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Autoreninfo

Heinrich Bischoff, geboren 1947, arbeitete bis zu seiner Pensionierung in der Versicherungsbranche, unter anderem in Hamburg, Düsseldorf, Neuss und Köln. Danach begann er mit dem literarischen Schreiben. Der beabsichtigte Kollateralschaden ist sein erster Roman.

Haupttitel

Heinrich Bischoff

Der beabsichtigte Kollateralschaden

Köln-Krimi

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Umschlagfoto (KölnTriangle, 2014):
Günter Albers, Köln

Umschlaggestaltung:
Lina C. Schwerin, Hamburg

eBook-Erstellung:
rübiarts, Reiskirchen

ISBN 978-3-87062-178-0 (Paperback)
ISBN 978-3-87062-190-2 (eBook epub)
ISBN 978-3-87062-195-7 (eBook kindle)

20161105

www.cmz.de

Inhalt

Die Betriebsversammlung

Das Mandat

Die Reportage

Der Kontakt

Der Mandant

Die Familie

Das erste Gespräch

Die Großeltern

Die Firmenstruktur

Die Waffe

Franz Westler

Die berufliche Entwicklung

Die Familienkonflikte

Die Aussage

Der Vertriebsvorstand

Die Elternliebe

Die Wertschätzung

Eine Einzelmeinung

Unerwartete Fürsprache

Der Personalvorstand

Die Auswirkungen

Der Sohn

Die drei Musketiere

Der Betriebsratsvorsitzende

Die verknüpfte Zusammenarbeit

Die Telefongespräche

Der Aussteiger

Der Gefühlsausbruch

Der doppelte Verrat

Die bedingte Toleranz

Montego Bay

Die berufstypischen Auffälligkeiten

Die Dame in Blau

Lores Bericht

Das nagende Misstrauen

Frau Braun

Der Zufall

Das Gerücht

Die Projektarbeit

Das familiäre Umfeld

Haarlos

Die Selbstreflexion

Der Wutausbruch

Erneutes Mandat

Die Personen

Die Betriebsversammlung

Karl Krapps blickte auf seine Armbanduhr. Das ist mein Tag, dachte er. Freitag, der 13. Oktober 2006. Meine Abrechnung mit dem Vorstand. Besonders mit Dr. Truts, dem Vorstandsvorsitzenden.

Er hatte bei der Vorbereitung darauf gedrungen, dass der größte Versammlungsraum für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurde. Immerhin handelte es sich um den Gesamtbetriebsrat der Titanus-Versicherung Aktiengesellschaft in Köln.

Die Tür des Saales öffnete sich quietschend schon eine Viertelstunde vor dem in dem Einladungsschreiben genannten Beginn um zehn Uhr. Er beobachtete mit Genugtuung, wie sich diskutierend und schwatzend die Angestellten in den Raum drängten. Wortfetzen formten sich zu einer Melodie von hellen und dunklen Tönen, verstärkt durch die hohe Decke des Raumes. Die akkurat aufgebauten Stuhlreihen auf den Steinfliesen wurden auseinandergezerrt. Die Stuhlbeine schepperten. Metall auf Metall. Das Geräusch vermischte sich mit dem Scharren von Füßen und dem Staccato der Absätze vieler Frauenschuhe. Am Mikrofon des Rednerpults, seitlich von dem Podest mit den fünf Betriebsratsmitgliedern, stand Max Anders. Ein junger, ehrgeiziger Mann, erst kürzlich in den Betriebsrat gewählt. Sein roter Kopf verriet die Anspannung. Die Tonprobe. »Eins, zwei, drei.« Das Mikrofon rauschte, knisterte, ein schriller Ton. »Eins, zwei, drei.« Und nach einer kurzen Pause: »Gut«, kommentierte er seine Arbeit. Eine Handvoll der Anwesenden lachte.

»Bravo, Anders«, rief Jupp Steinke ihm von seinem Platz in der vierten Reihe links vom Zwischengang zu. Er machte ihm Mut. Ein kostenloses Vergnügen, das die Stimmung auflockerte. Der Betriebsrat hatte die Tagesordnungspunkte mit den Namen der Referenten eine Woche vor der Veranstaltung zusammen mit der Einladung zu der außerordentlichen Betriebsversammlung versandt.

Karl Krapps betrachtete die Runde des Publikums, der Kollegen und Kolleginnen der Hauptverwaltung der Titanus-Versicherung. Wie immer in der Branche, hatte sich auch seine Versicherung den besten Platz für ihr Firmengebäude ausgesucht: Es lag am Johannes-Giesberts-Park, unweit von Flora und Zoo.

Nachdem er zuvor Jupp durch dessen Zwischenruf entdeckt hatte, suchte er nun Ernst Groß. Der hatte auf der rechten Seite des Ganges, der die Stuhlreihen trennte, in der fünften Reihe Platz genommen. Gut platziert, sann er. Meine Speerspitzen, die werden dem Vorstand die kritischen Fragen stellen. Truts, der lange redet, damit ihm kaum Fragen gestellt werden. Der nennt Zahlen, Fakten, schnell hintereinander, so dass wenig Spielraum für das Hinterfragen bleibt. Der spult alles ab. Heute nicht. Seinen Vortragsstil werde ich mitbestimmen.

Er konnte die Redner am Pult beobachten. Das war so gestellt, dass sie zur einen Hälfte dem Publikum, zur anderen den Betriebsratsmitgliedern zugewandt waren. Eine Maßnahme von ihm, um die Mitarbeiter zu ermutigen, sich kritisch mit den Vorstandsbeschlüssen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig, um seine spätere Verhandlungsposition als Arbeitnehmervertreter zu stärken.

Er schreckte hoch.

Der Overheadprojektor wurde das neue Opfer des jungen Mannes. Klick, klack, klick, klack, machte der schwarze Plastikschalter. Licht an, Licht aus. Krapps spähte zum jungen Anders. Der war in dieser Aktion vom Ehrgeiz besessen. Anders ist zwar ungestüm, häufig zu naiv, dachte er, aber wenn jemand mein Nachfolger wird, dann er. Noch fehlt ihm der unbedingte Machtinstinkt. Er wurde in seinen Gedanken unterbrochen. Ernst Groß schrie aus der vierten Reihe: »Perfekt. Lass gut sein, Junge.« Durch den Zwischenruf trainierte dieser die Lautstärke für seine zu stellenden Fragen. Jene aus dem Publikum, deren Inhalt und zeitlichen Ablauf er, Karl Krapps, vorgegeben hatte. Mit seinen Vorbereitungen war er zufrieden. Eine Reihe direkt vor Ernst Groß entdeckte er die Kollegin Susanne Sahlenburg. Er erhaschte ihren Blick. Sie musterte ihn kalt. Frauen können ihre ganze Verachtung ohne ein Wort, nur durch ihre Mimik und Gestik ausdrücken, schoss es ihm durch den Kopf.

