fotografieren

Zusammensetzen der Bilder einer totalen Mondfinsternis

12. Landschaften im Mondschein

Belichtung bei Landschaftsaufnahmen im Mondschein

Bearbeitung von monderhellten Landschaftsaufnahmen

Index

Danksagungen

Die Wurzeln dieses Buchs gehen auf den August 2011 zurück. Damals sah ich eine Präsentation des Landschaftsfotografen Grant Collier aus Colorado. Seine Bilder der Milchstraße, wie sie über den Landschaften Utahs glühte, führten mir eindrucksvoll und zugleich nachhaltig vor Augen, was man mit den damals aktuellen Digitalkameras für erstaunliche Bilder hervorbringen konnte. Vielen Dank dafür, Grant! In den darauffolgenden sieben Jahren wurde ich inspiriert und habe gelernt von den Nachtbildern und Büchern weiterer Landschaftsfotografen, darunter Adam Woodworth, David Kingham, Floris van Breugel, Ian Norman, Michael Frye, Patrick Endres und Royce Bair. Danke an dieser Stelle dafür, dass ihr euer Wissen und eure Erfahrung in Artikel und Büchern weitergegeben habt. Ein besonderer Dank gilt Roger Clark, einem Berufsastronomen und begeisterten Nachtfotografen, dessen ausführliche Website mir jede Menge Informationen über die besten Kameras, Objektive und Arbeitstechniken im Freien bei der Nachtfotografie geliefert hat. Dr. Stan Solomon, Wissenschaftler am High Altitude Observatory des National Center for Atmospheric Research, und Prof. Scott Bailey von der Virginia Tech haben mir wertvolle Einsichten zur komplexen Physik des Nachthimmelleuchtens vermittelt. Dann möchte ich noch den Mitarbeitern von Rocky Nook danken, vor allem meiner Lektorin Maggie Yates, die mit Sachverstand und Akribie dieses Buch optimiert hat. Doch vor allem möchte ich meiner Frau Cora danken, die als Atmosphärenwissenschaftlerin mich mit ihren einfühlsamen Fragen, ihrer grenzenlosen Neugier und ihrem unbestechlichen wissenschaftlichen Scharfsinn dazu gebracht hat, bei jedem Thema über das oberflächliche Halbwissen hinauszugehen, vor allem aber auch dafür, dass ihre Toleranz bezüglich längerer Phasen der Abwesenheit die Bilder in diesem Buch überhaupt möglich gemacht hat.

Vorwort

»Die Sterne sind die Juwelen der Nacht und übertreffen vermutlich alles, was uns der Tag zu bieten hat.«

– HENRY DAVID THOREAU

»Ihr Sterne! Ihr seid die Poeten des Himmels!«

– LORD BYRON

Einer der Ratschläge in der Landschaftsfotografie, der Neulingen dieses Fachs immer wieder gerne mit auf den Weg gegeben wird, lautet, die Bilder während den sogenannten »goldenen Stunden« aufzunehmen, dem kurzen Zeitfenster nach Sonnenauf- bzw. vor Sonnenuntergang, wenn das Sonnenlicht in flachem Winkel die Landschaft in warmes Licht taucht. Dieser Hinweis ist gewiss nicht schlecht, doch impliziert er im Grunde, dass sich der Fotograf, nachdem die Sonne untergegangen ist, einer anderen Tätigkeit widmen muss. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie Sie in diesem Buch erfahren werden. Denn hier werden Sie den Zauber der Fotografie nach Einbruch der Nacht entdecken.

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Delicate Arch und die Milchstraße im Arches Nationalpark in Utah.

03.05.2016, 2:01 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 24 mm 1:1,4 L II USM.

Boden: 30 s, Blende 1,4, ISO 6400.

Himmel: 10 s, Blende 1,4, ISO 6400. LEDFlächenleuchte mit 85B-Warmlichtfilter davor für das Licht unter dem Felsbogen.

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Polarlichter über der Tombstone Range im Tombstone Territorial Park im Yukon Territory in Kanada.

17.03.2015, 2:33 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM, 6 s, Blende 2,8, ISO 3200

Nachtfotografie ist nichts Neues. Schon seit den Anfängen des Mediums Fotografie haben dessen Pioniere versucht, den im Bild Nachthimmel festzuhalten. Doch in den letzten Jahren hat sich nun Grundlegendes verändert: nämlich die Fähigkeit der modernen Digitalkameras, bei Langzeitbelichtungen eine Bildqualität zu erreichen, die der Pracht des Nachthimmels nun wirklich gerecht wird. Die älteren Generationen von Digitalkameras waren bei Weitem nicht so gut und wiesen deutliches Bildrauschen auf, das man mit dem Filmkorn hochempfindlicher Filme früherer Tage vergleichen kann und immer auftrat, sobald man größere ISO-Zahlen einstellte oder länger als ein paar Sekunden belichtete. In dieser Hinsicht haben sich die Digitalkameras stetig verbessert, sodass sie bei Langzeitaufnahmen inzwischen bessere Ergebnisse liefern, als sie mit Analogtechnik auf Film je möglich waren. Und deshalb ist nun sogar die Astrofotografie kein Hexenwerk mehr.

