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TONI HUBER

PIRSCH

AUF GAMS, REH UND HIRSCH

FASZINATION BERGJAGD

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Umschlaggestaltung:

Bildnachweis:

Alle übrigen Bilder im Innenteil wurden uns freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt.

Der Inhalt dieses Buches wurde vom Autor und vom Verlag nach bestem Gewissen geprüft, eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Die juristische Haftung ist ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Hinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die zum Schutz vor Verschmutzung verwendete Einschweißfolie ist aus Polyethylen chlor- und schwefelfrei hergestellt. Diese umweltfreundliche Folie verhält sich grundwasserneutral, ist voll recyclingfähig und verbrennt in Müllverbrennungsanlagen völlig ungiftig.

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ISBN 978-3-7020-1711-8
eISBN 978-3-7020-1729-3

Inhalt

Vorwort

Vorwort zum Buch vom Huber Toni

De Böck vom Königswald’l

Da Buachnsitz

Der Namenstagsbock

Gams am Schaffelberg

Wie alles begann

Das Oberammergauer Revier

Sommerpirsch

Die Geburtstagsgams

Der Wiesmahdhirsch

Die befreite Gams

Da Bergdokta

Der Pirschgang

Der Pantoffelbock

Der Heimliche

Der Bergwiesnhirsch

Die Stierfleckenhütt’n

Der Eisendzehner vom Erdbeerschlag

Die Nachsuche

Am Kircheck

Die Rehgeiß vom Manglberg

Des is a Stoapilz

Da Herzogbock

Die Rache Dianas

„Cito von Bschlabs“

Der Bock vom Leierhof

Der Hirsch vom Rehbreingraben

Die Rehbreinalm

Der Hirsch vom Diezenmoos-Graben

Der Hirsch vom Hebammsberg

Hahnenjagern

D’Woidgams

Mei kloana Hoh’

Neues Spiel, neues Glück

Da Gams vom Trümmla

Mein Partenkirchner Hirsch

Der Hirsch vom Schweitzer

Der Hirsch von der Schönau oder wie man einen Pächter vergrämt

Benis Geburtstagshirsch

Der Gewitterbock

Ein Jagdgast

Der Bartbock

Der Herzinfarkt-Bock

Da Jaga-Max

Auch Jäger haben einen Schutzengel

Vorwort

Dieses Buch ist drei Personen, welche in meinem privaten und jagerischen Leben eine wichtige Rolle gespielt und mich einen Teil meines Weges begleitet haben, gewidmet.

Meiner lieben Frau Karin, welche für meine jagdliche Passion und Leidenschaft immer vollstes Verständnis gehabt und mich bei so manchem Reviergang begleitet hat. Leider hat sie uns viel zu früh für immer verlassen.

Meinem Freund und Jagdherrn Hans, der mich als Jagdaufseher in seinem Oberammergauer Revier an der Hege und an der Jagd auf unser heimisches Wild großzügig teilhaben ließ. Jagdoder Schussneid waren ihm ein Fremdwort. Leider deckt auch ihn schon lange die heimatliche Erde.

Meinem Freund und Jagdprinz Jaga-Max, von dem ich alles über die gerechte Führung unserer treuen Begleiter, unserer Bayrischen Gebirgsschweißhunde, lernen durfte. Auch viel jagerisches Wissen durfte ich von ihm lernen.

Leider weilt auch er nicht mehr unter uns, und mit ihm ist ein Berufsjäger vom alten Schlag, derer es leider nicht mehr viele gibt, gegangen.

Dieses Buch ist nach vielen Gesprächen mit dem herausragenden Berufsjäger und Buchautor Konrad Esterl entstanden, der mich ermutigte, diese Zeilen für unsere Nachwelt zu Papier zu bringen.

Vergelt’s Gott!

Garmisch-Partenkirchen,
im Frühjahr 2017

Vorwort zum Buch vom Huber Toni

Tradition ist nicht die Anbetung der Asche,
sondern das Weiterreichen des Feuers
.