Anders hatte seine Arbeit beendet. Er grinste ihn an und ging auf das Podium. Setzte sich auf den freien Stuhl hinter dem Tisch, fünf Schritte von der ersten Stuhlreihe entfernt. Dort warteten neben ihm die weiteren Betriebsratsmitglieder. Sie waren damit beschäftigt, letzte Punkte zu erörtern. Sich abzustimmen, wer zu welchen Themen eventuelle Fragen beantworten sollte. Vier Frauen rechts; vier Männer links von Krapps. Ihre Oberkörper, besser noch ihre Gesichter, waren für alle sichtbar. Nicht von irgendwelchen technischen Geräten halb oder ganz verdeckt. Über ihren Köpfen die weiße Leinwand.

Karl Krapps sah auf seine Armbanduhr. Es war jetzt zehn. Er setzte sein einstudiertes Lächeln auf. Nickte rechts und links den Betriebsratsmitgliedern zu. Schaute erwartungsvoll zur Saaltür. Er trat an das Rednerpult. Am Morgen hatte er sich lange im Spiegel betrachtet. Sein Äußeres gefiel ihm. Seine kurzen, grauen Haare waren akkurat geschnitten. Hinter der randlosen Brille die tief liegenden blauen Augen. Darüber die Stirnfalten, die er gekonnt einsetzte, um sein Missfallen, seine Zweifel auszudrücken. Mit seinem Runzeln dokumentierte er es dem jeweiligen Gesprächspartner. Besonders die von ihm einstudierte Mimik bei Entrüstung oder Betroffenheit gefiel ihm. Als er mit der Moderation beginnen, die Anwesenden begrüßen wollte, verebbte das Stimmengewirr. Die Tür quietschte erneut. Herein kamen die drei Vorstandsmitglieder, Dr. Sebastian Truts, Dr. Rolf Rellinger und Heribert Vogelsang. Ein Zischen und Wispern war zu vernehmen. Sie ließen sich ihren eingeübten, bedeutenden Auftritt nicht stören. In gebührendem Abstand folgte Edith Braun, die rechte Hand von Truts. Sie hatte die Aufgabe, drei Mappen in unterschiedlichen Farben hinterherzutragen.

Karl Krapps stand wartend am Rednerpult. Die Finger seiner linken Hand trommelten nervös auf das braune Holz. Das eingeschaltete Mikrofon verstärkte das Geräusch. Die zuletzt Gekommenen ließen sich auf die Stühle in der ersten Reihe fallen. Der Kunststoffbezug gab nach. Luft entwich. Er hörte mit dem nervösen Trommeln auf.

»Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich begrüße Sie herzlich zu der außerordentlichen Betriebsversammlung der Titanus-Versicherung.« Er stockte, wartete ab, bis auch der Letzte im Saal mit dem Hüsteln und Räuspern fertig war.

»Ich begrüße die Herren des Vorstandes, Dr. Truts, Dr. Rellinger und Vogelsang, die der Einladung der Arbeitnehmervertretung gefolgt sind. Ferner gilt ein besonderer Dank Herrn Sanders von der Gewerkschaft Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft.«

Bei der Erwähnung des Gewerkschaftlers brandete Applaus unter den Anwesenden auf.

Karl Krapps nickte zustimmend. Die Vorstandsmitglieder starrten angeödet auf ihre Mappen, die Frau Braun ihnen ausgehändigt hatte.

»Die Tagesordnungspunkte der heutigen Veranstaltung sind Ihnen bekannt.«

In diesem Moment erhob sich Anders erneut. Ging an den Overheadprojektor. Er legte die entsprechende Folie auf. Die Schrift erschien in großen schwarzen Buchstaben auf der weißen Leinwand über den Köpfen der anderen Betriebsratsmitglieder. Aufgereiht, wie bei einem Gericht oder einer Karnevalssitzung.

Karl Krapps drehte sich zur Leinwand. Die Knöpfe seines blauen Jacketts schnürten seinen Bauch ein. Er öffnete sein Jackett und schaute auf die vierzehn Punkte. Drehte sich wieder den Mitarbeitern zu. Vertiefte sich einen Moment auf die vor ihm liegende Papierversion. Er kannte die Wirkung. Verstand das Spiel, sein Spiel. »Gibt es noch Wünsche, Vorschläge oder Ergänzungen? Neue Punkte?«

Er schaute von dem Blatt Papier auf. Suchte den Blickkontakt mit Jupp und Ernst. Starrte in die Menge. Wartete auf Wortmeldungen. Es erhob sich keine Hand.

»Keine Fragen, Anregungen oder Ergänzungen«, stellte er nüchtern fest. Damit wandte er sich an seine Kollegen auf dem Podium. »Das für das Protokoll.« Er drehte seinen Oberkörper und erklärte: »Somit eröffne ich die außerordentliche Betriebsversammlung. Insbesondere vor dem Hintergrund«, und die Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen, »der Presseveröffentlichungen zu der Unternehmensneuordnung und den damit verbundenen Änderungen.« Er nahm mit der rechten Hand das vor ihm auf dem Pult stehende Wasserglas. Trank bedächtig einen Schluck. Erhöhte somit die Aufmerksamkeit des Publikums. Verkündete: »Aufgrund der knappen Zeit des Vorstandes …«, hierbei schmunzelte er und wurde unterbrochen.

»Hört, hört«, rief Jupp vorwitzig aus der Menge. Dieser Einwurf löste Heiterkeit aus. Die drei Herren des Vorstandes quittierten diese Aktion mit leichenbitterer Miene. Frau Braun blickte pikiert auf ihren Rocksaum. Zog daran. Krapps wartete belustigt ab. Er genoss als Hausherr die Situation. Sagte mit dunkler Stimme: »Aufgrund des engen Zeitplanes unseres Vorstandes werden wir die Punkte drei, sechs und acht der Tagesordnung vorziehen.« Er ließ diese Information auf die Zuhörer wirken.

»Zu Punkt drei, Zusammenlegung der Antrags- und Schadensabteilungen der Haftpflichtsparte, wird Herr Dr. Rellinger Stellung beziehen. Zu Punkt sechs, Auswirkung dieser Verschmelzung für den Angestelltenbereich und Auswirkungen für den Außendienst, Herr Vogelsang. Interessant, und von Ihnen allen mit Spannung erwartet, werden die Ausführungen zu Punkt acht sein. Herr Dr. Truts gibt Ihnen in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender aus erster Hand die neue Strategie am Markt bekannt. Ebenso die damit verbundene neue Unternehmensstruktur, die die Schließung von Filialen und die Aufgabe von Standorten umfasst.«

Die Sätze wurden von ihm heruntergeleiert. Ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft. Die Stimmung war aufgeheizt.

»Aufgrund der Brisanz werden wir«, und hier lächelte Krapps gönnerhaft, »den Punkt acht vorziehen. Zunächst erteile ich dem Kollegen Sanders von Verdi das Wort, um sich und die Arbeit der Gewerkschaft vorzustellen. Es folgt der Rechenschaftsbericht des Betriebsrates.«

Krapps setzte sich. Er nahm wahr, wie die Herren des Vorstandes tuschelten. Frau Braun lehnte sich zurück, damit die Köpfe der Herren sich näherkommen konnten. Anschließend blätterten die Vorstandsmitglieder gelangweilt in den Mappen. Stoisch, mit reservierter Miene, hörten sie sich den Redebeitrag des Gewerkschafters an. Dokumentierten ihren Unmut über die Verzögerung, das Vergeuden nutzloser Zeit. Karl Krapps präsentierte den Rechenschaftsbericht des Betriebsrates. Die Vorstandsmitglieder lehnten sich entspannt in ihren Stühlen zurück. Bis endlich Dr. Truts von ihm aufgefordert wurde, zu seinem Tagesordnungspunkt Stellung zu nehmen.

