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Ian McGuire

NORDWASSER

Roman

Aus dem Englischen von Joachim Körber

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© 2018 by mareverlag, Hamburg

Für Abigail, Grace und Eve

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

DANKSAGUNG

Über das Buch

1

Sehet den Menschen.

Er schlurft aus Clappison’s Courtyard heraus auf die Sykes Street und schnüffelt die vielschichtige Luft – Terpentin, Fischmehl, Senf, Grafit, der übliche durchdringende morgendliche Pissegestank geleerter Nachttöpfe. Er schnaubt einmal, streicht sich über den borstigen Kopf und rückt sich den Schritt zurecht. Er riecht an den Fingern, dann lutscht er langsam jeden einzelnen und leckt die letzten Reste ab, um auch wirklich alles für sein Geld bekommen zu haben. Am Ende der Charterhouse Lane biegt er nach Norden in die Wincolmlee und passiert die Taverne De La Pole, die Walratkerzenmanufaktur und die Ölsaatfabrik. Über den Dächern der Lagerhallen sieht er schwankende Haupt- und Besanmasten, hört die Rufe der Hafenarbeiter und die klopfenden Hämmer aus der nahen Böttcherei. Er reibt die Schulter an glattem rotem Backstein; ein Hund läuft vorüber, gefolgt von einem Karren, auf dem sich unbearbeitetes Holz auftürmt. Er atmet nochmals ein und fährt mit der Zunge über den lückenhaften Wall seiner Zähne. Er spürt ein neues Bedürfnis, das klein, aber beharrlich in ihm keimt, ein quälendes Verlangen, das gestillt werden will. Sein Schiff läuft im Morgengrauen aus, doch vorher muss noch etwas erledigt werden. Er blickt sich um und fragt sich kurz, was das sein mag. Er bemerkt den scharlachroten Blutgeruch aus der Schweinemetzgerei, das schmutzige Auf und Ab eines Weiberrocks. Er denkt an Fleisch, menschliches, tierisches, dann überlegt er – es ist nicht die Art von Verlangen, entscheidet er, noch nicht; es ist das nachrangigere, nicht ganz so dringliche.

Er dreht sich um und geht zu der Taverne zurück. Zu dieser Morgenstunde ist die Bar fast menschenleer. Ein niedriges Feuer brennt im Kamin, es riecht nach Gebratenem. Er sucht in den Hosentaschen, findet aber nur Brotkrumen, ein Klappmesser und eine Halfpennymünze.

»Rum«, sagt er.

Er schiebt den Halfpenny über den Tresen. Der Schankwirt blickt auf die Münze und schüttelt den Kopf.

»Ich breche morgen früh auf«, sagt der Mann, »an Bord der Volunteer. Ich geb dir einen Schuldschein.«

Der Schankwirt schnaubt.

»Sehe ich aus wie ein Idiot?«, fragt er.

Der Mann zuckt die Achseln und überlegt einen Moment.

»Dann Kopf oder Zahl. Dieses gute Messer gegen eine Portion deines Rums.«

Er legt das Taschenmesser auf den Tisch, der Wirt hebt es auf und betrachtet es eingehend. Er klappt die Klinge aus und prüft sie an der Daumenkuppe.

»Das ist ein gutes Messer«, sagt der Mann. »Hat mich nie im Stich gelassen.«

Der Wirt holt einen Shilling aus der Tasche und hält ihn hoch. Er wirft die Münze und knallt sie fest auf den Tresen. Beide sehen hin. Der Wirt nickt, hebt das Messer auf und steckt es in die Jackentasche.

»Und jetzt verpiss dich«, sagt er.

Die Miene des Mannes bleibt unverändert. Er lässt weder Zorn noch Überraschung erkennen. Es ist, als wäre der Verlust des Messers Teil eines größeren und komplexeren Plans, in den nur er eingeweiht ist. Einen Augenblick später bückt er sich, zieht die Stiefel aus und stellt sie nebeneinander auf den Tresen.

»Wirf noch mal«, sagt er.

Der Wirt verdreht die Augen und wendet sich ab.

»Ich will deine Scheißstiefel nicht«, sagt er.

»Du hast mein Messer«, sagt der Mann. »Du kannst jetzt nicht kneifen.«

»Ich will keine Scheißstiefel«, wiederholt der Wirt.

»Du kannst nicht kneifen.«

»Ich kann zum Teufel machen, was ich will«, sagt der Wirt.

Ein Shetländer beobachtet sie vom anderen Ende des Tresens aus. Er trägt eine Zipfelmütze und eine Leinenhose, die starr ist vor Dreck. Seine Augen sind blutunterlaufen und von Trunkenheit gezeichnet, sein Blick ist unstet.

»Ich spendier dir was zu trinken«, sagt er. »Wenn du nur dein Scheißmaul hältst.«

Der Mann erwidert den Blick. In Lerwick und Peterhead hatte er schon Schlägereien mit Shetländern. Sie sind keine versierten Kämpfer, aber hart im Nehmen und schwer zu erledigen. Der hier hat ein rostiges Flensmesser im Gürtel stecken und sieht draufgängerisch und gereizt aus. Nach einer Pause nickt der Mann.

»Danke dafür«, sagt er. »Ich hab die ganze Nacht gehurt und keine Tinte mehr in der Feder.«

Der Shetländer nickt dem Schankwirt zu, worauf dieser mit deutlich zur Schau gestelltem Widerwillen ein Glas einschenkt. Der Mann nimmt die Stiefel vom Tresen, ergreift das Glas und geht zu einer Bank beim Kaminfeuer. Nach ein paar Minuten legt er sich hin, zieht die Knie zur Brust hoch und schläft ein. Als er wieder aufwacht, sitzt der Shetländer an einem Tisch in der Ecke und redet mit einer Hure. Sie ist dunkelhaarig, dick und hat ein fleckiges Gesicht und grünliche Zähne. Der Mann kennt sie, aber ihr Name fällt ihm nicht ein. Betty?, fragt er sich. Hatty? Esther?

Der Shetländer ruft einen schwarzen Jungen, der an der Tür kauert, gibt ihm eine Münze und trägt ihm auf, beim Fischhändler in der Bourne Street einen Teller Muscheln zu holen. Der Junge ist neun oder zehn Jahre alt und schlank, er hat große, dunkle Augen und hellbraune Haut. Der Mann zieht sich an der Bank hoch und stopft die Pfeife mit seinen letzten Krümeln Tabak. Er zündet sie an und sieht sich um. Er ist wach und fühlt sich wie neu und tatendurstig. Er spürt die lockeren Muskeln unter der Haut, das Herz schlägt ihm pochend in der Brust. Der Shetländer versucht, die Frau zu küssen, wird aber mit einem geldgierigen Quieken zurückgewiesen. Hester, erinnert sich der Mann jetzt. Die Frau heißt Hester und wohnt in einem fensterlosen Zimmer am James Square, mit einer Eisenpritsche, einer Waschschüssel mit Krug und einem Kautschukball zum Ausspülen der Wichse. Er steht auf und geht zu den beiden.

»Spendier mir noch ein Glas«, sagt er.

