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Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Thoughtful Gardening« im Verlag Basic Books, New York

© Robin Lane Fox, 2010

Erweiterte Ausgabe © Robin Lane Fox, 2018

Für die deutsche Ausgabe

© 2018, 2020 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

unter Verwendung von Illustrationen von © Niklas Sagebiel
Illustrationen im Innenteil: © Niklas Sagebiel

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96452-3

E-Book: ISBN 978-3-608-11022-7

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über
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Vorwort

Die meisten Menschen beginnen erst dann mit dem Gärtnern, wenn sie einen eigenen Garten haben – einige sogar erst, wenn ihre wichtigsten Sprösslinge, die eigenen Kinder, ausgewachsen sind. Einige wenige hingegen fangen schon im Elternhaus, also sehr viel früher an. Meine Tätigkeit als Gärtner begann, als ich zehn Jahre alt war, und mit zwölf war ich ein eifriger Anbauer von Alpenpflanzen. Seit damals habe ich damit nicht mehr aufgehört und das Spektrum der mir bekannten Pflanzen, die ich selbst gezogen – und teilweise auch selbst umgebracht – habe, ständig erweitert. Inwiefern die Tätigkeit als Gärtner mein Leben erweitert hat, kann ich nicht adäquat zum Ausdruck bringen – diese Arbeit ist mir im Geiste und zunehmend in meinen Muskeln immer gegenwärtig und fügt dem, was ich tagaus, tagein wahrnehme, ständig etwas hinzu. Außerdem hat sie mich mit vielen bemerkenswerten Menschen in Kontakt gebracht, von denen ich einige wenige in diesem Buch ehrend erwähnen möchte. Das Gärtnern hat vertieft, was ich in Büchern und Gedichten und bedeutenden Gemälden finde, wobei die Eigenart der dort dargestellten Pflanzen von Kuratoren und Historikern nur selten mit bedacht wird.

Abb. 1: Arnebia echioides, mittlerweile eine Seltenheit. Sie wird auch »Prophetenblume« genannt: Satan hinterließ auf den jungen Blütenblättern Abdrücke seiner fünf Finger, Mohammed aber stellte dann sicher, dass Satan der Welt auf Dauer nichts anhaben kann. Wenn die Blütenblätter älter werden, würden die Fingerabdrücke Satans verschwinden. In meinem Garten geschieht das nach wie vor.

Dieses Buch möchte die Arbeit mit Pflanzen – kaleidoskopartig, in schnellen Wechseln – aus vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Es hätte noch sehr viel mehr aufgenommen werden können, doch mir persönlich gefällt die Vielfalt und die Ausgewogenheit seines Inhalts. Sämtliche erwähnten Pflanzen meine ich selbst angepflanzt zu haben, wenn es sich um Freilandpflanzen handelt, die auf alkalischem Boden wachsen. Als ich mit der Schule fertig war, arbeitete ich einige Monate lang im großen Botanischen Garten in München, wo ich dem wunderbaren Alpinum zugeteilt wurde mit seiner nach geographischen Gesichtspunkten angeordneten Gebirgsflora und seinen ausgedehnten Flächen mit importierten Felsen, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit der Eisenbahn herbeigeschafft worden waren. Nie habe ich vergessen, was ich dort gelernt habe, oder auch die menschlichen Dramen jener Tage – allerdings bin ich heute nicht mehr ganz so bereit, vor sieben Uhr morgens mit der Arbeit anzufangen, und ich stelle mich auch nicht mehr mit siebenundsiebzig vor andere hin, um vom Gruppenführer des Gartens in einem erfreulich erdigen Samenraum auf einer Anwesenheitsliste abgehakt zu werden. Was ich aber bedaure, ist der Verlust meiner mit Edelweiß gezierten Hosenträger, doch dieses Buch hier handelt von späteren Lektionen, die ich in herrlichen englischen Gärten gelernt habe, in denen ich selbst lebte oder die ich häufig aufsuchte. Vor allem verdanken sich die folgenden Seiten dem glücklichen Umstand, dass ich für zwei ganz verschieden geartete Gärten verantwortlich bin: für den großen Garten um mein College in Oxford herum und für den knapp einen Hektar großen Garten um mein Haus in der kargen, steinigen Erde der Cotswolds.

Viele der folgenden Kapitel haben sich aus Artikeln entwickelt, die ich ursprünglich für die Financial Times geschrieben hatte. Ich verfasste für diese Zeitung über nicht weniger als vierzig Jahre in Folge eine wöchentliche Kolumne. Es fing damit an, dass mir im Januar des Jahres 1970 von Gordon Newton, dem legendären Herausgeber der Zeitung, angeboten wurde, einen Probetext zu verfassen – er war der Meinung, die FT bedürfe für die Mittwochsausgabe einer gewissen Auffrischung. Erstaunlicherweise überlebte ich nicht nur meine Eingangsbemerkung, dass die Blumen auf dem Schreibtisch des großen Mannes aus Plastik waren, er mauserte sich darüber hinaus – was ich nie erwartet hätte – zu einem zunehmend begeisterten Gärtner, der in den Jahren seines Ruhestands phantastische Fuchsien und vieles andere kultivierte.