Jupp ließ seinen grellen Pfiff los. Ernst hustete, als müsse er sich erbrechen. Toll, dachte Karl Krapps.

Truts hob den Kopf. Sammelte sich. Schritt bedächtig und ging mit einem breiten Lächeln ans Rednerpult. Seine Tränensäcke wirken heute noch größer, bemerkte Krapps, und die markanten Augenbrauen sind hoch aufgebürstet. Alles Show.

Umständlich legte Truts seine Unterlagen vor sich auf das Pult. Sah kurz zu Karl Krapps herüber und nickte gönnerhaft den Damen und Herren des Betriebsrates zu. Konzentrierte sich auf die vor ihm liegenden Aufzeichnungen und begann: »Meine Damen und Herren, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Lassen Sie mich zuvor ein paar einleitende Sätze zu den Ihnen gleich präsentierten Maßnahmen unseres Unternehmens sagen. Meine Kollegen und ich vom Vorstand wissen um die Bedeutung dieses Augenblicks.« Er legte eine Atempause ein. Räusperte sich. »Ohne Visionen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter …«

»Wir sind nicht lieb«, warf Jupp, geschützt durch die Menge der Zuhörer, ein.

Truts zeigte keine Reaktion. Rezitierte unbeirrt weiter: »Ohne Visionen ist die Welt ärmer. Wenn wir diese nicht hätten, würden keine Veränderungen stattfinden. Die kreativen Kräfte erlahmen. Wir müssen nicht nur die Aufgaben der nächsten Monate, der nächsten Jahre sehen.« Er beugte sich weiter zum Mikrofon. »Nein, wir müssen erahnen, was die nächsten Jahre uns an Herausforderungen bringen werden. Was auf uns zukommen wird.«

»Kommen Sie zur Sache«, startete Ernst seinen nächsten Zwischenruf.

Truts hob den Kopf. Sein Gesicht wurde starr. Er hielt inne, als wollte er den Ruhestörer lokalisieren. Mit harschen Worten fuhr er fort: »Wir müssen für die kommenden Herausforderungen gewappnet sein. Alle möglichen Marktereignisse erkennen und die richtigen Konzepte haben. Wir sind darauf vorbereitet. Wir sind gut aufgestellt. Jetzt müssen wir an den Stellschrauben drehen, damit im nächsten Jahrzehnt die Probleme gemeistert werden. Wir haben alle Werkzeuge im Werkzeugkasten.«

Auswendig gelernt und hohle Sprüche, ging es Krapps durch den Kopf. Er entdeckte erste Schweißtropfen auf der Stirn des Redners.

Der stockte. Er erwartete Applaus, der ausblieb. Daraufhin änderte er seinen Tonfall und erklärte mit einschmeichelnder Stimme: »Das bedeutet, sich von liebgewonnenen Dingen und Gewohnheiten zu trennen. Bedingt die Bereitschaft, Bestehendes infrage zu stellen.«

»Ihre Arbeit auch?«

Krapps bemerkte, wie Jupps Gesicht rot anschwoll.

Bei diesem Einwurf erscholl Spottgelächter. Etliche der Angestellten klatschten, andere pfiffen. Krapps musterte Truts. Der zeigte erste Anzeichen von Unsicherheit. Er fuhr sich mit der linken Hand über den grauen Kinnbart. Er konnte seine Anspannung schlecht verbergen.

»Glauben Sie mir, wir haben harte Monate mit hitzigen Diskussionen hinter uns. Nicht nur der Vorstand«, er straffte seinen Oberkörper und wandte sich dem Betriebsrat zu, »auch mit Ihren Interessenvertretern.«

Er wartete ab. Suchte nach Dankbarkeit. Drehte sich den Mitarbeitern zu und ergänzte: »In einvernehmlicher Zusammenarbeit, getragen von einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens, haben wir das Konzept erarbeitet, das ich Ihnen gleich präsentieren werde. Gegen Seilschaften und Widerstände im Haus. Und gerade, weil ich um die Bedeutung weiß, bin ich heute hier bei Ihnen.« Er sprach über die Köpfe der Menschen hinweg.

»Dafür gibt es ein Schmerzensgeld«, kommentierte Jupp erneut.

Karl Krapps nahm das vor ihm liegende Handmikrofon.

»Kolleginnen und Kollegen. Ich darf um Ruhe bitten. Wir haben gleich Gelegenheit zu einer ausführlichen Diskussion. Das hat Herr Dr. Truts uns zugesagt. Er wird sich Ihren Fragen stellen.« Krapps wusste, dass er mit dem Druck in seiner Stimme den Beifall erzwingen konnte. Was geschah.

Die Absprachen zwischen den beiden Ruhestörern und ihm klappten. Er war mit dem bisherigen Ablauf zufrieden. Lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück.

Truts umklammerte mit beiden Händen das Rednerpult. Atmete hörbar tief durch. Für Krapps ein erstes Zeichen des Kontrollverlustes. Er führte weiter aus: »Es geht hier um unser aller Wohl. Das von Ihnen und Ihren Angehörigen. Das des Unternehmens, das für Sie den Lebensunterhalt bedeutet«, raunte er bedeutungsschwanger.

»Für Sie doch auch. Nicht zu knapp.« Ernst nahm das Spiel wieder auf. Sein Zwischenruf wurde mit Beifall bedacht. Abgelöst von ersten Buhrufen. Die Provokation erzielte ihre Wirkung.

Mit kalter Stimme, jede Silbe betonend, den Kopf nahe am Mikrofon, antwortete Truts: »Stehen Sie auf und zeigen Sie sich, wenn Sie meinen, durch unqualifizierte Bemerkungen glänzen zu müssen. Sehe ich da jemanden?« Er nahm die linke Hand über seine Augen. Gleich einem Matrosen im Ausguck, der nach Land späht. Dies belustigte eine Anzahl der Teilnehmer. Er wusste um die Wirkung seiner Geste. Das Mikrofon erzeugte einen schrillen Ton. Er hatte durch seine Aktion unbeabsichtigt mit der anderen eine Rückkoppelung erzielt. Der Ton verebbte, und er verkündete sarkastisch: »Das war mein persönliches Statement.«

Er verlagerte das Gewicht auf das rechte Bein. Setzte den linken Fuß vor. Hielt sich mit der rechten Hand am Podium fest. Benetzte Daumen und Zeigefinger der linken, um die Papierseiten seines Vortrages umzublättern. »Ich fahre jetzt mit der Präsentation der neuen Unternehmensstrategie fort.«

Die Sache läuft aus dem Ruder. Verwandelt sich in eine Peinlichkeit, feixte Krapps und lächelte in sich hinein.

