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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Ich sehe, wie drei Kids gegen ein Fabelwesen kämpfen

Die Party wird der Horror

Die Neue verhält sich eigenartig

Ich erfahre, dass ich nicht ‚normal‘ bin

Das Half Soul House

Mein erster richtiger Kampf

Mein erstes Training

Der Schock

Ein Axtmann in meinem Zimmer

Let’s go!

Attackiert von komischen Busgästen

Wir übernachten in einem Gratishotel

Ein unglaublicher Moment

Meine halbe Seele erwartet etwas von mir

Hallo Jenseits

Wachen werden freigelas-sen

Streit im Flugzeug

Levi nervt immer mehr

Ich schreibe mit Mom

Hauptfiguren:

Autorin:

Zusammenfassung

Impressum

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.

© 2017 united p. c. Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-7103-3146-6

ISBN e-book: 978-3-7103-3228-9

Umschlagfoto: https://pixabay.com/

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: united p. c. Verlag

www.united-pc.eu

Ich sehe, wie drei Kids gegen ein Fabelwesen kämpfen

„Anny, komm, beeile dich!“, stresste mich Dads Schwester.

Ich seufzte und schaute mich in meinem Spiegel an. Meine langen braunen Haare hatte ich zu einem hübschen Zopf geflochten.

Da ich 14 Jahre alt bin und in die 8. Klasse gehe, schminke ich mich ein wenig. Ich tusche meine Wimpern, mehr brauche ich nicht. Meine funkelnden blausilbergrauen Augen kommen so noch mehr zum Ausdruck.

Aus meinem Schrank zupfte ich meine gebleichten Jeans, das blaue T-Shirt und ein luftiges weiss-rot-blau kariertes Hemd und rannte runter in die erste Etage.

Ach ja, mein Name ist Anny, Anny Brev.

Die Schwester meines Dads stand stinkwütend vor mir.

Ihre Haare sind rabenschwarz, ihre Augen nachtblau und ihre Haut eher dunkel. (Meine Haut ist nicht zu dunkel, auch nicht zu hell, also perfekt.) Genau einen Kopf grösser als ich ist sie, und wie so oft trug sie eine Jeansweste mit einem gelben T-Shirt darunter und einer grauen Jeanshose dazu. Manchmal fühlt sie sich wie eine Diva. Sie heisst Jelly, und immer, wenn ich Jelly Splash spiele und Jelly sage, kommt sie auf mich zu und fragt, warum ich ihren Namen erwähne. Jellys Nachname ist Masher, so heisst auch mein Vater. Aber ich trage den Nachnamen meiner Mom, die ich bis anhin noch nie gesehen habe. Wir wohnen in einem modernen Haus in New Jersey. Und wann immer ich Mom erwähne, wechselt Dad sofort das Thema.

Ich blickte Jelly hungrig an und rieb meinen Bauch. „Gibt es bald Frühstück?“

Jelly verdrehte ihre Augen. „Du kennst die Regeln, Anny. Wenn du zu spät runterkommst, dann gibt es nichts. Schau mal auf die Uhr.“

Ich holte mein Handy aus der Hosentasche. Es war 06:31 Uhr. „Es ist halb“, sagte ich. „Wenn ich um halb unten bin, bekomme ich mein Frühstück.“

„Nein!! Es ist EINS NACH HALB! Levi wird dich jeden Moment abholen. Und nächstes Mal machst du bitte schneller vorwärts als heute und bist pünktlich, Madame.“ Sie sah mich dabei mürrisch an.

Dad war bereits auf der Arbeit. Ich seufzte.

Unser Haus ist sehr hübsch. Die Küche, das Wohnzimmer, das Badezimmer und, und, und ... Alles ist neu und das meiste aus weissem oder grauem Leder oder aus Stein. Ein paar Möbel wie zum Beispiel die Kommode, der Esstisch, das Bücherregal und der Kleiderschrank sind aus Holz. Unser graues Ledersofa ist extrem bequem. Oke, mein Vater ist Anwalt, natürlich haben wir viel Geld.