Der Shetländer wirft ihm einen kurzen Blick zu, schüttelt den Kopf und dreht sich wieder zu Hester um.

»Nur noch ein Glas, danach hörst du nie wieder von mir.«

Der Shetländer schenkt ihm keine Beachtung, doch der Mann rührt sich nicht von der Stelle. Er besitzt die Geduld der Stumpfen und Schamlosen. Er spürt sein Herz anschwellen und wieder schrumpfen und nimmt den üblichen Tavernengeruch wahr – Fürze, Pfeifenrauch und verschüttetes Bier. Hester blickt zu ihm auf und kichert. Ihre Zähne sind mehr grau als grün, ihre Zunge hat die Farbe von Schweineleber. Der Shetländer zieht das Flensmesser aus dem Gürtel und legt es auf den Tisch. Er steht auf.

»Lieber schneid ich dir die Eier ab, als dir noch ein Glas zu spendieren«, sagt er.

Der Shetländer ist schlaksig und ungelenk. Haar und Bart sind feucht von Robbenfett, er stinkt nach dem Vorderdeck. Der Mann begreift jetzt, was er tun muss – er muss die Art seiner momentanen Bedürfnisse spüren und die Architektur ihrer Erfüllung. Hester kichert erneut. Der Shetländer nimmt das Messer und drückt dem Mann die kalte Klinge an den Wangenknochen.

»Ich schneid dir die Scheißnase ab und verfüttere sie an die verdammten Schweine hinten im Hof.«

Darüber muss er lachen, und Hester stimmt mit ein.

Der Mann wirkt unbesorgt. Das ist nicht der Augenblick, auf den er gewartet hat. Dies ist nur ein langweiliges, aber notwendiges Zwischenspiel, eine Pause. Der Wirt greift zu einem Holzknüppel und klappt den Durchgang der Bar hoch.

»Du«, sagt er und zeigt auf ihn, »bist ein arbeitsscheuer Lump und ein elender Lügner. Ich will, dass du verschwindest.«

Der Mann schaut zur Uhr an der Wand. Es ist kurz nach Mittag. Ihm bleiben sechzehn Stunden, um zu tun, was er tun muss. Sich wieder zu befriedigen. Der Schmerz, den er verspürt, ist sein Körper, der zu ihm spricht – manchmal ein Flüstern, manchmal ein Murmeln, manchmal ein Aufschrei. Es verstummt nie; sollte es einmal verstummen, dann weiß er, dass er endlich tot ist, dass ein anderer Wichser ihn getötet hat und es vorbei ist.

Er macht unvermittelt einen Schritt auf den Shetländer zu, lässt ihn wissen, dass er keine Angst hat, weicht wieder zurück. Er wendet sich dem Wirt zu und reckt das Kinn hoch.

»Du kannst dir den Knüttel in den verschissenen Arsch schieben«, sagt er.

Der Wirt weist ihm die Tür. Als der Mann geht, kommt der Junge mit einem Teller dampfender, wohlriechender Muscheln zurück. Sie sehen einander einen Moment an, und der Mann verspürt erneut den Pulsschlag der Gewissheit.

Er geht die Sykes Street hinunter. Er denkt nicht an die Volunteer, die jetzt im Dock liegt, nachdem er sie die vergangenen drei Wochen in Ordnung gebracht und beladen hat, nicht an die verfluchte sechsmonatige Reise, die vor ihm liegt. Er denkt nur an den gegenwärtigen Moment – Grotto Square, die türkischen Bäder, das Auktionshaus, die Seilerei, das Kopfsteinpflaster unter seinen Füßen, den agnostischen Himmel von Yorkshire. Von Natur aus ist er nicht ungeduldig oder unruhig; er wartet, wenn Warten geboten scheint. Er sucht sich eine Mauer und setzt sich darauf; als er Hunger bekommt, lutscht er an einem Stein. Die Stunden verstreichen. Die Leute, die vorübergehen, sehen ihn, sprechen ihn jedoch nicht an. Bald wird es Zeit. Er sieht zu, wie die Schatten länger werden, wie es kurz regnet und dann zu regnen aufhört, wie die Wolken zitternd über den feuchten Himmel ziehen. Es dämmert fast, als er sie endlich sieht. Hester singt eine Ballade, der Shetländer hält eine Grogflasche in einer Hand und dirigiert sie unbeholfen mit der anderen. Er sieht, wie sie auf den Hodgson Square abbiegen. Er wartet einen Moment, dann huscht er um die Ecke in die Caroline Street. Noch ist es nicht Nacht, aber dunkel genug, beschließt er. Die Fenster im Tabernacle sind erleuchtet, der Geruch von Kohlestaub und Innereien liegt in der Luft. Er schafft es vor ihnen zur Fiche’s Alley und stiehlt sich hinein. Der Innenhof ist leer, abgesehen von einer Leine mit schmutziger Wäsche und dem Ammoniakgestank von Pferdepisse. Mit einem halben Backstein in der geballten Faust drückt er sich in einen dunklen Hauseingang. Als Hester und der Shetländer den Innenhof betreten, wartet er einen Moment, bis er sich sicher ist, dann tritt er vor und schlägt dem Shetländer mit dem Backstein fest auf den Hinterkopf.

Der Knochen gibt sofort nach. Ein dünner Strahl Blut sprüht hervor, und es klingt, als würde ein feuchter Ast abknicken. Der Shetländer kippt besinnungslos nach vorn und bricht sich Nase und Zähne auf dem Kopfsteinpflaster. Ehe Hester einen Schrei ausstoßen kann, hält ihr der Mann das Ausbeinmesser an die Kehle.

»Ich schlitz dich auf wie einen verfluchten Kabeljau«, droht er.

Sie sieht ihn panisch an, dann hebt sie die dreckigen Hände wie zur Kapitulation.

Er leert die Taschen des Shetländers, nimmt ihm Geld und Tabak ab und wirft den Rest weg. Ein Heiligenschein aus Blut hat sich um Gesicht und Kopf gebildet, aber er atmet noch schwach.

»Wir müssen den Dreckskerl wegschaffen«, sagt Hester. »Sonst sitze ich in der Scheiße.«

»Dann schaff ihn weg«, sagt der Mann. Er fühlt sich leichter als noch vor einem Moment, als wäre die Welt größer geworden.

Hester versucht, den Shetländer am Arm wegzuzerren, aber er ist zu schwer. Sie rutscht in dem Blut aus und stürzt auf das Kopfsteinpflaster. Erst lacht sie bei sich, dann fängt sie an zu stöhnen. Der Mann öffnet die Kohlenluke und schleift den Shetländer an den Fersen hinein.

»Die können ihn morgen finden«, sagt er. »Bis dahin bin ich längst weg.«

Sie steht schwankend auf, immer noch betrunken, und versucht vergeblich, den Schlamm von ihrem Rock zu wischen. Der Mann wendet sich zum Gehen.

»Gib uns einen oder zwei Shilling, ja, Süßer?«, ruft Hester ihm nach. »Für meine ganze Mühe.«

Er braucht eine Stunde, um den Jungen aufzuspüren. Sein Name ist Albert Stubbs; er schläft in einem gemauerten Abwasserkanal unter der Nordbrücke und lebt von Knochen und Kartoffelschalen und der Kupfermünze, die er hin und wieder bekommt, wenn er Besorgungen für einen der Trunkenbolde macht, die sich in den Drecklöchern von Tavernen am Hafen treffen und auf ein Schiff warten.