Manchmal frage ich mich, woher der Impuls stammt, allwöchentlich – und eigentlich immer ganz vergnügt – zu schreiben. Ich glaube, er wurzelt in meinen Tagen im Internat in Eton, wo ich unter der Bettdecke im Licht meiner Taschenlampe das grandiose Buch von E. B. Anderson über Steingärten las und wo man wusste, dass meine Bitte, die Chelsea Flower Show aufsuchen zu dürfen, nicht irgendein Vorwand war. Dieser Bitte wurde allerdings nur unter der Voraussetzung stattgegeben, dass eine weibliche Aufsichtsperson – die Gattin meines Tutors – mich begleitete, auf dass ich, überwältigt von den diversen Reizen Londons, nicht verlorenging. Dabei hätte ich nicht einmal gewusst, wo diese Reize zu finden sind. In der nahezu öffentlichen Windsor’s Library entdeckte ich dann die Bücher mit den Gartenartikeln von Vita Sackville-West, die sie für den Observer zwischen 1946 und 1961 verfasst hatte. Nach wie vor sind das (nicht nur) meiner Meinung nach die besten Gartenartikel, die ich kenne, und nie hätte ich gedacht, dass man mich eines Tages bitten würde, sie alle zu lesen und in einer neuen Auswahl zu präsentieren. Nachdem ich diese kurzen Meisterwerke entdeckt hatte, die die Autorin selbst eher mit Geringschätzung abtat, wurde ich Mitherausgeber der Schulzeitung, der Eton Chronicle, und schon damals ging mir auf, dass das Verfassen beiläufiger Kolumnen und Leitartikel etwas war, was ich gut konnte – auch mit den Deadlines kam ich ohne Weiteres klar.

Es folgten die Jahre als Undergraduate-Student in Oxford, in denen ich mich nicht aktiv als Gärtner betätigen konnte, allerdings entschädigte mich gewissermaßen die zu meinem damaligen College gehörende Anlage des Addison’s Walk, die damals die am schönsten gestaltete Landschaft in ganz England war. Frühe christliche Wüstenväter lassen manchmal die Faszination erkennen, die bei ihrer asketischen Entscheidung, der von Menschen bevölkerten Welt zu entsagen, die Wüste auf sie ausübte. Der Addison’s Walk mit seinen herrlichen Auen und den wild wachsenden Schachblumen trug mit zu der Erkenntnis bei, dass auch ich mich der alltäglichen Gegenwartsgesellschaft nie ganz anschließen würde. Damals schrieb ich zweimal in der Woche Essays für meine Tutoren, und ich hatte den Eindruck, wenn ich zwei verfassen konnte, dürfte es ja eigentlich kein Problem sein, nur einen zu schreiben, dieses Mal über das von mir so geliebte Thema Gärten. Nie hätte ich mir damals jedoch träumen lassen, dass ich einmal über zweitausend Artikel in Folge verfassen würde.

Das entscheidende Gespräch mit dem Herausgeber ging auf das dankenswerte Interesse von Pat Gibson, außerdem auf den Instinkt von Lord Drogheda zurück – beides wichtige Personen im Leben der Financial-Times-Gemeinschaft, die beispielhaft vorleben, wie man junge Kandidaten dazu ermutigt zu zeigen, was in ihnen steckt. Viel verdanke ich mittlerweile auch der geschickten Laissez-faire-Methode späterer Herausgeber, vor allem Geoffrey Owen, Richard Lambert und heute Lionel Barber. Jahrelang habe ich meine Beiträge in handschriftlicher Fassung oder über das Telefon abgeliefert, und ich danke besonders Mary Dorwald und den diversen Typistinnen-Teams der Financial Times, angeführt von der unerschütterlichen Mandy, mit der ich – wie so viele andere auch – eine ideale Ferngesprächsbeziehung unterhielt, bevor sie auswanderte, ohne mich je persönlich getroffen zu haben; während die ihr zur Seite gestanden hatten, neue Lebenswege über das Mittelmeer einschlugen.

Meine Gärtnerarbeit führe ich in Zeiten durch, die ich anderen Arbeiten stehle, da geht es mir nicht anders als vielen Lesern der Financial Times. Besonderen Dank schulde ich den vielen Personen, die mir mit Rat und Tat im Garten zur Seite standen, vor allem meinen Eltern und unserem geliebten Gärtner Leslie Aris in längst vergangenen Jahren – Jahren, von denen ich den Eindruck habe, sie lägen erst wenige Tage zurück; und ich danke denen, die mir heute regelmäßig zur Hand gehen: Marius Hardiman und Jim Marriott und ihre jeweiligen Teams in Oxford; Marcia Little und Terry Wheeler in meinem heimischen Garten. Nicht alle herrlichen Momente beim Gärtnern genießt man als Einzelgänger, und ich selbst und mein gegenwärtiger Garten verdanken viel dem Umstand, dass ich in einer kritischen Phase im Duett mit Caroline Badger arbeiten konnte.