Als Redakteur der Zeitschrift Outdoor Photographer mit zwei Jahrzehnten Berufserfahrung in der Veröffentlichung von Fotos habe ich ganz unmittelbar miterleben können, wie die Digitaltechnik die Kunst und die Wissenschaft der Bildgebung revolutioniert hat. Gleichzeitig stieg das Interesse an der Nachtfotografie rapide an. Dank meiner beruflichen Positionen hatte ich das Vergnügen und die Ehre, mit den illustersten Namen auf diesem Gebiet zusammenarbeiten zu können. Was mich an diesen Naturfotografen besonders fasziniert hat, war ihre Bereitwilligkeit, ja geradezu Bedürfnis, das weiterzugeben, was sie selbst gelernt und erfahren hatten, um damit andere zu inspirieren. Einer von ihnen ist Glenn Randall, der nicht nur ein begnadetes Talent als Fotograf besitzt, sondern ebenso gut darin ist, seine Erkenntnisse klar und verständlich zu vermitteln. Mit fast 40 Jahren Profierfahrung und über 200 Zeitschriftenbeiträgen sowie zwölf Büchern kann Randall zweifelsfrei als herausragender Künstler und passionierter Dozent bezeichnet werden.

In diesem Buch behandelt Randall jeden praktischen Aspekt von den technischen Entscheidungen für erfolgreiche Langzeitaufnahmen nach Sonnenuntergang bis zu Vorbereitung, Sicherheitsmaßnahmen, das Auskundschaften von Aufnahmeorten und die Wahl der Ausrüstung – also alles, was wichtig ist, um sowohl unvergessliche Bilder zu machen als auch den Weg dorthin zu genießen. Sie erlernen hier grundlegende Techniken, die sich bei jedem Nachthimmel anwenden lassen, seien es nun punktscharfe Sterne oder auch Sternspuren, ebenso aber auch speziellere Methoden wie beispielsweise zur Fotografie der Milchstraße oder von Meteorschauern sowie Aufwändigerem wie der Lichtmalerei zur Akzentuierung von Bildelementen in der Landschaft vor dem Nachthimmel. Darüber hinaus zeigt er auch in aller Ausführlichkeit, wie man die Nachtaufnahmen verarbeitet – ein wichtiger Aspekt, den man nicht untereinschätzen sollte.

Dieses ist der ausführlichste Ratgeber in Sachen Nachtfotografie, der mir bisher untergekommen ist, und auch ich werde ihn künftig zur Hand nehmen, um bei meinen eigenen Arbeiten besser zu werden.

Wes Pitts

Chefredakteur der amerikanischen Zeitschrift Outdoor Magazine

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Polarlicht über dem Sukukpak Mountain und dem Middle Fork des Flusses Koyukuk in der Nähe von Wiseman in Alaska.

11.03.1016, 12:17 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM, 15 s, Blende 2,8, ISO 3200.

Einleitung

Für uns Landschaftsfotografen hat sich eine geheimnisvolle und faszinierende Welt aufgetan. Früher war die Arbeit des Landschaftsfotografen beendet, wenn das letzte Licht vom Himmel schwand. Heute beginnt sie für viele dann erst recht. Mittlerweile lassen sich mit den Digitalkameras auf einfache Weise Bilder realisieren, von denen man zu Zeiten der Analogfotografie und der ersten Digitalkameras nur träumen konnte. Mehr und mehr Fotografen ziehen mit ganz normalen Kameras von der Stange in die tiefe Nacht, fernab der Sicherheit gebenden städtischen Straßenbeleuchtung, und kommen mit spektakulären Bildern zurück, wie man sie zuvor nicht gesehen hat. Der Himmel bei Nacht soll Ihnen eine Orientierung in der Wildnis dieser Art von Fotografie sein. Hier erfahren Sie, wie man Bilder von professioneller Qualität der Milchstraße, von Polarlichtern, Mondfinsternissen, Meteorschauern, Sternspuren und nur vom Mondlicht erhellten Landschaften plant, aufnimmt und verarbeitet. Dabei werde ich Ihnen immer wieder zeigen, wie Sie durch Kombination eines prächtigen Nachthimmels mit dramatischen Vordergrundelementen Landschaftsbilder erzeugen können, die ein Gespür für den Ort vermitteln – und ein Gefühl von Magie. Mit dem Wissen dieses Buches ausgestattet können Sie als Leser losziehen und Ihre eigenen nächtlichen Meisterwerke kreieren.

Zu Analogzeiten und in den Anfängen der Digitalfotografie waren der Landschaftsfotografie bei Nacht enge Grenzen gesetzt. Natürlich konnte man auch damals schon bei Mondschein den Verschluss sehr lange offen lassen, wobei die Aufnahmen dann aussahen, als seien sie bei Tag aufgenommen worden, und merkwürdige weiße Streifen am Himmel zeigten. Auch ohne Mondlicht waren Aufnahmen von Sternspuren über mehrere Minuten oder Stunden möglich, während sich die Erde weiterdrehte. Doch ohne aufwändiges Nachführungssystem mit äquatorialer Montierung wie einem Teleskop waren Bilder mit stillstehenden Sternen nicht möglich.