Ich hatte grossen Hunger und ging kurz auf WhatsApp, um meinem besten Freund Levi zu schreiben. Ich bat ihn, Geld mitzunehmen.

Kurze Zeit später klingelte es an der Tür. Sofort rannte ich hin und öffnete sie. Levi stand vor mir und lächelte. Seine dunkelbraunen Haare waren zerzaust, doch er sah süss aus.

Levi hat wunderschöne hellblaue Augen. Seine grosse schwarze Brille steht ihm besonders gut. Er ist ein wenig grösser als ich und seine Haut leicht heller als meine. Er ist ebenfalls 14 Jahre alt, und wir gehen in dieselbe Klasse. Wir kennen einander seit dem Kindergarten. Seither sind wir beste Freunde, auch wenn wir teils sehr verschieden sind. Ich bin die Sportliche und muss mich ständig bewegen, da ich manchmal zu Hyperaktivität neige und schnell aggressiv werde.

Levi dagegen ist eher ein Sportmuffel und ein ruhiger Typ. Er regt sich nicht derart schnell auf wie ich.

„Hey, Alte, ich habe Geld dabei“, sagte er leise.

Ich war erleichtert. „Yes, danke!“ Ich packte meine schwarze Jacke. „Ich gehe, Jelly!!“ Man hörte wieder einmal Jellys Grummeln aus der Küche. Die Tür knallte ich hinter mir zu. Draussen war es noch dunkel. Es war ein Freitag im Oktober. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Levi und ich liefen die Strasse entlang und quatschten. „Was haben wir heute eigentlich in der Schule?“, fragte ich.

Levi überlegte. „Ich glaube Naturkunde, Mathe und Sport.“

„Oooch, warum Mathe?!“, stöhnte ich.

Levi zuckte mit den Schultern. „Hast du die Einladung von Debby auch bekommen?“, fragte er mich. (Debby = Klassenzicke, Schönheitsqueen der Schule, Fühlerin, Diva, stinkreich!)

Ich runzelte die Stirn und guckte Levi komisch an. „Einladung?“

„Ja, Debby macht morgen eine Party bei ihr zu Hause, und sie lädt alle von unserer Klasse ein, also auch dich.“

„Debby und mich einladen? Nein, das glaub ich nicht, sie hasst mich, und ich finde, sie ist eine Zicke“, zischte ich.

Levi zögerte. „Aber heiss ist sie“, murmelte er, und ich verpasste ihm eine nicht überhörbare Klatsche auf den Arm.

„Hallo? Du verdienst eine Bessere als SIE!! Sag mir jetzt einfach nicht, dass du sie magst?!“ Fassungslos starrte ich Levi an, und er strich sich verlegen durchs Haar.

„Kann man so nicht sagen. Ich mag sie schon, und natürlich hätte ich gerne eine Freundin, aber ...“

„Was aber?“, fragte ich aufdringlich, und Levi wusste im ersten Moment nicht, was er dazu sagen sollte.

„Debby hat Geld. Sie wäre schon die Perfekte für mich, aber sie ist mir doch zu reich und zu hochnäsig.“

„Willst du damit sagen, dass Mädchen, die Geld haben, dumm und zickig sind?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich meine nicht dich, sondern Debby. Sie ist zu geldsüchtig, du nicht, und das ist gut so.“

Jetzt war ich aber erleichtert.

„Und du? Hättest du eigentlich gerne einen Freund?“

„Nee, ist nicht mein Ding, ich bleibe solo.“

„Aber du kommst zu Debbys Party, wenn du eine Einladung kriegst, oder?“, hakte Levi nach und schaute mich hoffnungsvoll an.

Ich schloss leicht meine Augen. „Ja, ich komme, aber du auch!“, meinte ich mürrisch.

Lächelnd nickte Levi.

Wir blieben vor der Bäckerei stehen. Levi ging dann doch rein, um uns einen köstlichen Berliner zu kaufen.

Schnell ass ich ihn auf. Er war so lecker, dass ich es nicht lassen konnte, meine Finger abzulecken, die mit Marmelade und Puderzucker verschmiert waren.

Nach ein paar Minuten erreichten wir das Schul-haus.