Was nun dieses Buch betrifft, so hat mich Stuart Proffitt dazu bewegt, es zu schreiben – eine weitaus anspruchsvollere Aufgabe, als ich zunächst gedacht hatte. Viele haben mich in den vergangenen Jahren aufgefordert, ein Buch zu schreiben, und ein oder zwei Leute haben sogar versucht, es im Buchladen käuflich zu erwerben, noch bevor überhaupt der Auftrag vergeben war. Ich bin Tatjana Mitevska enorm dankbar für ihre Fähigkeit, lang verloren geglaubte Textstücke wieder aufzutreiben, sowie für ihre unverdrossene vielfältige Unterstützung. Neil O’Sullivan verdient besonderen Dank für seine intelligente redaktionelle Bearbeitung in all diesen Jahren und für die Geduld, mit der er mir den Übergang in eine digitale Zukunft eröffnete. Nicholas Spencer und Raphael Abraham sind würdige Nachfolger im wöchentlichen Trubel von Financial Times. Meine Schüler Robert Colborn und Henry Mason entschlüsselten und tippten meine Texte, die mit ihren eigenen Themen so wenig zu tun hatten, dass sie bei ihnen amüsierte Verwunderung auslösten. Jane Birdsell, sowohl Korrektorin als auch Gärtnerin, bewahrte mich mit ihren unbarmherzigen Fragen vor diversen Irrtümern. Besonders dankbar bin ich für die freundlichen Hinweise der vielen Bibliotheken, Fotografen, Gärtnereien und von Dr. Jane Lightfoot, die mich dabei unterstützte, wichtige Bilder aufzufinden oder selbst zu knipsen. Dr. Claudia Wagner war der Herausforderung vollauf gewachsen, zahlreiche Informationen aufzustöbern, die von ihrem Sachwissen auf den Gebieten der klassischen Kunst und der Gemmen weit entfernt waren.

Ich erinnere mich, wie mich meine bemerkenswerte Großmutter Enid einmal fragte, warum ich nach Oxford wollte; die weise alte Dame machte sich Sorgen, ich könne »womöglich ein Professor oder sonst etwas Fürchterliches« werden. Die Tätigkeit eines Gärtners hingegen war für sie immer etwas, für das sich der Einsatz lohnte. Ich hoffe nun also, dass ich ganz in ihrem Sinn das eine kompensiere, indem ich es mit dem anderen kombiniere.

Einleitende Bemerkungen

Gärtnern hat viel mit Denken zu tun, aber Denker schauen darauf gerne geringschätzig von oben herab. Sie meinen, es handle sich um eine einerseits praktische, andererseits repetitive Tätigkeit; außerdem macht man sich dabei ja die Hände schmutzig. Einige wenige Universitäten bieten Abschlüsse in Landschaftsdesign und professionellem Gartenbau an, ihr Schwerpunkt liegt allerdings auf Unkrautvernichtung und Massenvermehrung. Sie erteilen keine Noten in praktischer Gartenarbeit und deren Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft. Ich habe Profidenker sagen hören, die Liebe der Engländer zum Gärtnern sei für das Scheitern von England als Industrienation verantwortlich. Ich habe sogar gehört, dass sie Gartenarbeit als Ersatz für ernstzunehmende Studien abqualifizierten – ein Grund, so nehmen sie an, weshalb Frauen so gern im Garten tätig sind, denn viele Frauen im mittlerweile reiferen Alter hätten angeblich nie »stattdessen« eine richtige Ausbildung genossen. Als ich vor über fünfzig Jahren mit dem Gärtnern anfing, erzählte ein renommierter Medizinprofessor in Oxford den angehenden jungen Ärzten in seiner Abteilung, dass es zwei wichtige Regeln im Leben gebe. Sie sollten ihren Wohnsitz so wählen, dass sie das Krankenhaus zu Fuß erreichen konnten, und sie sollten ein Haus mit einem Garten kaufen, der gerade so groß war, dass die Gattin ihn allein bewältigen konnte.

Abb. 2: Gedankenversunken schreitet der Autor Mitte Juli durch seinen Garten in Oxfordshire

