Selma Lagerlöf

 

 

 

Legenden & Erzählungen

 

 


Impressum

Covergestaltung: Gunter Pirntke

Digitalisierung: Gunter Pirntke

Übersetzung: Maria Froanzos



2017 andersseitig.de


ISBN

9783961184729 (ePub)

9783961184736 (mobi)



andersseitig Verlag

Dresden

www.andersseitig.de


info@new-ebooks.de


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Inhalt

Impressum

Die Prinzessin von Babylonien und andere Erzählungen

Die Prinzessin von Babylonien

Magister Frykstedt

Das Heinzelmännchen von Töreby

Der Totenschädel

Wie der Adjunkt die Pfarrerstochter bekam

Zur Auswanderungsfrage

Der Sonnenfinsternistag

Die Legende des Luziatags

Der Artillerist

Stimmungen aus den Kriegsjahren

Rahels Weinen

Die verschollene Kirche

Der Nebel

Der kleine Matrose

Der Scheiterhaufen

In memoriam

Albert Theodor Gellerstedt

Die Himmelstreppe

Ein Stück Lebensgeschichte und andere Erzählungen

Ein Stück Lebensgeschichte

Das Mädchen vom Moorhof

Gottesfriede

Der Luftballon

Der erste im ersten Jahr des zwanzigsten Jahrhunderts

Die Legende von der Christrose

Der Wechselbalg

Der Spielmann

Noch ein Stück Lebensgeschichte

Eine Herrenhofsage

Legenden und Erzählungen

I. Legenden

II. Erzählungen

Schwester Olives und andere Erzählungen

Schwester Olives Geschichte

Die Silbergrube

Warum der Papst so alt geworden ist

Im Gerichtssaal

Eine Geschichte aus Jerusalem

Der Hochzeitsmarsch

Unsichtbare Bande

Frau Fasta und Peter Nord

Die Legende vom Vogelnest

Das Steinmal

Die Vogelfreien

Reors Sage

Waldemar Atterdag brandschatzt Wisby

Mamsell Friederike

Der Roman einer Fischerfrau

Das Bild der Mutter

Ein entthronter König

Ein Weihnachtsgast

Onkel Ruben

Dunenkind

In den Kletterrosen

 


 

 

Die Prinzessin von Babylonien und andere Erzählungen

 

Die Prinzessin von Babylonien

 

Es war an einem dunklen Winterabend in der kleinen Hütte Skrolycka. Kattrinna, die Bäuerin, saß da und spann, und die Katze lag auf ihrem Schoß und spann auch, so gut sie konnte. Der Mann, Jan Andersson, saß am Herde und wärmte sich mit dem Rücken gegen das Feuer. Er war den ganzen Tag in Erik Fallas Wald gewesen und hatte Holz gehackt, da konnte niemand von ihm verlangen, daß er jetzt, wo er daheim war, noch eine andere Arbeit vornehmen sollte. Nicht einmal Kattrinna hatte etwas dagegen einzuwenden, daß er jetzt nichts anderes tat, als mit ihrem kleinen Mädchen spielte und plauderte, das diesen Winter in sein fünftes Jahr ging.

Kattrinna saß in ihren eigenen Gedanken da und hörte nicht viel darauf, was der Mann und das Kind miteinander schwatzten. Aber auf eines hielt sie strenge. Sie konnte es nicht leiden, wenn Jan der Kleinen sagte, daß sie so schön und besonders sei, und das tat er gar zu gerne. Denn wenn Klara Gulla schon als kleines Kind eine hohe Meinung von sich selbst bekam, dann wußte ja Kattrinna, daß nie und nimmer ein vernünftiges Frauenzimmer aus ihr werden konnte.

Jan trieb es zu arg, er kam auf alles Mögliche, was das Kind hoffärtig machen mußte. Aber an diesem Abend war Kattrinna ganz ruhig, denn nun saß er da und erzählte von Dingen, die sich früher einmal in der Welt zugetragen hatten, zu der Zeit, als die Erde erschaffen wurde und die Menschen sie zu erfüllen begannen. Er war gerade dabei, die alte Geschichte vom Turm zu Babel zu erzählen, und da konnte man ja hoffen, daß er keine Gelegenheit finden würde, mit seinen gewohnten Torheiten zu kommen.

»Ja, und da haben sie Lehm herbeigeschleppt,« sagte Jan, »und sie haben Ziegel geschlagen, und Kalk haben sie gelöscht und ein Gerüst aufgerichtet, und mit jedem Tag ist der Turm höher geworden.

Sie haben schon gewußt, daß es unserem Herrgott nicht recht ist, wenn sie den Turm bauen, aber danach haben sie nicht viel gefragt. Denn sie hatten sich's einmal vorgenommen, sie wollten bis zum Himmel hinauf, um zu sehen, wie's dort ausschaut.

›Hört einmal, ihr guten Leute,‹ hat da der liebe Gott gesagt, ›jetzt sag' ich's euch aber zum letztenmal: wenn ihr nicht gleich von hier weggeht und mit der Bauerei aufhört, dann kann ich mir nicht helfen, ich muß ein Unglück über euch kommen lassen. Und das wird ein solches Unglück sein, das ihr nie loswerdet, und niemand kann euch dagegen helfen.‹

Aber die Menschen, die haben sich gedacht, ach was, unser Herrgott wird schon langmütig sein, wie gewöhnlich. Und sie haben weiter an ihrem Turm gebaut, und jeden Tag sind sie ein Stückel höher gekommen.

Da ist aber unser Herrgott hergegangen und hat ihre Sprache ganz durcheinandergebracht. Siehst, bis zu dem Tag haben sie so gesprochen, daß eins das andere verstanden hat, aber jetzt war's damit aus.

Wenn die Maurermeister jetzt sagen wollten: ›Gib mir Lehm!‹ Dann haben sie anstatt dessen gesagt: ›Fitzliputzli Fitzliputzli.‹ Und wenn die Lehrlinge haben fragen wollen, was sie denn meinen, da haben sie gesagt: ›Erbe, derbe, mirbe, marbe.‹ Na, da kann man sich nicht wundern, daß sie sich nicht verstanden haben.

Die Meister, die haben geglaubt, die Lehrlinge wollen sie zum Narren halten. Aber wenn sie sagen wollten: sprecht doch ordentlich, dann haben sie gesagt: ›Ullen dullen dorf!‹ Na, und wenn die Lehrlinge fragen wollten, warum sie ein so böses Gesicht machen, da haben sie nichts anderes herausgebracht als: ›Abrakadabra?‹

Und da sind sie alle miteinander zornig geworden und sind sich in die Haare gefahren und haben zu raufen angefangen.

Na, und von dem Tag an war's aus mit der Freundschaft zwischen den Menschen, und niemand hat mehr daran gedacht, weiter an dem Turm zu bauen, sondern ein jedes ist für sich gegangen.«

Als Jan in seiner Erzählung so weit gekommen war, schielte er zu Kattrinna hinüber. Der Spinnrocken stand stille, und es sah beinahe aus, als seien Frau und Katze eingeschlummert. Da nahm Jan seine Erzählung wieder auf. Er senkte die Stimme nur ein wenig.

