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Klara Bellis

Schattenruf

Erzählung


Für Beere und Schrumpel


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Waschküche

  
Im Augenblick des Todes soll angeblich das ganze Leben an einem vorbeiziehen. Jan gingen nur die letzten Monate durch den Kopf. Wieder und wieder. Eine Dauerschleife des Glücks, das sich in Entsetzen verwandelte.

Da gab es den Garten. Die Ziegelwand. Und den Anruf. Warum nur hatte er diesen Arzt angerufen?

Jan kniff die Augen zu und zwang sich, ruhig zu atmen. Vergeblich. Die Panik peitschte die Luft aus den Lungen, drückte sie durch die Nasenlöcher, die sofort gierig frischen Nachschub einsogen. Durch den mit Paketband verklebten Mund konnte er nicht atmen. An Händen und Beinen mit Kabelbindern gefesselt lag er, mit bloßen Füßen und im Pyjama, auf dem kalten Estrichboden einer Waschküche und wartete auf den Tod.

Das Wasser im Kessel erhitzte sich langsam. Neben dem Kessel stand der Eimer. Der Eimer mit der Asche. Jetzt fehlte nur noch eine Zutat, um das Aschenblut-Ritual perfekt zu machen – und das war Blut. Sein Blut.

Jan wimmerte vor Angst. Soeben hatten die beiden Männer die Waschküche betreten. Männer, die sich geschmeidig wie Raubkatzen bewegten und die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Ihnen folgte ein dritter Mann. Einer, der eine alte Hebammentasche aus braunem Leder mit sich führte, und den Jan an der Stimme erkannte. Er hatte diese Stimme schon einmal am Telefon gehört: der Anruf bei Doktor Siebold. Die Stimme, die den Albtraum wahr gemacht hatte, der an einem Morgen im Mai als Traum begann.