Einleitung –
Wähle also das Leben

Bei Seminaren für Führungskräfte fragen mich die Teilnehmer in der Gesprächsrunde oft, wie sie lernen können, gute Entscheidungen zu treffen. Viele von ihnen haben den Eindruck, dass sie ständig unter Druck stehen, etwas entscheiden zu müssen. Dieser Druck überfordert sie und kostet Energie.

Andere Menschen tun sich schwer, überhaupt etwas zu entscheiden. Sie brauchen Zeit, um eine Entscheidung treffen zu können. Sie möchten auf jeden Fall die richtige Entscheidung treffen und zweifeln deshalb immer wieder und fragen sich, was denn die richtige Entscheidung sein könnte. So suchen sie konkrete Wege, wie sie entscheidungsfreudiger werden und wie sie richtige und gute Entscheidungen treffen können. Vor allem fragen sie, wie sie erkennen könnten, was die richtige Entscheidung ist, und welche Übungen es gäbe, sich für eine Richtung zu entscheiden, wenn die Argumente für verschiedene Richtungen gleich stark wären.

Das Thema »Entscheidung« bezieht sich aber nicht nur auf die konkreten Planungen, die wir im Beruf oder auf unserem Lebensweg zu treffen haben. Jeden Augenblick unseres Alltags sollen wir uns entscheiden, entweder Opfer zu sein oder unser Leben selbst zu gestalten. Wir können uns für das Jammern oder für das Ändern, für den Ärger oder für innere Gelassenheit, für das Unglück oder Glück entscheiden.

Viele Bücher, die heute am Markt erscheinen, erwecken den Eindruck, dass wir alles in unserer Hand haben können, dass wir uns durch unsere Entscheidungen für gute Gedanken und Gefühle gleichsam selbst erschaffen dürfen. Das ist übertrieben. Und doch steckt in dieser Sicht ein Körnchen Wahrheit: Wir sind verantwortlich, mit welchen Gedanken oder Gefühlen wir auf das reagieren, was uns widerfährt.

In unserer Hand liegt die Entscheidung für oder gegen das Leben. So hat schon Gott den Israeliten vor die Entscheidung zwischen Leben und Tod gestellt: »Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst.« (Deuteronomium 30,19)

Die Wahl des Lebens ist nicht nur eine grundsätzliche Entscheidung, die wir einmal zu treffen haben. Vielmehr sind wir ständig herausgefordert, uns jetzt in diesem Augenblick für das Leben zu entscheiden. Religiös ausgedrückt bedeutet das auch: Sich jeden Augenblick für Gott entscheiden, für ein Leben entscheiden, das dem Willen Gottes entspricht.

Es gibt die großen Lebensentscheidungen. Bei ihnen geht es darum, zu heiraten oder nicht zu heiraten, diesen oder jenen Beruf zu ergreifen, die Arbeitsstelle und den Wohnort zu wechseln, in der Ehe zu bleiben oder sich scheiden zu lassen. Und es gibt die alltäglichen Entscheidungen: Ob ich jetzt dieses oder jenes kaufe, ob ich dahin oder dorthin fahre, was ich zuerst in die Hand nehme, wie ich auf die Bitten der Kinder reagiere, ob ich ja oder nein sage. Ständig sind wir vor Entscheidungen gestellt. Oft treffen wir sie, ohne vorher große Überlegungen anzustellen. Aber es ist doch auch hilfreich, sich seine Entscheidungen anzuschauen und nach Wegen zu suchen, wie ich sowohl die vielen kleinen als auch die großen Entscheidungen so treffen kann, dass ich im Einklang mit mir selbst bin.

So möchte ich in diesem Buch einige Gedanken zum Thema »Entscheidung und Entscheidungsprozess« darlegen. Wie immer frage ich zuerst die Bibel, welche Antworten sie dazu gibt, um dann von der geistlichen und psychologischen Seite aus einige Anregungen zu geben. Ich schreibe das Buch für die Menschen, die mir von ihren Schwierigkeiten erzählt haben, Entscheidungen zu treffen. Ihre Gedanken und Fragen habe ich beim Schreiben vor Augen.

