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Im Wilden Westen Nordamerikas
AUF DER SPUR


In dieser Reihe bisher erschienen


2201 Aufbruch ins Ungewisse

2202 Auf der Spur

2203 Der schwarze Josh


H. W. Stein (Hrsg.)


Auf der Spur


Teil 2 der Trilogie
Die Schwarzen Teufel von Missouri


Aufgeschrieben von Thomas Ostwald




Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag, www.blitz-verlag.de, in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt bis zu einer Höhe von 23 %.


© 2017 BLITZ-Verlag
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mark Freier
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-95719-432-9




19.


Die Stadt befand sich im Aufruhr. Dicht drängten sich die wütenden Bürger auf der Main Street vor dem Sheriffs Office. Der stand zusammen mit zwei Deputies, Revolver in der Hand, vor dem Haus, zu dem auch hier ein gemauerter Anbau gehörte, der als Gefängnis diente. Diesem Ziel galt offenbar der ganze Ärger der schreienden Menge, als wir drei zurück nach Perryville ritten.

„Hängt ihn auf, den Mörder!“

„An den Galgen mit ihm!“

„Geh zur Seite, O’Brian, du irischer Bastard! Oder du hängst gleich neben ihm!“

So tönte es von allen Seiten, und wir lenkten die Tiere in den Mietstall, um vor allem dem Tumult zu entgehen.

„Schon gehört?“, empfing uns grinsend der Stallbesitzer. „Man hat den Anführer der Bushwhacker gefasst! Er wird wohl heute noch gelyncht, wie man deutlich hören kann!“

„Wie konnte man den Mann fassen? Und war er allein in der Stadt unterwegs?“, erkundigte ich mich. Wir waren seiner Spur gefolgt, und weder für Roter Donner noch für mich gab es eine Frage, ob wir mit dieser Fährte richtig lagen. Das Pferd des Mannes trug eine doppelte Last, wie die tiefen Eindrücke der Hufe bestätigten.

„Er wurde erkannt und dann im Saloon verhaftet. Jetzt wird es wohl ein Ende mit der Bande geben, wenn erst einmal der Anführer gefasst ist!“

Ich drehte mich zu Roter Donner um, aber der Indianer war schon wieder unterwegs.

Tomson jedoch war an meiner Seite, und ich beeilte mich, um den Indianer von einer Dummheit abzuhalten. Er war in der Lage, alles andere zu vergessen, wenn er seinen Todfeind in der Nähe wusste.

Auf der Straße war die Menge inzwischen auf ein Mehrfaches angewachsen, hier gab es kein Durchkommen mehr. Ganz Perryville musste sich vor dem Büro des Sheriffs versammelt haben, und jetzt erkannte ich auch die ersten Waffen bei den Männern. Der Sheriff und seine Gehilfen waren allerdings nicht mehr zu sehen. Ich vermutete, dass sie sich ins Gebäude zurückgezogen und dort verschanzt hatten.

„Gib uns den Mörder raus, O’Brian, oder wir holen ihn uns!“ Der größte Schreier war ein grobschlächtiger Kerl mit einem Gesicht, das jedem Steckbrief Ehre gemacht hätte. Mir kam es so vor, als wäre das eher ein Bandenmitglied als ein ehrbarer Bürger der Stadt. Aber er trug einen tadellosen Gehrock, saubere Hose und Weste, über der ein weißer Kragen leuchtete.

„Wer ist der Mann, der da schreit?“, erkundigte ich mich bei meinem Nachbarn.

„Bill Smith, jeder kennt ihn hier in Perryville. Er kandidiert als Bürgermeister bei der nächsten Wahl!“, lautete die Antwort.

„Und da will er noch vorher die Lynchjustiz einführen? Wie praktisch!“, antwortete ich sarkastisch, aber der Mann hörte mir schon nicht mehr zu.

Die beiden Osagen drängten sich durch die Menge, aber als Roter Donner an einem breitschultrigen Mann vorbei wollte, drehte der sich um und verpasste ihm einen gut gezielten Hieb auf die Kinnspitze. Der Osage war auf diesen Angriff nicht gefasst und brach in die Knie, sprang aber im nächsten Moment auf und schwang den Tomahawk über dem Schädel des Angreifers.

„Stopp, keine Bewegung, Rothaut!“, schrie der nächste Mann, offenbar ein Viehtreiber wie der Schläger. Er hatte allerdings einen Revolver in der Hand und hielt ihn direkt an den Kopf des Indianers. Als Donner nicht sofort reagierte, zog der Mann den Hahn zurück und hatte damit seinen Colt Navy sofort abschussbereit.

Roter Donner ließ den Tomahawk langsam sinken, aber seine Körperhaltung bewies, dass er noch nicht aufgegeben hatte. Er stand in Kampfposition, jederzeit bereit, bei einer unbedachten Bewegung seinen Gegner doch noch auszuschalten.

Ich trat dicht an ihn heran und legte meine Hand auf seinen Unterarm. Langsam ließ er den Tomahawk sinken, und der Viehtreiber nahm den Colt ebenfalls herunter und ließ den Hahn behutsam in seine Ruheposition sinken. Ein heikler Moment, denn diese Waffen haben oft eine extrem schwache Feder, bei der im gespannten Zustand der Waffe oft nur ein leichter Schlag genügt, um sie auszulösen.