»Aber unter all den anderen dort in Babylon, die an dem Turm gebaut hatten, war auch ein König und eine Königin, und die hatten eine kleine Prinzessin. Und auf einmal fängt auch dieses kleine Mädel an, so närrisch zu sprechen, daß ihre Eltern und alle anderen Leute nicht ein einziges Wort verstanden haben.

Da wollt' der König und die Königin sie nicht mehr auf ihrem Schloß behalten, sie haben sie fortgejagt, und sie mußt' ganz mutterseelenallein in die große, weite Welt hinaus.

Da war sie natürlich ganz verzagt. Sie hat ja nicht gewußt, wem sie da unterwegs begegnen kann. Für einen Bären oder einen Wolf war es ja ein Kinderspiel, so eine kleine Prinzessin aufzufressen, wenn sie ihm in den Weg lief.

Aber so zart und fein sie auch war, so hat ihr doch niemand was zu Leid getan.

Nein, im Gegenteil, alle, denen sie begegnet ist, sind freundlich auf sie zugegangen und haben ihr die Hand gegeben und gefragt, wo sie denn hin will. Aber was sie zur Antwort gegeben hat, davon haben sie kein Wort verstanden, na, und da haben sie sich nicht weiter um sie gekümmert.

So lieb und fein wie sie war, braucht' sie nur in die Schlösser und Burgen hinaufzukommen, da haben sie die Türen sperrangelweit aufgerissen und sie hineingehen lassen. Aber wenn sie den Mund aufgemacht und man ihre närrische Sprache gehört hat, da hat sie gleich wieder fortmüssen.

Na, und endlich, da war sie schon durch alle Königreiche gewandert, die's gibt, da kommt sie eines Abends spät in einen großmächtigen Wald, und als sie durch den Wald gegangen ist, da sieht sie eine kleine Hütte, die war so niedrig, daß sie grad noch durch die Tür durchkonnt', und da geht sie hinein und sagt ›Grüß Gott‹.

Da drinnen sitzt die Bäuerin und spinnt, und der Bauer sitzt am Herd und wärmt sich. Und wie sie sehen, daß ein Fremdes zur Tür hereinkommt, so sagen sie auch: ›Grüß Gott‹.

Da hat die kleine Prinzessin eine schreckliche Freude gehabt, denn da in der Hütte haben sie akkurat so gesprochen, daß sie sie verstehen konnt'. Aber sie war sehr vorsichtig, sie hat ihnen nicht gleich alles erklären wollen.

›Wie heißt denn diese Hütte?‹ hat sie gefragt, um sie auf die Probe zu stellen.

›Die heißt Skrolycka,‹ haben sie gleich geantwortet, und da hat sie schon gemerkt, daß sie sie verstanden haben.

Und da war sie ganz wild vor lauter Freude, aber sie hat gemeint, es ist doch besser, wenn sie sie noch einmal auf die Probe stellt.

›Wie heißt denn die Sprache, die ihr hier im Haus sprecht?‹ hat sie gesagt.

›Das ist die värmländische Sprache,‹ haben die Leute in der Hütte gesagt.

Und da ist die kleine Prinzessin zu ihnen hingegangen und hat sie gebeten, daß sie bei ihnen bleiben darf, denn hier wär' der einzige Ort auf der Welt, wo sie verstehen konnten, was sie geredet hat.

Aber wie sie zum Feuer hingekommen ist, da haben die Leute ja gesehen, daß sie eine kleine Prinzessin von Babylonien ist. Und da haben sie ihr gesagt, daß sie fehlgegangen sein muß. Und sie haben ihr gesagt, es könnt' ihr unmöglich bei ihnen gefallen. Die värmländische Sprache, die wär' ja überall, in jedem Haus, in der ganzen Gegend hier herum bekannt, haben sie gesagt, sie könnt' überall hingehen, wo es ihr beliebt.

Aber die kleine Prinzessin, die hat auf diesem Ohr nicht gehört. ›Nein,‹ hat sie gesagt, ›ich merk' schon, daß ich recht gegangen bin. Und hier will ich bleiben. Denn hier hat man eine Freude und einen Nutzen von mir.‹«

Die kleine Klara Gulla war ganz still auf Jans Schoß gesessen und hatte gelauscht, und ihre Augen waren vor Staunen immer runder und runder geworden. Aber als jetzt Jan zu erzählen aufhörte, saß sie zuerst ganz stumm da, dann drehte und wendete sie das Köpfchen und guckte sich alles in der Stube an, so, als hätte sie es noch nie gesehen.

»Ja, jetzt kann's ja noch so bleiben, wie's ist, eine Zeitlang,« sagte sie endlich. »Aber bis ich einmal groß bin, dann geh' ich schon wieder dorthin zurück, wo ich her bin.«

Jan machte ein langes Gesicht. Und das Schlimmste war, daß Kattrinna jetzt wach war und den Schluß des Gesprächs gehört hatte.

»Ja, siehst du, das hast du davon, daß du dem Mädel immer einreden willst, daß sie gar so was Feines und Besonderes ist!« sagte sie.

 

Magister Frykstedt

 

Meine alte Tante Nanna Lagerlöf, die mit dem Propst in Karlskoga, Tullius Hammargren verheiratet war, war keine Bewundererin von Gösta Berling. »Das Leben war damals gar nicht so,« sagte sie zu mir, kurz nachdem das Buch erschienen war. »Weder Männer noch Frauen sind richtig gezeichnet.« Sie schien beinahe geneigt, zu glauben, daß das Buch Schmach über die alten Värmländer und ihr Land bringen würde.

Das war ein hartes Urteil, und ich muß gestehen, daß ich nicht erwartet hatte, es von dieser Seite zu hören. Die Propstin von Karlskoga war selbst eine begeisterte Erzählerin der alten Värmländer Historien, und ich weiß, daß nicht nur einige ihrer besten Mären, sondern vor allem viel von ihrer besonderen Anschauung der Menschen früherer Zeiten in meinem Buch wieder auflebte.

Da sie nichts Gutes über das Buch zu sagen hatte, vermied sie es zumeist darüber zu sprechen, wenn ich auf meinem gewöhnlichen Sommerbesuch im Pfarrhof weilte. Einmal kam es ihr jedoch in den Sinn zu fragen, wen ich mir als Vorbild für Gösta Berling gedacht hatte.

Ich antwortete ihr, mein Held sei ein Pfarrerssohn aus Sunne, von dem ich meinen Vater erzählen gehört. Der war so, daß Freude bei jedem Gastmahl herrschte, sowie er sich nur zeigte, und das allererbärmlichste Klavier klang stark und voll, sowie er nur die Tasten berührte.

Die alte Propstin wußte sofort, wen ich meinte.

»Ach so, Kalle Frykstedt,« sagte sie. »Ich habe mich eben gefragt, ob du nicht an ihn gedacht hast.«

Ich wagte nicht zu fragen, ob er recht geschildert war. Vielmehr bat ich meine Tante, mir zu sagen, ob sie in ihrer Jugend viel mit ihm zusammengewesen sei. Ihr Kindheitsheim in Marbacka lag ja nur eine Meile vom Pfarrhof Sunne entfernt, und meine Tante hatte dort viele große Gesellschaften mitgemacht.