Manche von Ihnen möchten vielleicht Gott und seinen Heiligen Geist in ihre Entscheidungen miteinbeziehen, aber es fehlen dazu passende Worte. Hierfür habe ich am Ende des Buches einige Gebete zu den verschiedenen Facetten des Themas formuliert, die Ihnen hier eine Anregung und Hilfe sein können.

Ich wünsche Ihnen und hoffe, dass Sie, liebe Leser und Leserinnen, auch für sich und Ihre Entscheidungen in diesem Buch Anregungen finden, die Ihnen ganz konkret weiterhelfen.

1
Entscheidung im Lukasevangelium

Der Evangelist Lukas schreibt sein Evangelium auf dem Hintergrund der griechischen Philosophie und Mythologie. Für die Griechen war das Thema »Entscheidung« ein zentrales Thema. Die griechische Heraklessage kennt zum Beispiel »Herakles am Scheideweg«. Herakles muss sich in dieser Erzählung zwischen der Sinnlichkeit und dem Vergnügen auf der einen und der Tugend (»arete«) auf der anderen Seite entscheiden.

Mit dieser Sage drücken die Griechen aus, dass jeder von uns vor die Entscheidung gestellt ist, sich für den leichten oder schweren Weg, für den Weg des oberflächlichen Vergnügens oder für den Weg der Tugend, für den Weg gelingenden Lebens zu entscheiden. Ob das Leben gelingt oder nicht, liegt in unserer Hand. Doch wir müssen zwischen dem Weg, der in den Abgrund führt, und dem Weg, der wahres Leben verheißt, wählen.

Für die Griechen ist der gute Weg der Weg der Tugend, der Weg, der dem Willen der Götter entspricht. Die Frau, die die Tugend verkörpert, verheißt dem Herakles kein leichtes Leben: »Wisse also, dass von allem, was gut und wünschenswert ist, die Götter den Menschen nichts ohne Arbeit und Mühe gewähren.« (Zitiert bei: Wickert 65)

Lukas hat den griechischen Gedanken der Entscheidung und des Wählens aufgegriffen und an vielen Stellen seines Evangeliums thematisiert. Auch die anderen Evangelisten schildern uns, dass Jesus die Menschen vor die Entscheidung zwischen Leben und Tod, zwischen Glauben und Unglauben gestellt hat. Doch im Lukasevangelium rückt das Thema »Entscheidung« ganz in den Mittelpunkt. So möchte ich mich hier auf das Lukasevangelium beschränken, um von der Bibel her Antworten auf die Frage nach gelingenden Entscheidungen zu bekommen.

Schon zu Beginn seines Evangeliums zeigt uns Lukas die beiden Möglichkeiten auf, wie wir auf die Botschaft des Engels reagieren können: Wir können wie Zacharias zweifeln oder wie Maria vertrauen. Wir können uns wie Zacharias mit rationalen Argumenten vor der Entscheidung drücken oder wir können uns wie Maria auf die inneren Impulse einlassen, die uns ein Engel eingibt.

Wenn wir uns mit Maria dafür entscheiden, uns auf diese inneren Impulse, die Botschaft Gottes, einzulassen, dann wird auch in uns Gott geboren und dann kommen wir mit unserem ursprünglichen und unverfälschten Bild in Berührung, das Gott sich von uns gemacht hat.

Der greise Simeon verheißt dem Kind Jesus, dass er zum Zeichen wird, das die Menschen zur Entscheidung zwingt: »Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.« (Lukas 2,34) An Jesus scheiden sich die Geister. Diesem Jesus kann man nicht unentschieden begegnen. Er fordert immer Entscheidung. Man kann Jesus nicht bequem vom Sessel aus betrachten und einfach so in seinem Leben weitermachen. Wenn wir Jesu Worte lesen, dann fordern sie uns heraus, aus dem unbewussten Dahinleben auszubrechen und bewusst und entschieden zu leben, uns für das Leben und für die Liebe zu entscheiden. Entscheidung hat hier mit Aufwachen aus dem Schlaf zu tun, in den wir uns eingelullt haben.

Jesus selbst wird in der Versuchung vom Satan vor die Entscheidung gestellt, entweder sich selbst und seinen Ruhm oder aber Gottes Willen zu wählen. (Vgl. Lukas 4,1–13) Wie Jesus sind auch wir ständig versucht, uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen und alles nur für uns auszunutzen. Da braucht es in jedem Augenblick die Entscheidung, Gott und nicht dem eigenen Ego zu dienen.

