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Inhaltsverzeichnis

 

Abstract

1 Einleitung

2 Annäherung an verwendete Fachbegriffe

2.1 Behinderung und chronische Erkrankung

2.1.1 Behinderung

2.1.2 Chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter

2.2 Resilienz

2.2.1 Resilienz – dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess

2.2.2 Resilienzforschung – Neue Sichtweisen

2.3 Schutz- und Risikofaktoren

2.3.1 Risikofaktoren

2.3.2 Schutzfaktoren

2.3.3 Zusammenwirken von Risiko- und Schutzfaktoren

2.3.4 Resilienzfaktoren

3 Intrafamiliäre Beziehungen

3.1 Klassische Geschwisterbeziehung

3.2 Familienleben mit einem behinderten Kind

3.3 Spezielle Geschwisterbeziehung

3.3.1 Einstellung der Eltern und Familienatmosphäre

3.3.2 Art und Schwere der Behinderung

3.3.3 Alter und Geschlecht

3.3.4 Soziale und sozioökonomische Rahmenbedingungen

3.3.5 Soziales Umfeld der Familie

4 Die psychosoziale Entwicklung nichtbehinderter Geschwister

4.1 Behinderung- Wahrnehmungs- und Bewältigungsprozess für die nichtbeeinträchtigten Kinder

4.2 Entwicklungspsychologische Konsequenzen

4.2.1 Mögliche Risiken für nichtbehinderte Geschwisterkinder

4.2.2 Positive Auswirkungen für die gesunden Kinder

5 Förderung der psychosozialen Entwicklung nichtbeeinträchtigter Kinder

5.1 Aufklärung und Information

5.2 Resilienzförderung

6 Unterstützungsmöglichkeiten für die Geschwister behinderter Kinder

6.1 Möglichkeiten zur Förderung resilienter Eigenschaften

6.2 Hilfekonzepte für die nichtbeeinträchtigten Kinder

6.3 Professionelle Beratung und Hinweise für die Eltern

6.4 Empfehlungen für professionelle Fachkräfte und Pädagogen

7 Resümee

Literatur

Internetquellen

 

Abstract

 

Die erste soziale Institution eines Menschen, die Familie, nimmt für dessen Entwicklung einen bedeutenden Stellenwert ein. Die Familie besitzt deshalb so eine enorme Bedeutung, weil sowohl Eltern als auch Geschwister einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Entwicklung jedes Einzelnen haben.[1]

 

Ist ein Kind der Familie schwer behindert oder chronisch erkrankt, verändert sich die Familien- und Lebenssituation für alle Beteiligten erheblich, insbesondere aber für die nichtbeeinträchtigten Kinder, deren Lebenslage sich phasenweise oder dauerhaft belastend gestalten kann.[2] Das Leben mit einer eigenen schweren Behinderung ist kaum vorstellbar und es lässt sich nur vermuten, wie schwierig sich das Leben der Eltern eines behinderten Kindes unter diesem Gesichtspunkt darstellt. Dahingegen erscheint der Aspekt Geschwister eines beeinträchtigten Kindes zu sein fast bedeutungslos. So besteht die Ansicht, dass sich die unversehrten Kinder ohne Hindernisse entwickeln können, selbst wenn sie teilweise altersuntypische Aufgaben übernehmen, von ihnen Rücksichtnahme erwartet wird und sie unzureichend Beachtung von ihren Eltern erfahren.[3]

 

Diese Arbeit befasst sich mit der Situation von Kindern behinderter Geschwister und der Frage, welche Faktoren Resilienz fördern, um die Heranwachsenden positiv in ihrer psychosozialen Entwicklung zu beeinflussen. Ferner wird auf Faktoren eingegangen, die diese Entwicklung begünstigen respektive gefährden können, um abschließend zu untersuchen, welcher resilienzfördernder Unterstützungsmöglichkeiten Geschwister behinderter Kinder und deren Familien in diesem Zusammenhang bedürfen.

 

1 Einleitung

 

Wenn die Wellen über mir zusammenschlagen, tauche ich tiefer, um nach Perlen zu tauchen.“[4] (Mascha Kaleko)

 

Dieses Zitat einer deutsch-jüdischen Schriftstellerin versinnbildlicht sehr gelungen den Zusammenhang zwischen den Begriffen ‚Resilienz‘ und ‚Behinderung‘ als gelebte Empfindung und Haltung der Geschwister von Kindern mit besonderen Bedürfnissen[5]. Neben der Angst und der Hilflosigkeit der gesunden Kinder, die durch die besondere familiäre Situation entsteht, müssen sie oftmals um die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern und die Durchsetzung ihrer eigenen Bedürfnisse kämpfen. Betrachtet man diese Aussagen metaphorisch als über den Kindern zusammenschlagende Wellen, so haben sie die Wahl zwischen Kampf und Resignation. Auch wenn in Mascha Kalekos Zitat vom Tauchen die Rede ist, beinhaltet es im übertragenen Sinn nicht das passive Abtauchen, um sich den Problemen zu entziehen, sondern vielmehr das aktive Tauchen, um Ressourcen zu finden. Damit die Perlensuche im Sinne einer positiven psychosozialen Entwicklung für die betroffenen Kinder erfolgreich ist, benötigen sie eine veränderte Krisenbewältigung in Form einer gestärkten Widerstandsfähigkeit.

 

Ferner bestärkt das Zitat sowohl die praktischen Erfahrungen bei der Arbeit mit Familien behinderter Kinder als auch die Expertenmeinungen in der Fachliteratur, welche offenbaren, dass sich die Lebens- und Familiensituation von Geschwistern behinderter Kinder teilweise sehr schwierig gestalten kann.