Unser Schulhaus heisst NJ High School und ist von stolzer Grösse. Es ist dreistöckig, aus weissem Beton gebaut und macht einen äusserst gepflegten Eindruck. Die erste bis siebte Klasse ist jedoch in einem anderen Schulgebäude unter-gebracht, das gleich nebenan ist. Wir alle haben denselben Pausenplatz. Die Schüler der achten bis zehnten Klasse gehen ins weisse Schulhaus.

Eigentlich gibt es da nur blaue Spinde, die fast alle mit Graffiti besprayt wurden. Mein Spind ist eisblau mit pinken Sternen und der von Levi neongrün mit einer schwarzen Brille besprüht. Die Glasein-gangstür ist stets offen. Oberhalb der Tür prangt eine unübersehbare Digitaluhr.

Unser Pausenhof hat genügend Platz zum Ver-weilen, und es gibt sehr viele Bänke zum Chillen. Levi und ich haben eine Bank, die nur uns gehört, also sozusagen reserviert für uns ist. Ausserdem gibt es einen tollen Fussball-, Basketball- und Volleyballplatz.

Gleich neben dem Schulhaus befindet sich ein beachtlicher Unterstand. Dort dürfen wir uns aufhalten, wenn es regnet.

Levi und ich liefen ins Schulhaus und begaben uns zu unseren Spinden.

Unsere Spinde liegen nebeneinander und direkt neben unserem Klassenzimmer. Der Boden des langen und breiten Flurs ist aus Holz und die Wand aus weissem Beton. Die Spinde sind an der Wand festgeschraubt, und der ganze Flur ist von Türen gesäumt.

Aus meinem Spind nahm ich mein Mathebuch und das Naturkundebuch heraus und knallte ihn gleich wieder zu.

Wie aus dem Nichts tauchte Debby neben mir auf. Ich erschrak und fuhr zusammen.

Debbys Haare sind hellbraun, leicht gewellt und gehen bis zu ihrer Brust. Ihre Augen sind smaragd-grün, und ihre Haut ist leicht dunkler als meine. Debby ist extrem schlank, fast dünn. (Oke, ich bin auch schlank, aber ich besitze noch Muskeln, die ich trainiere und brauche, Debby hingegen nicht.) Ihre Wimpern hat sie verlängert und angemalt. An jenem Tag trug sie ein weisses T-Shirt mit einem Jeansgilet darüber und graublaue Jeans. Wir haben beinahe dieselben Skechers, sie pinke und ich graue.

Debby kaute widerlich auf einem Kaugummi. „Ich gebe morgen eine Party, und du bist herzlich eingeladen“, murmelte sie.

„Cool ... Ich komme.“

Sie verdrehte unhöflich ihre Augen und lief davon.

„So eine eingebildete Kuh!“, brummte ich.

Levi schloss schmunzelnd seinen Spind ab, und wir gingen ins Klassenzimmer.

Als der Unterricht endlich zu Ende war, machten Levi und ich uns zusammen auf den Heimweg.

„Anny, was ziehst du morgen an?“

„Weiss nicht. Vielleicht kaputte Jeans, das blaue, luftige T-Shirt, eine Jeansjacke und mehr muss ich ja nicht.“

Levi erzählte mir dann irgendetwas Belangloses. Ich sah mich um und überlegte, ob ich noch etwas Besseres aus meinem überfüllten Kleiderschrank anziehen könnte.

Da sichtete ich etwas Merkwürdiges. Ein Mädchen mit knallblauen Augen, einer natürlichen, hellen Hautfarbe und schwarzen Haaren stand etwa zehn Meter von Levi und mir entfernt. Ihre schulterlan-gen Haare waren frech durchgestuft. Sie schaute sich nervös um.

Ich zupfte Levi am Arm.

„Aua, was soll das?“, fragte er sauer und rieb sich seinen Arm.

Ich zeigte auf das Mädchen.

„Was ist mit der?“

„Schau auf ihre Hose! Da glänzt doch irgend-etwas.“

„Ist das ein Messer?“

Ich zuckte mit den Schultern.