In seiner ersten Predigt in der Synagoge von Nazaret stellt er die Hörer vor die Entscheidung, seiner Botschaft zu folgen oder ihn abzulehnen. (Vgl. Lukas 4,16–30) Die erste Reaktion der Hörer war Begeisterung. Doch als Jesus sie vor die Entscheidung stellt, schlägt die Begeisterung in Ablehnung um. Ich kenne diese Versuchung: Ich möchte mich im Licht eines großen und bekannten Menschen sonnen. Aber sobald der mich vor eine Entscheidung stellt, weiche ich aus. Jesus stellt mich vor diese Entscheidung. Ich kann nicht einfach nur fromm über ihn meditieren. Ich muss mich entscheiden, ihm nachzufolgen oder meinen eigenen Weg zu gehen.

Das Thema Entscheidung zeigt sich vor allem in den Seligpreisungen und Weherufen. (Vgl. Lukas 6,20–26) Matthäus hat die acht Seligpreisungen als einen Weg der Weisheit beschrieben: Jesus zeigt acht Wege auf, wie das Leben gelingen kann.

Bei Lukas stellt Jesus keine Weisheitslehre auf, sondern spricht die Hörer direkt an. Dort heißt es nicht: »Selig, die arm sind im Geist«, sondern: »Selig, ihr Armen«. Er spricht die Armen, die Hungernden, die Weinenden und die von der Gemeinschaft Ausgeschlossenen an und verheißt ihnen Heil. Er sagt ihnen zu: Dein Leben kann sich ändern. Auch für dich ist Glück möglich. Es liegt an dir, wie du mit deiner Armut, deinem Weinen und deinem Hunger umgehst. Jesus macht den Ausgeschlossenen Mut, dass Gott auf sie schaut und dass sie im Vertrauen auf Gott mitten im Gehasstwerden durch die Menschen Seligkeit erfahren.

Man könnte diese Seligpreisungen Jesu auch noch anders verstehen. Man könnte sagen: Jesus sagt den verschiedenen Gruppen von Menschen zu, dass sie sich für das Leben entscheiden sollen. Ganz gleich, in welcher Situation sie sich befinden, können sie sich für die Seligkeit, für das Glück – oder aber für das Unglück, für das Weh und Ach – entscheiden.

Die Armen können nichts dazu, dass sie in Armut geraten sind. Aber sie können entweder jammern und klagen oder aber sich für das Reich Gottes entscheiden. Sie können auf die Armut reagieren, indem sie sie annehmen und sich von ihr auf Gott verweisen lassen. Wenn Gott in ihnen herrscht, dann wandelt sich ihre äußere Armut in inneren Reichtum.

Leider werden die Worte Jesu heute in manchen christlichen Kreisen anders gebraucht. Gerade von amerikanischen Pfingstlern werden die Armen beschuldigt, sie würden sich von einem Armutsdämon bestimmen lassen. Der Glaube solle dann den Armutsdämon vertreiben. Dann würden die Armen an Geld und Gütern reich werden. Der Glaube ist in diesem Verständnis ein Weg zu äußerem Reichtum. Jesus hat das anders verstanden. Der Arme kann seine äußere Armut oft nicht ändern. Aber er kann sich trotzdem dafür entscheiden, Gott in seinem Herzen zu suchen. Gott ist der wahre Schatz. Wenn Gott in mir herrscht, dann habe ich genug. Dann ist es nicht mehr so wichtig, wie viel Geld ich habe.

Zu denen, die hungern, sagt Jesus: »Ihr werdet satt werden.« Dies ist nicht nur eine äußere Verheißung. Jesus fordert die Hungernden auf, nach dem zu suchen, was sie wirklich sättigt. Auch wenn ich körperlich hungere, kann ich seelisch gesättigt werden. Ich bin nicht nur von äußeren Umständen abhängig. Viele bleiben heute in einer Erwartungshaltung stecken: Die anderen sollten sie doch sättigen. Doch das, was andere uns geben, kann nie unsere innere Leere füllen.