Ich hatte Glück, meine Ausbildung zum Berufsjäger in einem der schönsten Jagdreviere absolvieren zu dürfen. Das Werdenfelser Land war mir mit seinen wilden Felszacken und Felszapfen, mit seinen tiefdunklen Wäldern, Almmatten und glasklaren Bergseen nach kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen. Das majestätische Zugspitzmassiv, zu dessen Füßen der Eibsee durch den Bergwald schimmert, und die sich im Spiegel des Sees abzeichnenden grantig dreinblickenden Waxensteine waren mir jagdliche Heimat geworden. Es war ein imposantes Schauspiel, wenn im Herbst von den im Morgengrauen weiß leuchtenden Felswänden der Zugspitze das Aufgrollen der Berghirsche Echo erzeugend zurückgrollte. Es war für mich die Erfüllung eines Jugendtraums, in dieser Urlandschaft die Ausbildung zum Berufsjäger erfahren zu dürfen. Es war für mich aber auch ein besonderer Reiz, hier zusammen mit meiner BGS-Hündin zu lernen, zu staunen und zu erleben.

An einem schwül-warmen Augustmorgen – der Bergbock hatte gerade die Hochzeitsstiefel angezogen – saß ich im Lerchenwald der Steinplatte, um den Bergbock herzublatten. Da ich die Ruf-, Lock- und Reizjagd auf Grund meiner Musikalität beherrschte, blattete ich, wie es mir ein Kollege aus dem Schwarzwald beigebracht hatte, mit einem Geldschein (fürwahr eine Seltenheit im schmalen Geldbeutel eines „Lehrbuam“). Längere Zeit rührte sich überhaupt nichts und ich wollte gerade zusammenpacken, als vor mir die Äste knackten. Durch den Lerchenwald schlich ein älterer Hirsch, der nur ein hoch aufhabendes Sechsergeweih trug. Ich hatte keinen Hirsch frei und so ließ ich den Abschusshirsch der besonderen Güte weiterziehen. Immer wieder äugte der Althirsch zu mir her. Nochmals gab ich den feinen Ton der brunftigen Rehgeiß von mir, als der Hirsch abermals auf mich zuzog. Mehrmals fuhr sich der Hirsch mit dem Lecker über den Windfang, ehe er im Lerchenwald verschwand.

Nach meiner Ausbildungszeit wurde ich in das Valepper Tal versetzt. Durch Zufall erfuhr ich, dass der neue Revierjager und spätere Wildmeister Max Kotterisch den Sechserhirsch von der Steinplatte erlegt hatte und ihm das Geweih aus dem Brunnentrog vom „Jagahäusl“ entwendet wurde. Mit dem „Jaga-Max“ verband mich, wie es unter Kollegen so Brauch ist, eine innige Freundschaft. Der Max war wie ich ein begeisterter Führer des Bayrischen Gebirgsschweißhundes.

Anlässlich einer Zusammenkunft der „Schweißhundemänner“ lernte ich den Schreinermeister Toni Huber kennen. Wie zwei BGS-Rüden beschnupperten wir uns, stellten dabei aber fest, dass wir die gleichen Interessen und die Liebe zu unserem Wild wie auch zu den BGS hatten. Die Einstellung des Toni zur Kreatur und zu unserer schönen Heimat hat mich mehr als fasziniert. Aus dem anfänglichen Beschnuppern wurde eine grundehrliche Freundschaft. Wenn wir uns trafen – leider auf Grund der räumlichen Trennung zu selten –, dann steckten wir die Köpfe zusammen, sodass bei den Versammlungen der „Schweißhundmannder“ wir manchen strafenden Blick der Vorstandschaft einstecken mussten.

Anlässlich einer Zusammenkunft – der Toni konnte so herrlich erzählen –, animierte ich den Toni, seine jagdlichen Erfahrungen doch zu Papier zu bringen.

Als mich der Toni später dann fragte, ob ich für sein Buch das Vorwort noch schreiben würde, konnte ich, ja durfte ich nicht nein sagen. So sagte ich spontan zu, denn es ist für mich eine große Ehre, dem Freund und Jagdkameraden seinen Wunsch zu erfüllen. Für den echten Bergjäger, den Naturliebhaber, ist das Buch vom Toni eine Bereicherung. Ich wünsche dem Toni viel Erfolg für seine „jagerischen“ Erzählungen.