In diesem Moment erspähte uns das Mädchen. Wir fuhren zusammen und taten so, als hätten wir sie nicht gesehen. Ich schaute kurz und unauffällig zu ihr, das Mädchen sah sofort wieder weg.

„Tut mir leid, Anny, aber ich gehe jetzt nach Hause“, laberte Levi zu meiner Verwunderung und rannte schleunigst davon.

Das war schon ziemlich feige von ihm. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich fürchtete. Welch ein Angsthase!

Hinter einem Baum versteckte ich mich und schlich mich näher an das Mädchen heran. Ich beobach-tete, wie sie in eine Gasse blickte.

„Jay?!“, rief sie, doch niemand gab Antwort. „JAY?!! CLOR?!!“, brüllte sie lauter.

„Alter, Clavia, halt deinen Mund! Der Soulkiller muss hier irgendwo sein!“, schrie eine Jungen-stimme zurück.

Ich musterte nochmals das Mädchen.

„Ja, wegen dem rufe ich auch nach euch!!“

Hinter einem Haus erschien ein Junge mit dunkel-braunen und verstrubbelten Haaren. Seine Frisur glich einer Löwenmähne. Seine Augen leuchteten grünsilbern, und er sah richtig süss aus. Seine Haut hat sogar den gleichen Teint wie meine.

Er trug eine coole Elvis Presley-Lederjacke, moderne Bluejeans und graue Sneakers. Mir verschlug es beinahe den Atem, er sah derart gut aus.

„Was hast du gesehen, Clavia?“, fragte der hübsche Junge.

„Dort drüben hat sich vorhin etwas bewegt“, sprach sie hastig und deutete in die Gasse.

„Clor, komm mal!“, rief der Junge.

Ein zweiter Junge mit goldblonden Haaren und braungoldenen Augen kam angerannt. Er war ziemlich blass. Seine Haare trug er ein wenig länger als der andere Junge. Ich schätzte ihn und die anderen auf etwa 14 Jahre. Er trug eine dunkelblaue Jacke, eine schwarze, kaputte Hose und blaue Turnschuhe.

„Was hast du gesehen, Clavia?“, fragte er.

„Etwas ist in dieser Gasse, und du hast heute die Lockvogel-Karte gezogen. Also los, Clor, schau, was dort hinten los ist“, sprach der süsse Junge dazwischen.

Clor knurrte und schlug dem anderen Jungen auf den Hinterkopf. „Du bist so asi, Jay!“

Ich blickte die drei an und merkte mir die Namen.

Das Mädchen heisst Clavia, der heisse Junge Jay und der andere Boy Clor. „Was sind denn das für Namen? Jay klingt normal, aber Clor und Clavia, das sind doch keine natürlichen Namen“, murmelte ich leise.

Ich studierte die drei genauer. Da sah ich, wie Clor plötzlich ein silbernes Schwert in der Hand hielt. Mein Herz pochte, und ich zitterte.

Schande!, dachte ich.

Clor bewegte sich langsam auf die dunkle Gasse hin, in der ich einen wild hin und her bewegenden schwarzen Schwanz entdeckte. Er sah scharf und bedrohlich aus. Ich fürchtete mich.

„Hey, Soulkiller“, sagte Clor.

Soulkiller?, fragte ich mich und schaute genauer zu Clor hin.

Clavia und Jay hielten ein Messer in der Hand, Jays Messer war speziell gewellt. Sie näherten sich zögernd Clor.

Aus heiterem Himmel sprang ein Fabelwesen auf Clor zu. Es war eine Mischung aus Ratte, Katze, Mensch und Oktopus. Sein Gesicht glich dem einer Ratte, und es fauchte. Es spuckte schwarzen Speichel auf Clor, der sein Gesicht verzog. Der Körper war ausser den acht Armen nicht beson-ders auffällig. Es trug ein Fischerhemd. Die Beine waren stark behaart wie bei einer Katze. Der spitze Schwanz schien besonders gefährlich zu sein.

Clor wischte sich den ekligen schwarzen Speichel aus dem Gesicht. „LEUTE!!“, schrie er.

