Für Walter, Toby, Sophia und Steffi.

Ihr seid meine Sterne. Danke.

1. Fußball

»Los, Paul! Schieß!«, brüllt Pauls bester Freund Oscar über den Bolzplatz.

Konzentriert streckt Paul die Zungenspitze heraus, positioniert den Ball vor seinem Fuß und will gerade schießen, als er von oben aus dem Fenster Mamas Stimme hört: »Paul! Komm bitte rein! Das Abendessen ist fertig!«

Paul bremst abrupt ab, und der Ball rollt am Tor vorbei ins Aus.

So ein Mist. Gerade jetzt.

Missmutig schnappt Paul sich den Ball und marschiert Richtung Haustür. Kurz darauf steht er im Aufzug und drückt auf den Knopf mit der Sieben. Den Fußball hat er unter den Arm geklemmt, und seine Haare hängen strubbelig in sein verschwitztes Gesicht. Mama hätte wirklich noch fünf Minuten warten können.

Oben angekommen, knallt er die Wohnungstür hinter sich zu und kickt seinen Fußball durch den Flur.

Mama steht in der Küchentür.

»Paulchen Panda, du sollst doch nicht in der Wohnung kicken.«

Paul macht eine Schnute. »Mensch, Mama, Oscar und ich haben fast gewonnen. Du hättest mich nur noch das letzte Tor schießen lassen müssen.«

Mama zieht die Augenbrauen hoch. »Paul, du warst fast eine Stunde länger draußen, als du sonst darfst. Ihr könnt doch morgen weiterspielen. Geh dich bitte waschen und komm dann zum Essen.«

Paul seufzt, packt den Fußball und wirft ihn in sein Zimmer, bevor er im Bad verschwindet. Dort schlüpft er in seinen Fußballschlafanzug. Dann stapft er in die Küche, wo Mama gerade den Tisch deckt. Sie stellt die Wasserflasche ab, beugt sich zu Paul hinunter und nimmt ihn in den Arm. Gerade war Paul noch sauer, aber er kann nicht anders, als sein Gesicht in Mamas Halsbeuge zu stecken und tief einzuatmen. Da riecht Mama nämlich am meisten nach Mama, und diesen Geruch liebt Paul sehr.

Mama drückt ihn fest und küsst ihn auf die immer noch verschwitzten Haare, bevor er sich auf die Bank vor seinen Teller fallen lässt, auf dem bereits ein Käsebrot liegt. Paul beißt herzhaft hinein, da hört er draußen im Flur die Tür. Papa kommt in die Küche.

Paul freut sich, denn sonst ist er oft schon im Bett, wenn Papa mit der Büroarbeit fertig ist.

Papa gibt Mama einen Kuss, strubbelt Paul durch die Haare und fragt: »Na? Alles klar? Wer hat beim Kicken gewonnen?«

»Unentschieden«, nuschelt Paul mit vollem Mund.

Papa schnappt sich eine Scheibe Brot aus dem Brotkorb. »Mist. Aber dann holt ihr eben morgen nach dem Kindergarten den Sieg.«

Paul seufzt. Papa kramt in seiner Aktentasche und lässt zwei kleine Päckchen neben Pauls Teller fallen. »Vielleicht tröstet dich das ein bisschen?«

Fußballsticker für Pauls Sammelalbum! Wie cool. Papa ist der Beste.

»Danke, Papa!« Paul strahlt. »Kleben wir sie gleich zusammen ein?«

Papa wirft einen Blick auf die Uhr. »Jetzt ist Bettzeit, Paul. Wir machen das morgen, okay?«

Paul nickt. Er weiß ja, dass er längst schlafen sollte.