Doch wie überall gibt es auch auf dem Feld der Denker Ausnahmen. Bevor ich mit achtzehn Jahren nach Oxford kam, hatte ich – in einer 78 Personen umfassenden Belegschaft – mehrere Monate lang im großen Alpingarten des Botanischen Gartens in München gearbeitet. Im zweiten Jahr meines Studiums in Oxford wechselte ich zur Philosophie und stieß auf einen Helden in einer Welt des Denkens, die mir in jeder Hinsicht so vorkam, als gehe sie weit über meinen Horizont hinaus. Der berühmte Denker Ludwig Wittgenstein wurde von meinem klugen Tutor in neugierig machender Weise als »ein entschieden komischer Kauz« bezeichnet. Ich stöberte daraufhin einen Vortrag auf, den der »komische Kauz« Wittgenstein in Cambridge im Jahr 1929 gehalten hatte. Zu meiner Verwunderung hatte er gesagt, dass er manchmal »über die Existenz der Welt staunte« und dass er andererseits »die Erfahrung kannte, sich absolut sicher zu fühlen«. Auf meinen erdverbundenen Geist machte das einen ziemlich neurotischen Eindruck. Seinen Gedanken »Wie außerordentlich es doch ist, dass überhaupt irgendetwas existiert« fand ich auf interessante Weise sonderbar. Noch sonderbarer wirkte sein Gedanke »Ich bin in Sicherheit, ganz gleich, was geschieht – nichts kann mir etwas anhaben« – und er war der Meinung, dass auch andere so dachten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass er unter Geschwistern aufgewachsen war – ja dass er sogar das Jüngste von acht Kindern war. Ganz offensichtlich hatte er nicht ein Leben gelebt wie meines, mit Pferden, und ganz bestimmt hatte er nie Brennesseln gejätet.

Ich fand dann heraus, dass er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, ein Umstand, der sein Interesse am »Gefühl absoluter Sicherheit« erklärte. Außerdem fand ich heraus, dass er über »gedankenvolle« Tätigkeit nachgedacht hatte. »Denken wir uns«, so schrieb er, »dass einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wählen gibt«, etwas aus »gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen … Immer wieder entsteht das Problem: ›Soll ich dies Stück dazu nehmen?‹ – Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht …« Wittgenstein dachte an die Herstellung eines Geräts, aber er hätte ebenso gut meine Arbeit im Münchner Alpinum beschreiben können, wo ich mit der spitzen deutschen Version eines englischen, geradkantigen Spatens die Erde aufgrub und zitronengelbe Butterblumen neben blauen bayerischen Enzian pflanzte, in der Hoffnung, dass sie sich in saurem Boden gut nebeneinander machen würden. Wittgenstein stellt sich dann vor, die »ganze Prozedur« werde gefilmt. »Der Arbeiter gibt vielleicht auch einige akustische Signale von sich wie ›hm‹ oder ›ha‹«: In meinem deutschen Garten entsprach dem das Rülpsen von Herrn Strauß und das notorische Furzen des Herrn Schmidt. Weder in München noch in Wittgensteins Notizbuch äußerte der Arbeiter »auch nur ein einziges Wort«. Was aber nicht heißt, dass er nicht nachdachte: »Wir könnten natürlich sein ›Denken‹ von der Tätigkeit nicht trennen. Denn das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der gedankenvollen Rede.« In meinem ersten Jahr in Oxford war ich überzeugt, dass ich während meiner Tätigkeit als Gärtner in München mehr nachgedacht hatte als bislang im Zusammenhang mit dem, was mir mein Altgriechisch-Tutor an Stoff geboten hatte. Und jetzt wurde mein Eindruck durch diesen großen Denker, den mein Lehrer so »kauzig« fand, bestätigt.

Gedankenvolles Gärtnern wurde zu meinem Glaubensbekenntnis.

Es gab da jedoch immer noch eine Kluft zwischen der Vorstellung des Philosophen und meiner eigenen. Sein Arbeiter arbeitet zwar denkend, doch denkt er nicht, bevor er anfängt, lange und gründlich nach, und er fasst seine Gedanken auch nicht in Worte. Sein Denken ist rudimentär; als ich dann aber meine Lektüre erweiterte, verstand ich das Ganze besser. Ich fand heraus, dass Wittgenstein zweimal in seinem Leben mehrere Monate lang als Gärtner tätig gewesen war. Damit wurde mein Held zu einem Halbgott, und obwohl ich so wenig verstand, las ich alles, was ich von seinen Schriften bekommen konnte. Im Sommer 1920 hatte er in Österreich die Ausbildung zum Volksschullehrer absolviert, die Ferien aber verbrachte er mit der Arbeit in den Gärten des Stifts Klosterneuburg in der Nähe von Wien am Ufer der Donau. Während er – zweifellos intensiv denkend – gärtnerte, kam der Abt des Klosters am Beet vorbei und bemerkte: »Ah, ich sehe, dass auch für die Arbeit als Gärtner Intelligenz eine Rolle spielt.«