Der Mann bietet ihm Essen an. Er zeigt ihm das Geld, das er dem Shetländer gestohlen hat.

»Sag mir, was du willst, dann kaufe ich es dir.«

Der Junge sieht ihn sprachlos an, wie ein Tier, das in seinem Bau überrascht wurde. Der Mann bemerkt, dass der Junge gar keinen Geruch an sich hat – in dem ganzen Dreck ist es ihm irgendwie gelungen, sauber zu bleiben, unbeschmutzt, als wäre die natürliche Dunkelheit seiner Pigmente ein Schutz vor der Sünde und nicht, wie manche Menschen glauben, Ausdruck davon.

»Du bist schon ein Anblick«, sagt der Mann.

Der Junge fragt nach Rum, der Mann holt eine fettige, halb volle Flasche aus der Tasche und gibt sie ihm. Als der Junge trinkt, werden seine Augen leicht glasig, lässt seine verbissene Zurückhaltung nach.

»Mein Name ist Henry Drax«, erklärt der Mann so sanft wie möglich. »Ich bin Harpunierer. Ich laufe im Morgengrauen mit der Volunteer aus.«

Der Junge nickt desinteressiert, als wären das alles Informationen, die er schon vor langer Zeit gehört hat. Sein Haar ist stumpf und glanzlos, seine Haut jedoch übernatürlich rein. Sie glänzt im matten Mondlicht wie ein Stück poliertes Teakholz. Der Junge trägt keine Schuhe, seine Fußsohlen sind durch den Kontakt mit dem Pflaster schwarz und schwielig von Hornhaut. Jetzt verspürt Drax den Wunsch, ihn zu berühren – vielleicht an der Wange oder auf der Schulterwölbung. Das wäre ein Signal, denkt er, ein Anfang.

»Ich hab dich vorhin in der Taverne gesehen«, sagt der Junge. »Da hast du kein Geld gehabt.«

»Meine Lage hat sich gewandelt«, erklärt Drax.

Der Junge nickt wieder und trinkt erneut Rum. Vielleicht ist er eher schon zwölf, denkt Drax, aber unterentwickelt, wie solche Jungen es oft sind. Er streckt die Hand aus und nimmt ihm die Flasche von den Lippen.

»Du solltest was essen«, sagt er. »Komm mit mir.«

Sie gehen schweigend zusammen, Wincolmlee und Sculcoates entlang, am Whalebone Inn vorbei, an den Holzlagern vorbei. In Fletchers Bäckerei kehren sie ein, und Drax wartet, während der Junge eine Fleischpastete hinunterschlingt.

Als der Junge fertig ist, wischt er sich den Mund ab, räuspert Schleim aus der Kehle und spuckt ihn in den Rinnstein. Plötzlich sieht er älter aus als zuvor.

»Ich kenne einen Ort, wo wir hinkönnen«, sagt er und zeigt über die Straße. »Gleich dort unten, siehst du, auf dem Werftgelände.«

Drax wird sofort klar, dass das eine Falle sein muss. Wenn er mit dem Niggerjungen zum Werftgelände geht, wird er vermutlich blutig geprügelt und nackig gemacht wie eine Fotze. Es überrascht ihn, dass der Junge ihn so falsch eingeschätzt hat. Zuerst empfindet er Verachtung für dessen schlechtes Urteilsvermögen, aber dann, angenehmer und wie die erfreulichen Geburtswehen eines neuen Einfalls, erste Ansätze von Wut.

»Ich bin der Ficker«, sagt er leise zu ihm. »Nie der Gefickte.«

»Ich weiß«, sagt der Junge. »Das ist mir klar.«

Die andere Straßenseite liegt in dunklem Schatten. Dort befinden sich ein drei Meter hohes Holztor mit abblätternder grüner Farbe, eine Lehmziegelmauer und eine Schottergasse. In der Gasse herrscht kein Licht, und die einzigen Geräusche sind das Knirschen von Drax’ Stiefeln und hin und wieder das schwindsüchtige Schnaufen des Jungen. Der gelbe Mond hängt am Himmel über der Gasse wie eine Pille in einer zugeschnürten Kehle. Nach einer Minute gelangen sie in einen Innenhof, der halb voll ist mit zerbrochenen Fässern und rostenden Eisenringen.

»Da durch«, sagt der Junge. »Es ist nicht mehr weit.«

Sein Gesicht verrät einen Eifer, der alles sagt. Wenn Drax noch Zweifel hatte, sind sie jetzt ausgeräumt.

»Komm zu mir«, sagt er zu dem Jungen.

Der Junge runzelt die Stirn und zeigt wieder in die Richtung, in die sie beide gehen sollen. Drax fragt sich, wie viele Spießgesellen des Jungen auf dem Werftgelände warten und was für Waffen sie gegen ihn einsetzen wollen. Er fragt sich, ob er tatsächlich wie der nichtsnutzige Schlappschwanz aussieht, der sich von Kindern ausrauben lässt. Ist das der Eindruck, den er gerade der wartenden Welt vermittelt?

»Komm her«, sagt er wieder.

Der Junge zuckt die Achseln und kommt näher.

»Wir machen es gleich«, sagt Drax. »Hier und jetzt. Ich will nicht mehr warten.«

Der Junge bleibt stehen und schüttelt den Kopf.

»Nein«, sagt er. »In der Werft ist es besser.«

Das Halbdunkel des Innenhofs kommt ihm zugute, findet Drax, es verleiht seinem hübschen Äußeren eine herbe Schönheit. Wie er da steht, gleicht er einem heidnischen Götzen, einem aus Ebenholz geschnitzten Totem: kein Knabe mehr, eher das abwegige Idealbild eines Knaben.

»Hältst du mich für einen völligen Blödmann?«, fragt Drax.

Der Junge runzelt einen Moment die Stirn, dann schenkt er ihm ein einschmeichelndes und falsches Grinsen. Das alles hier ist nichts Neues, denkt Drax, es ist schon oft geschehen und wird wieder geschehen, zu anderen Zeiten, an anderen Orten. Der Körper folgt seinen eingefahrenen Verhaltensmustern, seinen Gewohnheiten: essen, waschen, Eingeweide entleeren.

Der Junge berührt ihn hastig am Ellbogen und zeigt abermals in die Richtung, in die er sie beide führen will. Das Werftgelände. Die Falle. Drax hört eine Möwe über sich kreischen, registriert den allgegenwärtigen Geruch von Teer und Ölfarbe, die himmlische Ausdehnung des Sternbilds Pflug. Er packt den Niggerjungen an den Haaren und schlägt ihn, dann schlägt er ihn wieder und immer wieder – zwei-, drei-, viermal, schnell, ohne Zögern oder Skrupel –, bis Drax’ Knöchel warm und dunkel von Blut sind und der Junge schlaff und bewusstlos zusammensackt. Er ist dünn und knochig und wiegt kaum mehr als ein Terrier. Drax dreht ihn um und zieht ihm die Hose herunter. Der Akt bringt ihm weder Vergnügen noch Erleichterung und ist dadurch umso grausamer. Drax ist um etwas Lebendiges betrogen worden, etwas Namenloses, aber auch Reales.