Als er eine halbe Stunde später mit geputzten Zähnen auf Mamas Schoß im Bett liegt, ist er sehr froh, dass sie ihm noch eine Geschichte vorliest. Diese Zeit mag er nämlich am liebsten. Er hat sich eine Fußballgeschichte gewünscht, denn bald ist Fußballmeisterschaft, und Paul ist schon wahnsinnig aufgeregt. Fast jeden Tag kickt er auf dem Bolzplatz hinter dem Haus, tauscht im Kindergarten Fußballsticker und hat sogar seinen Weltraumschlafanzug in die Kommode gesteckt, weil er lieber im Fußballschlafanzug schläft.

Als Mama das Buch zuklappt und ihm einen Kuss auf die Nase gibt, kuschelt sich Paul unter die Decke und murmelt: »Nacht, Mama. Ich hab dich lieb.«

»Ich dich auch, Paulchen Panda. Sehr. Schlaf gut.« Mama macht das Licht aus und verlässt das Kinderzimmer.

Paul seufzt, drückt seine Nase in das Fell seiner Stoffratte Konrad und blinzelt in die Dunkelheit.

Dann seufzt er wieder.

Ziemlich laut sogar.

Tock, tock, tock

Paul schreckt hoch, und sein Herz beginnt wild zu klopfen. Er kann sich schon denken, wer das ist.

Tock, tock, tock …

… macht es noch mal, und Paul springt so leise wie möglich aus dem Bett und schleicht auf Zehenspitzen zum Fenster. Dort reißt er mit einem Ruck den Vorhang zurück.

Draußen sitzt Kalle.

Kalle Komet.

In seiner feuerroten Rakete, die, wie immer, mitten in der Luft vor Pauls Fenster im siebten Stock parkt. Kalle sitzt in der geöffneten Raketenluke und lässt die Beine baumeln. Er grinst Paul an, lässt eine Kaugummiblase platzen und drückt auf die kleine Fernbedienung, mit der er auf die Fensterscheibe zielt. Wie von Zauberhand verschwindet das Glas, und die kühle Nachtluft weht Paul um die Nase.

»Hey, Paul, alles roger? Bereit für ’nen Raketenritt?«

»Psssst.« Paul hält den Zeigefinger vor den Mund und nickt.

Dann schleicht er schnell zurück zum Bett und steckt Konrad in den Hosenbund, bevor er auf den Fenstersims klettert und mit einem Satz in Kalles Rakete springt.

Die Raketenluke schließt sich, und während Kalle allerlei Knöpfe drückt, fragt er Paul mit einem Blick auf dessen Schlafanzug: »Neuer Anzug? Passt gut zu unserem Reiseziel heute.«

»Den hab ich an, weil bei uns auf der Erde bald Fußballmeisterschaft ist.«

Kalle lässt eine weitere Kaugummiblase platzen. »Fußballmeisterschaft? So ein Zufall. Die haben wir auch, und heute geht’s los. Da fliegen wir nämlich hin. Das erste Spiel ist bei All-Fred auf dem Jupiter.«

Mit diesen Worten gibt er der Rakete Schub, und Paul wird in den Sessel gedrückt.

Die Rakete flitzt in den Nachthimmel und hat in null Komma nichts die Erdumlaufbahn verlassen. Sie düsen vorbei an funkelnden Sternen, riesigen Planeten und durch farbigen Nebel. Plötzlich geraten sie in einen Schwarm riesiger Vögel mit kunterbunten Schnäbeln und roten Strohhüten auf den Köpfen.

Kalle zeigt aus dem Fenster. »Schau mal, die Buntschnäbler fliegen in den Urlaub. Das erkennt man daran, dass sie Sonnenhüte aufhaben.«

Aber Paul kann sich über den Vogelurlaub keine Gedanken machen. Er muss die ganze Zeit an das bevorstehende Fußballspiel denken. Was ist das nur für ein verrückter Zufall? Bis gerade eben wusste er gar nicht, dass auf den anderen Planeten auch Fußball gespielt wird.