Konrad Esterl, Wildmeister i. R.

Schliersee, im Hegemond 2017

De Böck vom Königswald’l

Unterhalb vom Kalkofen, der Nordseite vom Schaffelberg, liegt das Königswald’l.

Begrenzt im Norden durch eine ehemalige Kaserne, jetzt Natoschule, und von der fast senkrechten Felswand, dem Kalkofen, im Süden, ist der kleine Bergwald ein idealer Platz für erfolgreiche und erlebnisreiche Ansitze. Hier standen zwei einfache Leitern in schmalen Waldschneisen, die als Äsungsstreifen gepflegt wurden.

An einem schwülen Samstagnachmittag im Blattmonat Juli war ich mit einem Jagdgast, einem Realschuldirektor, zum gemeinsamen Ansitz verabredet.

Ich parkte meinen unverwüstlichen Suzuki 413, viele Jäger werden diesem zuverlässigen Auto nachweinen, unten an der Rehwildfütterung, welche ich später in dem Buch beschrieben habe, ließ meinen BGS-Rüden „Birko“ aus dem Auto und packte meine Utensilien zusammen. Natürlich war auch eine deftige Brotzeit – auf’m Hochsitz schmeckt’s halt am besten – im Rucksack.

Wie ich so am Z’sammpackln war, ist auch der Jagdgast, der Rainer, eingetroffen. Nach einer kurzen und herzlichen Begrüßung, schließlich war er der Biologielehrer meines Sohnes, gab’s noch eine kurze Einweisung. Da es noch rechtzeitig am Nachmittag war, pirschten wir ganz ohne Eile zu den Ansitzen, immer wieder verhoffend, da das Auge des geschulten Biologen immer wieder Kräuter und Pflanzen entdeckte, welche in der freien Natur durch intensive Bewirtschaftung und Nutzung immer seltener wurden oder gar ausgestorben sind. Mein BGS, welcher beim Pirschen grundsätzlich an der Rucksackleine ging, verwies die eine oder andere Rehwildfährte. Im Sommer war hier kaum Rotwild anzutreffen, was sich allerdings in der äsungsarmen Zeit schlagartig änderte.

Selbst Gams – ich werde später noch darauf zurückkommen – geben hie und da ihr Debüt.

Durch die Schwüle, die sich auch im Wald breitmachte, waren auch die Plagegeister, wie Mücken und Bremsen, aktiv. Gottlob hatte ich meinen Rüden und mich mit meinem bewährten Hausmittel eingerieben, sodass wir von größeren Stich- und Beißattacken verschont blieben. Langsam und immer wieder lusend stehend, pirschten wir nun den beiden Ansitzleitern zu. Nachdem ich Rainer auf dem „Grabensitz“ – er hatte den Namen von dem mit Bruchstein gemauerten Wassergraben entlang der Kaserne und lag kurz hinter dem Sitz –, eingewiesen hatte, ging ich zu meinem Sitz.

Am Fuße der Leiter legte ich meinen treuen Jagdgefährten „Birko“, nicht ohne ihn noch mal mein Hausmittel angedeihen zu lassen, ab und bestieg vorsichtig den Sitz. Ich richtete mich bequem ein, stellte mein „Steyrmadl’“, die .243 Win in die Ecke und legte mir mein 8x56er Optolyth auf der Bank zurecht, nachdem ich einen Rundblick gewagt hatte. Aber außer dem Surren der überall vorhandenen Mücken und dem Gezeter einer Amsel störte keiner den Waldfrieden.