Nein, in seinem Elternhause hatte sie ihn nicht gesehen. Er war ja um vieles älter gewesen als sie. Aber nach ihrer Verheiratung hatte sie ihn ein paarmal in Karlstad getroffen.

»Da war er vielleicht schon herabgekommen?« fiel ich ein.

»Kalle Frykstedt!« rief die Propstin mit scharfer Betonung. Und sie sah mich erstaunt an, als könnte sie gar nicht verstehen, was ich meinte.

Es verhielt sich mit meiner Tante so, daß sie mit einem eigenen Zauberkreis um sich durch die Welt gegangen war. Schön, gewinnend und reich begabt, wie sie es gewesen und noch immer war, hatten alle, die sie getroffen, sich ihr von der besten Seite zeigen wollen, und zum Dank dafür blieb sie ihnen treu und sah sie für allezeit edel, gut und geistvoll vor sich. Sie war durchaus kein unerfahrenes Kind, sie wußte, wie niedrig und töricht die Menschen sich gewöhnlich betragen, aber sie hielt diese Erkenntnis stolz von sich ab, und dasselbe verlangte sie von allen, die in ihre Nähe kamen.

Eine Weile saß sie stumm da, und das Strickzeug ruhte in ihrem Schoß. Aber bald sah sie mit einem feinen Lächeln auf. »Warte, jetzt sollst du hören, wie Kalle Frykstedt war,« sagte sie, und ich begriff, daß sie mir nun zeigen wollte, wie falsch ich meine Värmländer geschildert hatte.

»Es war zu der Zeit, als ich neuvermählt war,« begann sie, und nun wußte ich, daß ich etwas richtig Schönes zu hören bekommen würde. Meine Tante hatte keine reizenderen Geschichten als die, die in der Zeit spielten, wo ihr Mann als junger Magister in der Knabenschule in Åmål angestellt war und sie so verwunderlich wenig zum Leben hatten. Nie vergesse ich eine Geschichte von einer Packkiste, die ihr erstes Salonsofa wurde. Sie konnte so schön und drollig von dieser Packkiste erzählen, daß ich seither nie eine große Holzkiste sehen konnte, ohne daß mich Lachen und Weinen zugleich ankam.

Nun erzählte sie, wie ihr Mann, als sie ein Jahr verheiratet waren, den Entschluß faßte, das Pastorexamen abzulegen. Den Magistergrad hatte er schon in Upsala erworben, aber es war zu jener Zeit gebräuchlich, daß die Schullehrer auch Geistliche waren.

»Mußte er da wieder nach Upsala zurückfahren?« fragte ich.

»Nein, nur nach Karlstad,« erklärte meine Tante. »Man konnte das Pastorexamen vor dem Domkapitel in Karlstad ablegen.«

Tante Nanna und ihr Mann verließen also ihr kleines Heim in Åmål und zogen nach Karlstad, wo sie blieben, so lange die Studien für das Pastorexamen dauerten. Und die ganze Zeit über mußten sie von geborgtem Gelde leben. »Nein, daß ihr euch in ein solches Abenteuer gewagt habt!« sagte ich. – »Es mußte sein,« sagte meine Tante, und man hörte es ihr an der Stimme an, wie ängstlich sie gewesen war, als sie dieses kühne Unternehmen begonnen.

»Aber nun wollte ich ja nicht von uns sprechen,« fuhr sie fort, »sondern von Kalle Frykstedt. Er war auch unter denen, die das Pastorexamen machen sollten, und er wohnte auch in Karlstad und studierte da, so wie Hammargren. Die letzten Jahre war er als Hofmeister von einem Ort zum anderen herumgezogen, aber nun hatten ihn ein paar Freunde überredet, dieses Examen zu machen, damit er doch einmal einen anständigen Lebensunterhalt hatte.«

»Und als du ihn trafst, Tante, da warst du wohl ganz entzückt von ihm, wie alle anderen?« – »Anfangs hatte ich eigentlich eher Angst vor ihm, denn er war fast nie nüchtern.« – »Ah!« sagte ich und war ganz betroffen. »Aber ich glaubte doch...« – »Du fragtest, ob er herabgekommen war,« sagte meine Tante. »Aber er hatte so große Kenntnisse und so viel Geist, daß die Herren des Domkapitels förmlich Angst vor ihm hatten, als sie ihn prüfen sollten. Aber getrunken, das hat er ja. Hammargren und die andern pflegten ihm am Abend vor einem Kolloquium die Schuhe wegzunehmen, denn sonst konnten sie sicher sein, daß er die ganze Nacht im Wirtshaus saß und am nächsten Morgen nicht auf den Füßen stehen konnte.«

Als ich dies hörte, schien es mir doch, daß es besser zu meiner Schilderung der Gösta Berling-Gestalt paßte, als ich erwartet hatte, aber ich hütete mich wohl, eine derartige Bemerkung zu machen.

»Kam es denn überhaupt dazu, daß er sein Examen machte?« fragte ich.

»Doch, er machte es zugleich mit Hammargren, und zwar mit bestem Erfolg. Obwohl ich sagen muß, es wäre mir lieber gewesen, wenn er es nicht bestanden hätte,« fügte sie hinzu.

Es ging mir durch den Sinn, daß meine Tante gemerkt hatte, daß Kalle Frykstedt nicht für den priesterlichen Beruf paßte, aber das hätte sie nie zugegeben. Es durfte nichts Tadelnswertes an den Gebräuchen und Einrichtungen der alten Zeit geben, und sie tat so, als sei es ganz in Ordnung, daß Kalle Frykstedt die Priesterweihe erhielt und eine Gemeinde in seine Hut gegeben wurde.

Nein, aus einem ganz anderen Grunde hätte sie gewünscht, daß er durchgefallen wäre. Sie und ihr Mann hielten sich für verpflichtet, am Examenstage für den Bischof, das Domkapitel und die Prüfungskameraden eine Mittagstafel zu geben. Und meine Tante wollte Kalle Frykstedt nicht bei dem Feste haben, weil sie überzeugt war, daß er sich betrinken und die ganze Gemütlichkeit stören würde; aber nun, da er sein Examen bestanden, war es unvermeidlich, ihn einzuladen.

Mit nicht sehr freudigen Gefühlen traf meine Tante ihre Vorbereitungen für diese Mittagstafel. Sie und ihr Mann hatten eine kleine Wohnung gemietet, Schlafraum und Speisezimmer im ersten Stock, während die kleine Küche und das Arbeitszimmer des Mannes im Erdgeschoß lagen. Man mußte ihr recht geben, das war kein passender Schauplatz für ein Bischofsdiner. Das Essen war nicht schwer zu beschaffen, das meiste schickte ihr ihre Mutter aus Marbacka. Aber Porzellan, Glas und Silber hatte sie nicht genug für so viele Gäste, so mußte sie sich das Fehlende bei Freunden und Bekannten ausleihen.

Die schwerste Sorge war aber doch, daß sie nicht darum herum konnte, Kalle Frykstedt zu bitten.

Die Mittagstafel fand also statt. Der Bischof kam mit dem ganzen Domkapitel, die Prüfungskameraden fanden sich ein, und auch Magister Frykstedt blieb nicht aus. Und wunderbarerweise wurde diese Mittagsgesellschaft der allergrößte gesellschaftliche Erfolg, den meine Tante je erlebt hatte.