Die ersten Digitalkameras erwiesen sich bei wenig Licht den analogen Kameras mit Film in Sachen Bildqualität noch deutlich unterlegen. Doch mit den heutigen aktuellen Kameras, DSLRs wie spiegellosen Systemkameras, sind diese Schwächen komplett ausgemerzt. Die Sensoren dieser Kameras sind so empfindlich, dass leistungsstark, dass man mit ihnen den Nachthimmel so aufnehmen kann wie mit den eigenen Augen wahrgenommen, mitunter sogar mit stillstehenden Sternen. Es lassen sich mit ihnen das schwache Leuchten der Milchstraße, das kurze Aufflackern von Sternschnuppen und die komplexen Strukturen von Polarlichtern erfassen. Tagsüber ist das menschliche Auge selbst den besten Sensoren überlegen, doch bei Nacht ist es inzwischen umgekehrt. Mit den heutigen Kameras lassen sich nachts Farben erfassen, die das Auge selbst bei bester Dunkeladaption bestenfalls erahnen kann.

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Die Milchstraße über dem 1300 m hohen Grays Peak, vom gleich hohen Torreys Peak aus gesehen; in der Nähe von Georgetown in Colorado.

08.08.2012, 22:07 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM. 30 s bei Blende 2,8 und ISO 6400.

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Hallett Peak über dem Dream Lake bei Mondlicht im Rocky Mountain Nationalpark in Colorado.

05.12.2017, 20:26 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM. 15 s bei Blende 5,0 und ISO 4000.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich selbst auf die erstaunlichen Fähigkeiten der neueren Kameras aufmerksam wurde. Es war im August 2012, als ich mich im letzten Viertel meines damaligen Projekts »Sunrise from the Summit« befand, für das ich über sieben Jahre hinweg von sämtlichen 54, zu den »Colorado's Fourteeners« (alle mindestens 14.000 Fuß hoch, ca. 4267 m über N.N.) zählenden Gipfeln Sonnenaufgänge (gelegentlich auch -untergänge) fotografiert hatte. An jenem Tag wollte ich wissen, wozu meine neue DSLR, die Canon 5D Mk III, imstande war: und zwar mit einem Foto der Milchstraße vom Torreys Peak aus, auf 14.267 Fuß (ca. 4348 m).

Ich wartete auf einen Tag mit gutem Wetter, dem eine mondlose Nacht folgen sollte. Als es so weit war, fuhr ich nachmittags zum Ausgangspunkt und wanderte den steilen, anstrengenden Anstieg bis zum Gipfel hoch. Auf dem Weg nach oben begegneten mir noch ein paar Leute, die sich auf dem Rückweg nach unten befanden. Schließlich oben angekommen, war, war ich ganz allein. Ich machte noch Fotos vom Sonnenuntergang und richtete mich anschließend auf die nächtliche Wartezeit ein, bei der ich gegen ein gewisses Unbehagen ankämpfen musste. Alte Bergsteigergewohnheiten sind schwer abzustreifen, denn ich hatte mich noch nie länger absichtlich auf einem Gipfel aufgehalten, nachdem das letzte Sonnenlicht vom Himmel verschwunden war. So langsam verzogen sich die letzten Wolken und die Sterne traten hervor. Danach kam dann das glühende Zentrum der Milchstraße, die Mitte unserer Galaxie, über dem dunkler werdenden Himmel direkt über dem Grays Peak, einem weiteren »Fourteener«, zum Vorschein.

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Sternspuren über der Tenmile Range vom 1300 m hohen Quandary Peak in der Nähe von Breckenridge in Colorado.

13.02.2015, 18:33 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM. 30 Bilder mit je 4 min bei Blende 4 und ISO 400.

Niemals zuvor hatte ich den spektakulärsten Teil der Milchstraße von solch einem dunklen und hoch gelegenen Platz aus beobachtet. Der Anblick war atemberaubend. Als der Hauptteil der Milchstraße gegen Mitternacht nach Südwesten weitergewandert war, machte ich mich auf den Rückweg und erreichte nach zwei Stunden mein Fahrzeug. Nach weiteren zwei Stunden fiel ich dann am Ende eines 21-Stunden-Tages in mein Bett.

Als ich am folgenden Nachmittag die Bilder eingehend betrachtete, wurde mir klar, dass die aktuelle Generation von Digitalkameras ein völlig neues fotografisches Genre ermöglichte: die Landschaftsfotografie bei Nacht. Bilder, die mit Film so gut wie unmöglich waren, ließen sich nun für jeden einigermaßen gut ausgestatteten Fotografen realisieren, der willens war, bei Dunkelheit loszuziehen.

Dieses Buch wird Sie für Ihre erste nächtliche Exkursion bereit machen und für die vielen weiteren, die darauf folgen werden. Es sei jedoch bemerkt, dass sich dieses Buch nicht an den blutigen Anfänger richtet. Ich gehe davon aus, dass der Leser mit den Grundlagen der Fotografie sowie dem Speichern, Organisieren und Verarbeiten von Bildern vertraut sind. Für die Bildverwaltung und RAW-Bearbeitung benutze ich Adobe Lightroom, für komplexere Bearbeitungen wie das Übereinanderlegen unterschiedlicher Belichtungen desselben Motivs kommt Adobe Photoshop zum Einsatz. Ich werde Ihnen demonstrieren, wie man mit diesen beiden Programmen seine Nachtaufnahmen perfektioniert, kann Ihnen die Programme aber nicht umfassend erklären. Damit auch weniger erfahrene Leser hier profitieren, habe ich zu wichtigen Themen Randbemerkungen angefügt.