So konnte ich ungeniert meine jagerische Brotzeit, ich hatte heute noch nicht zu Mittag gegessen und nun einen Mordshunger, auspacken und genießen. Auf jedem unserer Hochsitze und selbst auf der einfachsten Hock war an der Stirnseite ein Brett angebracht, unser Jagdherr war ein passionierter Brotzeitmacher, auf dem ich nun meine Brotzeit ausbreitete. A guads Bauernbrot, a Stück’l Geräucht’s und a Trumm von der selber gemachten Hirschsalami, Herz was willst du mehr. Nach der ausgiebigen und schmackhaften Labung verweilte ich noch eine kurze Zeit, ehe ich meinen „Demmel“ Rehblatter aus meiner Tegernseer Lodenjoppe fingerte und die ersten zaghaften Fieptöne in den Bergwald schickte.

Vor mir lag eine schmale Waldschneise, eine ehemalige Rückegasse, auf der die verschiedensten Waldblumen und Wildkräuter blühten und den Schmetterlingen und Waldbienen als Nahrung dienten.

Aber auch das Rehwild naschte gerne an den Kräutern und frischen Blüten und Knospen. Nach den ersten zaghaften Fieptönen ahmte ich nun mit einen Piu-Piu eine Rehgeiß nach. Nach mehrmaligem Rufen und Schrecken glaubte ich, aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung am rechten Waldrand auszumachen.

Bedächtig, die Luft anhaltend, drehte ich den Kopf in die Richtung, tatsächlich hinter der Haselnussstaud’n war ein roter Fleck. Langsam, fast schleichend zog der mittelalte Bock auf die schmale, grasbewachsene Lichtung.

Noch stand er sichernd am Rand, ehe er weiter auf die Lichtung austrat. Immer noch stand er nicht ganz frei, ich fingerte mir meine Steyr-Mannlicher mit dem 6x42er-Zeiss aus der Ecke und ging dem Bock von oben her ins Leben, mittlerweile stand er auf ca. 100 m vollkommen frei auf der Lichtung. Vorsichtig zog ich den Stecher – ich verwende nur Deutsche Stecher –, bevor ich das Züngel vom Abzug nur leicht berührte. Mit einem kurzen Knall schickte die Steyrin ihr todbringendes Blei auf die Reise.

Der Bock quittierte die Kugel mit einer kurzen Flucht. Kurz vorm Waldrand brach er zusammen und ein kurzes Schlegeln mit den Läufen beendete sein Erdendasein. Ich hatte nach dem Schuss, gewohnheitsmäßig, sofort nachrepetiert, aber nun sicherte ich die Büchse und stellt sie wieder in die Ecke. Ich gewährte der Kreatur noch eine kurze Zeit und rauchte derweil meine kleine Revierpfeife. Nach’m Schuss pressiert’s nimmer, hatte mir mein alter Freund und Jagdprinz, da unvergessene „Jaga-Max“, ein Berufsjäger vom alten Schrot und Korn, einer leider aussterbenden Spezies, immer gesagt. Vieles, wenn nicht sogar alles, was ich über die Jagd und die gerechte Führung eines Bayrischen Gebirgsschweißhund weiß, habe ich von ihm gelernt.

Wie vereinbart, kam nach dem Schuss mein Jagdgast zum Hochsitz. Derweil baumte ich ab, nahm meinen BGS und ging langsam, die Büchse in der Hand, zum Anschuss. Hier war jede Menge Schweiß, Lungenschweiß, zu finden, meine Steyrin hatte ganz Arbeit geleistet. Zum Bock führte eine gut sichtbare Schweißfährte.

Ich legte Birko in einiger Entfernung ab und trat zum längst verendeten Bock. Bevor es an die rote Arbeit ging, bekam der Bock seinen „letzten Bissen“ und mein Hut einen kleinen Erlegerbruch.

Mein Jagdgast und ich hielten noch eine kurze Totenwacht, wie es halt Tradition und Ehrfurcht vor der Kreatur verlangen, dann verstauten wir den Bock in meinem grünen, aus Segeltuch geschneiderten Bergjager-Rucksack und machten uns auf den Rückweg. Am Auto angekommen, wurde nun der Rest meiner reichhaltigen Brotzeit redlich geteilt und die mitgebrachte Hopfenkaltschale genossen.