Blei- und zinnfarbene Wolken verbergen den fast vollen Mond, man hört das Rattern eisenbeschlagener Wagenräder, das kindsähnliche Wimmern einer rolligen Katze. Drax erledigt alles schnell und routinemäßig: Eine Handlung folgt der anderen, leidenschaftslos und präzise, wie bei einer Maschine, jedoch nicht rein mechanisch. Er klammert sich an die Welt wie ein Hund, der in einen Knochen beißt – nichts ist ihm fremd, nichts losgelöst von seinen wilden und ruppigen Gelüsten. Was der Niggerjunge einmal war, ist nicht mehr. Er ist ganz und gar verschwunden; etwas anderes, etwas durch und durch anderes hat seine Stelle eingenommen. Dieser Innenhof ist zu einem Ort von schändlicher Magie geworden, von blutgetränkter Verwandlung, und Henry Drax ist der wilde, unheilige Maschinist.

2

Nach dreißig Jahren Dienst auf dem Achterdeck glaubt Brownlee von sich, dass er den Charakter der Menschen recht gut einschätzen kann, aber dieser neue Bursche, Sumner, der irische Arzt, der gerade aus dem aufständischen Punjab kommt, ist wahrhaftig eine harte Nuss. Er ist klein, seine Miene ist verkniffen und unangenehm rätselhaft, er hinkt unglücklich und spricht eine barbarisch vernuschelte Hinterwäldlerversion der englischen Sprache; doch all diesen offenkundigen und zahlreichen Nachteilen zum Trotz sieht Brownlee, dass er geeignet ist. Etwas an der Ungeschicklichkeit und Gleichgültigkeit des jungen Mannes, seiner Gabe und Bereitwilligkeit, nicht gefällig zu sein, findet Brownlee seltsam ansprechend – vielleicht, weil es ihn an sich selbst in einer früheren und sorgloseren Phase seines Lebens erinnert.

»Und, was hat es mit dem Bein auf sich?«, fragt Brownlee und wackelt selbst aufmunternd mit dem Knöchel. Sie sitzen in der Kapitänskabine der Volunteer, trinken Branntwein und planen die Reise, die vor ihnen liegt.

»Musketenkugel eines Sepoys«, erklärt Sumner. »Mein Schienbein hat den Hauptteil abbekommen.«

»In Delhi? Nach der Belagerung?«

Sumner nickt.

»Erster Tag des Angriffs, unweit des Kaschmirtors.«

Brownlee verdreht die Augen und pfeift leise und anerkennend.

»Haben Sie gesehen, wie Nicholson getötet wurde?«

»Nein, aber seinen Leichnam. Oben, auf dem Grat.«

»Ein außergewöhnlicher Mann, dieser Nicholson. Ein großer Held. Es heißt, die Nigger sollen ihn wie einen Gott verehrt haben.«

Sumner zuckt mit den Schultern. »Er hatte einen paschtunischen Leibwächter. Ein Hüne von einem Mann namens Khan. Schlief vor seinem Zelt, um ihn zu beschützen. Es ging das Gerücht, die beiden wären Turteltäubchen.«

Brownlee schüttelt den Kopf und lächelt. Er hat in der Londoner Times alles über John Nicholson gelesen: wie er mit seinen Männern durch die schlimmste Hitze marschierte, ohne dass ihm auch nur einmal der Schweiß ausgebrochen wäre oder er um Wasser gebeten hätte; wie er einmal einen ungehorsamen Sepoy mit einem einzigen Hieb seines mächtigen Schwertes in zwei Hälften spaltete. Ohne Männer wie Nicholson – unnachgiebig, streng, falls erforderlich tückisch – wäre das Empire, davon ist Brownlee überzeugt, schon lange untergegangen. Und wer würde ohne das Empire Tran kaufen, wer Fischbein?

»Eifersucht«, sagt er. »Nichts als Verbitterung. Nicholson ist ein großer Held, manchmal ein wenig aufbrausend, wie ich gehört habe, aber was will man erwarten?«

»Ich habe mal erlebt, wie er einen Mann gehängt hat, nur weil der ihn anlächelte, und der arme Teufel hatte nicht mal gelächelt.«

»Man muss Grenzen ziehen, Sumner«, sagt er. »Die Maßstäbe der Zivilisation erhalten. Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen. Schließlich haben die Nigger Frauen und Kinder getötet, sie vergewaltigt, ihnen die zarten Kehlen aufgeschlitzt. So etwas muss rechtschaffene Rache nach sich ziehen.«

Sumner nickt und blickt kurz an seinen schwarzen Hosen hinab, die an den Knien grau geworden sind, bis zu den glanzlosen Halbstiefeln. Brownlee fragt sich, ob sein neuer Schiffsarzt ein Zyniker oder ein sentimentaler Schwärmer ist, oder (ist das überhaupt möglich?) etwas von beidem.

»Oh, davon gab es eine ganze Menge«, sagt Sumner und wendet sich ihm mit einem Grinsen wieder zu. »Eine Menge rechtschaffene Rache. Oh ja.«

»Und warum haben Sie Indien verlassen?«, fragt Brownlee und rutscht ein wenig auf der gepolsterten Bank hin und her. »Warum haben Sie Ihren Abschied vom Einundsechzigsten genommen? Doch nicht wegen dem Bein?«

»Nicht wegen dem Bein. Herrgott, nein. Die fanden das Bein großartig.«

»Warum dann?«

»Wegen einem warmen Regen. Vor sechs Monaten starb mein Onkel Donald unerwartet und hat mir seine Milchfarm in Mayo hinterlassen – fünfzig Morgen, Kühe, eine Molkerei. Sie ist mindestens tausend Guineen wert, vermutlich mehr, jedenfalls genug, dass ich mir ein hübsches kleines Haus auf dem Land kaufen kann und eine nette, angesehene Praxis irgendwo in einer ruhigen, wohlhabenden Gegend – vielleicht Bognor, Hastings oder Scarborough. Ich mag die salzige Luft, wissen Sie, und eine Promenade würde mir gefallen.«

Brownlee hat ernste Zweifel, ob die guten Witwen von Scarborough, Bognor oder Hastings ihre Wehwehchen wirklich gern von einem o-beinigen Gnom aus dem Hinterland behandeln lassen würden, doch er behält seine Meinung für sich.

»Und warum sitzen Sie dann hier bei mir«, fragt er stattdessen, »auf einem Walfänger Richtung Grönland? Ich meine, ein berühmter irischer Grundbesitzer wie Sie?«

Sumner lächelt über den Sarkasmus, kratzt sich an der Nase, geht darüber hinweg.

»Es gibt juristische Komplikationen mit dem Anwesen. Geheimnisvolle Vettern sind aus dem Unterholz gekrochen und melden Ansprüche an.«

Brownlee seufzt mitfühlend.

»Ist das nicht immer so?«, sagt er.