Clavia und Jay rannten auf das Fellvieh zu. Clavia packte es an zwei Händen und schnitt einem Arm die Hand ab. Das Fabelwesen brüllte wie am Spiess.

Jay gelang es mit Müh und Not, Clor zu befreien. „Ich habe heute die Befrei-Deine-Freunde-Karte gezogen“, meinte er und zwinkerte Clor zu. Er packte das Fabelwesen an den Schnurrhaaren, zog es nach unten, und mit einem Ruck riss das Fellmonster Clavia das Messer aus der Hand. Das Vieh warf es in Jays Richtung und traf ihn prompt an der Schulter. Jay biss sich tapfer auf die Lippe und schlug dem Monster in die Fratze. Clor packte es an zwei Händen und schmetterte es auf den Boden. Clavia zog zwei Seile aus ihrer Tasche und fesselte damit das Fabelwesen.

Es wälzte sich brummend am Boden, war ausser sich und fauchte Jay böse an. Jay rammte sein Messer in dessen Bauch, und endlich verstummte es.

Geschockt sah ich die drei an und begab mich behutsam in ihre Nähe. Ich wollte mich an den drei vorbeischleichen, doch Clavia entdeckte mich.

„Hey, Moment mal, das ist doch dieses Mädchen, das ich vorhin gesehen habe!“

Jay und Clor musterten mich von oben bis unten. Das gefiel mir gar nicht. Als ich wegrennen wollte, packte mich Clor am Arm und zog mich zurück. Wütend sah ich ihn an, aber er liess mich nicht los. Ich kniff ihn und schlug ihm auf seine Hand. „Alter, du tust mir weh!“, zischte ich.

„Hast du uns gestalkt?“, wollte Clor wissen.

Ich gab ihm keine Antwort.

Er drückte seine Hand noch mehr zusammen, so stark, dass ich ihm eine schallende Ohrfeige verpasste.

„Ich habe gesagt, dass du mir wehtust!!“, brüllte ich ihn an.

Er wollte zurückschlagen, doch ich wehrte seine Hand reflexartig vor meinem Gesicht ab. Sprachlos guckte er mich an. Ich boxte ihm in den Bauch. „Oh sorry, du hast wohl nicht gewusst, dass ich Selbstverteidigung und Kickboxen mache. Also halt dich fern von mir!“, sagte ich selbstbewusst.

Clors Blick war genervt. Clavia und Jay standen plötzlich neben mir. Das Fabelwesen lag k.o. am Boden.

Angespannt machte ich ein paar kurze Schritte zurück und rannte so schnell ich konnte davon. Ich erkannte nur noch, wie Jay und Clavia etwas besprachen.

Die Party wird der Horror

Zu Hause setzte ich mich erst mal hin und atmete tief durch. „Oke Anny, das hast du nie gesehen! Alles nur Einbildung!“, redete ich mir ein und klatschte mir die Hände an die Stirn. „Oh mein Gott!!“, rief ich ausser Atem.

Jelly hörte mich. „Was ist los, Anny?“ Sie stand bereits neben mir.

„Ich habe etwas sehr Merkwürdiges gesehen!“

„Erzähl, Anny.“

„Nein, ich kann das nicht beschreiben. Ich möchte einfach nur in mein Zimmer.“

Ich liess mich auf mein Wasserbett fallen und überlegte, ob das alles wirklich geschehen war. Auf meinem Handy versuchte ich, das Fabelwesen zu googeln. „Nichts!“, wisperte ich enttäuscht und schloss meine Augen. Im Bett wälzte ich mich hin und her und konnte unmöglich einschlafen. Gereizt ging ich zum Boxsack in der Zimmerecke, ballte meine Hände zu Fäusten und schlug mit all meiner Kraft auf ihn ein. „Anny, beruhig dich!“, sagte ich genervt zu mir und schlug mit dem Fuss in den Boxsack. „Es ist nur Einbildung, mehr nicht!“ Mit meinen Händen und Füssen schlug ich so lange auf den Sack ein, bis ich nicht mehr konnte. Ich stampfte auf den Boden.