In diesem Buch wird ausführlich die Nachtfotografie von großen Landschaften beschrieben, bei der Himmel und Erde gleich wichtig sind. Somit geht es hier nicht um reine Astrofotografie, die mit Teleskopen tief in den Weltraum hineinblickt. Denn dafür ist eine völlig andere, sehr aufwändige Ausrüstung nötig. Haben Sie dagegen eine relativ aktuelle DSLR oder spiegellose Systemkamera zur Verfügung, können Sie im Prinzip ohne weiteres Zubehör mit der Nachtfotografie loslegen. Möchten Sie hingegen mehr über die Fotografie von Galaxien und Sternnebeln durch Teleskope erfahren, lege ich Ihnen das Buch Astrofotografie von Thierry Legault aus dem dpunkt.verlag ans Herz.

Wenn man weiß, was man will, haben die fotografischen Abenteuer ein klares Ziel. Bei Aufnahmen am Tag lautete das für mich, ein authentisches Bild zu bekommen, das die Großartigkeit der Natur so wiedergab, wie ich sie sah. Die Betrachter sollten auf den Abzügen das sehen, was ich durch das Objektiv gesehen hatte. Doch als ich bei Nacht zu fotografieren begann, war das nicht mehr so klar. Ganz gleich, wie gut sich meine Augen an die Dunkelheit angepasst hatten, konnte ich doch kaum die Farben und Details erahnen, die die Kamera mühelos einfing. Sollte ich deshalb die Farben herunterregeln und fast monochromatische Bilder erzeugen, nur damit sie meinem Seheindruck vor Ort entsprachen? Oder sollte ich nicht lieber begeistert die Fähigkeit der Kamera nutzen, eine für mich unsichtbare Welt darzustellen und die Farben so zeigen, wie die Kamera sie registriert hatte? Ich experimentierte daraufhin eine Weile mit der Entsättigung meiner Nachtaufnahmen und konvertierte sie u. a. in Schwarz-Weiß. Doch auch wenn die Ergebnisse dem näher kamen, was ich vor Ort mit eigenen Augen sehen konnte, so blieb sie ihre emotionalen Wirkung doch weit hinter dem zurück, was ich dort wirklich empfunden hatte.

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Der Meteorschauer der Perseiden über dem Titan der Fisher Towers in Utah.

11./12.08.2016, 20:32 Uhr bis 5:08 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM.

Landschaft: 10 s bei Blende 16 und ISO 100 (17 min nach Sonnenuntergang aufgenommen).

Himmel: 73 Aufnahmen mit je 30 s bei Blende 2,8 und ISO 6400.

Die Ebenen mit den Sternschnuppen wurden um den Polarstern gedreht, sodass es aussieht, als ob die PerseidenMeteore ihm entspringen. Dazu gesellten sich noch weitere spontane Sternschnuppen.

Also beschloss ich die Farben bei den Nachtaufnahmen so zu belassen, wie sie waren, geriet aber sogleich in eine neue Zwickmühle, da die von der Kamera erfassten Farben mitunter sehr deutlich von meiner Vorstellung, wie die Farben auszusehen hätten, abwichen. So verbinden wir alle seit jeher den Himmel mit der Farbe Blau. Das Himmelsblau ist in unserem kollektiven Gedächtnis eingebrannt und so neigen wir dazu, es in unserer Erinnerung zu idealisieren und so einer Wahrnehmungsverschiebung zu unterliegen (denn die tatsächlich Farbe am Himmel war eine andere). Deshalb wissen wir auch ganz genau, wie dieses Blau auszusehen hat, damit es »natürlich« wirkt. Wenn wir an einem wolkenlosen Tag direkt nach oben schauen, so werden wir dort immer einen Blauton vorfinden. Machen wir das Gleiche nach Sonnenuntergang, so ist die letzte Farbe, die wir noch wahrnehmen können, ebenfalls Blau. Geht die Sonne wieder auf, ist die erste erkennbare Farbe abermals Blau. Folglich nehmen wir an, dass auch der Nachthimmel blau sei, obwohl wir seine Farbe eigentlich gar nicht erkennen können. Und tatsächlich erscheint bei Vollmond der Himmel tatsächlich blau, die Kamera sieht es genauso. In mondlosen Nächten hingegen ist der Himmel nicht blau. Die exakte Farbe variiert etwas und hängt von den Bedingungen in der Atmosphäre und der Entfernung zu Großstädten ab, doch oftmals ist es ein Grünton. Deshalb kann es sein, dass die von Ihrer Kamera erfasste Himmelfarbe deutlich von dem abweicht, was Sie in dieser Hinsicht als Erwartung aufgebaut haben. Werden Sie auch dann noch davon begeistert sein, dass Ihre Kamera für Sie unsichtbare Farben hervorbringt, oder aber werden Sie die Himmelsfarben so ändern, dass es sich richtig »anfühlt?«

Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten und ich werde später noch tiefer auf sie eingehen. Fürs Erste möchte ich es bei diesem Gedanken belassen: Bei Nacht in Farbe zu fotografieren ist wie tagsüber in Schwarz-Weiß zu fotografieren. Welchen Grauton sollte der Himmel mittags haben? Den, der gut aussieht! Welchen Blauton sollte der Himmel bei Mitternacht haben? Da Sie die Farbe selber nicht genau identifizieren können, haben Sie an dieser Stelle einen großen künstlerischen Spielraum.