»Man hat mir gesagt, dass es ein Jahr dauert, bis der Fall geklärt ist, und bis dahin habe ich nicht viel zu tun und schon gar kein Geld. Auf dem Rückweg von den Anwälten in Dublin kam ich durch Liverpool, wo ich in der Bar vom Hotel Adelphi Ihrem Mr. Baxter über den Weg lief. Wir kamen ins Gespräch, und als er erfuhr, dass ich ein ehemaliger Militärarzt auf der Suche nach einer einträglichen Anstellung bin, da zählte er zwei und zwei zusammen und kam auf vier.«

»Der ist ein eiskalter Rechner und mit allen Wassern gewaschen, dieser Baxter«, sagt Brownlee mit einem Funkeln in den Augen. »Ich trau dem alten Sack nicht über den Weg. Meiner Meinung nach fließt ein Schuss Judenblut durch seine altersmüden Adern.«

»Ich war zufrieden mit seinem Angebot. Ich gehe nicht davon aus, dass mich der Walfang reich macht, Kapitän, aber ich habe wenigstens eine Beschäftigung, während die Mühlen der Justiz mahlen.«

Brownlee schnaubt.

»Oh, wir können ganz sicher so oder so was mit Ihnen anfangen«, sagt er. »Es gibt immer Arbeit für die Bereitwilligen.«

Sumner nickt, trinkt seinen Branntwein aus und stellt das Glas mit einem leisen Klirren zurück auf den Tisch. Die Öllampe, die von der dunklen Holzdecke hängt, wird nicht angezündet, obwohl die Schatten in den Kabinenecken größer werden, da das Licht draußen schwindet und die Sonne hinter dem gusseisernen und backsteinroten Wirrwarr aus Schornsteinen und Dächern versinkt.

»Ich stehe Ihnen zu Diensten«, sagt Sumner.

Brownlee überlegt einen Moment, was genau das bedeuten könnte, kommt aber zu dem Ergebnis, dass es gar nichts bedeutet. Baxter gehört nicht zu den Männern, die Geheimnisse ausplaudern. Wenn er Sumner mit gutem Grund ausgewählt hat (abgesehen von den offenkundigen: Er war billig und zu haben), dann vermutlich nur aus dem, dass der Ire unkompliziert und fügsam ist und andere Sachen im Kopf hat.

»Als Grundregel gilt, dass ein Arzt auf einem Walfänger nicht viel zu tun hat, habe ich festgestellt. Wenn die Männer krank werden, dann werden sie entweder von allein wieder gesund, oder sie verkriechen sich und sterben – jedenfalls meiner Erfahrung nach. Die Mittelchen ändern daran nicht viel.«

Sumner zieht die Brauen hoch, lässt sich durch diese beiläufige Herabsetzung seines Berufsstands aber offenbar nicht aus der Fassung bringen.

»Ich möchte gern die Arzneitruhe sehen«, sagt er ohne nennenswerte Begeisterung. »Ich muss vielleicht das eine oder andere ergänzen oder ersetzen, ehe wir auslaufen.«

»Die Truhe ist in Ihrer Kabine. Eine Apotheke finden Sie in der Clifford Street, gleich neben dem Freimaurerhaus. Besorgen Sie, was Sie brauchen, und lassen Sie die Rechnung an Mr. Baxter schicken.«

Beide Männer stehen vom Tisch auf. Sumner streckt die Hand aus, Brownlee schüttelt sie kurz. Jeder Mann sieht einen Augenblick lang den anderen an, als würden sie sich die Antwort auf eine heimliche Frage erhoffen, die sie aus Angst oder Misstrauen nicht laut aussprechen wollen.

»Ich könnte mir vorstellen, dass Baxter das nicht gefällt«, sagt Sumner schließlich.

»Scheiß auf Baxter«, sagt Brownlee.

Eine halbe Stunde später sitzt Sumner gekrümmt auf dem Rand seiner Koje und kaut auf seinem Bleistiftstummel. Seine Kabine hat die Abmessungen eines Kindersargs und riecht jetzt schon, noch vor Beginn der Reise, sauer und leicht nach Fäkalien. Er blickt skeptisch in die Arzneitruhe und nimmt seine Einkaufsliste in Angriff: Hirschhornsalz, schreibt er, Glaubersalz, Meerzwiebelextrakt. Hin und wieder entkorkt er eines der Fläschchen und schnuppert an dem ausgetrockneten Inhalt. Von der Hälfte der Inhaltsstoffe hat er noch nie gehört: Tragant? Guaiacum? Spiritus Londinium? Kein Wunder, dass Brownlee glaubt, die »Mittelchen« wirkten nicht, das meiste von diesem Zeug scheint einem verdammten Shakespeare-Stück entsprungen. War der vorherige Schiffsarzt eine Art Druide? Laudanum, schreibt er im dottergelben Licht einer Tranlampe, Absinth, Opiumtabletten, Quecksilber. Ob es auf einem Walfänger viele Fälle von Gonorrhö gibt?, fragt er sich. Vermutlich nicht; im Polarkreis dürften Huren dünn gesät sein. Nach der Menge an Epsomsalzen und Rizinusöl zu schließen, die sich in der Truhe befinden, scheint Verstopfung aber ein erhebliches Problem zu sein. Die Lanzetten, stellt er fest, sind durch die Bank uralt, rostig und stumpf. Er muss sie schleifen lassen, bevor er einen Aderlass in Angriff nimmt. Vermutlich ist es gut, dass er seine eigenen Skalpelle und eine recht neue Knochensäge mitgebracht hat.

Nach einer Weile klappt er die Arzneitruhe zu und schiebt sie wieder unter die Koje, wo sie neben der zerkratzten Blechtruhe steht, die er den ganzen Weg von Indien mit sich geschleppt hat. Aus Gewohnheit und ohne hinzusehen, zieht Sumner am Vorhängeschloss der Blechtruhe, klopft auf die Tasche seiner Weste und vergewissert sich, dass der Schlüssel noch da ist. Beruhigt steht er auf, verlässt die Kabine und geht den schmalen Niedergang entlang und zum Schiffsdeck hinauf. Es riecht nach Bootslack, Holzspänen und Pfeifentabak. Fässer mit Dörrfleisch und bündelweise Dauben werden an Seilen in den vorderen Laderaum gelassen, jemand schlägt Nägel in das Kombüsendach, mehrere Männer in der Takelage schwingen Teereimer. Eine Promenadenmischung schleppt sich vorbei, bleibt unvermittelt stehen und leckt sich. Sumner stellt sich neben den Besanmast und sondiert den Kai. Niemand da, den er kennt. Die Welt ist groß, sagt er sich, und er an einem winzigen, unbedeutenden Flecken davon, den man leicht vergessen kann. Dieser Gedanke, über den sich wohl niemand freuen würde, freut ihn jetzt. Sein Plan sieht vor, dass er verschwindet, sich auflöst und erst hinterher, einige Zeit später, wieder Gestalt annimmt. Er geht die Planke hinunter und sucht den Weg zu der Apotheke in der Clifford Street, wo er seine Liste überreicht. Der Apotheker, der kahl und blass ist und mehrere Zahnlücken hat, liest die Liste durch und sieht ihn an.