»Frau Braun, bitte.« Truts holte die Stimme tief aus seinem Brustkorb. Das war ihr Signal. Sie stand auf und ging mit erhobenem Haupt zum Overheadprojektor. Schaltete ihn an. Truts hatte sich wieder in der Gewalt. Sein Ton war verbindlich. Frei von jeglicher Schärfe. »Sie wissen, wie ich von zahlreichen Seiten für mein Engagement bespöttelt wurde. Jetzt wollen alle das Erfolgsmodell kopieren.«

Frau Braun legte eine Folie nach der anderen auf. Ihr Chef las den Text von der vor ihm liegenden Papierversion ruhig und monoton ab. Den bedeutungsvollen Inhalt, reduziert auf knappe Schlagworte. Griffig, einprägsam. Erläuterte Zahlenreihen. Erwähnte Begriffe. Kommentierte Umsätze, Produktionen und Ergebnisse der einzelnen Sparten und Abteilungen. Setzte gekonnt seine Stimme ein. Ruhig, wohlwollend für die Leistungen, für das Erreichte. Hart, klirrend für die Managementziele. Er berauschte sich an verschiedenfarbigen Kurven, an dicken und dünnen Balkendiagrammen. Endlich kam er zu der zwölften Folie. Hier hielt er inne. Über den Köpfen der Betriebsratsmitglieder wurde der Inhalt der Folie wiedergegeben. In grüngelber Schrift erschien auf der Leinwand die Schlagzeile: Zwanzig-Prozent-Beschluss. Harmlos und griffig. Damit weckte Truts die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft. Jener Masse mit den schläfrigen Augen, die jetzt, da es um die Reduzierung des Personals ging, Interesse zeigte. Zahlreiche der Anwesenden bekämpften ihre Ermüdungserscheinungen. Bedingt durch den Sauerstoffmangel oder die zuvor langatmigen Ausführungen des selbstverliebten Folienziehers. Es herrschte eine gespannte Ruhe. Jetzt ging es um ihre Zukunft. Truts wurde konkret. Er kam auf das Thema zu sprechen, das sie alle verunsicherte und von dem sie vorab Anfang September aus dem Kölner Stadt-Anzeiger erfahren hatten. Eingeleitet aufgrund der Wiedergabe von Aussagen anlässlich der Pressekonferenz des Unternehmens.

Damals berichtete Truts über das Ziehen der Reißleine, sprach von gravierenden Veränderungen und einem Umbau, ohne näher darauf einzugehen. Eine gezielte Indiskretion, wie zahlreiche Mitarbeiter des Konzerns vermuteten. Er ließ sich nicht in die Karten schauen. Ergriff die Möglichkeit, den Prozess in seinem Sinne zu gestalten, selbst mit einer lancierten Pressenotiz. Der Betriebsrat, darauf angesprochen, konnte seinerzeit nur nebulös erklären: »Wir verhandeln noch und haben Stillschweigen vereinbart.«

Daran erinnerte Krapps sich. Der Redner strich sich durch sein schwarzes Haar, das vor Schweiß wie angeklebt wirkte.

Truts warf das Schlagwort »Bereinigung« in die Stille des Raumes. Er wartete die Wirkung ab, um nach einer Atempause die Unternehmensentscheidung zu verkünden. Die Hintergründe zu dem Zwanzig-Prozent-Beschluss.

Krapps beugte sich vor. Verschränkte die Arme und legte sie auf die Tischplatte. Die anderen Betriebsratsmitglieder folgten seinem Tun. Lauernd, wie Tiger vor dem Sprung. Sie blickten auf den Redner, der mit ruhiger, monotoner Stimme erklärte: »Durch die Verschlankung der Organisations- und Kostenstruktur werden wir weiter die Sachkosten reduzieren. Das schließt einen moderaten, und ich wiederhole, moderaten Personalabbau nicht aus. Durch das Modell der Altersteilzeit und / oder dass freie Stellen nicht neu besetzt werden.«

Sein letzter Satz, ruhig und wohlwollend vorgetragen, sollte beschwichtigen. Was misslang. Protest formierte sich. Eine Welle der Empörung schlug ihm entgegen. Unbeirrt davon führte er, jetzt in einem schnoddrig-robusten Tonfall, aus: »In den kommenden Monaten wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Das kann zu betriebsbedingten Kündigungen führen. Das schmerzt, weil eine große Anzahl der Bereiche sich gut geschlagen haben. Selbst beim Management wird künftig auf eine Ebene verzichtet werden.« Seine Stimme war samten. Die Worte klar. Er lehnte sich mit dem Unterarm auf das Rednerpult. Legte eine seiner einstudierten Unterbrechungen ein, um seine Aussage wirken zu lassen. Rhetorisch geschult, wartete er ab. Erste Unruhe breitete sich aus. Es war die Stimme von Jupp zu vernehmen.

»Auf eine Managementebene verzichten. Was haben die getan, wenn darauf künftig verzichtet werden kann?«

Es läuft prima, dachte Karl Krapps und ergriff erneut zu dem vor ihm liegenden Handmikrofon.

»Herr Dr. Truts, wollen Sie direkt darauf antworten.« Er lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl zurück.

Doch der war zu gewieft. Tappte nicht in die Falle. Kommentierte knapp: »Das heißt nicht, dass die Jobs automatisch wegfallen – Restrukturierungsprogramm.« Er ließ diesen Sammelbegriff unkommentiert.

Karl Krapps notierte sich diesen Begriff. Ich werde ihn später darauf festnageln, beschloss er. Sah auf und entdeckte, dass sich die Schweißperlen auf der Stirn von Truts verstärkten. Er mustere die Zuhörer. Registrierte, dass viele verständnislos den Kopf schüttelten.

Truts berichtete, wie es bei seinem Firmeneintritt war. Da hatte es Unternehmensentscheidungen gegeben, die nicht zielgerichtet und erfolgsorientiert waren. Darüber und über anderes schwadronierte er.

Jetzt fleht er um die Anerkennung seiner Leistung, dachte Krapps.

Truts fing sich. Kam in der Gegenwart mit der Äußerung an: »Wir haben, um die Allgemeinkosten in den Griff zu bekommen, uns zu diesem moderaten Prozentsatz durchgerungen. Entsprechen jetzt dem Benchmark der Konkurrenz.«

»Herr Dr. Truts«, es war Karl Krapps, der ihn hier unterbrach, »moderat, und das erwähnen Sie wiederholt, bedeutet, dass jeder fünfte Mitarbeiter seine Anstellung verliert.«

Pfiffe gellten auf. Andere schrien: »Benchmark, Benchmark.«

Truts stoppte seinen Vortrag. Wartete ab, dass sich das Gejohle legte. Frau Braun schaltete den Overheadprojektor aus, als müsse sie die Folie zwölf schützen. Behielt ihre leicht gebückte Haltung bei. Sie blinzelte zu ihrem Chef. Wartete auf dessen Kopfnicken zum erneuten Einsatz.

»Herr Krapps«, Truts wandte sich diesem direkt zu, »ich kann verstehen, dass Sie jetzt in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Betriebsrats …«

»Gesamtbetriebsrats«, unterbrach Krapps, um ihn zu verunsichern.