„Ich habe es mir nicht eingebildet!! Alles ist wahr!!“, schrie ich und stapfte wütend von rechts nach links.

„Grrr, was ist nur mit mir los?! Warum bin ich derart wütend?!“

Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Aufgeregt musterte ich mich im Spiegel und schimpfte mit mir selber. „Anny?! Ich sehe etwas Unnatürliches und sage, dass es wahr ist. Hehe, das hat jetzt lustig geklungen.“ Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Mindestens eine halbe Stunde lang zerbrach ich mir den Kopf wegen dieses Fabelwesens und der drei Teenager. Irgendwann wurde es mir zu bunt, denn ich sollte mich endlich ausruhen. Glücklicherweise fand ich diesmal schnell den Schlaf.

Nicht lange dauerte es und mein Wecker klingelte. Ich schnaubte kurz, stand auf und zog meine blauen, kaputten Jeans, ein weisses, schlichtes

T-Shirt und meine Jeansweste an. Schlecht gelaunt ging ich nach unten, und dieses Mal war ich gottlob alleine zu Hause. Ich war sehr müde, hatte keinen Hunger und trank nur ein Glas Milch. Irgendwie fühlte ich mich nicht sehr wohl. Als ich meine Füsse in meine grauen Sneakers steckte, klingelte auch schon Levi an der Tür.

„Party Time!“, frohlockte er.

„Levi, ich habe später Kickboxtraining, das möchte ich ungern sausen lassen. Darum muss ich spätestens um vier Uhr gehen können.“

Er verstand mich.

Ich schloss die Haustür hinter uns ab, und wir verliessen zusammen das Haus. Wir gingen in Richtung Stadt.

Die reiche Debby wohnt in einer Villa am Strand. Sie und ihre Familie haben einen eigenen Strandplatz, wo nur sie baden dürfen. Die Villa ist ultramodern und zweistöckig. Debby hat sogar ihren eigenen Pool und eine riesengrosse Terrasse.

Von Weitem hörten wir bereits laute Musik. Ich war schlecht drauf.

„Hey, freu dich zumindest ein wenig. Unsere dritte Party!“, jubelte Levi, und ich stellte fest, dass er das Gleiche trug wie einen Tag zuvor. Er sah cool aus.

„Hast du dich extra hübsch gemacht für heute? Du weisst schon ... wegen den Mädchen“, fragte ich ihn schmunzelnd.

„Wahrscheinlich“, entgegnete er kurz und bündig.

Wir beide kicherten.

Da standen wir nun vor dieser supermodernen Villa. Die Musik klang noch lauter, und wir ent-deckten schon die ersten Teenager. Ich fühlte mich noch immer unwohl, und mein Kopf schmerzte leicht.

Levi merkte, dass ich mich nicht allzu gut fühlte. „Geht es dir nicht gut, Anny?“

Ich schüttelte kurz den Kopf. „Alles ist gut, danke Levi.“

„Aber du bist so blass.“

„Nein, nein, das ist nur wegen dem Sonnenlicht.“

„Es ist bewölkt, Anny!“ Levi guckte mich skeptisch an.

„Mir geht es gut, wirklich ...“

Levi drückte auf die Hausklingel. Es ging ziemlich lange, bis Debby uns öffnete. Sie hatte sich auffällig stark geschminkt und trug Partykleider. „Heyyy, da seid ihr endlich!“, rief sie überschwäng-lich und umarmte uns. Debby schwankte von der einen auf die andere Seite.

„Bist du betrunken?“, fragte ich sie.

„Ich doch nicht ... hicks“, entgegnete sie mit hochgezogenen markanten Augenbrauen. Sie lachte doof, und endlich machte sie uns Platz.

Wir traten ein. Drin sah ich keine Möbel, sondern nur wild herumtanzende Teenager. Die Musik war extrem laut, und Debby tanzte uns davon.

„Ist es oke, wenn ich mich hinsetze?“, fragte ich Levi.

„Ja klar!“

Ich bewegte mich von ihm weg und drängelte mich durch die Teenagermasse. Auf einer freien Couch versuchte ich es mir wenigstens ein wenig gemüt-lich zu machen. Direkt neben der Couch stand eine Steinlampe.