„Raus mit ihm an den Galgen!“, schrie erneut jemand über die Menge, und ein vielstimmiger Schrei antwortete ihm. Revolver und Gewehre wurden in die Luft abgeschossen, aber im Sheriffs Office blieb alles weiterhin ruhig.

„Macht Platz, Platz da vorn!“

Die neuen Rufe pflanzten sich fort, und gleich darauf kamen vier Männer angelaufen, die einen gewaltigen Balken trugen. Johlend begrüßte sie die Menge, denn nun war allen klar, was geschehen würde. Noch ehe jemand im Sheriffs Office reagieren konnte, traf der Balken krachend auf die Holztür, die aus dem Rahmen und in das Innere flog. Dann war die johlende Menge im Inneren, und jetzt hörten wir auch Schüsse aus dem Büro des Sheriffs.

Es dauerte nur Minuten, bis die Männer, die den Balken zum Rammen gebracht hatten, einen Mann zwischen sich auf die Main Street zerrten. Für einen winzigen Moment herrschte Schweigen, als der Übeltäter vor ihnen stand, dann brach das Schreien und Rufen auf infernalische Weise erneut aus.

Auch ich hatte den Mann gesehen und ihn erkannt.

„Hendricks, der Spieler, der sich auch Rowson oder Ferrow nennt. Aber ganz sicher nicht der Anführer der Bushwhacker“, sagte ich leise.

Roter Donner hatte mich aber trotzdem gehört und antwortete:

„Auch nicht der Schwarze, der meine Frau getötet hat und das Heilige Bündel raubte.“

„Ich wüsste aber zu gern, wieso er hier als Anführer einer Bande von Bushwhacker gelyncht werden soll. Wer hat ihn dem Sheriff ausgeliefert?“

Wir blieben etwas abseits auf der gegenüberliegenden Seite stehen. Hier hatten wir von der Veranda aus einen Überblick über das Treiben des Lynchmobs, der nun sogar schon einen Strick dabei hatte, den man über den Balken des nächsten Verandavorbaues warf.

„Haltet ihn, er will fliehen!“, kam da der Schrei aus der Menge, und gleich darauf krachten in kurzer Folge zwei Schüsse. Ich sah Hendricks, der nicht mehr seinen cremefarbenen Frack trug, mit dem er auf dem Dampfer auftrat, aber doch einen ordentlichen Anzug wie die meisten Bürger, die ihn jetzt hängen sehen wollten. Er sackte plötzlich zusammen, und als die Menge entsetzt zur Seite wich, konnte ich einen Blick auf sein blutüberströmtes Gesicht werfen.

Direkt neben ihm stand Bill Smith, der Bürgermeister-Kandidat. Er hatte einen Derringer aus der Tasche gerissen und dem Spieler aus unmittelbarer Entfernung ins Gesicht geschossen. Wenn ich die Waffe richtig erkannt hatte, handelte es sich um einen vierläufigen Sharps-Derringer. Und offenbar hatte Smith gleich zweimal hintereinander gefeuert.

Als ich mich umdrehte, stand nur noch Tomson neben mir und starrte die Main Street entlang, entgegengesetzt zur hier versammelten Menge.

„Wo ist Pah-me-o-ne-qua?“, rief ich und war schon auf dem Weg zum Mietstall.

„Er ist plötzlich losgelaufen – da ist er schon!“

Wie von Furien gehetzt, preschte der Osage auf seinem Pferd an uns vorüber. Als ich ihm nachsah, bemerkte ich in weiter Ferne noch die Umrisse von drei Reitern, die in wilder Flucht auf die nächste Waldung zusteuerten.

Roter Donner drehte sich noch einmal kurz um und schrie uns etwas zu, von dem ich nur die Worte skah shongah verstand, während ich mich zu Tomson drehte, der jetzt ebenfalls sein Pferd aus dem Stall führte und aufstieg.

„Donner hat den Schwarzen gesehen, der aus der Stadt flüchtete. Er nennt ihn Weißer Hund, und damit bezeichnet er nur seinen Todfeind.“

In der nächsten Minute saß ich ebenfalls im Sattel, hatte erneut das andere Pferd angebunden und folgte den beiden Indianern, so rasch es ging.



Fußnoten

1 Flussdeich

2 Kumpel

3 Arbeiter auf einem Schiff für Tätigkeiten, die keine besondere Ausbildung erfordern

4 Eine Gruppe vom Sheriff berufener Personen, zum Erhalt der öffentlichen Ordnung oder zur Unterstützung

5 grüner Hügel, Anger

6 veraltet für: jemandem etwas in reichlicher Menge anbieten

7 Mann, der in den Wäldern lebt, Hinterwäldler

8 abgeleitet vom engl. fence, aus Drahtgeflecht oder Holzstäben bestehende Vorrichtung, die zumeist ein Grundstück, ein bestimmtes Areal oder dergleichen eingrenzt

9 engl. für Flachboot; ein Boot mit flachem Boden und meist eckigen Enden, für den Transport von Passagieren und sperriger Fracht vor allem in flachen Gewässern verwendet

10 Old Shatterhands Lehrzeit, siehe Karl Mays Gesammelte Werke Winnetou Band 1

11 Jahrtausende altes Gerbverfahren