Da Buachnsitz

Am Rand vom „Glashütt’n-Steig“, einem vergrasten Pfad, der über den Rehbreinkopf auf die längst aufgelassene Rehbreinalm führte, stand eine mächtige Buche. In den letzten Jahren wurde rundum massivst Holz, überwiegend Fichte, eingeschlagen. So stand nun die Buche als „Solitärbaum“ vor der aufkommenden Naturverjüngung auf dem Weg.

Hans, unser Jagdherr, obwohl er dieses Wort gar nicht gerne hörte, meinte einmal beim Vorbeifahren: „Toni, des war doch a Platz für a Leiter.“ Und so haben wir dann an den folgenden Wochenenden dort eine überdachte Leiter gebaut. Vor der Leiter lag eine gut einsehbare Waldschneise, die wir dann auch noch mähten, um bessere Äsung zu erhalten. Links davon war eine Fichtenverjüngung, welche durch einen 2 m hohen Zaun geschützt wurde. Rechts an der Schneise schloss sich ein lichter Fichtenaltbestand an.

Vom Sitz der Leiter hatte man einen weiten Blick über den Dietzenmoosgraben hinauf zum „Erdbeerschlag“, der in diesem Buch ebenfalls noch eine Rolle spielen wird. Dieser Steilhang, der wirklich so steil war, dass man im Stehen Gras fressen konnte, so die Aussage eines befreundeten Berufsjägers, hatte seinen Namen von den vielen Walderdbeeren, die hier wuchsen. Hier stellte sich im Herbst auch gerne das Rotwild ein.

Es war ein glasklarer Junimorgen, als ich wieder einmal ins Revier fuhr. Langsam schnurrte mein Susi (Suzuki 413), wie ich meinen unverwüstlichen Jagdhelfer nannte, die steile Forststraße, vorbei an reichblühenden Bergwiesen, in Richtung „Protzenau“ hinauf. Bereits beim Anfahren tauchte im Scheinwerferlicht meines Jeeps ein kleiner Sprung Rehe auf, die sich aber, weil in sicherer Entfernung zur Straße, beim Äsen nicht stören ließen. Mein Ziel war heute der neue Buchensitz, „Buachnsitz“, wie wir ihn getauft hatten, ich wollte dort heute den ersten Ansitz machen.

Dort angekommen, stellte ich meinen Wagen, gut gedeckt hinter einem Holzganter, ab, ließ meinen BGS-Rüden „Birko“ aus dem Wagen, fingerte meinen Rucksack vom Rücksitz, löste meine Bockbüchsflinte „Krieghoff“ 16x70, 7x57 aus der Halterung und pirschte in Richtung Buchensitz.

Links und rechts vom Weg wuchsen bereits wieder fast hüfthohe Jungfichten und Buchen. Noch war es dunkel, aber der sternklare Himmel lieferte genügend Licht für ein geübtes Jägerauge, ohne Taschenlampe den Weg zu finden.

Am Sitz legte ich meinen treuen Jagdgefährten, wie gewohnt, am Fuß der Leiter frei ab und baumte vorsichtig auf. Oben legte ich mir meinen Filzfleck, hab’ ich mir von einem jagerischen Freud abg’schaut, untern Spiegel und hüllte mich in meinen Lodenkotzen. Es blieb noch Zeit für ein kurzes Knapperl (Schläfchen).

Langsam wurde es über dem Bergwald heller und ein goldener Reif am Horizont kündete einen herrlichen Junitag an. Langsam erwachte auch die Vogelwelt und stimmte ein wunderbares und vielstimmiges Konzert an.

Ein Eichelhäher, Nusskratsch’n, wia mas bei uns hoast, strich an mir vorüber und baumte in einer alten, wetterzerzausten Fichte auf und ich beobachtete ihn bei der Pflege seines Federkleids, das wie ein geschliffener Opal in der aufgehenden Sonne glänzte. Mit dem ganzen Schauen und Beobachten wäre mir um ein Haar der heimliche Bock entgangen, der nahe am Zaun der Fichtenschonung auf die Waldschneise zuzog.

