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Scarlett Draven

Verheerende Leidenschaft





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Inhaltsbeschreibung

 

 

 

Yasmin Norell:

 

Nach vielen Jahren kehre ich erstmals wieder in meine Heimatstadt zurück, um an einem Klassentreffen teilzunehmen. Ich weiß nicht, ob das ein Fehler ist. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass Asher da sein wird. Asher, der mich hasst aufgrund eines großen Fehlers, den ich begangen habe. Asher, meine einstige, große Liebe ...

 

 

1. Schatten der Vergangenheit

 

 

 

 

YASMIN

 

Ich bin niemals über die unglückliche Liebe zu Asher Caine hinweggekommen. Es war ein Fehler, hierher zu reisen, in meine Heimatstadt im entlegensten Winkel von Ohio. Auch meine Pflegeeltern sind schon lange von hier weggezogen, vermutlich wegen des damaligen Skandals. Ich weiß es nicht, denn der Kontakt zu ihnen ist nicht gut. Für sie bin ich seit jenem Vorfall die Hure Babylon. Mehr brauche ich dazu wohl nicht zu sagen.

Seit sechs Jahren habe ich es vermieden, diese Stadt zu besuchen, obwohl ich noch zwei Freundinnen hier habe. Dabei ist es höchst unwahrscheinlich, dass Asher hierher kommt. Das Klassentreffen, das in einer Woche stattfindet, würde ihn wohl kaum hierher locken. Nicht, nachdem er meinetwegen mit Schimpf und Schande von der Schule geflogen ist. Die Reaktion der Schule finde ich nach wie vor ich übertrieben, aber so war das damals. Es wurde immer alles so schnell wie möglich unter den Teppich gekehrt und verleugnet, dass irgendetwas nicht sauber und keusch sein könnte.

Diese Schule ist so verlogen wie die ganze verdammte Stadt. Kein Wunder, dass ich seit sechs Jahren nicht mehr hier gewesen bin und sogar die Kontakte zu meinen damaligen Freundinnen, die hier geblieben sind, irgendwann im Sande verliefen. Nun bin ich siebenundzwanzig. Wie rasend schnell doch die Zeit vergeht.

Asher hasst mich, daran besteht kein Zweifel. Ich weiß, dass sein Vater ein harter Mann ist, der ihm deswegen sicher zugesetzt hat. Man fliegt nicht einfach von der Schule. Für den alten Militaristen gilt das sicher als großes Versagen.

In dieser Stadt ist die Wahrscheinlichkeit am größten, Asher nicht zu begegnen. Trotzdem ist er gerade hier allgegenwärtig in meinen Gedanken. Meine schmerzvollen Erinnerungen verfolgen mich in diesen vertrauten Straßen mehr als irgendwo sonst.

Doch zehn Jahre genügen. Ich bin hergekommen, um mit der Vergangenheit endgültig abzuschließen. Zwei Wochen lang habe ich Urlaub, den ich bestimmt nicht hier verbringen werde. Das Klassentreffen findet erst morgen statt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich überhaupt hingehen werde, aber ich sollte es. Vielleicht hilft es mir, über meine Vergangenheit hinwegzukommen. Doch instinktiv weiß ich, dass nur Asher diese Wunden in mir heilen kann. Das wird niemals geschehen.

Ich laufe durch die Straßen meiner Kindheit und Jugend. Vieles hat sich verändert. Die heruntergekommenen Altbauten, die einst kinderreiche Familien beherbergt hatten, wurden renoviert. Das einst verruchteste Viertel ist nun von Gutbetuchten bewohnt.

Das Haus, in dem meine Pflegeeltern und ich damals gelebt haben, existiert noch. Es sieht fast genauso aus wie damals bis auf die lindgrüne Farbe, mit der es inzwischen gestrichen worden ist. Früher war es gelb gewesen.

Die meisten meiner Freunde hatten dort Hausverbot gehabt, da sie meinen Pflegeeltern nicht gut genug gewesen waren. Nur meine Klassenkameradinnen und damaligen Freundinnen Lora und Sara konnten ein und ausgehen. Nach der Schule haben sich unsere Wege getrennt, da ich die Erinnerungen an die Stadt, die Schule und somit Asher nicht ertragen konnte. Vielleicht würde ich die beiden ja bald wiedersehen.

Ich laufe weiter und lasse das alte Haus, mit dem unliebsame Erinnerungen verbunden sind, hinter mir. Meine Pflegeeltern sind streng und übertrieben christlich. In eine entsprechende Schule hatten sie mich geschickt. Auch Ashers Vater war extrem, wenn auch in einer anderen Hinsicht. Das erklärt wohl die übertriebenen Reaktionen der Schule damals und dass die Eltern damit konform gingen.

Ich schleiche durch jene Gassen von damals, die für mich stets wie Fluchtwege waren. Sie sind noch düsterer als in meiner Erinnerung. Hinzu kommt, dass es Abend ist.

Der Weg ist eine Abkürzung zu meiner Ferienwohnung. Hotels mag ich nicht so, weil man damit unflexibel ist und weniger Freiheiten hat.