»Das ist nicht in Ordnung«, sagt er. »Nicht für eine Walfangexpedition. Es ist zu viel.«

»Baxter bezahlt alles. Sie können ihm die Rechnung direkt schicken.«

»Hat Baxter die Liste gesehen?«

In dem Geschäft ist es schummerig, die braun getönte Luft schwefelig und schwanger von Salbengeruch. Die Fingernägel des kahlen Mannes sind von Chemikalien leuchtend orange verfärbt, seine Nägel gekrümmt und hornig; unter den hochgekrempelten Hemdsärmeln sieht Sumner die blauen Ränder einer alten Tätowierung.

»Glauben Sie, ich würde Baxter mit so einem Mist behelligen?«, sagt Sumner.

»Ihm dürfte die Rechnung nicht gefallen. Ich kenne Baxter, der ist ein elender Geizkragen.«

»Geben Sie mir einfach meine Bestellung«, sagt Sumner.

Der Mann schüttelt den Kopf und wischt sich die Hände an der fleckigen Schürze ab.

»Ich kann Ihnen das nicht alles geben«, sagt er und zeigt auf den Zettel auf dem Tresen. »Und das auch nicht. Das krieg ich nicht bezahlt. Ich gebe Ihnen die normale Dosierung von beidem, mehr nicht.«

Sumner beugt sich vor. Sein Bauch drückt gegen die zerkratzte Thekenplatte.

»Ich komme gerade aus den Kolonien zurück«, erklärt er, »aus Delhi.«

Der kahle Mann hat für diese Information nur ein Schulterzucken übrig, dann steckt er den Zeigefinger ins rechte Ohr und dreht ihn lautstark.

»Wissen Sie, ich kann Ihnen einen hübschen Birkenholzstock für das Hinken verkaufen«, sagt er. »Elfenbeingriff, Walknochen, was auch immer Sie bevorzugen.«

Sumner würdigt ihn keiner Antwort, stößt sich vom Tresen ab und sieht sich in dem Geschäft um, als hätte er plötzlich viel Zeit, mit der er nichts anzufangen wüsste. Die seitlichen Wände sind vollgestopft mit allen möglichen Flakons, Flaschen und Phiolen mit Flüssigkeiten, Salben und Pülverchen. Hinter dem Tresen hängt ein großer gelblicher Spiegel, der den Hinterkopf des kahlen Mannes reflektiert. Auf einer Seite des Spiegels befinden sich quadratische Holzschubladen, jede mit einem Etikett und einem Messingknauf in der Mitte; auf der anderen Regalreihen mit einem Stillleben ausgestopfter Tiere, die alle in melodramatischen und martialischen Posen angeordnet sind. Eine Schleiereule verschlingt gerade eine Feldmaus, ein Dachs umklammert in ewigem Kampf ein Frettchen, ein Laokoon’scher Gibbon wird von einer Strumpfbandnatter erwürgt.

»Haben Sie die alle selbst gemacht?«, fragt Sumner den Mann.

Dieser wartet einen Moment, nickt dann.

»Ich bin der beste Präparator der Stadt«, sagt er. »Da können Sie jeden fragen.«

»Und was war das größte Tier, das Sie je ausgestopft haben? Das allergrößte, meine ich. Sagen Sie mir die Wahrheit.«

»Ich hab mal ein Walross präpariert«, sagt der Mann beiläufig. »Und einen Eisbären. Die bringen sie mit den Schiffen von Grönland her.«

»Sie haben einen Eisbären ausgestopft?«, sagt Sumner.

»So ist es.«

»Einen verdammten Bären«, sagt Sumner wieder und lächelt dabei. »Also, den würde ich gern mal sehen.«

»Ich hab ihn auf die Hinterbeine gestellt«, sagt der kahle Mann, »und die teuflischen Klauen in die Luft strecken lassen, so etwa.« Er hebt die orangefarbenen Hände und lässt sein Gesicht zu einem Fauchen erstarren. »Hab ich für Firbank gemacht, den reichen Sack, der in dem großen Haus in der Charlotte Street wohnt. Ich glaube, er hat ihn immer noch in der riesigen Diele stehen, gleich neben dem Hutständer aus Walzahn.«

»Und würden Sie auch einen echten Wal ausstopfen?«, fragt Sumner.

Der kahle Mann schüttelt den Kopf und lacht über die Frage.

»Wale kann man nicht ausstopfen«, sagt er. »Abgesehen von der Größe, die es schon unmöglich macht, verwesen sie zu schnell. Und außerdem, warum sollte sich jemand, der bei klarem Verstand ist, einen Wal ausstopfen lassen wollen?«

Sumner nickt und lächelt wieder. Der kahle Mann kichert angesichts der Vorstellung.

»Ich habe viele Hechte gemacht«, fährt er eitel fort. »Jede Menge Otter, und einmal hat mir sogar jemand ein Schnabeltier gebracht.«

»Was halten Sie davon, wenn wir die Bezeichnungen austauschen?«, sagt Sumner. »Auf der Rechnung. Schreiben Sie Absinth. Schreiben Sie Hornquecksilber, wenn Sie wollen.«

»Hornquecksilber haben Sie schon auf Ihrer Liste.«

»Dann Absinth. Schreiben Sie Absinth.«

»Wir könnten Blaustein schreiben«, schlägt der Mann vor. »Manche Ärzte nehmen eine Menge davon.«

»Dann schreiben Sie für das eine Blaustein und für das andere Absinth.«

Der Mann nickt einmal und rechnet blitzschnell im Kopf.

»Eine Flasche Absinth«, sagt er, »und hundert Gramm Blaustein dürften dem Preis etwa entsprechen.« Er dreht sich um, zieht Schubladen auf, holt Flaschen von den Regalen. Sumner lehnt sich an den Tresen und sieht ihm bei der Arbeit zu – wie er abwiegt, siebt, zerreibt, zustöpselt.

»Sind Sie jemals selbst mit rausgefahren?«, fragt Sumner ihn. »Zum Walfang?«

Der Apotheker schüttelt den Kopf, sieht aber nicht von seiner Arbeit auf.

»Der Handel mit Grönland ist gefährlich«, sagt er. »Da bleibe ich lieber zu Hause, wo es warm und trocken ist und man nicht Gefahr läuft, eines gewaltsamen Todes zu sterben.«

»Dann sind Sie ein vernünftiger Bursche.«

»Ich bin nur vorsichtig. Ich habe schon das eine oder andere gesehen.«

»Ich würde sagen, Sie sind ein glücklicher Mann«, antwortet Sumner und sieht sich wieder in dem schmutzigen Geschäft um. »Glücklich, dass Sie so viel zu verlieren haben.«

Der Mann blickt auf und vergewissert sich, ob er verspottet wird, aber Sumners Miene strotzt vor Aufrichtigkeit.

»Ist nicht viel«, sagt er, »verglichen mit manch anderen.«

»Immerhin etwas.«

Der Apotheker nickt, bindet das Päckchen mit einem Stück Schnur zu und schiebt es über den Tresen.