Mein BGS hatte den Bock bereits längst im Wind, zog dieser doch keine 20 Meter am Hochsitz vorbei. Mein Herz fing an zu rasen, weil ich nicht wusste, wie mein BGS reagieren würde, aber der nervenstarke Rüde zitterte vor Erregung zwar am ganzen Körper, blieb aber dennoch ganz ruhig auf seinem Platz liegen.

Bei dem Bock, der nun durch das wadlhohe Gras auf die Lichtung zog, um dort an den reichlich vorhandenen Blüten und Knospen zu äsen, handelte es sich um einen mittelalten Bock, dessen rechte Stange kurz vereckt und die linke nur einen handhohen Spieß zeigte.

Ich griff nach meiner BBF (Bockbüchsflinte), ging dem breitstehenden Bock ins Leben und trug ihm die Kugel an. Der Bock zeichnete und machte ein paar Fluchten in den nahestehenden Hochwald. Beim Knall der Büchse war nun auch mein BGS plötzlich lebendig geworden und erhob sich kurz von seinem Platz. Als er merkte, dass sein Herrl noch keine Anstalten machte zu gehen, ließ er sich wieder nieder. Wie gewohnt, zündete ich mir mein Decklpfeiferl an und paffte noch genüsslich mein „Capitan Black“, den ich von einem amerikanischen Freund bekommen hatte.

Nach dieser kleinen Pause ging ich dann mit meinem Hund in Richtung Anschuss, wo ich hellroten Schweiß fand. Ich legte meinen BGS ab und ging der gut sichtbaren Wundfährte nach. Unter einem Wurzelteller lag der längst verendete Bock. Nach der roten Arbeit verstaute ich den Bock in meinem Bergjager-Rucksack und ging gemächlich zum Auto. Der unnachahmliche Duft des Bergwaldes, ein Gemisch aus frisch geschlagenem Holz, feuchtem Waldboden und blühenden Kräutern, stieg mir in die Nase. Ich hielt kurz inne und zog die frische und würzige Luft tief in meine Lungen.

Ein herrlicher Tag begann und ich freute mich nun schon auf das gemeinsame Frühstück mit meiner lieben Frau.

Der Namenstagsbock

Es war der 10. Juni, im Rehbockmonat, als ich wieder in unser Oberammergauer Revier fuhr. Es war noch dunkel, halb vier Uhr morgens, als ich mit meinem Suzuki mein Haus in Garmisch verließ. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet und der Wald war zundertrocken. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Morgenpirsch. Aber ich hatte mir vorgenommen, an meinem Namenstag, dem 13. Juni, Antoni-Tag, der bei uns ein halber Feiertag ist, meinen Gästen einen Rehbraten zu kredenzen. Kochen ist außer Jagen noch meine zweite Leidenschaft.

Hoch über Partenkirchen steht ein kleines Franziskaner-Kloster mit einer kleinen barocken Wallfahrtskirche, die dem Hl. Antonius geweiht ist. Am Antonitag wird hier von dem Weihbischof eine große Freilichtmesse gehalten, zu der viele Gläubige aus nah und fern sowie alle, die den Namen Antonia, Anton oder Toni tragen, pilgern. Aber das nur zur Erklärung des halben Feiertages.

Ich fuhr gen Oberammergau, um mich am „Brotzeitsitz“, welcher bereits in diesem Buch erwähnt wurde, anzusitzn. Im Königswald’l stehen immer wieder passable Böcke und auf einen solchen wollte ich waidwerken.

Meinen Suzuki ließ ich bereits sehr weit unten stehen, mein BGS-Rüde „Birko“ sprang aus der geöffneten Hecktüre, ich schulterte meinen .308 Repetierer, hing mir mein Optolyth-Glas um und pirschte vorsichtig in Richtung „Brotzeitsitz“.

Trotz der Dunkelheit vermied ich es, meine Taschenlampe, eine alte Bundeswehr-Handleuchte, einzuschalten. Das Licht der nahe gelegenen Natoschule sollte reichen. Ich war noch keine 100 Meter gepirscht, als unter meinen schweren Bergstiefeln ein trockener Ast knackend zerbrach.