Als ich an einer Nebengasse vorbeilaufe, springt dort jemand heraus und packt mich. Ein großer Mann drückt mich gegen die Hauswand. Ich will schreien, doch er presst mir die Hand auf den Mund, bevor ich ihn öffnen kann. Mein Herz rast und Adrenalin schießt durch meinen Leib. Verzweifelt schlage und trete ich um mich. Viel Bewegungsfreiheit habe ich in meiner misslichen Lage leider nicht. Ich will mit den Ellbogen nach ihm ausholen, aber er hält mir brutal die Arme mit einer riesigen Hand am Rücken fest. Er reißt sie ein Stück nach oben, woraufhin ich vor Schmerzen wimmere.

Von hinten drängt er sich brutal zwischen meine Beine und zerreißt mit einem Ruck meinen Rock. Tränen laufen mir über die Wangen, als er auch meinen Slip zerfetzt und ich seine Pranke auf meinem nackten Hintern spüre.

Er drängt einen Finger in meinen Anus, was mir Schmerzen bereitet. Einen anderen will er in meine Spalte schieben, doch ich presse, so fest ich kann, die Beine zusammen. Lange werde ich ihn damit nicht aufhalten können, denn er ist einfach stärker als ich. Vor Verzweiflung, Schmerz und Erniedrigung würde ich am liebsten sterben.

Plötzlich wird der Mann von mir weggerissen. Im Zwielicht erkenne ich einen anderen Mann, der einen grauen Hoodie und eine schwarze Lederjacke trägt. Sein Gesicht kann ich im Zwielicht und aufgrund der Kapuze nicht erkennen. Der Fremde schlägt auf den Möchtegern-Vergewaltiger ein. Es geschieht alles wahnsinnig schnell.

Der Neuankömmling beherrscht irgendeinen fremdartigen Kampfsport, wie ich ihn noch niemals zuvor gesehen habe, nicht dass ich da allzu viele Vergleichsmöglichkeiten hätte. Der andere hat nicht die geringste Chance gegen ihn. Ich höre Knochen knacken. Mitleid habe ich nicht, denn er hätte auch keines mit mir gehabt.

Der Mann beugt sich über den Beinahe-Vergewaltiger und sagt etwas leise zu ihm, das ich nicht verstehen kann, aber seine Stimme klingt tief und bedrohlich. Selbst mir läuft dabei ein Schauder über den Rücken.

Der Beinahe-Vergewaltiger rennt davon. Mein Retter scheint zu überlegen, ob er ihm folgen soll, entscheidet sich jedoch dagegen. Blutgeruch liegt in der Luft, sodass mir schlecht wird. Ich würge und beuge mich leicht vor. Mein langes, mittelblondes, leicht gewelltes Haar fällt mir ins Gesicht und verdeckt mir teilweise die Sicht.

Sogleich ist der Mann mit dem Hoodie bei mir und streift sich seine Lederjacke ab, um meine Blöße damit, soweit es geht, zu bedecken. Er verknotet die Ärmel um meine Taille, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Vorsichtig legt er einen Arm um mich und führt mich sanft vom Tatort weg. Bei ihm fühle ich mich seltsamerweise sicher, obwohl ich ihn nicht kenne.

»Wird es gehen?«, fragt er mit sanfter, leiser Stimme, die im krassen Gegensatz zur soeben gezeigten Brutalität steht. Instinktiv weiß ich, dass er mir nichts tun wird. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.

»Wo wohnen Sie?«, fragt er. »Oder soll ich Sie lieber zur Polizei bringen?«

Ich vermute, dass der Täter mit den brutalen Schlägen, die er eingesteckt hat, ohnehin eine höhere Strafe bekommen hat, als vom Gericht für einen Vergewaltigungsversuch.

»Das ist jetzt zu weit. Kommen Sie. Ich wohne gleich hier um die Ecke.« Noch immer spricht er leise. Hat er was zu verbergen?

»Wo bringen Sie mich hin? Ich will aber nach Hause.«

»Woher wollen Sie wissen, ob ich allein lebe?«

»Ich könnte auch einen Freund haben oder in einer WG wohnen.«

»Sie können also Gedanken lesen. Na schön. Sie werden mir doch nichts antun?«

»Ich könnte Sie auch ins Krankenhaus bringen, falls Ihnen das lieber ist«, sagt er.

»Was war das für ein Kampfsport«, will ich wissen, da es mich tatsächlich interessiert. Auch möchte ich mich vom erlebten Schrecken ablenken. Vielleicht sollte ich selbst so einen Kampfsport erlernen.

»Noch nie davon gehört.«

Noch immer spricht er leise. Erwartet er wohl, dass sich Zuhörer in der Nähe befinden oder gar der Angreifer? Unruhig lasse ich meinen Blick schweifen.

Ich entscheide mich, mit ihm zu gehen, weil ich das seltsame Gefühl habe, ihm wirklich vertrauen zu können. Mein Instinkt hat mich bisher selten getrogen, außer bei guten Bekannten, bei denen meine inneren Alarmsysteme unten waren. Warum das so ist, kann ich kaum erklären, außer dass es Erfahrungswerte sind.