Es ist zu schade, dass jener Abt dieses Buch nicht lesen kann. Seit dreißig Jahren habe ich die Ehre, für die Gärten in meinem Oxforder College, dem New College, verantwortlich zu sein, in einer Welt von Denkern, für die ich außerdem neun weitere, auswärtige Gärten betreue, unter anderem auch solche, in denen diese Denker denken, wenn auch nicht arbeiten. Ich gebe die Anweisungen für die wackeren Gartenfirmen-Teams, die von März bis Dezember an drei Tagen pro Woche für uns arbeiten, und ich tausche mich mit dem Mann, der für das Mähen verantwortlich ist, über die Rasenflächen aus, wenn er von seiner Arbeit auf den Grasflächen der College-eigenen Sportplätze freigestellt wird. Ebenso wie Wittgensteins denkender Arbeiter wähle ich, vergleiche, probiere aus, und wahrscheinlich äußere ich auch so manches »hm« und »ha!«. Nichts wird ohne meine Anweisung angepflanzt oder verändert. Die Gärtner machen die Arbeit, doch in den arbeitsreichsten Monaten, und wenn mein eigener Cotswold-Garten mir solche Treulosigkeit erlaubt, packe ich an Wochenenden oder abends auch selbst mit an. Um mich herum gehen die Studenten ihrem Denk-Geschäft nach und haben keine Zeit, sich mit dem Staunen darüber aufzuhalten, dass die Welt existiert, oder mit der Kühnheit, sich in absoluter Sicherheit zu wiegen. Meine Kollegen werden dafür bezahlt, täglich zu denken, aber ich erfahre nur selten, was sie eigentlich über den Garten denken, der sich um sie herum erstreckt, außer der Verwunderung über seine Existenz. Einige haben die sonderbarsten Vorstellungen vom Geschäft des Gärtnerns. Unser akademisches Jahr beginnt im Oktober, und einmal lud mich ein Kollege aus diesem Anlass zu einem Umtrunk ein, quasi einer akademischen Neujahrsfeier. Einer der denkenden Gäste war gerade von seinem Sommeraufenthalt in einer auswärtigen Forschungseinrichtung zurückgekehrt, wo er in einem Labor Ratten getestet hatte, und er stellte mir eine Frage, die mich regelrecht erschütterte: »Und Sie hatten auch einen guten Sommer, Robin? Hatten die Blumen alle die richtige Farbe?«

Wenn die Arbeit im Garten etwas mit Intelligenz zu tun hat, dann stellt sich mir im Blick auf meine Kollegen manchmal allerdings die Frage, wo Intelligenz zu verorten wäre. Die klugen Gärtner in diesem Buch sind keine anerkannten, bejubelten Geistesgrößen. Es zählen zu ihnen Lady Chatterleys Liebhaber und der leitende Gärtner eines bedeutenden Anwesens in Northamptonshire in der Nähe des Dichters John Clare. Und dann gab es mehr als vierzig Jahre lang in meinen College-Gärten einen weiteren bemerkenswerten Gärtner, einen ehemaligen Kriegsgefangenen aus Polen, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlossen hatte, in England zu bleiben. Er arbeitete auf dem Land und war dann zuständig für das Unkrautjäten auf dem College-Gelände. Sein ergrauendes Haar wurde immer länger, von seinen Zähnen waren nur noch die nötigsten übrig, und die obere Hälfte seiner Gummistiefel blieb grundsätzlich heruntergeklappt, egal, wie das Wetter war. In den Wintermonaten arbeitete er unermüdlich an der Herstellung eines Gartenkarrens aus Holzbrettern, und als dieser fertiggestellt war, kutschierten ihn seine Gärtnerkollegen in einer Ehrenrunde über die Gartenwege. Stolz stand er in der Mitte des Karrens, mit seiner Gärtnersense in der Hand, in einer Pose, die italienische Künstler in ihren Darstellungen dem Tod zuschreiben, dem erbarmungslosen, triumphal alles besiegenden Sensenmann.

Dann kam für ihn die Zeit, sich in dem Holzhaus zur Ruhe zu setzen, das er sich auf einem der Kleingärten in Oxford gebaut hatte und das ihm, nachdem er viele Jahre unbehelligt darin gewohnt hatte, nun gehörte. Ich schlug die übliche Verabschiedungsfeier vor, was bei einigen der Organisatoren auf eine gewisse Skepsis stieß. Am vereinbarten Tag war der Ehrengast jedoch anwesend, gekleidet in einen überraschend eleganten grauen Nadelstreifenanzug. Eine kleine Gruppe von Kollegen wartete auf den College-Präsidenten, der die einleitenden Worte sprechen sollte. Wir warteten, und irgendwann tauchte unser Chef auf, allerdings nur um sich an das im Raum befindliche Klavier zu setzen und eine gestelzte Version einer Ragtime-Nummer von Scott Joplin zum Besten zu geben. Nach einer abrupten Unterbrechung gönnte er seinem Publikum ein strahlendes Lächeln und verkündete beifallheischend: »Ich liebe Boogie-Woogie, und Sie doch sicher auch!« Das Schweigen wurde durch unseren Ehrengast gebrochen, der in der hinteren Reihe saß und uns dann mit seiner Äußerung noch einmal zum Schweigen brachte: »Ich persönlich bevorzuge Donizetti.«

Und mittlerweile tummeln sich die denkenden Studenten bei sonnigem Wetter knutschend auf den Rasenflächen und versuchen, Bücher mit Titeln wie The Constant Flux zu lesen. Sie verhalten sich den Pflanzen gegenüber rücksichtsvoll und nehmen auch die Veränderungen in den Blumenrabatten wahr, ohne zu meinen, Gärtnern sei nichts weiter als die Suche nach Blumen in der richtigen Farbe. Wenn es dann allerdings auf den Studienabschluss zugeht, weisen alle Anzeichen darauf hin, dass sie die Vorurteile ihrer denkenden Tutoren übernommen haben. Sie teilen mir mit, dass sie hoffen, ich werde anwesend sein, um ihre Eltern kennenzulernen, denn ihre Mütter würden sich so gern Gartenratschläge von mir geben lassen. Wenn ich dann allerdings tatsächlich mit den Eltern zusammentreffe, wollen die Mütter doch nichts weiter hören als lobende Worte über ihre Sprösslinge.