Bei meiner nächtlichen Landschaftsfotografie geht es mir um Bilder, die meine Gefühle wiedergeben, wie ich sie unter dem prächtigen Sternenhimmel stehend empfand. Sie können es mir in dieser Hinsicht gleichtun oder auch einen eigenen Weg wählen. Doch ganz gleich, wie Sie sich entscheiden: Ich verspreche Ihnen, dass Ihre fotografische Reise in die Nacht ein spannendes und erfüllendes Abenteuer wird.

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Abb. 1–1 // Polarlichter über dem Mount Monolith im Tombstone Territorial Park im Yukon Territory in Kanada.

17.03.2015, 2:33 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM, 6 s bei Blende 2,8 und ISO 3200.

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Vorbereitungen für die Nachtfotografie

Für viele Menschen hat die Vorstellung, bei Nacht zu fotografieren, etwas Beängstigendes. Die Angst vor der Dunkelheit scheint in uns angelegt zu sein. Doch für die besten Aufnahmen des Nachthimmels müssen wir uns weit von den Lichtern der Stadt entfernen und damit auch von den Annehmlichkeiten der Stadt. Zu einigen geeigneten Aufnahmeorten für die Nachtfotografie führen Straßen, doch die besten Stellen lassen sich oft nur zu Fuß erreichen. Hat man das zuvor noch nie gemacht, können sich selbst vor einer kurzen Nachtwanderung Beklemmungen einstellen. Doch mit der richtigen Vorbereitung und angemessener Ausrüstung wird die Angst sehr schnell etwas Magischem weichen.

Wandern bei Nacht

Eine der wirksamsten Maßnahmen zur Überwindung der Angst ist, den anvisierten Aufnahmeort bereits bei Tageslicht zu inspizieren. Den Ort in der Mittagssonne kennenzulernen, macht das Arbeiten in der Dunkelheit sehr viel einfacher. Achten Sie schon dabei auf Gefahrenpunkte, die man in der Dunkelheit nicht mehr so leicht erkennt, etwa Klippen oder glitschige Flussufer. Merken Sie sich nach Möglichkeit bereits Orientierungspunkte entlang des Weges zum Aufnahmeort. Machen Sie sich klar, dass Sie hinten keine Augen haben: Auf dem Rückweg sieht der Weg ganz anders aus auf dem Hinweg. Drehen Sie sich daher bereits auf dem Hinweg immer wieder einmal um und merken sich den Anblick von Wegkreuzungen und anderen Orientierungspunkten, so wie sie auf dem Rückweg zum Auto aussehen werden. Lernen Sie, wie man sich mit Kompass und detaillierter topografischer Karte orientiert, und führen Sie beides stets mit sich. Wenn Sie ein GPS-Gerät besitzen, können Sie sich darin Wegpunkte am Auto, an wichtigen Weggabeln und am Aufnahmeort markieren. Falls es zu Ihrem Aufnahmeort fernab von Wegen und Pfaden quer durchs Gelände geht, sind Ihre Navigationsfähigkeiten zehnmal so stark gefordert. Und ganz egal, wo Sie hingehen, sollten Sie jemanden darüber informieren: über Ihr Ziel und wann Sie zurückerwartet werden können. Eingehendere Informationen zur Orientierung in der Wildnis und zum Gebrauch von Höhenmessern und GPS-Geräten finden Sie in meinem Buch Outward Bound Map & Compass Handbook, in dritter Auflage bei Falcon Guides erschienen.

Falls möglich, sollten Sie mit einer Begleitung nachts fotografieren gehen. Wenn unter Ihren Füßen plötzlich vertrocknete Äste knacken und Sie sich erschrecken, ist es sehr beruhigend, eine andere menschliche Stimme zu hören. Vier Augen sehen auch mehr als zwei, wenn es darum geht, Risiken abzuwägen oder andere Problemlösungen zu finden. Besonders in Notlagen, und sei es nur ein umgeknickter Fuß oder ein verdrehtes Knie, ist eine zweite Person sehr hilfreich. Aber auch in Sachen Fotografie stellt ein Partner eine Bereicherung dar, denn zwei Fotografen können sich über Kompositionsideen und Kameraeinstellungen austauschen.

Wenn Sie des Öfteren alleine unterwegs sind oder sich tief in unbewohntes Gebiet vorwagen, sollten Sie die Anschaffung eines GPS-Ortungssystems mit Notfallsender (GPS Beacon) in Betracht ziehen. Diese kleinen batteriebetriebenen Geräte können ein Notfallsignal in Verbindung mit Ihren Koordinaten absetzen, ohne dass dazu ein Mobilfunksignal nötig wäre. Dieses SOS-Signal wird dann zentral erfasst und an die nächstgelegene Such- und Rettungsstation weitergeleitet. So ein System trage ich schon seit ein paar Jahren mit mir herum.