Als hätte Kalle seine Gedanken erraten, platzt er in Pauls Überlegungen: »Ist ja irre. Ich wusste gar nicht, dass ihr auf der Erde auch Fußball spielt. So ein Zufall.«

»Spielt man im Weltall auch um einen Pokal?«

Kalle runzelt die Stirn. »Ein Pokal? Was soll ’n das sein? Nie gehört.«

Paul überlegt. »Ein Pokal ist ein großes Gefäß. Irgendwie sieht er aus wie eine Vase. Man kann auch daraus trinken, glaube ich.«

Kalle schnalzt mit der Zunge. »So ein Blödsinn. Warum spielt man denn um eine Vase, aus der man trinken kann?«

Paul zuckt mit den Schultern. So genau weiß er das auch nicht. »Um was spielt man denn bei euch?«

»Na, um die Aurora. Die Aurora Polaris.«

»Was ist das?«, fragt Paul.

»Hä?« Kalle sieht ihn überrascht an. »Du kennst die nicht? Und ich könnte wetten, man sieht ihr Leuchten bis zur Erde. Die Aurora Polaris ist eine Pflanze. Allerdings nicht irgendeine Pflanze. Sie kann ziemlich coole Sachen, deshalb wird alle vier Jahre um sie gespielt. Denn man kann sie nur kurz vor ihrer Blüte umpflanzen, und sie blüht nur alle vier Jahre.«

Paul hört gespannt zu, als Kalle fortfährt: »Die Aurora hat verschiedene Früchte. Rote, blaue und gelbe. In allen ist Knallbrause, aber wenn man sie isst, bewirkt jede Farbe etwas anderes. Mit den roten Brausefrüchten wachsen dir ultralange Arme. Das ist wahnsinnig praktisch zum MarSmallowsAngeln oder um Sternenstaub aus dem All zu fischen. Wenn man die blaue Frucht isst, kann man supergut hören. Auch total praktisch. Wenn All-Fred, Krissie und ich uns ›Gute Nacht‹ sagen wollen, dann essen wir einfach alle eine blaue Aurorabeere und können uns vom Mars zum Jupiter zu Vesta unterhalten …«

»Aber dafür gibt es doch Telefone!«, lacht Paul.

Kalle sieht ihn verständnislos an. »Tollofone? Meinst du diese Minikästchen, in die ihr auf der Erde reinsprecht, und dann hört man euch da, wo ihr geklingelt habt?«

»Ja. Genau. Aber es heißt nicht Tollofon, sondern Telefon.«

»Nun …« Kalle zieht die Augenbrauen nach oben. »Na ja, wir brauchen keine Tellerfone, wir haben ja blaue Aurorabeeren. Die gelben Früchte sind übrigens am lustigsten. Die machen den berühmten Kicherhickser. Das ist ein Schluckauf, bei dem man dauernd kichern muss.«

Paul rubbelt seine Nase und fragt: »Und was kann man mit so einem Kicherhickser machen?«

»Gar nix. Aber man muss kichern und das so laut, dass die, die es hören, automatisch mitkichern.«

Paul stellt sich das ziemlich lustig vor und muss bei der Vorstellung grinsen.

Kalle schielt zu ihm hinüber. »Siehste? Du musst ja schon bei dem Gedanken daran lachen.«

Paul gluckst leise, dann fällt ihm plötzlich etwas ein: »Aber warum will denn jeder diese Aurorapflanze auf seinem Planeten haben, wenn sie sowieso genug Früchte für alle hat?«

Kalle lacht. »Na, ist doch klar: Bis die Früchte auf die anderen Planeten exportiert sind, sind sie natürlich nicht mehr so frisch, und die Wirkung lässt ein bisschen nach. Es ist viel cooler, wenn man sie auf dem eigenen Planeten hat.«

Das ist wie mit den MarSmallows, denkt Paul. Die werden auch vom Mars zur Erde gebracht. Paul findet sie auch auf der Erde wahnsinnig lecker, aber Kalle behauptet, frisch gefischt schmecken sie am besten.

Sie nehmen die nächste Ausfahrt zum Jupiter, und als sie in dessen Umlaufbahn flitzen, kann Paul bereits überall bunte Fahnen sehen, die das große Ereignis ankündigen.