Die Studenten verlassen die Universität, allerdings mit einem alarmierenden Loch in ihrem Weltwissen. In den über fünfunddreißig Jahren, die ich jetzt als Dozent tätig bin, habe ich hin und wieder mal in der einen oder anderen Lehrveranstaltung gefragt, ob einer der Anwesenden wisse, wie eine Primel aussieht. Die Studenten haben möglicherweise Gedichte von Milton oder Herrick gelesen – womöglich haben sie sogar Seminarscheine in Pflanzenkunde erworben. Doch nicht einer von ihnen wusste, was eine Primel ist. Kürzlich glänzte im Gespräch mit einem Jungen aus Irland ein leiser Hoffnungsschimmer auf; der Junge sagte, natürlich wisse er das – es sei eine hübsche Blume, die im Frühjahr blüht. Erwartungsvoll schaute ich ihn an, aber dann fuhr er fort mit der Auskunft, eine Primel sei »irgendwie rund und violett, wie ein Becher«, und er machte mit seinen großen Händen eine entsprechende Bewegung.

Ich hätte die Frage fallen lassen sollen, doch einen Versuch wagte ich noch, bei einer scharfsichtigen jungen Dame, die mich vielleicht durch die Wahl ihres Parfums provoziert hatte. Anfang März, während sie mir ihren Essay über gesellschaftliche Veränderungen im antiken Sparta vorlas, schwebte ein billiger Glockenblumenduft durch die Luft. Nachdem die Unterrichtsstunde beendet war, fragte ich sie nach ihren Ferienplänen, ihrer Themenwahl für das kommende Semester und – fatal angespornt durch die Glockenblumen – ob sie wisse, wie eine Primel aussieht. Verächtlich ließ sie sich auf dem Sofa zurücksinken und fixierte mich mit einem Blick, in dem schon deutlich die Zukunft in der Hochfinanz erkennbar war. »Das ist eine unglaublich pedantische Frage«, antwortete sie. »Ich sehe genau dieselben Blumen wie Sie, und Sie versehen sie eben einfach nur mit akademischen Bezeichnungen.«

Ich machte mich zum Lunch auf, völlig niedergeschmettert von dieser jungen Nihilistin, die mich zu einer »überflüssigen Person« reduziert hatte, ähnlich dem naturliebenden Vater Nikolai in Turgenjews Väter und Söhne. Ich setzte mich neben den Oxforder Logik-Professor und erzählte ihm von diesem Austausch. Unter anderem brachte ich meine Überzeugung zum Ausdruck, dass Benennungen Wissen vertiefen können und uns anspornen, das, was wir sehen, deutlicher wahrzunehmen und zu unterscheiden. Es drohten sich philosophische Tiefen aufzutun, der Professor wurde ganz still und schob das, was von seinem Mittagessen noch übrig war, auf seinem Teller herum; er machte einen so zutiefst verstörten Eindruck, dass ich schon fürchtete, ich hätte eine logische Grundregel zertrampelt. Irgendwann gab er dann freiwillig zu, dass er mir etwas gestehen müsse: »Ich weiß auch nicht, wie eine Primel aussieht.«

Zwei Wochen später packte ich ihn am Ärmel seines ausgebleichten, beigen Regenmantels und nahm ihn mit hinaus in den Garten, wo im strahlenden Sonnenschein Primeln und blaue Anemonen im frischgrünen Gras prangten. Ich pflückte sogar eine Primel ab und reichte sie ihm, was er mit der Bemerkung quittierte: »Aha, so sieht sie also aus.« Wittgenstein hätte es kaum prägnanter formulieren können. Die Freundin meines Kollegen erzählte mir wenig später, er hätte die Blume in eine kleine Vase gestellt und die Vase auf seinem Schreibtisch plaziert. Da dachte ich: Noch besteht also Hoffnung. Zwei Tage später bekam ich allerdings eine Dankeschön-Karte und die Kopie eines berühmten philosophischen Aufsatzes über Bedeutung und Referenz. Einer der Punkte, um die es dem Autor geht, ist der Umstand, dass ein Wort offenbar unterschiedliche Geltungsbereiche haben kann, wenn es von Sprechern verwendet wird, die über unterschiedliche Grade von Wissen bezüglich der Referenz verfügen. Der Autor versuchte, sein Argument mit einem Beispiel zu belegen. »Nehmen wir an, Sie sind ähnlich veranlagt wie ich und können eine Ulme nicht von einer Buche unterscheiden …« Da hatte ich mich offenbar auf einen schweren Kampf eingelassen. Ich kann Logik-Professoren eine Primel zeigen, mit einer Ulme ist mir das leider nicht mehr möglich. Außer einer kleinen Gruppe in Sussex wurden sämtliche Ulmen von Käfern gekillt.