Wenn es im Gelände richtig zur Sache geht, sollten Sie erwägen, sich evolutionär zu einem Vierbeiner zurückzuentwickeln und Wander- respektive Trekkingstöcke verwenden. Ich benutze sie schon seit über 20 Jahren tags und nachts. Sie mindern die Stolpergefahr und erleichtern es ungemein, von Stein zu Stein Bäche und Flüsse zu überqueren. Außerdem verringern sie die Belastung der Knie, indem sie einen Teil der Last beim Bergangehen auf Arme und Schultern verlagern. Sie haben mich unzählige Male davor bewahrt, dass ich mir das Fußgelenk verdrehe, die Knie aufschlage oder nasse Füße bekomme.

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Abb. 1–2 // Sternspuren über dem Ypsilon Mountain im Rocky Mountain Nationalpark in Colorado.

02.–03.08.2014, 22:37 Uhr bis 3:45 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM.

Landschaft: 59 s bei Blende 11 und ISO 400 (um 5:17 Uhr, 2 min nach nautischer Dämmerung).

Himmel: 304 Aufnahmen von je 59 s bei Blende 2,8 und ISO 200.

Eine helle Stirnlampe ist ein weiterer wichtiger Teil der Sicherheitsausstattung eines Nachtfotografen. Mein Exemplar leuchtet bei frisch geladenen Akkus die Umgebung 30 m weit annehmbar aus. Wenn ich alleine unterwegs bin, habe ich für Notfälle immer eine kleinere zweite Stirnlampe dabei. Nichts vertreibt die irrationale Angst vor Löwen, Tigern und Bären besser, als klar erkennen zu können, was da draußen wirklich los ist. Bei Nachtwanderungen sind Stirnlampen Taschenlampen vorzuziehen, weil man so die Hände für die Trekkingstöcke oder die Kamera frei hat. Einen großen Nachteil haben sie aber allerdings doch, weil ihr Licht, das aus der Nähe unserer Augen kommt, kaum Schatten wirft. Genau diese Schatten braucht unser Sehapparat jedoch, um Räumlichkeit und Tiefe wahrzunehmen. Wenn Sie also feststellen, dass es Ihnen schwerfällt, an schwierigen Stellen Ihres Pfades Hindernisse und Löcher im Schein Ihrer Stirnlampe zu erkennen, sollten Sie sie vorübergehend in der Hand tragen. Noch besser ist es, wenn Sie zusätzlich zur Stirnlampe am Kopf eine zweite (z. B. Fahrradlampe) am Gürtel tragen. Wenn Sie also eine Lichtquelle weiter weg von der Sehachse Ihrer Augen tragen, sehen Sie die Konturen des Weges viel besser. Auf was es bei der Wahl der richtigen Stirnlampe genau ankommt, erkläre ich im nächsten Kapitel.

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Abb. 1–3 // Der Fotograf Gordon Maclean kampiert in der Nähe des Talus Lake im Tombstone Nationalpark im Yukon Territory in Kanada.

19.03.2015, 4:45 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM, 10 s bei Blende 2,8 und ISO 3200.

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Abb. 1–4 // Die Milchstraße und die Long Peaks spiegeln sich im Bear Lake im Rocky Mountain Nationalpark in Colorado.

02.06.2014, 3:18 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM.

Landschaft: 90 s bei Blende 2,8 und ISO 6400.

Himmel: 30 s bei Blende 2,8 und ISO 6400.

Von einem wilden Tier angefallen zu werden, gehört zu den verbreitetsten Anfangsängsten unerfahrener von Nachtwanderer (und -fotografen). Gleichzeitig ist es auch die am wenigsten begründete. Ich treibe mich seit über 40 Jahren in den Bergen und Wüsten Colorados und Utahs herum und habe mich noch nie von einem Berglöwen oder Schwarzbären bedroht gefühlt. Damit soll nicht gesagt sein, dass es diese Gefahr nicht gäbe, doch ist sie viel kleiner, als sich die meisten Menschen vorstellen. Nach Wikipedia-Angaben wurden seit 1890 in Nordamerika gerade einmal 20 Menschen von Berglöwen getötet. Aus gleicher Quelle erfuhr ich, dass 15 Menschen in den in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts durch Schwarzbären umgekommen sind. Um diese Zahlen einmal ins Verhältnis zu setzen, sei gesagt, dass nach dem Bericht der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) jedes Jahr 50 Menschen durch Blitzschläge ihr Leben lassen. Was Grizzlybären angeht, liegen die Dinge etwas anders. Wollen Sie in deren Habitaten fotografieren, sind tatsächlich Vorsichtsmaßnahmen angebracht. Dort sollten Sie in Gruppen unterwegs sein und etwas herumlärmen, damit die Bären vorzeitig das Weite suchen, und zusätzlich Abwehrspray gegen Bären mit sich führen. Man kann diese Tiere allerdings nur in Alaska, Kanada und bestimmten Gebieten der nördlichen Rocky Mountains antreffen, und das auch nur in den warmen Monaten. Sollten Sie also im Winter dort Polarlichter fotografieren, haben Sie nichts zu befürchten.

