Inhaltsverzeichnis


Urzeit
Nibelungen-und Gudrunlied
Der Minnesang
Die deutsche Mystik: Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhard und Johannes von Saaz
Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg
Die Volksdichtung
Zerfall der Ritterpoesie: Oswald von Wolkenstein, Hans Sachs
Scherz, Ironie und Satire: Eulenspiegel, Die Rollwagenbücher
Luther Die deutsche Bibel
Das Kirchenlied
Die Schlesier Der dreißigjährige Krieg
Johann Christian Günther
Gottsched, Gellert, Hagedorn
Die Anakreontiker Die Idylliker
Lessing
Klopstock
Der Hainbund
Wieland
Gottfried August Bürger
Sturm und Drang
Johann Gottfried Herder
Friedrich Schiller
Der Wandsbecker Bote und der Rheinische Hausfreund
Goethe
Jean Paul Hölderlin
Die Romantik
Eichendorff, Kleist, E.Th.A. Hoffmann
Die österreichische Romantik
Die Dichter der Befreiungskriege
Das junge Deutschland: Herwegh und Heine
Uhland und die Schwaben
Hebbel, Grabbe, Büchner
Laube, Alexis, Hauff, Chamisso, Stifter, Immermann
Mörike, Freiligrath, Rückert
Die Schweizer: Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller, C.F. Meyer, Carl Spitteler
1870/71: Otto Ludwig, Raabe, Storm, Fontane
Viele Wege führen nach Rom: Naturalismus, Impressionismus, Expressionismus, Gerhart Hauptmann
Nietzsche und George, Hofmannsthal und Rilke, Dehmel und Morgenstern
Die deutsche Frauendichtung
Das neue Drama: Wedekind
Die neue Prosa
Die neue Lyrik
Epilog
Ausklang: Glück ist das Ziel
Klabund / Alfred Henschke

Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde

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musaicumbooks@okpublishing.info
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0808-1

Urzeit

Inhaltsverzeichnis


Diese kleine Literaturgeschichte verfolgt weder philosophische noch philologische Absichten. Sie ist nichts als der Versuch einer kurzen, volkstümlichen, lebendigen Darstellung der deutschen Dichtung. Die Dichtung eines Volkes beruht auf dem Eigentümlichsten, was ein Volk haben kann: seiner Sprache. In diesem Sinne wird und soll sie immer »völkisch« sein. Die deutsche Dichtung ist vergleichbar einem Baum, der tief in der deutschen Erde wurzelt, dessen Stamm und Krone aber den allgemeinen Himmel tragen hilft. Es gibt eine deutsche Erde. Der Himmel ist allen Völkern gemeinsam.

Blüten vom Baum der deutschen Dichtung mögen vom Wind da-und dorthin getragen werden. Zu Früchten reifen werden nur die, die am Baum bleiben. Sie werden im Herbst geerntet werden, und im Schatten des Baumes wird ein ganzes Volk sich an ihnen erquicken.

*

Jener germanische Jüngling, der einsam im Eichenwald am Altare Wotans niedersinkend, von ihm, der jeglichen Wunsch zu erfüllen vermag, in halbartikuliertem Gebetruf, singend, schreiend, die Geliebte sich erflehte, dessen Worte, ihm selbst erstaunlich, zu sonderbaren Rhythmen sich banden, die seiner Seele ein Echo riefen, war der erste deutsche Dichter.

Wie eine Blüte brach ihm das Herz in einer Nacht auf, daß es der Sonne entgegenglühte, eine Schwestersonne. Daß er dem Sonnengott sich als geringerer Brudergott verwandt fühlte, daß er Worte fand wie nie zuvor. Unbewußtes ward bewußt. Liebe machte den Stummen beredt. Er sang einen heiligen Gesang. Er neigte sich dem Gott, er neigte sich der Geliebten, er versank vor sich selbst. Himmel, Erde, Mensch verschmolz in seinem Gedicht.

Die Sehnsucht wurde Wort, das Wort wurde Erfüllung. Aller Dichtung Urbeginn ist die Liebe. Der Weg zur Liebe führt durch Haß und Kampf und Schmerz. Der Urmensch sang den Haß gegen den Feind, den Feind seines Gottes und Räuber seines Weibes. Er singt den Schmerz seiner im Weltall verlorenen einsamen Seele, die dahinfliegt wie ein Meervogel über den Ozean, und nur die Sonne ist ihre Hoffnung. In ihr verehrt er Gottes Auge, das ihn beglänzt, jeden Tag neu, nach fürchterlicher Nacht. Und er sieht auch in sich die ewige Nacht, aus der er nur immer kurz zu Dämmerung und Helle erwacht, und seine Sehnsucht sucht die Nacht immer mehr mit Licht zu erfüllen. Und das Licht zeigt ihm den langen mühseligen Weg des Menschen, welcher aus Finsternis und Sumpf emporführt zu Licht und Gebirg, bis über die Wolken, bis an Gottes Thron selbst.