 

‚Behinderung‘ — das scheint im Grunde genommen ein einfaches und unverfängliches Wort zu sein. Doch die Bedeutung, welcher dieser scheinbar harmlose Begriff in sich trägt, besitzt die Macht, Lebenswelten von Familien umfassend zu verändern: So ist die Betroffenheit und Hoffnungslosigkeit sowie die Belastung der Eltern enorm, wenn sie nach der Geburt eines erhofft gesunden Kindes mit der Diagnosestellung einer Behinderung konfrontiert werden. Zugleich nimmt dieser Sachverhalt eine besondere Gewichtung für die Geschwister dieser Kinder ein, da sie neben den Eltern eine unmittelbar betroffene Personengruppe darstellen.[6] Die mit der veränderten Familiensituation verbundenen Einflussfaktoren können eine entscheidende Wirkung auf die psychosoziale Entwicklung dieser Kinder haben. Bislang werden die Geschwister behinderter Kinder von der Gesellschaft noch zu gering wahrgenommen, da zumeist die letztgenannten im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Zudem gibt es immer noch zu wenig konzeptionelle Hilfe für diese schwierige Situation und die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen. Wissenschaftliche und pädagogische Beobachtungen bescheinigen den betroffenen Geschwisterkindern dennoch die Möglichkeit einer positiven Identitätsentwicklung. Entgegen früherer hypothetischer Annahmen, dass diese durch die Familiensituation besonders geprägten Kinder sich nicht adäquat entwickeln können, folgen nun neue Erkenntnisse, die nicht mehr defizitorientiert sondern ressourcenorientiert geprägt sind.[7] In diesem Zusammenhang hat in den letzten Jahren der Begriff der ‚Resilienz‘, der sogenannten seelischen Widerstandsfähigkeit, an Bedeutung für die Gesundheitsforschung und –förderung gewonnen. Es hat sich herausgestellt, dass die Resilienzförderung zur optimalen Beeinflussung der psychosozialen Entwicklung bei Kindern mit behinderten und chronisch kranken Geschwistern ein bedeutender Aspekt ist[8], was die folgenden Ausführungen verdeutlichen sollen.

 

Es wird im Folgenden analysiert, ob die psychosoziale Entwicklung von Geschwistern behinderter Kinder durch eine gezielte Förderung der Resilienz positiv beeinflusst werden kann.

 

Ferner wird auf Faktoren eingegangen, die diese Entwicklung begünstigen respektive gefährden können, um abschließend zu untersuchen, welcher resilienzfördernder Unterstützungsmöglichkeiten Geschwister behinderter Kinder und deren Familien in diesem Zusammenhang bedürfen.

 

Für die Analyse erscheint zunächst eine Annäherung an die Begriffe Behinderung, chronische Erkrankungen und Resilienz notwendig. Anschließend werden wichtige Aspekte des Resilienzkonzeptes und neue Sichtweisen der Resilienzforschung betrachtet. Mit den darauf folgenden Schutz- und Risikofaktoren wird auf bedeutende Einflussgrößen, die bei der Entstehung von Resilienz auf- und miteinander wirken, eingegangen. Neben der Betrachtung der außergewöhnlichen familiären Situation und der konventionellen Geschwisterbindung wird die spezielle Beziehung dieser Kinder untereinander und die an dieser Stelle auftretenden Besonderheiten für die Identitätsentwicklung und das Bewältigungsverhalten von nichtbeeinträchtigten Kindern untersucht. Dies erfolgt mit Sicht auf die Rollen und Funktionen, welche Geschwister füreinander einnehmen. Überdies sind Begleitumstände des sozialen und ökonomischen Kontextes in den Untersuchungen von Interesse, um die Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung der nicht beeinträchtigten Kinder zu überprüfen. Es wird dargelegt, welche Risiken auftreten und welche positiven Auswirkungen damit verbunden sein könnten.

 

In der Gesamtheit betrachtet, finden die Untersuchungen unter dem Hauptaugenmerk der Resilienz nichtbehinderter Kinder statt. Zudem prüft die vorliegende Arbeit in welcher Form und in welchem Rahmen es möglich ist, Geschwisterkindern schwermehrfachbehinderter Kinder und ihren Familien, Unterstützungsmöglichkeiten zur Resilienzförderung anzubieten.

 

Aufgrund der Erfahrungen aus meiner eigenen Arbeit als Physiotherapeutin und meiner Mitarbeit in der Elternberatung in einem Förderzentrum ist mir diese Thematik nicht fremd. Ich wurde durch unsichere Eltern, die sich neben der Sorge um ihre behinderten Kinder zusätzlich um das Wohl und die unbeeinträchtigte Entwicklung der Geschwister ängstigen, angeregt mich mit diesem Thema gedanklich auseinanderzusetzen. Oftmals geraten die Angehörigen an dieser Stelle an ihre Grenzen. Der Fokus einiger Eltern liegt so stark auf dem beeinträchtigten Kind, dass ihnen erst bei ernsten auftretenden Problemen der gesunden Kinder ihre fehlende Unterstützung bewusst wird. Parallel dazu verstärkte sich mein Interesse durch die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Theorien aus dem Studium, speziell der Resilienzforschung. Insofern möchte ich die Möglichkeit im Rahmen dieser Arbeit nutzen, diesen Aspekt auf wissenschaftlichem Hintergrund zu diskutieren, um mein Wissen zu erweitern und es später in der Praxis zu Beratungs- und Aufklärungszwecken aller Beteiligten anwenden zu können.