Wir brauchen eine andere Nahrung, die uns wirklich sättigt. Jesus spricht vom Wort, das aus dem Munde Gottes kommt und das uns mehr sättigt als Brot. Wenn wir das Wort Gottes in unser Herz fallen lassen, dann wird unsere Seele satt. Unsere tiefste Sehnsucht wird vom Wort Gottes angesprochen und erfüllt. Der wahre Hunger ist der Hunger nach Liebe und Zuwendung, nach Angenommensein und innerem Frieden. Diesen Hunger stillt nicht das Brot, sondern jenes Wort, das mir verheißt, dass ich bedingungslos geliebt bin.

Ähnlich ist es mit den Weinenden. Wenn Jesus ihnen zusagt, dass sie lachen werden, dann ist das nicht nur ein Versprechen, sondern zugleich eine Aufforderung: Du kannst dich auch für das Lachen entscheiden. Du kannst im Weinen steckenbleiben oder versuchen, das, was dich zum Weinen bringt, anders zu sehen. Manchmal ist das Weinen auch Ausdruck, dass wir es nicht ertragen können, wenn unsere Wünsche nicht erfüllt werden. Jesus ruft die Weinenden daher auf, sich über ihre Maßstäbe, Wünsche und Illusionen Gedanken zu machen.

Wenn uns jemand verletzt und kränkt, sind wir nicht nur Opfer. Wir können das Verletzende auch beim anderen lassen. Dann lachen wir über den, der uns mit Worten kränkt. Wir lachen ihn nicht aus, aber wir distanzieren uns im Lachen von seinem verletzenden Tun.

In gewisser Weise gilt der Grundsatz, dass wir uns in jeder Situation für die Freude entscheiden können. Wir sollen die negativen Gefühle dabei nicht verdrängen. Aber wir sollen sie relativieren.

Manche Menschen haben sich für das Jammern entschieden. Sie kreisen im Selbstmitleid immer um sich selbst. Und sie meinen, die anderen seien schuld daran, dass es ihnen so schlecht geht. Jesus schaut diese Menschen an und traut ihnen zu, dass sie sich für einen anderen Weg, für den Weg der Freude, entscheiden. Wenn ich mich von den kränkenden Worten löse, die mich zum Weinen bringen, und wenn ich dann in mein Herz zurückkehre, werde ich dort eine Quelle von Freude finden.

Meine Stimmung ist nicht nur von anderen abhängig. Ich bin selbst verantwortlich, von welchen Gefühlen ich mich prägen lasse. Dabei soll ich mich nicht unter Druck setzen und die negativen Gefühle verdrängen, als ob ich immer gut gelaunt sein müsste. Aber ich soll meine Traurigkeit und mein Weinen analysieren und fragen, ob dafür nicht infantile Bedürfnisse oder Illusionen, die ich mir von meinem Leben mache, letztlich die Ursache sind.

Die vierte Gruppe, die Jesus anspricht, sind diejenigen, die von den Menschen gehasst und beschimpft werden, die von der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Wir könnten sagen, das sind die, die gemobbt werden, die von anderen verachtet werden. Jesus fordert sie auf, sich zu freuen.

Das klingt wie eine Überforderung. Doch wenn ich verachtet werde, sollte ich mir klarmachen, dass die anderen ihre Probleme auf mich projizieren. Ich soll mich einerseits von ihren Projektionen innerlich befreien. Andererseits kann ich mich auf Gott verweisen lassen. Mein Grund, auf den ich mein Leben baue, ist nicht die Zustimmung der Menschen, sondern letztlich Gottes Liebe. Wenn ich so auf die Verachtung durch die anderen reagiere, hat sie keine Macht über mich.

Es liegt also wieder in meiner Entscheidung, wie ich auf das reagiere, was mich aus der Gemeinschaft ausschließt und mich verfolgt. Ich kann beim Mobbing in Selbstmitleid zerfließen oder aber ich kann die Situation als Herausforderung annehmen, innerlich zu wachsen. Dann erringe ich einen festen Stand, von dem aus ich das, was andere mit mir tun, beobachten kann, ohne umgeworfen zu werden.

Jesus verheißt denen, die von der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, einen großen Lohn im Himmel. Das klingt für uns wie eine Vertröstung. Doch es meint, dass wir jetzt, da wir von anderen Menschen verfolgt werden, in uns den Raum des Himmels entdecken können. Die Verfolgung zwingt uns, in uns einen Ort der Zuflucht zu entdecken, in dem wir den Himmel in uns erleben. Dort fühlen wir uns frei und geliebt, weil Gott in ihm wohnt.