Ich dachte daran, welch einnehmende, unterhaltende Hausfrau meine Tante noch in ihren alten Tagen sein konnte. Zu jener Zeit, als sie noch Schönheit und jugendlichen Frohsinn besaß, mußte sie ja unwiderstehlich gewesen sein. Und ich fragte ganz still, ob es nicht ihr Verdienst gewesen sei, daß das Fest so vortrefflich gelungen war.

Aber das verneinte sie auf das Bestimmteste. Es war nicht ihr Verdienst, sondern das Magister Frykstedts.

Erstens einmal war er so schön gewesen, mit den tiefen, melancholischen Augen und dem reichen, welligen Haar. Es war etwas Hochgestimmtes und Strahlendes um ihn gewesen. Die Freude, die er darüber empfand, daß es ihm gelungen war, eine neue Lebensbahn einzuschlagen, hatte ihn mit schönem, ernstem Enthusiasmus erfüllt.

Nie hatte sich meine Tante gedacht, daß ein Mensch einer so starken Inspiration mächtig sein könnte. Er hielt eine Rede nach der anderen, und das waren keine gewöhnlichen Tischreden, sondern sie waren voll von den tiefsten Gedanken. Alles, was er bei dieser Mittagstafel vorbrachte, war so interessant, daß alle nur ihm lauschen wollten. Er wurde der Mittelpunkt aller Gespräche, und er entführte die Anwesenden in neue unbekannte Welten. Aber obgleich man von den edlen und kühnen Ideen, die er hinwarf, tief ergriffen war, fanden doch alle, daß er selbst das größte Wunder war. Man genoß das erhebende Schauspiel, den Genius in einer Menschenseele lodern und leuchten zu sehen.

Unter den Eingeladenen befanden sich viele hervorragende Persönlichkeiten. Bischof Agardh war selbst ein hoher Geist, der Hausherr, sowie mehrere der Gäste waren begabte, gelehrte Männer. Sie wurden von Kalle Frykstedt mitgerissen, sie erhoben sich alle über ihre grauen Alltagsgedanken und taten beredte, tiefsinnige Aussprüche. Aber keiner war doch wie er.

Solange Magister Frykstedt am Mittagstisch saß, berührte er kaum den Wein, und überhaupt wurde an dieser Tafel Speise und Trank nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Aber die Eingeladenen blieben doch Stunde um Stunde bei Tische sitzen. Endlich erhob sich der Bischof und nahm Abschied, indem er den jungen Gastgebern für das angenehmste Festmahl dankte, das er noch in seiner Bischofstadt miterlebt hatte. Zugleich mit dem Bischof entfernten sich mehrere der älteren Herren, und auch die Hausfrau zog sich zurück.

Aber einige von den Gästen konnten sich nicht entschließen, zu Bette zu gehen. Sie trugen Flaschen und Gläser in das Arbeitszimmer im Erdgeschoß, und da setzten sie das Fest bis zum lichten Tage fort.

Magister Frykstedt hielt die ganze Zeit herrliche Reden, aber nun begann er auch zu trinken. Gegen Morgen stand er, an den Tisch gelehnt, auf dem die Trinkwaren standen, und redete. Ganz plötzlich schwankte er, fiel zu Boden und riß das Tischtuch und alles, was an Flaschen und Gläsern darauf stand im Fall mit.

Als meine Tante am nächsten Morgen erwachte, hatte sie noch kaum recht an den gestrigen Tag zurückdenken und sich daran freuen können, daß alles so gut gegangen war, als sie auch schon erfuhr, daß eine Anzahl Gläser und Karaffen zerschlagen waren. Man kann sich ihre Bestürzung und Kränkung denken. Es wäre schon unangenehm gewesen, wenn das Zerstörte ihr gehört hätte, aber nun war ja fast alles geborgt. Unter dem Zerschlagenen befanden sich kostbare alte Erbstücke, die zu ersetzen nicht im Bereich der Möglichkeit lag. Meine Tante weinte, wenn sie an all die Ausgaben dachte, denen sie sich unterziehen mußten, um den Schaden gutzumachen, all die Entschuldigungen, die sie vorbringen mußte, und all den Ärger den sie ihren Freunden bereitete, weil sie ihr Eigentum nicht besser in acht genommen.

Im Laufe des Vormittags kam Magister Frykstedt zu Besuch. Meine Tante wischte sich die Tränen aus den Augen und empfing ihn ganz wie immer. Er war jetzt nüchtern und ruhig, dankte für den angenehmen Abend und blieb dann noch ein Weilchen sitzen und plauderte über alltägliche Dinge. Aber es war eine gewisse Unruhe über ihm. Er sah meine Tante forschend an. Er schien auf irgendeinen Ausbruch des Zorns oder der Bitterkeit zu warten. Endlich machte er einen Versuch, sich zu entschuldigen.

»Ich entsinne mich nicht recht...« sagte er und strich sich mit der Hand über die Stirn. »Es schwebt mir etwas dunkel vor ... ich werde mich doch hoffentlich gestern nicht schlecht benommen haben?«

»Nein,« sagte meine Tante, und ich kann mir vorstellen, wie sie ihn dabei mit ihrem bezauberndsten Lächeln ansah, »Sie haben sich gewiß nicht schlecht benommen, Magister Frykstedt. Sie waren derjenige, der uns alle unterhalten – ja, das ist viel zu wenig gesagt – uns alle hingerissen hat.«

Er sah sie staunend an. Ihre Antwort hatte ihn nicht ganz beruhigt. »Ich möchte um Entschuldigung bitten, wenn vielleicht doch irgend etwas ...«

»Sie haben sich durchaus nicht zu entschuldigen, Herr Magister,« sagte meine Tante mit entschiedener Stimme.

Ich begriff so gut, warum sie so geantwortet hatte. Der Mann, der vor ihr stand, hatte ihr Verdruß und große Kosten verursacht, aber sie hatte ihn als einen hochfliegenden Genius kennen gelernt, und sie konnte es nicht über sich bringen, zu gestehen, daß sie um seine Erniedrigung wußte.

»Ach, was bin ich froh,« hatte der Arme da gerufen. »Ach, was bin ich froh!« Er hatte die Hand meiner Tante geküßt wie ein Bettler, der ein Gnadengeschenk bekommen hat. Dann hatte er sich emporgerichtet und war strahlend und geistsprühend gewesen wie am vorhergehenden Tage.

Auch ich küßte meiner Tante die Hand, und es wurde mir schwer, die Tränen zurückzudrängen. Sie hatte immer etwas an sich, das zugleich bezaubernd und rührend war. Es ruhte Poesie über ihrem ganzen Wesen. Die Poesie der Menschen der alten Zeit.

Ich verstand wohl, was sie mich hatte lehren wollen, aber während ich mir der Lektion bewußt war, stieg ein großer Jubel in mir auf.