»Dass Sie so reagieren! Sie wissen, dass wir ursprünglich von anderen Zahlen auszugehen hatten. Als ich Ihnen und den anderen Mitgliedern des Gesamtbetriebsrates …«, das letzte Wort betonte er genüsslich, »als wir erklären mussten, dass es vor gut einem halben Jahr fünf vor zwölf war …«

Er beendete den Satz nicht; schaute entspannt und zufrieden ins Publikum.

»Wir alle sind aufgefordert, das Ruder herumzureißen. Und das Ergebnis, das ich hier präsentiere, ist das mit Ihnen erzielte. Das tragen alle hier versammelten Betriebsratsmitglieder mit. Überdies gibt es nicht nur beim Personal Einsparungspotenziale. Wir werden auf allen Feldern unseres Unternehmens Einschnitte vornehmen.« Er umklammerte mit den Händen seinen Kugelschreiber, um diese ruhig zu halten.

Frau Braun bediente den Plastikschalter des Overheadprojektors. Eine neue Folie erschien. Der Zwanzig-Prozent-Beschluss war verschwunden.

Truts blickte herausfordernd zu den Betriebsratsmitgliedern. Wandte sich der Mehrheit im Saal zu. »Das schmerzt die Bereiche, die sich gut geschlagen haben«, setzte er hinzu. Er stutzte und bemerkte, dass er das bereits vorgetragen hatte. Die Folienfolge war nicht richtig.

Frau Braun wisperte: »Folie dreizehn. Kennziffern.«

Truts drehte sich um. Sah auf die Leinwand, unter der die Betriebsratsmitglieder saßen. Er entdeckte die neue Folie. Lächelte den Betriebsratsmitgliedern entschuldigend zu. Drehte sich zu den Mitarbeitern.

»Wir haben uns ausschließlich von sozialen Gesichtspunkten leiten lassen. Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt. Alle Möglichkeiten berücksichtigt. Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Jeden einzelnen Fall haben wir intensiv studiert, untersucht, gesondert betrachtet.« Er wiegte bedeutungsvoll sein Haupt.

»Ich erwähne Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstatus, Unverzichtbarkeit. Wir haben uns damit intensiv befasst. Das alles ist in unsere Kennziffern eingeflossen.«

Krapps zählte mit. Drei Mal hatte der Redner das Adjektiv intensiv verwandt! Davon wird sein Vortrag nicht besser.

In seinen Gedanken hinein rief Jupp, der sich abrupt erhob: »Herr Dr. Truts, erklären Sie uns den Begriff Unverzichtbarkeit.«

Das war der Moment, wo er den Blickkontakt mit Krapps suchte. Der hob zum Zeichen seiner Wertschätzung den Daumen der rechten Hand. Presste seine Lippen aufeinander. Für alle Anwesenden ein unmissverständliches Zeichen.

»Gerne«, und der Tonfall von Truts wurde väterlich. »Es geht hier nicht um das Ausspielen von Alt gegen Jung. Sondern um die Qualifikation und die Bedeutung des Arbeitnehmers in der Position und Funktion des Unternehmens. Wir können uns nicht von jungen Leistungsträgern trennen, nur weil sie nicht unendlich lange im Betrieb sind. Wie gesagt, diese Überlegungen sind in die Kennziffern eingeflossen.«

Unruhe breitete sich im Saal aus. Die Mehrzahl der Zuhörer lachte höhnisch, begleitet von lauten Pfiffen.

»Herr Dr. Truts«, es war Karl Krapps, der ihn unterbrach, sich nicht zurückhalten konnte, »wir sind keine Kennziffern, sondern Menschen und Arbeitnehmer der Titanus-Versicherung. Wir sind eine Familie. Jung und Alt. Wo wären wir heute, wenn nicht alle in der Vergangenheit ihr Bestes geben hätten?«

»Jawohl«, schallte es von unzähligen der im Saal Versammelten. Etliche klatschten, andere riefen: »Bravo.«

Der Angesprochene drehte sich Krapps zu. Strafte diesen mit einem vernichtenden Blick. Meinte in einem ironischen Ton: »Herr Krapps, ich bin nicht hier, um Nettigkeiten zu verteilen. Die Situation ist viel zu ernst. Wie Sie bestens wissen«, setzte er ironisch hinzu.

Bevor der Gemaßregelte reagieren konnte, wandte Truts sich ruckartig der Menge der Anwesenden vor ihm zu. »Ich darf Sie alle bitten, die sachliche Ebene nicht zu verlassen«, schulmeisterte er sie. »Ansonsten breche ich meinen Vortrag ab.«

»Pfui«, kam es von etlichen Seiten.

»Ich lasse mich hier nicht beschimpfen«, erregte sich Truts. »Keiner braucht sich in der Masse zu verstecken. Kommen Sie nach vorne. Treten Sie an das Mikrofon, oder besser, nehmen Sie eines der Handmikrofone, die im Saal verteilt sind. Noch besser, kommen Sie zu dem Tisch der Betriebsratsmitglieder und nehmen Sie sich eines. Stellen Sie Ihre Fragen zu den Themenblöcken. Oder warten Sie das Ende meines Vortrages ab. Ich stehe Ihnen, sofern es meine Zeit erlaubt, Rede und Antwort. In gebührender Form. Lassen Sie mich zu den Kennziffern, selbst wenn Ihnen das Wort missfällt, etwas sagen.«

Er blätterte in den vor ihm liegenden Papieren.

Jetzt sucht er eine besondere Passage, um seine Aussage zu bekräftigen, mutmaßte Krapps.

Truts schaute auf und drehte sich zur Leinwand. Entdeckte, dass dort der Inhalt der Folie vierzehn wiedergegeben war. Auf der waren die Möglichkeiten des betrieblichen Ausscheidens aus dem Unternehmen stichwortartig aufgeführt. Er moderierte in scharfem Ton: »Der Sozialplan liegt über den am Markt üblichen Usancen. Für die älteren Mitarbeiter haben wir eine moderate Altersteilzeitvereinbarung ausgearbeitet. Gerade für die über Fünfzigjährigen. Wir wissen, wie schwer in diesem Alter Veränderungen sind, und haben hier eine Lösung für den Vorruhestand erarbeitet. Jeder muss für sich entscheiden, wie viel Freizeit er haben möchte und was sie ihm wert ist.«

»Gilt das auch für den Vorstand?«

Es war Ernst, der sich schwerfällig erhob, um seiner Frage mehr Gewicht zu geben. Die Unruhe im Saal verstärkte sich. Die ersten Zuhörer verließen protestierend den Raum.

Krapps ergriff erneut das Mikrofon. »Herr Dr. Truts, das werten wir als Ihre persönliche Meinung. Nicht die der Geschäftsführung oder der bisherigen Unternehmenskultur.«

Der Gescholtene drehte sich schnaufend zu ihm um. »So geht das nicht, Herr Krapps. Lassen Sie es mich weiter ausführen.« Damit ignorierte er seinen Gegner.

Krapps beobachtete, wie dieser sein Kreuz durchdrückte und abwartete. Eine Unterbrechung. Er suchte nach Worten. Recht so, dachte er. Er hat den Faden verloren.