Ich liess einen Seufzer los, weil mein Kopf immer stärker pochte. Es ging mir überhaupt nicht gut, und mein Körper schmerzte. Von Weitem erkannte ich Levi mit einem Glas Wasser in der Hand. Er kam auf mich zu.

„Hier, Alte“, sagte er und reichte es mir.

Levi nennt mich Alte, weil ich genau einen Monat älter bin als er.

Ich bedankte mich bei ihm und trank mit einem Schluck alles aus.

„Geht es dir wirklich gut?“, fragte er mich erneut besorgt.

„Ja, danke, alles ist gut.“

Ohne Vorahnung durchzuckte ein Zwick meinen Körper. Ich fuhr zusammen. Levi hatte sich inzwischen wieder auf die Tanzfläche begeben. Kurz danach folgte der zweite Zwick. Es tat höllisch weh. Die Lampe neben der Couch schien sich selbstständig zu machen. Sie flog direkt auf mich zu und prallte auf meine Hand, die einen grossen Schnitt abbekam. Niemand nahm das wahr. Ich riss mich zusammen und biss mir auf die Lippe. Da durchfuhr mich erneut ein Zwick.

Ich stand auf und rannte in den zweiten Stock, um das Badezimmer aufzusuchen. Es war niemand da, ausser dass ich in einem Raum ausgerechnet Clavia, Clor und Jay wiedererkannte.

Sie redeten miteinander, und ich ging unbemerkt an ihnen vorbei. Da zwickte es mich schon wieder. Ich knallte unverhofft gegen die Wand. Clavia, Clor und Jay mussten den Aufprall gehört haben und blickten in meine Richtung. Ich schwitzte, und die Schmerzen trieben mir Tränen in die Augen.

Da endlich entdeckte ich das Badezimmer. Mit wackeligen Beinen hastete ich rein und stützte mich auf dem Lavabo ab.

Als ich mich im Spiegel ansah, durchfuhr mich abermals ein Zwick. Ich drehte den Wasserhahn auf, und wie durch Zauberhand ging er sofort kaputt. Wasser spritzte in mein Gesicht. Ich erschrak derart, dass ich mitsamt Wasserhahn umfiel und mir den Kopf anschlug. Der Wasser-hahn wich aus meinen Händen und krachte gegen das Fenster. Meinen Schnitt an der Hand spürte ich kaum mehr. Schlapp stand ich auf. Immerhin spritzte das Wasser nicht mehr.

Ich schaute erneut in den Spiegel und stellte fest, dass dieser immer mehr Risse bekam. Mein Atem wurde immer schwerer und neiiiiin ... Es zwickte mich schon wieder stark. Ich brach zusammen. Mein ganzer Körper schmerzte. Am Lavabo versuchte ich mich hochzuziehen, um mich im zerbrochenen Spiegel anzuschauen.

Eine eigenartige Gestalt stand neben mir. Ich drehte meinen Kopf nach hinten.

Sie sah gleich aus wie ich, nur dass die Augen samt Pupillen weiss waren und sie böse und gefährlich dreinschaute. Ich kreischte, und vor lauter Schreck rannte die Gestalt aus dem Badezimmer. Ausser Atem und keuchend setzte ich mich in die Ecke und konnte nicht fassen, was ich soeben erlebt hatte. Ich schwitzte wie ein Fluss, und mein Herz pochte wild. Kraftlos stand ich auf. Ich hatte zwar keine Schmerzen mehr, aber meine Angst war auf 100 Prozent gestellt.

Ich vernahm ein Knacken hinter mir. Ein Holzregal im Badezimmer kippte mir entgegen. „WAS IST DA NUR LOS?!!“ Ich hauchte eine Feuerwolke aus dem Mund, sie flog Richtung Regal. Dieses fackelte innert weniger Sekunden ab. Asche fiel vor meine Füsse. Ich klatschte mir die Hände auf den Mund. „Oh mein Gott, ich bin ein Monster“, nuschelte ich verstört und taumelte langsam aus dem Badezimmer. „Ich muss hier weg, so schnell wie möglich!“