»Frauen vergangener Zeiten und Männer vergangener Zeiten,« dachte ich, »ihr mögt es selbst leugnen, ihr wart doch so, wie ich euch vor mir gesehen, in einem langen Traum.«

 

Das Heinzelmännchen von Töreby

 

Ich weiß noch, wie ich einmal als Kind an einem alten Hof vorüberfuhr, von dem man wußte, daß es da ein Heinzelmännchen gab. Dieser Hof lag sehr einsam und unschön an einem flachen Seeufer. Es war kein Garten um das hohe, weiße Wohnhaus, nur ein paar verkrümmte Bäume standen da. Es war der reizloseste Ort, den ich je gesehen. Aber es schien ein reicher Hof zu sein. Die Wirtschaftsgebäude waren wohlgebaut und von großem Zuschnitt, und auf den Feldern stand die Saat so üppig, daß ich mich noch heute dessen entsinne.

Das merkwürdigste war, die Ordnung zu sehen, die überall herrschte. Ich erinnere mich, daß wir ganz langsam vorbeifuhren, um zu sehen, wie gut die Gräben gezogen waren, wie schnurgerade die Wege liefen und wie fest die Brücken gebaut waren. Wir betrachteten die niedlichen, bemalten Boote, die sich am Strande schaukelten, und eine unermeßlich lange Waschbrücke, die gerade hinaus in den See lief. »Wahrscheinlich will das Heinzelmännchen, daß sie ihre Wäsche in richtig tiefem Wasser spülen, nicht in dem seichten Strandwasser,« sagten wir.

Denn niemand zweifelte daran, daß alles auf diesem Hofe des Heinzelmännchens wegen so war, und daß die Leute, die dort wohnten, an es glaubten. Aus Angst vor dem Heinzelmännchen durfte kein Strohhalm, kein Span auf dem Hofplatz herumliegen, darum war der Viehstall geputzt wie eine gute Stube, und die Felder waren wie Gartenbeete.

Dieses Heinzelmännchen hatte es zu allen Zeiten auf dem Hofe gegeben, und aus allen Zeiten erzählte man sich Geschichten von ihm. Hier will ich eine berichten, die sich vor etwa zweihundert Jahren zugetragen haben mag.

Es war in einer dunklen Herbstnacht, der Regen goß über die grauen Klotzwände, denn damals war der Herrenhof weder bretterverkleidet noch getüncht, und der Sturm peitschte alle Zweige des hohen Holzapfelbaums, der am Giebel stand, gegen den Dachfirst.

Mitten im ärgsten Unwetter kam eine Eule geflogen. Sie hatte ihr Nest oben im Dachstuhl, auf einem der großen Böden und pflegte durch ein kleines Loch dicht unter der Dachrinne dort hineinzufliegen. Aber bevor sie noch die Luke finden konnte, packte sie der Wind, blähte ihr dichtes Federkleid auf, so daß sie wie ein runder Ball aussah, und schleuderte sie ein paarmal gegen die Wand. Da gab der Vogel jeden weiteren Versuch aus, hereinzukommen. Anstatt dessen setzte er sich auf den Holzapfelbaum und schrie die ganze Nacht hindurch.

Drinnen im Hause war es ganz stumm und still, aber aus dem Lichtschein, der durch die Spalten der Fensterläden rieselte, merkte man, daß die Hausbewohner noch nicht zu Bett gegangen waren. Hin und wieder hörte man Lärmen und lautes Lachen, gleich darauf wurde es wieder totenstill.

Gegen elf Uhr nachts kam die alte Haushälterin des Gutshofs in den Flur hinaus, sie war völlig angekleidet und trug ihre schweren Schlüssel an der Seite, von denen sie sich weder Tag noch Nacht trennen konnte. Die schwere Türe war mit vier verschiedenen Schlössern versperrt, und es dauerte geraume Zeit, bis die alte Frau sie öffnen konnte. Sowie sie einen Spalt aufgebracht hatte, war der Wind schon zur Stelle, schwang sie sperrangelweit auf, warf der Haushälterin einen ganzen Regenschauer ins Gesicht und wirbelte unter den Strohmatten des Hausflurs herum, so daß sie sich krümmten wie die Schlangen.

Die alte Frau schloß die Tür hinter sich zu und wanderte in die Nacht hinaus. Sie ging sehr rasch, wie von einer großen Angst gejagt, und murmelte unaufhörlich: »Der Herr bewahre uns! Der Herr bewahre uns!«

Sie leuchtete sich mit einer Hornlaterne, aber sie war so ganz davon eingenommen an das zu denken, was sie erschreckte und ängstigte, daß sie sich das Licht gar nicht zunutze machte, sondern in Wasserpfützen hineintrat, die sie leicht hätte vermeiden können. Einmal ums andere kam sie in der Verwirrung von dem ausgetretenen Pfad ab, geriet auf den Graswall hinauf und blieb an einer Dornenhecke hängen, die ihr ein Stück aus dem Kleide riß. All dies schien sie gar nicht zu merken. Sie setzte ihre Wanderung unverdrossen fort, indem sie ihr: »Der Herr bewahre uns! Der Herr bewahre uns!« murmelte.

Endlich kam sie zu dem Stallgebäude. Sie stieg die Bodentreppe hinauf, die klein und schmal war und sich an der Außenseite des Hauses entlang schlängelte, und blieb vor dem Türchen zum Heuboden stehen.

Hinter dem Türchen schimmerte ein Lichtschein, und als die Haushälterin sich vorbeugte, konnte sie in ein kleines Stübchen sehen, dessen Wände mit Pferdegeschirr, Zügeln, Sätteln und Riemen behangen waren. Eigentlich war es gar keine Stube, sondern nur eine Abteilung des Heubodens. Das Heu quoll durch die undichten Bretterwände herein, und mitten auf dem Boden war eine große Klappe, durch die man in den Stall hinunterklettern konnte. Auf einem Bett in der Ecke der Kammer saß der alte Gutskutscher. Der leuchtete sich mit einem Kienspan und las in Gottes Wort. Er saß da, als hätte er nicht die Ruhe gehabt, sich bei diesem schweren Unwetter niederzulegen. Jeden Augenblick hob er den Kopf vom Buche und lauschte dem Sturm, dem Regen und dem Eulenschrei.

Die Haushälterin pochte an, und der Kutscher kam und öffnete. Er begann sich sogleich zu entschuldigen, daß er bei offenem Licht dort auf dem Boden saß. Er schien zu glauben, daß sie eigens in die Nacht hinausgegangen war, um ihn zu ermahnen, achtsam mit dem Feuer zu sein. »Ich weiß schon, daß es gefährlich ist«, sagte er, aber ich meinte, es täte not, daß jemand in dieser Nacht in Gottes Wort liest.«

Die alte Frau gab darauf keine Antwort. Sie setzte sich auf eine Kiste, die voll Lederstücke und altem Eisen war. Ihr lag noch ein solcher Schrecken in den Gliedern, daß sie nicht bei voller Besinnung war, die Hände zerrten an der Schürze, und die Lippen regten sich zu einem unverständlichen Gemurmel.

Der Kutscher saß da und sah sie an, bis der Schrecken, der auf ihr lastete, sich auch ihm mitteilte. Seine alten matten Hände und seine zahnlosen Kinnladen begannen zu zittern.

»Ist dir der Altvater begegnet?« fragte er flüsternd.

Altvater, das war das Heinzelmännchen. Man kannte ihn dort auf dem Hof unter keinem anderen Namen.