Unvermittelt und ohne Übergang erklärte Truts: »In diesem Zusammenhang, Herr Rellinger, darf ich mich bei Ihnen und Ihrer Abteilung bedanken. Sie und Ihre Mitarbeiter haben in beispiellosem Einsatz, unter Zurückstellen aller persönlichen Interessen, dieses Konzept mitgetragen und zahlreiche Ausarbeitungen geliefert.«

Der Angesprochene lächelte wohlwollend. Blähte seinen Oberkörper auf.

Wie eine Brandungswelle verstärkte sich das Gemurmel, das Räuspern, das Scharren von Füßen.

»Daneben gibt es vielfältige Abfindungsangebote. Eine Auffanggesellschaft ist für Sie da. Und lassen Sie es mich deutlich an dieser Stelle sagen: Gute Mitarbeiter finden immer eine neue Stelle. Immer.«

Seine Aussage verwandelte sich in eine Peinlichkeit; Gelächter quittierte diese. Die Sache ist ihm aus dem Ruder gelaufen, erkannte Krapps. Bevor er weiter seinen Gedanken nachhängen konnte, ergriff der Gewerkschaftsvertreter das Wort.

»Ich kann jedem von Ihnen empfehlen, sich die Angebote Ihres Arbeitgebers gut zu überlegen. Die Abfindungen sind nicht steuerfrei. Sichern Ihnen nicht über Jahre ein finanzielles Auskommen. Lediglich eine Überbrückung, wenn überhaupt. Die Zahlungen werden im Falle der Arbeitslosigkeit berücksichtigt. Denken Sie daran, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen Sie eingehen, welche Ansprüche Sie damit aufgeben. Das gilt insbesondere beim Wechsel in die Auffanggesellschaft. Sie schafft Ihnen einen Puffer von maximal ein bis eineinhalb Jahren, um einen neuen Arbeitgeber zu finden. Die Titanus-Versicherung, Ihr bisheriger Arbeitgeber, kauft sich von allen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen frei.«

»Ich darf Sie bitten, nicht polemisch zu werden«, kommentierte Truts die Einwände, »und, Sie sind Gast hier im Haus, oder?«

Jetzt herrschte eisiges Schweigen im Saal. Der Gewerkschafter ließ sich nicht einschüchtern. Erklärte: »Die Aufgabe einer Auffanggesellschaft sind Orientierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Mitarbeiter sollen fit für neue Aufgaben durch aktive Berufsausbildung und Weiterbildung gemacht werden. Eine Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt erhalten. Im Ergebnis: Sie haben keine bessere Aussicht am Arbeitsmarkt.«

Die Ausführungen belohnten die Zuhörer mit Beifall. Heftig und anhaltend.

»Wer bekommt schon eine attraktive Weiterbildung bei Weiterzahlung der Bezüge«, giftete Truts zurück.

»Die Vorteile für Sie, Herr Dr. Truts, sind, dass das Arbeitsamt einen Teil der Gehälter übernimmt. Für den Mitarbeiter gibt es keinen Kündigungsschutz, da er selber geht. Somit ist keine Kündigungsschutzklage möglich. Und, wie sieht es in der Praxis aus? Es ist oft ein billiges Zwischenparken für die anstehende Arbeitslosigkeit, die nach ein bis zwei Jahren einsetzt. Darüber hinaus, Herr Dr. Truts, wer kontrolliert Sinn, Zweck und Notwendigkeit der Weiterbildung auf Effizienz und Bedarf? Welche Erfolgsnachweise der Vermittlung und Wiederbeschäftigung liegen Ihnen vor? Oder sind es geschönte Zahlen der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, die Ihnen vorliegen, um den Auftrag zu erhalten?«

Die Stimme des Redners war schneidend. Im Saal gellten Pfiffe. Weitere Mitarbeiter erhoben sich und verließen den Raum.

Truts blieb davon ungerührt. Er nahm die nächste Folie. Sah zu der Leinwand. Erblickte die Stichworte, die knapp alle Möglichkeiten der Vertragsbeendigung den Mitarbeitern aufzeigten. Er wandte den Blick nicht von der Leinwand, sondern erklärte: »Einzelheiten wären jetzt zu verwirrend. Die Personalabteilung, besser noch Ihre jeweiligen Vorgesetzten, sind damit bestens vertraut. Sie stehen Ihnen für jede Einzelheit mit Rat und Tat zur Verfügung.«

Frau Braun schaltete den Overheadprojektor ab. Ging mit erhobenem Haupt zu ihrem Stuhl. Ein Zeichen, dass sein Vortrag beendet war.

»Haben Sie noch weitere Fragen?« Der Referent schaute suchend in den Saal. Drehte seinen Kopf nach rechts und links.

»Ich habe noch eine Frage.«

Wieder musste Truts sich Krapps zuwenden.

»Sie erläuterten uns bisher nicht den Begriff Restrukturierungsprogramm.«

Bevor der Angesprochene antworten konnte, quietschte die Saaltür. Truts und die Betriebsratsmitglieder schauten auf den Hereinkommenden. Ein Tuscheln war zu vernehmen. Eine Teilung des Geräuschpegels. Die Angestellten der rechten Stuhlreihe schwiegen. Erstarrten, blickten fassungslos. Die der linken verstärkten ihr Gemurmel. Gleich einem Bienenschwarm. Mit jedem Schritt wurde dieses Geräusch lauter.

Truts beugte sich zu seinem Mikrofon. »Als verspäteten Gast darf ich Herrn Bassinger begrüßen.«

Die Mitarbeiter der linken Seite lachten. Die der rechten waren weiterhin passiv. Wirkten wie erstarrt.

»Da er direkt auf das Podium zusteuert, nehme ich an, er möchte eine Zusatzfrage stellen. Themenrelevant, wenngleich er nicht anwesend war.« Spott lag in Truts Stimme.

Bassinger stand jetzt vor dem Redner.

»Ja, was gibt es so Wichtiges? Nehmen Sie eines der Saalmikrofone, damit wir Sie alle hören können.«

Statt einer Antwort hob Bassinger den rechten Arm. In der Hand die Pistole, die er seit seinem Eintritt offen den auf der rechten Stuhlreihe Sitzenden gezeigt hatte. Er legte an. Ruhig, ganz ruhig.

Er schoss und rief: »Zu alt.«

Truts ließ die Hände vom Rednerpult los. Er sackte zusammen, fiel seitlich rechts auf den Boden. Der Unterkörper verdeckt vom Rednerpult. Sein weißes Hemd färbte sich langsam von einem zunächst schwachen roten Farbton zu einem intensiveren, der größer wurde.