Den Armen, Hungernden, Weinenden und Beschimpften zeigt Jesus Wege auf, wie sie sich für die Seligkeit, für das Glück, für die Freude entscheiden können. In den vier Weherufen, die den Seligpreisungen folgen, wendet sich Jesus an die Reichen, die Satten, die Lachenden und die von den Menschen Gelobten. Er spricht sie in der Du-Form an und mahnt sie: Dein Reichtum kann zunichte werden, dein Lachen sich in Weinen verwandeln und dein Sattsein in Hunger. Schau zu, dass du dich nicht allzu sicher fühlst. Dein Leben kann sich ins Gegenteil verwandeln. Nichts, was du jetzt hast, ist sicher. Du kannst dich nicht auf deiner jetzigen Situation ausruhen. Daher entscheide dich für das Leben.

Den Reichen sagt er: Wenn du dich nur von deinem Reichtum her definierst, dann hast du keinen anderen Trost mehr, dann verlierst du den Halt. Du hast nichts, auf das du wirklich bauen kannst. Also entscheide dich für das, was dein Leben wirklich trägt: Entscheide dich für den inneren Reichtum. Dem Satten sagt er: Wenn du deinen inneren Hunger mit Essen und Trinken zustopfst, dann wirst du innerlich immer mehr hungern. Also entscheide dich für das, was dich wirklich nährt. Und denke daran, dass nur Sattsein müde macht und träge und du in deinem Sattsein am Leben vorbeilebst. Entscheide dich für das Leben. Sonst wirst du von deiner inneren Leere zerfressen.

Den Lachenden ruft er zu: Passt auf, dass euer Lachen über andere sich nicht gegen euch selbst wendet, so dass ihr die Ausgelachten seid. Jesus verweist die Menschen auf die Folgen ihres Tuns. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Lachenden immer lachen. Sie werden weinen, wenn sie sich nicht für das Leben entscheiden.

Denen, die sich auf das Lob der Menschen verlassen, hält Jesus vor Augen, wie brüchig das Fundament des Lobes ist. Wir erfahren das heute täglich in der Gesellschaft: Menschen werden in den Medien hochgelobt und kurze Zeit später in die Hölle verdammt.

All das, worauf wir unser Leben bauen – Reichtum, Sattsein, Lachen und Anerkennung –, ist brüchig. Wir sollten uns daher für ein Fundament entscheiden, das trägt. Nichts ist sicher. Es braucht immer wieder von neuem die Entscheidung für das Leben. Wer sich für das Leben entscheidet, der ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf einen Felsen baut. Dessen Haus kann dann durch das Zerbrechen der Illusionen nicht zerstört werden. Es ist auf ein festes Fundament, letztlich auf Gott selbst, gebaut. Der kluge Mann hat die Worte Jesu nicht nur gehört, sondern auch danach gehandelt. Er hat sich entschieden, so zu leben, wie Jesus es ihm gesagt hat. Diese Entscheidung bietet ein Fundament, auf dem er sein Lebenshaus so errichten kann, dass es durch Krisen, durch Stürme, durch Anfeindungen von außen, durch Ablehnung und Verurteiltwerden nicht zerstört wird.

Lukas will mit diesen vier Seligpreisungen und den vier Weherufen sagen: Du musst dich entscheiden, ob du selig und glücklich werden willst oder ob du dir selbst schadest. Und er sagt: Ganz gleich, in welcher Situation du bist, ob in Armut oder Reichtum, bilde dir nichts darauf ein. Es kommt in jeder Situation darauf an, dich für Gott zu entscheiden. Nur dann wird dein Leben gelingen. Ruhe dich nicht aus, weder auf deinem Reichtum noch auf deiner Frömmigkeit, sondern entscheide dich jeden Augenblick für Gott. Und entscheide dich für den Weg, der wirklich zum Leben führt.