»Nein,« sagte die Haushälterin, »und vor dem Altvater würde ich mich wohl auch nicht fürchten. Er will uns nur wohl.«

»Dessen sollst du nicht so sicher sein,« sagte der Kutscher. »Er ist ein gar gestrenger Herr, und in letzter Zeit haben sich wohl allerhand Dinge auf dem Hofe zugetragen, mit denen er nicht einverstanden war.«

»Wenn er so streng wäre, wie du glaubst, würde er den Rittmeister wohl nicht so hausen lassen, wie er es tut.«

Der Kutscher suchte sie zu beschwichtigen: »Du darfst doch nicht vergessen, daß du vom Herrn sprichst.«

»Ich kann darum doch nicht die Augen davor verschließen, daß er sich selbst und den Hof zugrunde richtet«, klagte sie.

»Der Herr Rittmeister ist nun einmal der Herr im Hause. Wir sind nur seine armen Diener,« wiederholte der Kutscher mit wichtiger Stimme. Aber plötzlich schlug die Stimme um, und er fragte in äußerster Angst: »Hat er nun wieder eine neue Tollheit ausgeheckt?«

»Ich habe den ganzen Abend an der Speisesaaltür gestanden und gehört, wie er all sein Geld verspielt hat,« sagte die Haushälterin und wiegte sich mit dem Oberkörper hin und her, wie sie da saß. »Als das Geld zu Ende ging, verspielte er Pferde und Kühe. Als es mit den Tieren zu Ende ging, begann er um den Hof zu spielen. Er setzt Kate um Kate, Wald um Wald, Weide um Weide, Acker um Acker und verliert alles miteinander.«

Der Kutscher hatte sich, als er dies hörte, halb von seinem Platz erhoben, so, als wollte er forteilen und all dies Unheil verhindern. Aber dann setzte er sich in einem Gefühl der Ohnmacht wieder hin. »Der Rittmeister ist der Herr,« sagte er. »Er kann mit dem, was sein ist, tun, was er will. Aber ich verstehe nicht, daß der Altvater sich nicht ins Spiel mischt.«

»Er hält sich ja immer hier im Stalle auf, er weiß wohl nicht, was sich drinnen bei uns zuträgt,« sagte die Haushälterin.

Lange blieb es auf dem Dachboden still. Endlich sagte der Kutscher: »Wer ist's denn, der heute nacht mit ihm spielt?«

»Es ist der Hauptmann Duwe, er, der gewinnt, wie er nur die Würfel anrührt.

»Der Kerl ist ebenso arm an Geld und Gut wie an Herz und Gemüt,« sagte der Kutscher nachdenklich. »Von ihm hat der Herr Rittmeister keine Barmherzigkeit zu erwarten.«

»Bald gehört ihm ganz Töreby,« sagte die Haushälterin.

Der Kutscher griff zur Bibel, wandte sich seitwärts, um ins rechte Licht zu kommen, und begann zu lesen.

»Ich glaubte, ich müßte den Verstand verlieren, wie ich so dastand und ihnen zuhörte,« sagte die Haushälterin, »so unheimlich war es. Anfangs waren sie lustig, und unser gnädiger Herr lachte über alles, was er verspielte. Aber jetzt sind sie ganz still, nur wenn unser Rittmeister einen neuen Acker verloren hat, dann flucht er, und der andere lacht.«

Der alte Kutscher murmelte in sich hinein und las, aber er sprach keine Bibelworte aus. Über seine zitternden Lippen kam nichts anderes als dies: »Kate um Kate, Wald um Wald, Weide um Weide, Acker um Acker.«

»Was hilft es, daß du liesest?«, sagte die Haushälterin. »Wenn du ein ganzer Kerl wärest, so gingest du hinein und brächtest ihn im guten oder bösen dazu, aufzuhören, bevor er noch den ganzen Hof verspielt hat.«

»Ich habe lang genug in diesem Hause gedient, damit ich weiß, wie leicht es ist, einen Silfverbrandt dazu zu bringen, mit etwas aufzuhören, wenn er einmal im Zuge ist. Geradeso gut könnte ich versuchen, die Toten aufzuwecken.«

»Ja, dies müßte auch genug sein, um seine Eltern aus dem Grabe zu wecken,« sagte die Haushälterin.

Der Kutscher schlug das Buch zu. »Das ist das schlimmste an der ganzen Sache, daß er nicht einsieht, daß es nicht angeht, auf diesem Hofe ein solches Leben zu führen. Ich weiß noch, wie oft ich zu seinem seligen Vater sagte: ›Gebt Töreby nicht Herrn Henrik,‹ sagte ich, ›er kann nie ein Herr nach Altvaters Sinn werden. Gebt es seinem Bruder, der ist gesetzt und ernst, und laßt Herrn Henrik einen Hof, der keine solche Verantwortung auferlegt.‹«

»Ja, jetzt fällt Töreby weder an Herrn Henrik noch an Herrn August. Jetzt kommt es an diesen Hauptmann Duwe, bis er es wieder an einen anderen verspielt.«

Der Kutscher erhob sich entschlossen. Er knöpfte seine Jacke zu und nahm den Kienspan aus dem Halter. Man sah deutlich, daß es seine Absicht war, zu gehen und zu versuchen, mit seinem Herrn zu sprechen.

Aber als er den Kienspan hob, hielt er ihn so, daß ein Lichtschein auf die viereckige Öffnung im Boden fiel, durch die er in den Stall hinunter zu klettern pflegte. Und nun sahen beide, der Kutscher wie die Haushälterin, daß auf der Leiter, die durch das Loch hervorragte, ein Heinzelmännchen stand. Es stand auf der obersten Staffel, klein und grau war es und trug Kniehosen und eine graue Jacke mit Silberknöpfen. Es lauschte mit solcher Bestürzung und Verblüffung, daß es aussah, als sei es völlig versteinert.

Kutscher und Haushälterin wandten sofort den Blick ab. Keines von ihnen verriet auch nur durch eine Miene, daß sie das Heinzelmännchen gesehen hatten.

»Ja, nun glaub' ich, ist's das beste, wenn wir alten Leute gehen und uns niederlegen,« sagte der Kutscher in einem Ton, den er unbefangen zu machen suchte. »Du weißt, in diesem Hofe braucht man nachts nicht aufzubleiben, auch wenn ein Unglück zu erwarten wäre. Hier ist jemand, der wacht.«

»Ja, du hast recht. Hier ist einer, der wacht,« sagte die Haushälterin unterwürfig. Ohne ein weiteres Wort nahm sie die Laterne vom Boden aus, kroch durch die Luke hinaus und verschwand über die Bodentreppe.

Als die alte Frau ins Haus zurückkam, war es ihre bestimmte Absicht, sich ungesäumt zur Ruhe zu legen. Denn einerseits wußte sie, daß unnötiges Nachtwachen dasjenige war, was das Heinzelmännchen am wenigsten leiden mochte, andrerseits glaubte sie, daß es die Sache ohnehin in Ordnung bringen würde, nun es wußte, was auf dem Spiele stand. Aber sie hatte noch kaum mehr von sich gelegt als den schweren Schlüsselbund, da überkam sie eine so starke Lust zu erfahren, wie es nun zwischen den Spielenden stand, daß sie sich wieder zur Speisesaaltüre schlich.