»Die Volunteer ist ein guter, alter Kahn«, sagt er. »Sie findet den Weg zwischen den Eisschollen von allein.«

»Und Brownlee? Ich habe gehört, er ist glücklos.«

»Baxter traut ihm.«

»Gewiss«, sagt Sumner, nimmt das Päckchen, klemmt es unter einen Arm, beugt sich vor und unterschreibt die Quittung. »Und was halten wir von Mr. Baxter?«

»Wir halten ihn für reich«, antwortet der Apotheker, »und in dieser Gegend wird ein Mann für gewöhnlich nicht durch Dummheit reich.«

Sumner lächelt und nickt höflich zum Abschied.

»Darauf ein Amen«, sagt er.

Es hat angefangen zu regnen; neben dem allgegenwärtigen Gestank von Pferdemist und den Schlächtereien liegt ein neues, frisches und mildes Aroma in der Luft. Sumner kehrt nicht zur Volunteer zurück, sondern wendet sich stattdessen nach links und sucht eine Schenke. Er verlangt Rum und geht mit seinem Glas in einen schmuddeligen Nebenraum mit einem erloschenen Kaminfeuer und einem unschönen Ausblick in den angrenzenden Innenhof. Niemand sonst sitzt dort drinnen. Er öffnet das Päckchen des Apothekers, nimmt eine der Flaschen heraus und schüttet die Hälfte davon in sein Glas. Der dunkle Rum wird noch dunkler. Sumner inhaliert, schließt die Augen und kippt das Gebräu mit einem großen Schluck hinunter.

Vielleicht ist er frei, denkt er, während er dort sitzt und darauf wartet, dass die Wirkung der Droge einsetzt. Vielleicht ist dies die beste Möglichkeit, sein momentanes Dasein zu beschreiben. Nach allem, was ihm zugestoßen ist: Verrat, Demütigung, Armut, Schande; seine Eltern, die an Typhus gestorben sind; William Harper, der an der Trunksucht zugrunde ging; die vielen irregeleiteten oder vergeblichen Anstrengungen; die vielen vertanen Chancen und misslungenen Pläne. Aber nach allem, nach alledem, ist er wenigstens immer noch am Leben. Das Schlimmste ist passiert – oder etwa nicht? –, aber er ist nach wie vor unversehrt, warm, atmet. Zugegeben, jetzt ist er nichts mehr (Arzt auf einem Walfangschiff aus Yorkshire, ein schöner Lohn für seine langjährige Arbeit!), aber wenn man nichts ist, ist man am Ende doch auch irgendwas, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Ist es nicht so? Also nicht verloren, sondern unabhängig? Frei? Und diese Angst, die er momentan verspürt, dieses Gefühl ständiger Unsicherheit, das muss – überlegt er sich – nur ein überraschendes Symptom seiner derzeitigen ungebundenen Situation sein.

Sumner empfindet große Erleichterung nach dieser Schlussfolgerung, die so klar auf der Hand liegt, so überaus einfach und bestechend logisch ist, aber unverzüglich, und noch ehe er die Chance hat, diese neue Empfindung zu genießen, kommt ihm der Gedanke, dass es eine sehr hohle Art von Freiheit ist, die Freiheit eines Landstreichers oder Tiers. Wenn er in seiner derzeitigen Verfassung frei ist, dann ist der Holztisch vor ihm ebenso frei, genau wie sein leeres Glas. Und was bedeutet frei überhaupt? Derlei Wörter sind dünn wie Papier, sie zerknittern und reißen beim geringsten Druck. Nur Taten zählen, denkt er zum zehntausendsten Mal, nur Ereignisse. Alles andere ist Dunst, Nebel. Er holt sich noch ein Glas und leckt sich die Lippen. Es ist ein schwerer Fehler, wenn man zu viel denkt, vergegenwärtigt er sich, ein schwerer Fehler. Das Leben lässt sich nicht übertölpeln oder gefügig quasseln, man muss es durchstehen, überleben, wie immer man das auch anstellt.

Sumner lehnt sich an die weiß getünchte Wand und blinzelt vage in Richtung der Tür gegenüber. Er sieht den Schankwirt da drüben, hinter der Theke, hört Zinnteller klirren und eine Falltür krachend zufallen. Er spürt einen erneuten, wärmenden Anfall von Klarheit und Unbekümmertheit in seiner Brust emporsteigen. Es ist der Körper, denkt er, nicht der Verstand. Das Blut, die chemischen Vorgänge, nur darauf kommt es an. Wenige Minuten später sieht er sich und die Welt in einem wesentlich freundlicheren Licht. Kapitän Brownlee, denkt er, ist ein anständiger Mann und Baxter auf seine Art ebenso erträglich. Pflichtbewusste Männer, alle beide. Sie glauben an Handlung und Konsequenz, Tat und Lohn, die simple Geometrie von Ursache und Wirkung. Und wer könnte sagen, dass sie sich irren? Er betrachtet sein leeres Glas und fragt sich, ob es klug wäre, noch eines zu bestellen. Stehen dürfte kein Problem sein, denkt er, aber reden? Seine Zunge fühlt sich flach und fremd an, er ist nicht sicher, was ihm tatsächlich über die Lippen kommen würde, sollte er versuchen zu sprechen – welche Sprache genau? Was für Geräusche? Als würde der Wirt sein Dilemma ahnen, blickt er in Sumners Richtung, der ihm mit dem leeren Glas winkt.

»Kommt sofort«, sagt der Wirt.

Sumner lächelt über die schlichte Eleganz dieses Austauschs – Bedürfnis gespürt, Befriedigung angeboten. Der Wirt betritt das Nebenzimmer mit einer halb vollen Flasche Rum und schenkt ihm ein. Sumner nickt dankend, und alles ist gut.

Draußen ist es jetzt dunkel, der Regen hat aufgehört. Der Innenhof leuchtet gelblich in einem verwaschenen, gasförmigen Licht. Im Nebenzimmer hört man Frauen laut lachen. Wie lange sitze ich schon hier?, fragt sich Sumner plötzlich. Eine Stunde? Zwei? Er kippt sein Glas hinunter, bindet das Päckchen des Apothekers wieder zu und steht auf. Das Nebenzimmer wirkt jetzt viel kleiner als bei seiner Ankunft. Das Kaminfeuer brennt immer noch nicht, aber jemand hat eine Öllampe auf einen Hocker neben der Tür gestellt. Er geht vorsichtig in den angrenzenden Raum, sieht sich einen Moment um, zieht vor den Damen den Hut und tritt auf die Straße hinaus.