Man könnte auch die Worte der Feldrede bei Lukas als Aufruf zur Entscheidung für das Leben verstehen. »Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln.« (Lukas 6,27f) Feindschaft entsteht immer aus Projektion. Jemand projiziert etwas in mich hinein, was er bei sich selbst nicht annehmen kann. Es ist aber meine Entscheidung, wie ich darauf reagiere: Ob ich die Feindschaft annehme und dann gegen den Feind kämpfe oder ob ich die Projektion durchschaue, mich von ihr distanziere und im Feind den Hilfsbedürftigen und Ängstlichen sehe, der seine Angst auf mich projiziert.

Ich entscheide mich für eine ganz bestimmte Sichtweise. Es ist die Sichtweise der Liebe, die im Feind den Menschen sieht, der sich nach Liebe sehnt. Die Liebe ist eine aktive Reaktion. Wenn ich auf die Feindschaft mit Feindschaft reagiere, bleibe ich in der Passivität stecken. Ich lasse mir vom Feind die Reaktion aufdrängen.

Jesus zeigt uns drei Weisen, wie wir aktiv auf die Feindschaft eines anderen reagieren können. In jeder dieser drei Reaktionen entscheiden wir uns, aus der Opferrolle auszusteigen und selbst zum Handelnden zu werden, der die Situation, in die er passiv geraten ist, aktiv zu verwandeln vermag.


Kluge Entscheidungen verlangen jedoch »providentia«: das Vorausschauen. Nur wenn ich das Ziel vor Augen habe, kann ich für den Augenblick kluge Entscheidungen treffen. Dabei betont Thomas, dass die Klugheit keine Gewissheit über die Wahrheit ist und dass sie deshalb die Sorge um die Folgen der Entscheidung nicht aufzuheben vermag. (Vgl. Pieper 39) Wer Gewissheit möchte, würde nie zu einer Entscheidung kommen.

Klugheit ist für Thomas von Aquin gerade das Gegenteil der »astutia«, der Verschlagenheit, der es nur um das Taktieren geht. Die Klugheit wählt den Weg, der der Wahrheit entspricht und der den Menschen zum wahren Leben führt. Für Josef Pieper gehört es zum Wesen der Entscheidung, »dass sie nur von dem getroffen werden kann, der eben in diese Entscheidung gestellt ist«. (Pieper 60) Und zugleich gilt: Ich entscheide nicht nur für etwas oder gegen etwas, ich entscheide immer mich selbst. Entscheidung trifft immer die Person selbst, die sich für oder gegen etwas entscheidet.

Was mit Entscheidung gemeint ist, drückt die Bibel oft mit dem Begriff des »Wählens« aus. Schon das Alte Testament stellt uns vor die Entscheidung, zwischen Tod und Leben zu wählen. Im Psalm 119 sagt der Beter: »Ich wählte den Weg der Wahrheit.« (Psalm 119,30) Im Lukasevangelium sagt Jesus von Maria: »Maria hat den guten Teil gewählt. Der soll ihr nicht genommen werden.« (Lukas 10,42) Maria hat eine Entscheidung, eine Wahl getroffen. Sie hat sich für das Zuhören und gegen das Bedienen entschieden. Marta, ihre Schwester, war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Sie hätte lieber gehabt, Maria hätte ihr geholfen. Das ist die normale Tätigkeit einer Hausfrau, sobald Gäste kommen. Doch Maria hat sich anders entschieden. Sie wollte zuerst hören, was Jesus zu sagen hat.

Wir meinen oft, wir müssten das tun, was von uns erwartet wird. Aber oft sind es unsere eigenen Erwartungen, denen wir dann folgen. Wir folgen nicht dem Herzen, sondern dem, was üblich ist. Maria hat sich entschieden, das zu tun, was der Gastfreundschaft noch mehr entspricht: auf das zu hören, was der Gast zu sagen hat. Jesus antwortet der Marta auf ihre Bitte, er möge doch Maria sagen, dass sie ihr helfen solle: »Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt. Der soll ihr nicht genommen werden.« (Lukas 10,41)

Während wir oft wie Marta im vielen aufgehen und uns davon zerreißen lassen, hat Maria den guten Teil gewählt: das Eine, das Einswerden. Indem sie auf Jesus gehört hat, ist sie mit dem Wort und mit sich selbst eins geworden. Bei allem, was wir tun, sollten wir uns immer für das Eine entscheiden, auf das es ankommt, dass wir eins werden, in Einklang kommen mit unserem wahren Wesen.