Als sie sich bückte und das Auge an das Schlüsselloch legte, sah sie, daß Rittmeister Silfverbrandt und Hauptmann Duwe noch am Spieltisch saßen. Der Rittmeister sah furchtbar müde und matt aus. Der Haushälterin wollte es scheinen, als hätte er sich in der kurzen Spanne Zeit, die sie fortgewesen war, völlig verändert. Er war nunmehr weder schön, noch jung, noch stattlich, sondern gebleicht und verstört, mit Säcken unter den Augen, Runzeln auf der Stirn und tastenden Händen. Duwe war rot im Gesicht, und die Augen standen ihm blutunterlaufen aus dem Kopfe, aber er verbarg alle Erregung unter frohgelauntem Plaudern und unaufhörlichem Lachen.

Die Haushälterin hatte noch keine zwei Minuten an der Speisesaaltüre gelauscht, als Silfverbrandt den Stuhl zurückschob und rief: »Jetzt ist es aus, Duwe. Jetzt habe ich vom ganzen Hof nur mehr die Tanneninsel dort draußen im See übrig. Die mußt du mir lassen, damit es doch noch etwas auf Erden gibt, was ich mein nennen kann.«

Duwe lachte, aber er sah nicht zufrieden drein. »Ewig schade, das Spiel abzubrechen,« sagte er. »Wenn du all das andere gewagt hast, kannst du uns wohl auch um diesen Steinhaufen würfeln lassen.«

Silfverbrandt ging im Zimmer auf und ab. Man sah es ihm wohl an, daß er noch vom Spielteufel besessen war. Er trauerte nicht so sehr, daß er alles verloren hatte, wie daß er nicht weiter spielen konnte.

»Was setzest du gegen die Insel?« fragte er. Duwe bedachte sich einen Augenblick. Die Haushälterin begriff, daß er einen Einsatz ausfindig zu machen suchte, der Silfverbrandt sicher bewegen konnte, weiterzuspielen.

»Ich setze dein Reitpferd,« sagte Duwe.

Silfverbrandt liebte sein Reitpferd über alles auf Erden. Er begann ganz schrecklich zu fluchen. Er fragte Duwe, ob er denn der leibhaftige Böse wäre, da er ihn solchermaßen versuchte.

Die Haushälterin merkte, daß der Rittmeister jedesmal, wenn er auf seiner Wanderung zu einer dunklen Ecke des Zimmers kam, wo Duwe ihn nicht sehen konnte, vor Zorn die Hände ballte.

»Das ärgste ist, daß ich weiß, daß ich dich erschlagen werde, wenn ich dich auf meinem Pferd reiten und auf meinem Hof befehlen sehen werde,« sagte er zu Duwe.

»Kannst du es einem armen Kerl nicht gönnen, wenn er es auf seine alten Tage ein bißchen sorgenfrei hat?« sagte Duwe und lachte. »Du bist ja jung und stark, du findest schon bald anderswo Pferd und Hof.«

Die ganze Zeit, die die Haushälterin da stand, hatte sie sich gewundert, was wohl mit der Türe los sein mochte, die vom Saale in den Flur führte. Einmal ums andere öffnete sie sich ein wenig und schloß sich wieder. Aber jedesmal wenn Silfverbrandt an dieser Tür vorbeiging, war es, als ob eine kleine Hand sich durch den Spalt hineinsteckte und ihm zuwinkte.

Silfverbrandt ging mehrere Male an der Türe vorbei, ohne etwas zu merken, aber plötzlich blieb er stehen und starrte sie an.

»Na, kommst du jetzt?« fragte Duwe.

»Ich bin im Augenblick wieder da,« sagte Silfverbrandt und ging in den Flur hinaus.

Die Haushälterin glitt stumm wie ein Schatten von der Speisesaaltüre fort. Eine Sekunde darauf stand sie in der Vorratskammer, das Gesicht an ein Fensterchen gedrückt, das auf den Flur ging.

Da stand Silfverbrandt über das Heinzelmännchen gebeugt. Altvater hielt eine kleine Laterne in der Hand, und von dort verbreitete sich ein wenig Licht in den dunklen Raum.

»Was gibst du mir, wenn ich es so einrichte, daß du den Hof zurückgewinnst?« fragte der Hausgeist.

»Ich gebe dir, was du willst,« sagte Silfverbrandt.

Das Heinzelmännchen fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein paar Würfel heraus. »Wenn ich dir diese Würfel leihe und du heute nacht mit ihnen spielst, so glaube ich wohl, daß du den Hof zurückgewinnst,« sagte es zu Silfverbrandt.

Silfverbrandt streckte die Hand aus. »Gib her! Gib her!«, sagte er.

»Du bekommst sie nur unter der Bedingung, daß du morgen mit mir um einen Einsatz spielst, den ich selbst bestimme,« sagte das Heinzelmännchen.

Just in diesem Augenblick schrie die arme Eule laut und schaurig. Silfverbrandt sah auf und lauschte.

Die alte Haushälterin merkte, wie die Augen des Heinzelmännchens böse und gehässig zu funkeln begannen. Sie wollte schon die Scheibe einschlagen und ihrem Herrn zurufen, auf seiner Hut zu sein und kein Bündnis mit ihm einzugehen. Aber im selben Augenblick sah der Hausgeist mit einem furchtbaren Blick zu ihr auf. Sie blieb mäuschenstill und wagte keinen Finger zu rühren.

Aber auch Silfverbrandt schien etwas Schreckliches an dem Heinzelmännchen gesehen zu haben. Er zog die Hand zurück und schien im Begriffe, sich in den Saal zu begeben.

Dann blieb er stehen. »Ich weiß nicht, warum ich dir etwas Böses zutrauen soll, Altvater, du hast ja immer getreulich für dieses Haus gesorgt,« sagte er. »Du willst gewiß nur mein Bestes. So gib mir die Würfel her! Morgen mag es gehen, wie es will, wenn ich nur heute nacht Duwe ebenso arm machen kann, als er war, da er ehegestern in diesen Hausflur trat.«

Im Augenblick darauf war Silfverbrandt wieder im Saale.

»Jetzt bleibe ich aber nicht länger hier sitzen und höre mir das Eulengeschrei und den Sturm an, ohne zu spielen,« brach Duwe los. »Ich gehe jetzt zu Bette.«

»Willst du mir nicht noch zuerst diese Tanneninsel abgewinnen?«, fragte Silfverbrandt, indem er sich am Spieltisch niederließ.

Er nahm den kleinen Becher, in dem die Würfel lagen, und schüttelte sie. Dann spielten er und Duwe mehrere Stunden lang, aber Silfverbrandt gewann jedesmal. Unterdessen hörte das Unwetter auf, die Eule fand den Weg in ihr Nest, die alte Haushälterin mußte vor Müdigkeit ihr Lager aufsuchen, aber Silfverbrandt ging nicht zur Ruhe, ehe er nicht Acker um Acker, Weide um Weide, Wald um Wald, Kate um Kate zurückgewonnen hatte, so daß ganz Töreby wieder sein war.

Ein prächtiger Morgen folgte der Unwetternacht: hoher, blauer Himmel, frische Luft und ein spiegelnder klarer See.

Die alte Haushälterin wurde zu ihrem Herrn hineingerufen, während dieser noch zu Bette lag.