Ich kehrte dann zu Wittgenstein zurück – in der Hoffnung, dass die Monate, die er hinter einem Schubkarren verbrachte, einen prägenderen Einfluss auf sein Denken hinterlassen hatten. In seinem Blauen Buch denkt er über das Aussetzen von Pflanzen nach. Er schreibt: »Ein Freund und ich sahen uns einmal Beete mit Stiefmütterchen an. Jedes Beet zeigte eine andere Art. Sie haben uns alle nacheinander beeindruckt. Wir sprachen darüber, und mein Freund sagte: ›Was für eine Vielfalt von Farbenmustern, und ein jedes sagt etwas.‹ Und das war es genau, was auch ich sagen wollte.« Allerdings entsprach das so ganz und gar nicht dem, was ich selbst gern gesagt hätte. »Wie hübsch« oder »wie hässlich« hätte ich gesagt oder »so ein typisch deutscher Bepflanzungs-Stil«. Schade, dass Wittgenstein nicht solche Gedanken hegte. Er fährt vielmehr fort: »Wenn man gefragt hätte, was das Farbmuster des Stiefmütterchens sagte, dann wäre die richtige Antwort, so schien es, dass es sich selbst sagte.« Für mich schien die offenkundig richtige Antwort, dass Farbmuster von Stiefmütterchen überhaupt nichts »sagen«.

Ich habe dieses Buch nicht »Unterredungen mit Stiefmütterchen« genannt, und sogar aus Wittgensteins Beispiel muss ich schließen, dass es noch größerer Mühen bedarf, um den Denkern um mich herum den Zusammenhang zwischen dem Gärtnern und dem Denken wirklich nahezubringen. Mein Text und und mein Titel [Thoughtful Gardening im englischen Original] dienen diesem Ziel, und sie sollen eine Antwort auf die Aussagen der jungen Schlange auf meinem Sofa bieten. Denken und Wissen führen nicht zu pedantischer Etikettierung durch ein hyperakademisches Gehirn: Sie erweitern vielmehr, was wir sehen. Umsichtige Gärtner denken, bevor sie wählen und pflanzen, daher möchte ich hier Gedanken über einzelne Pflanzen und ihre Vorlieben mitteilen, die ich durch eigenes Ausprobieren bestätigt gefunden habe. Hin und wieder gebe ich Lektionen weiter, die mich professionelle Gärtner gelehrt haben, denn ich glaube, diejenigen, die mit der Anzucht und Pflege von Pflanzen ihren Lebensunterhalt verdienen, wissen sehr wahrscheinlich, wie man es am besten macht – wobei sie allerdings normalerweise zu beschäftigt sind, um ihr Wissen niederzuschreiben. Manches habe ich auf meinen Reisen gelernt, man denkt dann weniger beschränkt, ich schreibe also auch meine Gedanken über Gärten auf, die geographisch weit entfernt von meinen eigenen Gärten liegen. Ich hoffe, diese Gärten werden auch aufschlussreiche Anziehungspunkte für Gärtner sein, die wie ich gerne reisen. Am meisten habe ich gelernt von schreibenden Gärtnern, wie ich selbst einer bin; einigen möchte ich für den Einfluss ihres Lebenswerks auf mein Denken und Tun einen postumen Tribut zollen.

Bei den Gärten in diesem Buch handelt es sich um Ziergärten, und mein Text ist zwar hauptsächlich praktisch ausgerichtet, doch knüpft er stellenweise auch an Romane oder Gedichte an. Das sind keine Umwege, denn auch Literatur kann dem Gärtner helfen, mehr zu sehen. Diese Art assoziativen Betrachtens geht auf die gelehrten Gärtner Chinas zurück, deren Lektüre und Dichtung die Namen und Anlagen ihrer Gärten wesentlich prägten. Im Westen setzte Ähnliches später mit Erasmus ein, der einen Garten des 16. Jahrhunderts vermittels von Assoziationen beschrieb und betrachtete, die durch seine Lektüren ausgelöst wurden. Dieser Aspekt besonnenen Gärtnerns begann also mit einem berühmten Denker, allerdings war Erasmus nicht selbst als Gärtner aktiv. Die Assoziationen vertieften, was der Garten für ihn bedeutete, und mir geschieht auch heute noch dasselbe.