Sich warmzuhalten, ist eine weitere wichtige Sicherheitsmaßnahme bei Nacht. Gerade Anfänger unterschätzen häufig, wie stark man unter dem Sternenhimmel die Kälte zu spüren bekommen kann. In Bewegung produzieren wir etwa fünfmal so viel Wärme wie im Stillstand. Beim stundenlangen Ausharren neben dem Kamerastativ kann es daher ungemütlich kalt werden. Selbst an einem kalten Tag tragen die Sonnenstrahlen einen erheblichen Teil zur Erwärmung bei. Fallen diese nachts dann weg, fühlt es sich bei gleicher Lufttemperatur viel kälter an. Ohne die isolierende Wolkenschicht sinkt die Temperatur nach Sonnengang rapide ab, und genau diese Nächte sind es ja, in denen wir am liebsten fotografieren.

Sich nachts warmzuhalten, bedeutet mehr Bekleidungsstücke mitzuführen, als man für nötig hält. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Oberkörper, vor allem aber auch Kopf und Hals, gut isoliert sind. Ich trage gerne eine Fleecejacke mit Kapuze und darüber eine Fleecemütze zusätzlich zu den weiteren Schichten, die ich jeweils für nötig halte. Natürlich sollten Sie auch die Beine gut warm halten. Sitzen Sie niemals dem Irrgauben auf, Sie könnten einfach eine warme Jacke überziehen und ansonsten einfach nur Jeans tragen, wenn es nachts Minusgrade hat, und dabei warm bleiben. Sobald die Temperaturen abfallen, benötigen Sie stets sowohl am Oberkörper als auch an den Beinen mehrere Schichten Kleidung. Bereits der kleinste Windhauch macht nachts einen Riesenunterschied. Sorgen Sie daher für winddichte Bekleidungsschichten an Oberkörper und Beinen.

Achten Sie darauf, die Bekleidung so zu wählen, dass Sie nicht schwitzend am Ziel ankommen. Dieser Schweiß würde eine Verdunstungskälte erzeugen, die Sie bis ins Mark frieren lässt, sobald Sie sich nicht mehr bewegen. Der schnellste Weg, kalt zu werden, ist vorher zu warm geworden zu sein. Sobald Sie das Gefühl bekommen in Schweiß zu geraten, halten Sie also besser an und entledigen sich einer Bekleidungsschicht.

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Abb. 1–5 // Polarlicht über dem Sukukpak Mountain und dem Dietrich River im Brooks Range in der Nähe von Wiseman in Alaska.

06.03.2016, 22:43 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 16–35 mm 1:2,8 L II USM. 4 s bei Blende 2,8 und ISO 3200.

Handschuhe, die einerseits bei Minustemperaturen die Finger warm halten und andererseits dünn genug sind, um die Knöpfe an der Kamera einfach zu bedienen, gibt es schlichtweg nicht. Meine Lösung besteht darin, schwere warme Handschuhe zu tragen und einen ungespitzten Bleistift mit einem guten Radiergummi an dessen Ende mitzuführen. Am Ende mit der Graphitmine bohre ich ein Loch und führe eine dünne Schnur dort hindurch, die ich dann am Stativ befestige. Mit dem Radiergummiende des Bleistifts kann ich dann die Knöpfe an der Kamera mit Leichtigkeit betätigen, und an den meisten aktuellen Kameras lassen sie die Drehknöpfe auch mit Handschuhen gut bedienen. Bliebe da noch die Bedienung eines kabelgebunden Fernauslösers mit Handschuhen. Bei diesem habe ich mir auf den Auslöseknopf ein kleines Stück eines Holzdübels geklebt. Mit Ausnahme des Wechsels von Akkus und Speicherkarten lässt sich mit etwas Übung alles mit dicken Handschuhen erledigen. Bei Temperaturen unter –20 °C habe ich auch immer Wärmekissen in meinen Handschuhen.

Damit Ihr kabelgebundener Fernauslöser nicht lose am Stativ herunterbaumelt oder gar durch Matsch, Sand oder Wasser beschädigt wird, können Sie auf dessen Gehäuserückseite ein Stück Klettband befestigen und das Gegenstück an einem Stativbein. Auf diese Weise haben Sie den Fernauslöser stets schnell zur Hand.

Wenn Sie nicht auf sich selbst achten, kann es sein, dass Ihnen auch die allerwärmste Kleidung nichts nützt. Laufen Sie nicht so schnell, dass Sie sich erschöpfen. Nehmen Sie sich etwas zu essen und ausreichend zu trinken mit, damit Sie nicht austrocknen. Wenn Sie in der Nähe Ihres Autos fotografieren, dann packen Sie gerne auch eine Thermoskanne mit heißem Kaffee oder Tee ein. In kalten Nächten sind heiße Flüssigkeiten kostbar wie Ambrosia. Falls Sie um 2 Uhr morgens aufstehen müssen, haben Sie sich auch zwei Frühstücksmahlzeiten verdient. Dazu noch ein Rat: Frühstücken Sie niemals vor Mitternacht. Sollten Sie vor Mitternacht aufstehen müssen, damit Sie Ihr Foto bekommen, essen Sie lieber etwas Süßes.