Der Nachthimmel ist mit Sternen übersät – das strahlende Arsenal des Tierkreises und dazwischen das dicht gesprenkelte Funkeln namenloser weiterer Gestirne. Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Er erinnert sich, während er dahinspaziert, an den Anatomiehörsaal in Belfast, wo der schändliche alte Gotteslästerer Slattery vergnügt in einen Leichnam schneidet. »Noch keine Spur von der unsterblichen Seele dieses Burschen, meine jungen Herren«, witzelte er, während er grub und zerrte und Eingeweide herauszog wie ein Zauberkünstler bunte Tücher, »so wenig wie von seinem vortrefflichen Denkvermögen, aber ich gebe die Suche nicht auf.« Er erinnert sich an Gläser mit zerlegten Gehirnen, die hilflos und sinnlos wie eingelegter Blumenkohl schweben und deren schwammige Hälften weder Gedanken noch Begierden mehr beherbergen. Die Redundanz allen Fleisches, denkt er, die Hilflosigkeit von Gewebe; wie können wir eine Seele aus einem Knochen beschwören? Und doch ist diese Straße trotz alledem hübsch anzusehen: wie die feuchten Ziegelsteine rötlich im Mondschein leuchten, wie Lederabsätze hallend über das Kopfsteinpflaster stampfen, sich Walkstoff über den Rücken eines Mannes spannt und dehnt, oder Flanell über die Hüften einer Frau. Das Kreisen und Krächzen der Möwen, das Quietschen von Schubkarren, Gelächter, Flüche, das alles, die derben Harmonien der Nacht, die sich wie zu einer primitiven Symphonie zusammenfügen. Das gefällt ihm nach Opium am besten: diese Gerüche, Geräusche und Anblicke, das Gedränge und Gezeter ihrer vergänglichen Schönheit. Allerorten eine plötzliche Wachsamkeit, die der gewöhnlichen Welt fehlt, eine plötzliche Kraft und Energie.

Er schlendert über Plätze und durch Gassen, an Hinterhofhütten und den Häusern der Reichen vorbei. Er hat keine Ahnung, in welcher Richtung Norden ist oder wo der Hafen liegt, weiß aber, dass ihn seine Nase zu gegebener Zeit schon dorthin zurückführen dürfte. Er hat gelernt, in Situationen wie dieser nicht zu denken, sondern seinen Instinkten zu vertrauen. Warum Hull, zum Beispiel? Warum der vermaledeite Walfang? Es ergibt keinen Sinn, und gerade das macht seine Genialität aus. Das Unlogische, das nahezu Idiotische. Klugheit, denkt er, bringt einen nicht weiter, ausschließlich die geistig Armen, die brillanten geistig Armen, werden das Land erben. Als er den öffentlichen Platz betritt, erblickt er einen zerlumpten Bettler ohne Beine, der Nancy Dawson pfeift und sich auf Knöcheln über das dunkle Kopfsteinpflaster schleppt. Die beiden Männer halten an und kommen ins Gespräch.

»Wo geht es zum Queen’s Dock?«, fragt Sumner, und der invalide Bettler macht eine Geste mit seiner verdreckten Faust.

»Da lang«, sagt er. »Welches Schiff?«

»Die Volunteer

Der Bettler, der ein von Pockennarben zerfurchtes Gesicht hat und dessen Körper unterhalb der Lenden unvermittelt aufhört, schüttelt den Kopf und kichert keuchend.

»Wenn du mit Brownlee segelst, bist du in den Arsch gefickt«, sagt er. »Aber so richtig.«

Sumner denkt einen Augenblick darüber nach, dann schüttelt er den Kopf.

»Brownlee ist schon recht«, sagt er.

»Er ist recht, wenn du dich in die Scheiße reiten willst«, antwortet der Bettler. »Er ist recht, wenn du ohne einen Penny nach Hause kommen willst, oder gar nicht. Für das alles ist er recht, da stimme ich dir zu. Hast du von der Perceval gehört? Du musst doch von der verdammten Perceval gehört haben!«

Der Bettler trägt eine schmutzige und formlose Schottenmütze, die aus den zahllosen zerrissenen Überresten älterer und edlerer Kopfbedeckungen zusammengeflickt wurde.

»Ich war in Indien«, sagt Sumner.

»Frag einen x-Beliebigen hier nach der Perceval«, sagt der Bettler. »Sag einfach nur das Wort Perceval, wirst schon sehen, was du als Antwort kriegst.«

»Sag du es mir doch«, antwortet Sumner.

Der Bettler zögert einen Moment, bevor er anfängt, als müsste er über das lächerliche Ausmaß von Sumners Ahnungslosigkeit nachgrübeln.

»Von einem Eisberg zu Splittern zerquetscht«, sagt er. »Ist jetzt drei Jahre her. Die Frachträume waren voll Walspeck, und sie konnten nicht ein einziges Fass davon retten. Kein winziges bisschen. Acht Männer sind ertrunken, zehn weitere erfroren, und keiner der Überlebenden hat auch nur einen Penny verdient.«

»Hört sich nach einem Unglück an. Könnte jedem passieren.«

»Es ist aber Brownlee zugestoßen und keinem anderen. Und ein Kapitän, der so ein Scheißpech hat, kriegt nicht oft ein neues Schiff.«

»Baxter scheint ihm zu trauen.«

»Baxter ist ein Geizkragen. Mehr sag ich über den beschissenen Baxter nicht. Ein Geizkragen, das ist Baxter.«

Sumner zuckt die Achseln und blickt zum Mond hinauf.

»Was ist mit deinen Beinen passiert?«, fragt er.

Der Bettler sieht stirnrunzelnd nach unten, fast so, als wäre er überrascht, dass die Beine nicht mehr da sind.

»Frag Kapitän Brownlee danach«, sagt er. »Sag ihm, Ort Caper hat dich geschickt. Frag ihn, ob er nicht eines schönen Abends meine Beine gezählt und festgestellt hat, dass zwei fehlen. Mal sehen, was er dazu zu sagen hat.«

»Warum sollte ich ihn danach fragen?«

»Weil du einem wie mir die Antwort nicht glauben würdest, du würdest sie für das Gefasel eines Irren halten, aber Brownlee kennt die verdammte Wahrheit so gut wie ich. Frag ihn, was auf der Perceval passiert ist. Sag ihm, Ort Caper lässt ihn schön grüßen, mal sehen, wie sich das auf seine Verdauung auswirkt.«

Sumner holt eine Münze aus der Tasche und lässt sie dem Bettler in die ausgestreckte Hand fallen.

»Ort Caper ist mein Name«, ruft der Bettler hinter ihm her. »Frag Brownlee, was mit meinen Scheißbeinen passiert ist.«

Ein Stück weiter riecht er das Queen’s Dock – den sauren, abgestandenen Gestank, wie von Fleisch, das gerade schlecht wird. In den Lücken zwischen Lagerhallen, zwischen Bretterstapeln der Schiffsbauer, sieht er die wie aus Blech gestanzten Umrisse der Walfangschiffe und Schaluppen. Mitternacht ist vorüber, auf den Straßen geht es ruhiger zu – gedämpfte Geräusche der Zecher in den Hafentavernen, dem Penny Bank, dem Seaman’s Molly, hin und wieder der Lärm einer leeren Pferdedroschke oder das Grollen eines Müllwagens. Die Sterne haben sich weitergedreht, der aufgedunsene Mond ist halb hinter einer nickelfarbenen Wolkenbank verborgen; ein Stück weiter unten am Dock sieht Sumner die Volunteer, die breiten Hüften des Rumpfs, das dunkle Dickicht der Takelage. Niemand hält sich auf dem Deck auf, jedenfalls kann er keinen sehen, also scheint sie voll beladen zu sein. Die warten jetzt nur noch auf die Flut und den Dampfschlepper, der sie in die Mündung des Humber hinauszieht.