Der Schütze drehte sich um. Rellinger und Vogelsang saßen vor ihm. Sie hatten ihre Hände vor den Mund geschlagen. Dazwischen Frau Braun. Sie hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Bassinger erhob erneut seinen rechten Arm. Richtete die Waffe auf Rellinger, schoss und murmelte: »Zu teuer.« Er ließ den Arm sinken, um ihn mit einer unmerklichen Drehung Richtung Vogelsang zu heben. Dieser hatte jetzt die Hände vor seine Augen geschlagen. Er zitterte. Dicke Schweißperlen waren auf seiner Stirn. Bassinger schoss mit den Worten: »Zu dumm.«

Der Schrei von Frau Braun durchdrang den Saal: »Mein Gott. Mein Gott!«

Das war das Signal. Die Starre löste sich. Ein Teil der Belegschaft rannte zum Ausgang. Sie drückten gegen die nach innen zu öffnende Tür. Versperrten sich den Fluchtweg. Das steigerte ihre Panik. Schreie, Minuten unterdrückt, machten sich breit. Animalisch. Ihren Gefühlen nachgebend, stolperten weitere Teilnehmer über die Stühle. Andere sprangen darüber. Sie konnten den Schwung nicht abfedern. Strauchelten und rissen Fliehende zu Boden. Fäuste schlugen auf die Vorderen, wenn diese ihnen den Weg versperrten. Von hinten schubsten, stießen und drängten weitere. Ließen die Vorderen straucheln. Sie trampelten über sie hinweg. Rasten panisch weiter in Richtung Ausgang.

Jupp und Ernst stürmten auf den Schützen zu. Von hinten sprang Anders auf ihn. Riss ihn um. Warf ihn zu Boden. Jupp und Ernst setzten sich auf den Schützen. Jupp schlug ihm die Waffe aus der Hand. Nahm ihn in den Schwitzkasten. Ein Knäuel von Leibern bedeckte ihn. Frau Braun schluchzte hysterisch. Eilte zu Truts. Susanne Sahlenburg rannte auf das Knäuel von Leibern. Beugte sich vor und jammerte: »Tun Sie Bassinger nichts. Sie brechen ihm die Knochen!«

Die Betriebsratsmitglieder drückten auf ihre Handytasten. Versuchten verzweifelt, den im Vorraum wartenden Sanitäter zu rufen. Andere wollten die Polizei unterrichten, die Ambulanz ordern. Vertippten sich bei den Notrufnummern. Schrien um Hilfe. Gaben sich gegenseitig Befehle, Anweisungen. Karl Krapps fühlte, wie sich seine Muskeln spannten. Sein Puls raste. Sein Herzschlag geriet außer Takt bei dem Bild, das sich ihm bot.

Das Mandat

Dr. Rainer Seeger war sechzig Jahre alt. Er trug sich mit dem Gedanken, seine Kanzlei zu veräußern. Zur Zeit beschäftigte er nur noch seine Sekretärin, Ursula Kröger. Seit vierzig Jahren die treue Seele. Bei seinem Eintritt war sie bereits in der Kanzlei. Die rechte Hand seines Vorgängers. Über die Abwicklung und Nachfolgeregelung wollte er an diesem Samstag in Ruhe nachdenken, wie er seinen Klienten seinen Austritt erklären und ihnen seinen Nachfolger präsentieren würde.

Das Telefon läutete. Ein schriller durchdringender Ton. Ich sollte ihn ändern, dachte Dr. Seeger. Noch mehr ärgerte es ihn, dass er es nicht abgestellt hatte. Sonnabend und gerade heute wollte er ungestört sein. Es schrillte weiter. Warum gab der Störenfried nicht auf? Woher kannte der Anrufer seine Privatnummer?

Er erhob sich aus seinem Bett. Stolperte über achtlos verstreute Kleidungstücke. Ging nur mit der Pyjamahose bekleidet in das Wohnzimmer. Auf der Glastischplatte stand das benutzte Rotweinglas vom Vorabend. Das Licht, das durch die durchgehende Fensterfront fiel, blendete ihn. Er suchte das Telefon. Auf dem weißen Sideboard befand sich das Basisteil. Darüber die moderne Grafik einer belgischen Dünenlandschaft von René Carcan. Das Mobilteil war nicht an seinem ursprünglichen Platz. Er entdeckte es auf dem Beistelltisch, links von dem weißen Ledersofa, hinter dem gebürsteten Stahlfuß der kleinen Lampe mit ihrem Schirm aus Reispapier.

»Seeger«, knurrte er.

»Herr Dr. Rainer Seeger?«

»Ja, am Apparat. Wer spricht?«

»Krapps«, erklärte der Störenfried. »Karl Krapps, von der Titanus-Versicherungs-Aktiengesellschaft in Köln. Sie erinnern sich an mich?«

»Im Moment nicht. Und nicht heute Morgen. Hat das nicht Zeit bis Montag? Zu den üblichen Bürozeiten?«

»Ich weiß, dass wir Sonnabend haben. Ich habe versucht, Sie gestern Abend in Ihrer Kanzlei zu erreichen. Es ist ein Notfall.«

»Es gibt nichts, was für mich an diesem Wochenende nicht zu verschieben wäre. Schon gar nicht eine arbeitsrechtliche Beratung. Um diese geht es Ihnen, vermute ich. Warum rufen Sie gerade mich an? Woher haben Sie meine Privatnummer?«

Seeger merkte, wie seine Stimme laut und aggressiv wurde. Der andere sollte ruhig seine Verärgerung spüren.

»Sie vertraten unsere Seite in einem Arbeitsgerichtsprozess. Damals gaben Sie mir Ihre Privatnummer, mit dem Hinweis, dass ich Sie jederzeit anrufen könne.«

»Jetzt erinnere ich mich. Die Titanus-Versicherung und ihre Tochtergesellschaft. Hat das nicht Zeit bis Montag? Wieso bezeichnen Sie Ihr Anliegen als einen Notfall?«

Der andere zögerte mit der Antwort. Stattdessen erklärte er: »Das hängt mit Ihrer gesellschaftspolitischen Einstellung zusammen. Die gefiel mir bei unserem Kennenlernen. Dass Sie, nach dem Abschluss Ihrer internationalen Studien und einer respektablen Karriere, bei Ihrem letzten Arbeitgeber aus persönlichen Gründen ausgestiegen sind. Eine lukrative Position, aufgegeben haben, um künftig die schwächere Seite zu stützen. Das sind die Arbeitnehmer. So handelt nicht jeder. Soviel Skrupel den Mächtigen gegenüber ist selten. Sie kennen die Machenschaften der Großen. Somit ihre Tricks. Um es salopp zu sagen: Sie wissen, wie die ticken.«

»Hören Sie, Sie müssen mir meinen Werdegang nicht schildern. Gehen Sie davon aus, dass ich ihn kenne«, kommentierte Seeger im brüsken Ton.

Der späte Morgen und mit ihm die friedliche Stille war unterbrochen, gestört durch den Anruf.