»Festhalten!«, ruft Kalle, als er die Rakete abbremst, um sich hinter all die Weltraumfahrzeuge einzureihen. Vor dem Jupiter ist nämlich Stau, weil keiner das erste Spiel verpassen will.

2. Matsch

Der Stau vor dem Jupiter löst sich nur langsam auf. Doch das macht Paul gar nichts aus, weil so viele tolle Fahrzeuge um ihn herumschweben. Direkt vor ihnen fliegt ein richtiges Ufo! Eins, das aussieht wie eine fliegende Untertasse. Paul drückt die Nase ans Fenster und schielt nach unten. Dort entdeckt er ein rundes Gefährt, von dem in alle Richtungen Zacken abstehen, deren Spitzen blinken. Paul findet das alles wahnsinnig aufregend.

Schließlich steuert Kalle auf einen großen Parkplatz zu und landet die Rakete. Paul drückt immer noch die Nase ans Fenster. »Mann, hier ist aber viel los heute.«

»Klaro. Es ist schließlich ALL-Meisterschaft. Jeder will sehen, wer die Aurora gewinnt.«

»Und auf welchem Planeten steht die Aurora jetzt gerade?«

»Na, bei uns natürlich, auf dem Mars«, antwortet Kalle mit stolzgeschwellter Brust. »Wir haben das letzte Turnier gewonnen.«

»Hast du mitgespielt?«, fragt Paul.

Entrüstet zieht Kalle die Luft durch die Nase. »Willst du mich veräppeln? Klar hab ich mitgespielt. Ich bin Flitzer und habe insgesamt vierzig Tore geschossen.«

»Vierzig Tore?« Paul reißt die Augen auf.

»Na gut, vielleicht waren es auch nur zweiundzwanzig. Oder neun …«, korrigiert Kalle. »Aber weniger waren es auf keinen Fall. Ich bin nämlich ein sehr guter Flitzer.«

Paul hat noch nie von einem Flitzer gehört. Zumindest nicht beim Fußball. Deshalb fragt er: »Was ist ein Flitzer?«

»Na, der, der ganz vorne spielt und die Tore schießt.«

»Ach soooooo …« Paul legt den Kopf in den Nacken. »Du meinst, du bist Stürmer.«

»Hä?« Kalle klettert aus der Rakete. »Nein. Ich meine, ich bin Flitzer. Was soll denn ein Stürmer sein?«

Paul grinst. Stürmer oder Flitzer ist schließlich egal. Hauptsache, Kalle schießt die Tore.

Während sich die Freunde durch die ganzen Fahrzeuge Richtung Fußballplatz schlängeln, bombardiert Paul Kalle mit Fragen.

»Spielt All-Fred auch in einer Mannschaft mit?«

»Nein. All-Fred ist total unsportlich. Aber er ist Trainer der Jupiter-Mannschaft. Er denkt sich nämlich die schlauesten Taktiken aus. Auf die kommt sonst niemand.«

»Und Krissie?«

»Vesta hat keine eigene Mannschaft. Da wohnen zu wenige Leute. Krissie hätte mal in der Venus-Mannschaft als Ersatzflitzerin spielen sollen. Da spielen nur Mädchen. Aber sie wollte nicht. Hat gesagt, sie schraubt lieber an ihren Fahrzeugen herum. Schätze, sie ist nicht so der Fußball-Typ.«

»Sind die Regeln die gleichen wie bei uns auf der Erde?«

»Natürlich nicht. Jeder Planet ist anders, also sind auch die Regeln anders.«

»Und wie lange dauert die Meisterschaft?«

»Bis zum Blütetag der Aurora, denn sie kann nur an diesem einen Tag umgepflanzt werden.«

 

Endlich kommen sie am Fußballplatz an. Vor ihnen liegt ein riesiges Spielfeld mit zwei Toren. Um das Spielfeld herum sind Tribünen aufgebaut, auf denen die vielen Zuschauer sitzen.

Und wie viele!