Zunächst einmal kann Besonnenheit Gärtnern dabei helfen zu realisieren, worum es bei der Anlage und Pflege von Gärten eigentlich geht. Gartenarbeit wurde mit zahlreichen anderen Zielen vermischt: »Rettung des Planeten«, »Unterstützung der Biodiversität«, »Wiederbelebung einer verlorenen Welt« oder »Erschaffung einer Matrix vernetzter Biotope«. Mit all dem hat Gärtnern nichts zu tun. Gärtnern bedeutet vielmehr: Pflanzen ungeachtet ihrer Herkunft gut heranziehen und sie in eine Umgebung setzen, die zu ihnen und zu uns passt. Wenn man darauf hinarbeitet, dann ist es nicht verwerflich, Chemie einzusetzen, im Gegenteil: Es ist unpraktisch und wirkungslos, lediglich mit »organischen« Methoden zu arbeiten. Es gibt keinen »organischen« Killer, mit dem man der Ackerwinde oder Breitmaulrüsslern wirksam zu Leibe rücken könnte. Und es ist auch nicht verwerflich, kurzlebige, exotische Pflanzen vorzuziehen oder Dahlien und Chrysanthemen in leuchtenden Farben zu mögen, obwohl »natürliche« Gärtner all das angeblich verschmähen. Sämtliche Gärtner arbeiten in einer künstlichen Landschaft, auch wenn sie sich vorstellen, sie hätten ihren Garten nach »natürlichen« Prinzipien oder als »Wildblumenlandschaft« angelegt. Kunstvolle Vortäuschung ist sämtlichen Gärten eigen, aber besonnenes Gärtnern praktiziert diese Artifizialität bewusst und unabhängig. Es lässt sich nicht von rechthaberischen Moden beherrschen. Eine klassische Staudenrabatte ist nicht arbeitsaufwendiger als ein modischer Bestand an Rudbeckien und Ziergräsern, der vorspiegelt, eine Prärie zu sein. Gärten sind keine »sicheren Wildlife-Häfen«; das wahre, echte »Wildlife« wird schon beizeiten von alleine eingreifen und die Pflanzen entwurzeln. Und Gärtner sind auch nicht die »Hüter« des Bestands einer bedrohten Schmetterlingsart. Im Großen und Ganzen spielt die Hilfe von Gärtnern für bedrohte Arten eine unendlich kleine Rolle und ist nur von kurzer Dauer im größeren Kontext der Landwirtschaft und des Klimawandels, mit dem Schmetterlinge jenseits des Gartenzauns klarkommen müssen. Die Arbeit im Garten wird dumpf und beschränkt, wenn sie über moralische Zwecke definiert wird, die von anderen Interessen geleitet sind.

Dem nachdenklichen Gärtner werden sich neue Erkenntnisse erschließen – ein Vorzug, der mit den allerersten Wurzeln des Gärtnerns ursächlich verknüpft ist. Im ersten Garten stand ein Baum der Erkenntnis, und der Moment, da unsere Stammeseltern von dessen Frucht aßen, zuerst die Frau, dann der Mann, war die Geburtsstunde des gedankenvollen Gärtnerns. Ihnen ging auf, dass der Garten nicht mehr die ganze Welt war. Nach ihrer Vertreibung mussten sie feststellen, dass Pflanzen nicht grundsätzlich in göttlicher Überfülle wachsen. Seit jener Zeit mussten sie fortan denken, während sie im Schweiße ihres Angesichts gruben und ackerten, dachten und »Vergleiche anstellten, Versuche machten, Auswahlen trafen«. Vor allem mussten sie an den Garten denken, den sie verloren hatten, so wie auch besonnene Gärtner immer wieder an die Gärten in ihrer eigenen Vergangenheit denken müssen. Auch diesem Gedanken soll in diesem Buch nachgegangen werden.

Beschneiden der Haselnusssträucher und Lambertshaseln. Haselnusssträucher und Lambertshaseln müssen beschnitten werden, sobald die kleinen roten Blüten sichtbar werden. Sie sind ziemlich unscheinbar, man muss also genau hinsehen, um sie zu finden. Die männlichen Blütenkätzchen sind es, die Eindruck machen. Die Haupttriebe von Büschen, die ihren Platz ausfüllen, werden jeweils auf einige Knospen zurückgekürzt. Wenn die Büsche noch Platz haben, um sich weiter auszubreiten, muss man diese Haupttriebe nicht beschneiden oder höchstens ihre Spitzen wegnehmen. Seitentriebe werden bis auf das erste Kätzchen, von der Spitze gerechnet, zurückgeschnitten, oder, wenn keine Kätzchen da sind, bis auf die erste weibliche Blüte. Einige Triebe haben vielleicht nur Kätzchen. Diese lasse man unbeschnitten, bis die Kätzchen verwelken, dann schneidet man sie auf zwei Knospen zurück. Sie sind entbehrlich, da sie keine Nüsse produzieren werden. Schlecht plazierte Äste, die sich in der Mitte des Buschs zusammendrängen, sollte man vollständig entfernen, auch wenn das den Einsatz einer Säge erforderlich macht. Der ideale Haselnussstrauch hat ungefähr die Form eines Kelchs.

Arthur Hellyer, »February: Fourth Week«, in seinem Buch Your Garden Week by Week (1936), 6. Auflage, 1992

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