»Stellen Sie ruhig Ihre Schmeicheleien ein. Warum ist das Ganze unaufschiebbar? Kommen Sie bitte zur Sache. Ansonsten lege ich auf und vergesse die Störung.«

»Es geht um den Kollegen Johann Bassinger. Er wurde gestern vorläufig festgenommen und zum Verhör in das Polizeipräsidium mitgenommen. Ich meine, es geht hier um die vierundzwanzigstündige Frist, in dem der Haftrichter über eine Haft zu entscheiden hat.«

»Worum geht es konkret?«

»Er hat in einer Kurzschlussreaktion drei Vorstandsmitglieder verletzt.«

Seeger pfiff durch die Zähne. »Verletzt? Wie verletzt?«

»Er hat auf sie geschossen.«

»Geht es detaillierter?«

»Das ging alles wahnsinnig schnell. War für uns alle überraschend. Der sich anschließende Tumult, die Polizei, die Sanitäter, der Notarzt, die Zeugenvernehmung. Die Verhaftung von Bassinger. Mit den Handschellen auf dem Rücken gefesselt.«

»Ein Amoklauf?« Die Stimme Seegers klang ungläubig. »Den hat es in der Assekuranz, soviel ich weiß, bisher nicht gegeben. Selbstmorde, die schon, aber …« Er gönnte sich einen Moment der Ruhe, um die Information auf sich wirken zu lassen, die ganze Tragweite zu erfassen. Er hörte, wie sein Gesprächspartner am anderen Ende schwer atmete. »Wo und wann ist das passiert?«

»Am Freitagvormittag. Bei unserer außerordentlichen Betriebsversammlung. Zu der waren drei Vorstandsmitglieder geladen. Sie wollten zu Punkten, unter anderem des Personalabbaus und der Neuausrichtung des Konzerns, aus Sicht des Unternehmens berichten.«

»Wo war das?«

»In unserem Kasino.«

Durch seine detaillierten Fragen signalisierte Seeger seinem Gesprächspartner, dass er bei ihm Interesse geweckt hatte. »Er wurde vorläufig festgenommen, sagen Sie?«

»Das erklärte mir der zuständige Kommissar.«

»Kennen Sie seinen Namen?«

»Warten Sie, ich habe eine Visitenkarte von ihm.«

Seeger hörte am anderen Ende der Leitung ein Rascheln. Papier wurde hin- und hergeschoben.

»Hier steht: Kriminalhauptkommissar Heinz Petersen.«

»Warten Sie, ich notiere mir den Namen. Und geben Sie mir bitte Ihre Telefonnummer. Sie verstehen, Herr Krapps, dass ich nicht am Telefon … Ich fasse das so auf, dass Sie mich mit diesem Gespräch erst einmal unverbindlich unterrichten.«

»Ich rufe Sie gerade jetzt an, weil nach meinen Informationen im Mittagsmagazin des ersten Fernsehprogramms um zwölf Uhr davon berichtet wird. Der Pressesprecher des Unternehmens wird eine Stellungnahme abgeben. Es folgt anschließend eine Zusammenfassung des Ereignisses aus den gestrigen Abendnachrichten. Haben Sie die Nachrichten am Freitagabend gesehen?«

»Nein.«

»Schade.«

Seeger brummte.

Der andere erklärte: »Im Moment stürzt vieles auf mich und meine Kollegen ein. Sie können sich kein Bild davon machen.«

»Herr Krapps. Sie wissen, dass ich ein Mandat benötige. Offiziell. Und, wie heißt der Kollege nochmal?«

»Bassinger.«

»Also von Herrn Bassinger. Warum rufen Sie mich an? Nicht er oder warum setzt sich nicht ein Familienmitglied mit mir in Verbindung?«

»Die sind völlig durch den Wind. Alle sind blockiert. Überfordert mit der Situation. Sie haben mich gebeten, ihnen bei der Suche nach einem Rechtsbeistand zu helfen. Herr Bassinger und ich kennen uns seit unserer Lehrzeit. Wir haben uns immer gut verstanden. Und jetzt, dieser Aussetzer.«

»Aussetzer ist eine harmlose Umschreibung.«

»Schauen Sie sich bitte die Sendung an. Ich melde mich bei Ihnen gegen dreizehn Uhr. Werden Sie ihm helfen?«

»Bis eins«, knurrte Seeger und ließ seine Entscheidung offen.

Seeger ließ sich in den Sessel plumpsen. Die Titanus-Versicherung, das war eine große Sache. Er erinnerte sich, wie er einen Mitarbeiter der Konzerntochter in einem Arbeitsgerichtsprozess vertreten hatte.

Er unterbrach seine Gedanken. Schaute auf die Uhr, um sich zu vergewissern, dass noch Zeit sei. Seeger lächelte in sich hinein. Zwei Jahre war das her. Er lehnte sich zurück. Genoss seine Erinnerungen. Die Presse kommentierte überwiegend sachlich. Wenngleich, es gab Stimmen die meinten, er wisse zu taktieren. Er kannte die Kniffe, mit denen die Gegenseite zu überzeugen war. Im schlimmsten Fall überrumpelte er sie geschickt.

Die Reportage

Seeger stellte seinen Fernsehapparat an. Ein kurzer Programmhinweis. Erst kamen die Ereignisse aus dem Ausland; es folgten die aus dem Inland. Zum Schluss ein aktueller Bericht aus Köln.

In diesem Moment erfasste die Kamera einen Mann vor dem Eingangsportal der Titanus-Versicherung. Das mächtige Gebäude aus Sandstein, die schmiedeeiserne Doppeltür und die Treppe davor aus Marmor. Welch ein seriöser Rahmen. Wie in einem Film, dachte er.

Reporter drängten sich um den wie verloren wirkenden Mann in seinem maßgeschneiderten blauen Anzug mit dem getupften Einstecktuch. Das schwarze Haar akkurat nach hinten gekämmt; den Oberlippenbart sorgfältig gestutzt. Ein perfekter Auftritt.

»Meine Damen und Herren«, seine geschulte Stimme ließ keine Regung erkennen, »während der letzten Veranstaltung des Betriebsrates, exakt am Freitagvormittag, kam es zu einem bedauerlichen Zwischenfall. Auf drei unserer Vorstandsmitglieder wurde geschossen. Alle befinden sich in ärztlicher Behandlung.«

»Auf welche Vorstandsmitglieder? Die Namen.«

»Wie schwer sind die Verletzungen?«

»Wurde der Täter verhaftet?«

»Welche Gründe gab es für die Tat?«

Die Fragen der anwesenden Reporter überschlugen sich. Bedrängten den Pressesprecher der Firma.

»Es gab drei Verletzte. Einer davon schwer. Der mutmaßliche Täter wurde vorläufig festgenommen.«

»Können Sie uns nähere Angaben zum Täter machen? Gerüchte sagen, dass es sich um einen leitenden Angestellten Ihres Unternehmens handelt.«

»Die näheren Einzelheiten zum Tathergang werden von der Polizei noch untersucht. Ich kann Ihnen im Moment aus ermittlungstaktischen Erwägungen und unter dem Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen keine weiteren Auskünfte geben. Die Unternehmensleitung befindet sich da in Übereinstimmung mit der Polizei. Sie wird sich zu einem schwebenden Verfahren nicht äußern. Bitte warten Sie Anfang der Woche die schriftliche Stellungnahme des Konzerns und die Pressekonferenz der Polizei ab. Nur soviel, die Geschäfte des Unternehmens sind davon nicht betroffen. Am Montag wird der normale Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weitergehen. Das garantiert die Unternehmensspitze.«

Es kam zu einer Rangelei unter den wartenden Berichterstattern. Blitzlichter flammten auf. Fragen prasselten auf den Pressesprecher nieder. Sie blieben unbeantwortet. Der hielt kurz inne. Er genoss sichtlich das Gewusel von Kamera, Scheinwerfern und Journalisten, um dann durch den Spalt der sich kurz öffnenden Tür des Unternehmensgebäudes zu verschwinden.