Vergessen Sie nicht, Erholungszeiten bei Ihren Reiseplanungen einzubauen. Die ganze Nacht aufzubleiben, kann einem sehr zusetzen. Gönnen Sie sich am Tag nach den Nachtfotos ein Schläfchen zwischendurch.

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Abb. 1–6 // Ein Milchstraßen-Panorama und das Goblin Valley im Goblin Valley State Park in Utah.

05.04.2017, 5:00 Uhr. Canon EOS 5D Mk III, Canon EF 35 mm 1:1,4 L II USM.

Landschaft: eine Reihe von Bildern aus sechs verschiedenen Kamerapositionen mit je vier Aufnahmen. Die Aufnahmen wurden in Photoshop als Bilderstapel übereinandergelegt und zur Rauschreduzierung mit dem Stapelmodus Median verrechnet, je 60 s bei Blende 11 und ISO 6400.

Himmel: zwei Reihen von Bildern aus sechs verschiedenen Kamerapositionen mit je vier Aufnahmen, die mit dem Programm RegiStar zueinander ausgerichtet und im Bildrauschen gemindert wurden; je 10 s bei Blende 1,4 und ISO 6400.

Klare dunkle Nachthimmel finden

Für hervorragende Nachtbilder muss man sich so weit wie irgend möglich von den Lichtern der Städte entfernen. Auf diversen Websites findet man farblich abgestufte Karten, auf denen der Grad an Lichtverschmutzung der jeweiligen Regionen verzeichnet ist. Schon eine Websuche mit dem Begriff »Lichtverschmutzungskarten« ergibt interessante, verwertbare Resultate. Zur Zeit der Drucklegung dieses Buches ist für Nordamerika die Seite http://darksitefinder.com eine der benutzerfreundlichsten.1 Sofern möglich, sollten Sie sich so weit wie möglich von Großstädten entfernen. Die Lichtkuppeln über Metropolen sind am Horizont noch aus über 80 km Entfernung gut zu sehen. Befinden sich dazu noch Wolken darüber, reflektieren diese das Licht und tragen es in die entsprechende Richtung noch weiter.

Haben Sie einen vielversprechenden dunklen Platz ausfindig gemacht, sollten Sie sich über das Wetter informieren. Mit einem zum Teil bewölkten Himmel lässt sich arbeiten, vor allem wenn der Mond sein Licht auf diese Wolken schickt. Am begehrtesten sind allerdings klare Himmel mit brillanten Sternen. Im Internet finden sich zwar viele Websites mit Wetterangaben, doch orientiere ich mich am liebsten an höchster Stelle, dem National Weather Service (NWS). Was mir dort besonders gefällt, sind die lokal eng begrenzten Vorhersagen. Diese können bis auf sechs Quadratkilometer genau sein. In der Ebene mag das weniger eine Rolle spielen, doch in den Bergen können ein paar Kilometer in horizontalen Ebene sich vom Tal auf 300 m Höhe bis zum Gipfel eines »Fourteeners,« also auf 4267 m Höhe erstrecken, sodass man den Eindruck gewinnen könnte, sie befänden sich auf unterschiedlichen Planeten.

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Abb. 1–7 // Gewitter über dem Longs Peak, vom Rock Cut auf der Trail Ridge Road aus gesehen, im Rocky Mountain Nationalpark in Colorado.

07.07.2016, 23:53 Uhr. Canon 5D Mk III mit Canon EF 70–200 mm 1:4 L IS USM, 10 s bei Blende 4 und ISO 3200. Zwei F&V HDV-Z96 LED-Flächenleuchten mit 85B-Warmtonfiltern davor für das Licht im Vordergrund.

Planen Sie Ihre nächtlichen Fotoexkursionen in Deutschland, ist die Website www.kachelmannwetter.de die für diese Zwecke beste. Durch die Werbefinanzierung ist sie zudem kostenlos. Geben Sie im Suchfenster Ihren gewünschten Ort ein und lassen Sie sich die detaillierte Vorhersage von Temperaturen, Niederschlag und Windgeschwindigkeiten anzeigen. Auf der interaktiven Karte erforschen Sie die Wetterdaten des Umfelds. Die für uns so wichtige Angabe des Bewölkungsgrads finden Sie, indem Sie im Hauptmenü über der Karte auf Messwerte/Klima und dort auf den für uns besonders relevanten Bereich Wolken gehen. Wählen Sie dort die Option Bedeckungsgrad des Himmels und im Kalender Datum und Uhrzeit aus. Wolken sind allerdings sehr schwer genau vorherzusagen, sodass Sie sich diesbezüglich auf Abweichungen zwischen Vorhersage und Realität gefasst machen müssen. Außerdem brauchen Sie ja für gute Bilder nicht unbedingt in alle Richtungen einen klaren Himmel, sodass eine Bewölkung unter 20 oder 30 Prozent ausreichende Erfolgschancen bietet. In den USA habe ich die Website des National Weather Service zurate gezogen: www.weather.gov.

www.cleardarksky.comwww.astrowetter.dewww.meteoblue.comSpeziell/Astronomical seeingcleardarksky.com