Als sie die Schlafkammertüre öffnete, dünkte es ihr, daß etwas Kleines und Graues an ihr vorbei huschte Sie sah gerade nur so viel, daß sie zusammenzuckte. Dann war es verschwunden.

Rittmeister Silfverbrandt lag sehr bleich drüben im Bette. »Hat Sie ihn gesehen?« fragte er.

»Nein,« sagte die Haushälterin aus alter Gewohnheit. Man glaubte, daß es dem Heinzelmännchen nicht recht war, wenn man sagte, daß man es gesehen hatte.

»Es war der Altvater,« sagte der Rittmeister. »Er ging gerade, als Sie hereinkam. Er war hier drinnen und hat mit mir gewürfelt.«

Die Haushälterin stand da und starrte ihren Herrn an. »Altvater ist mit mir nicht recht zufrieden,« sagte der Rittmeister. »Er will lieber, daß mein Bruder den Hof bekommt. Und Sie wünscht es sich vielleicht auch.«

Der Rittmeister sah ganz sonderbar aus. Die alte Frau wußte nicht, was sie antworten sollte.

»Ja, den alten Duwe habe ich ja doch vom Hof weggebracht,« fuhr Silfverbrandt fort. »Ich wollte Altvater die Hilfe lohnen, indem ich es hier auf dem Hofe so werden ließ, wie er es haben will, aber er hat kein rechtes Vertrauen zu mir. Er setzt so wunderliche Dinge im Spiel ein, dieser Kobold. Er ist ärger als Duwe.«

Die Haushälterin begann zu zittern und zu murmeln wie in der Nacht: »Der Herr bewahre uns!«

»Na, stehe Sie nicht so da, Menschenskind, und mache Sie kein so bekümmertes Gesicht,« sagte Silfverbrandt, »spute Sie sich lieber und putze Sie mir meine Uniform! Poliere Sie das Bandelier, scheure Sie die Knöpfe und putze Sie die Flecken aus! Das Reitpferd soll auch mit dem besten Zaumzeug gesattelt werden. Die Mähne muß gestrählt sein, die Steigbügel müssen blinken, und die Lederriemen glänzen!«

Die Haushälterin sah ihren Herrn erstaunt an. Sie ging und kam sogleich mit der Uniform wieder. In einem solchen Hofe wie Töreby gab es nichts, das nicht geputzt und gestriegelt, poliert und wohlgepflegt gewesen wäre.

So stand denn Rittmeister Silfverbrandt auf, legte die blaue Uniform an, rückte den dreikantigen Hut auf dem Kopf zurecht, schnallte den Säbel an die Seite und zog die langen steifen Stulphandschuhe an. Er trat auf die Schwelle und sprang auf sein Pferd, das gesattelt draußen wartete.

Zweimal ritt er rings um den Hof, dann schwenkte er zum See hinab, wo die lange Waschbrücke, die gerade vom Ufer wegragt, schon dazumal stand. Er sah so prächtig und stolz aus, wie er da ritt, daß alles Hausgesinde herauskam, um ihn anzusehen. Und der Kutscher und die Haushälterin sahen alle beide, wie das Heinzelmännchen sich zur Stalluke hinausbog und dem Gutsherrn nachsah.

Als der Rittmeister zum Seeufer hinabkam, ritt er auf die Brücke hinaus. Er saß hoch und stolz im Sattel wie ein Held, und das Pferd ging mit kurzen, tanzenden Schritten. Als die Brücke zu Ende geritten war, entstand ein kurzer Kampf zwischen Reiter und Pferd. Das Pferd wollte wenden, aber Rittmeister Silfverbrandt zwang es mit Reitpeitsche und Sporen weiter zu gehen. Und mit einem hohen Sprung stürzte sich das Pferd in das Wasser.

Alle, die auf dem Hofe gestanden hatten, fingen nun an, zum See hinab zu laufen. Aber als sie hinkamen, waren Reiter und Pferd verschwunden. Sie waren sogleich untergegangen, ohne wieder auf den Wasserspiegel hinaufzukommen.

Die jungen Burschen sprangen in die Boote und ruderten auf den See hinaus. Alle sprachen durcheinander und suchten Rat und Hilfe zu bringen, aber die alte Haushälterin blieb still. »Es nützt nichts,« sagte sie. »Das ist der Hausgeist. Er hat sein Leben an den Hausgeist verspielt, für die Hilfe, die er ihm heute nacht gebracht hat.«

Als die Menschen, bestürzt und entsetzt, zum Hofe zurückkehrten, stand das Heinzelmännchen von Töreby, allen sichtbar, in der Stalluke und winkte siegesstolz mit seiner roten Mütze.

Denn nun wußte es, daß Ordnung und Stille und ein ernstes Leben wieder auf Töreby einziehen würde.

 

Der Totenschädel

 

Im Svartsjöer Kirchspiel in Värmland war einmal ein Mann, der war eines Weihnachtsabends überall in der ganzen Umgegend herumgegangen, um sich Gäste einzuladen, aber er hatte niemandes habhaft werden können, der an diesem Tage sein Haus verlassen wollte. Lange streifte er herum, aber als es schließlich zu dämmern begann, ohne daß es ihm gelungen war, einen einzigen Gast an sich zu locken, merkte er, daß ihm nichts anderes übrig blieb, als unverrichteter Dinge heimzukehren.

Der Mann hätte sich wirklich selbst sagen müssen, daß es nicht anders hatte kommen können, er hätte die Sache ruhig nehmen sollen, aber das tat er nicht, sondern war überaus erbost über all die Ablehnungen, die ihm zuteil geworden waren. Er hatte sowohl Eßwaren wie Branntwein eingekauft, und seine Frau war nun gerade damit beschäftigt, einen Schmaus zu richten. Aber was sollte das für eine Freude sein, wenn kein munterer Kamerad mitkommen und ihm am Weihnachtstisch Gesellschaft leisten wollte? »Das ist natürlich, weil sie sich zu gut dünken, zu mir zu kommen,« sagte er. »Weil ich Totengräber geworden bin, ist es nicht fein genug, den Weihnachtsabend in meinem Heim zu feiern.«

Diese Anklage war ganz ungerecht, denn man mag den Svartsjöern nachsagen, was man will, nie ist es einem Menschen aus diesem Kirchspiel in den Sinn gekommen, eine Einladung abzuschlagen, weil der Gastgeber ein zu geringer Mann ist. Und dieser Mann war ja kein gewöhnlicher Totengräber. Er hieß Anders Oester und war aus altem Spielmannsgeschlecht. Selbst war er Feldmusikant bei den Värmländer Jägern gewesen, und erst nachdem er gnädigen Abschied aus dem Kriegsdienst erhalten hatte, hatte er die Anstellung als Totengräber angenommen.

Obendrein war er nicht nur Totengräber, sondern auch Küster, ein Beruf, der durchaus nichts Abschreckendes an sich hat. Aber in der Gemütsstimmung, in der er sich augenblicklich befand, dachte er nur an die dunklen Seiten des Lebens.

»Wenn kein anderer zu mir kommen will, muß ich mir wohl ein paar Geister vom Kirchhof zu Gast laden,« murmelte er. »Die werden sich doch wenigstens nicht schämen, beim Totengräber zu schmausen.«