Mit angehaltenem Atem, den Hl. Hubertus um Hilfe anrufend, verharrte ich auf der Stelle und lauschte angestrengt in den Bergwald hinein. Aber zum Glück schien das Knacken des brechenden Astes kein Alarmzeichen gewesen zu sein, alles blieb ruhig und nun fingerte ich doch meine alte Bundeswehr-Handlampe mit den verstellbaren Blendspiegeln aus meiner Lodenjoppe.

Vorsichtig, meine schweren Bergschuhe behutsam auf den Waldboden aufsetzend, pirschte ich weiter zu meinem auserkorenen Ziel, dem Brotzeitsitz. Dort angekommen, legte ich „Birko“ am Fuß der Leiter ab und stieg nach oben. Ich richtete mich ein, und da es noch dunkel war, konnte ich auch einen kurzen „Hochsitzknapper“ wagen. Der Wald schlief noch und so machte ich es ihm gleich, obwohl immer ein Ohr zum Lusen offen war.

Vom Berg her wehte ein lauer, fast warmer Fallwind, sodass es mir in meiner Tegernseer-Jägerjoppe fast zu warm wurde. Von Oberammergau her hörte ich die Kirchenglocken, es schlug halb fünf, langsam zog die Morgendämmerung auch in den Hochwald und ich wurde nun Gast eines wundervollen Vogelkonzerts. Eine Amsel auf dem Schlehdornstrauch begrüßte lautstark den neuen Tag. Der Schwarzspecht suchte in einem absterbenden Fichtenstamm hämmernd nach seinem Frühstück.

Langsam schickte nun die aufgehende Sonne ihre Strahlen über den Aufackergrat und tauchte den Bergwald in ein fahles Licht. Nun hieß es auf der Hut sein, denn der heimliche Bock, dem mein Interesse galt, war ein äußerst vorsichtiger Zeitgenosse. Bei vorangegangenen Ansitzen war er immer nur ganz kurz zu sehen gewesen.

Ein kurzer Blick zu meinem BGS zeigte mir, dass etwas im Anmarsch sein musste, er windete sichernd nach oben in Richtung Salzlecke, die etwas versteckt hinter ein paar Haselnussstauden stand.

Behutsam setzte ich mein 8x56er Optolyth an die Augen und glaste die Stelle ab. Aber trotz aller Anstrengung konnte ich dort nichts entdecken. Ein kurzer Brummer aus der Brust meines Rüden ließ mich aufhorchen.

Dieser Schlauberger von Rehbock hatte es doch tatsächlich geschafft, unbemerkt bis etwa 10 Meter an den Hochsitz heranzuschleichen. Jetzt nur nicht rühren, schoss es mir durch den Kopf, aber ich hatte den Gedanken noch gar nicht zu Ende gebracht, sprang der Bock schreckend ab. Ich sah meinen Rehbraten bereits verloren.

Da ich mir aber heute freigenommen hatte und somit keine Eile bestand, blieb ich einfach ruhig hocken und genoss die laue Morgenluft mit ihrem Duft aus blühenden Sträuchern und Kräutern.

Ach, Ihr lieben Stooderer (Städter), was entgeht Euch in Euren Betonschluchten und Asphaltbahnen in der Großstadt. Ich kann Euch gut verstehen, wenn ihr am Wochenende stundenlange Staus auf Euch nehmt, um nur einen Bruchteil unserer Natur zu erleben. Bitte achtet auf die Natur, denn was einmal kaputt gemacht und zerstört wurde, lässt sich nur schwer oder gar nicht mehr wiederherstellen.

Es mag vielleicht eine halbe Stunde vergangen sein, als ich oben am Waldrand den Bock wieder austreten sah.

Nun galt’s. Ein kurzes Ansprechen, ja es war der gesuchte, dann ein Griff zu meinem 308.Repetierer, gebaut vom Josef Just in Ferlach, als das Absehen 4 meines Zielfernrohres auf dem Blatt stand, schickte ich die 150 Grain Rem. auf die Reise. Eine kurze Flucht und der Bock ging ins Wundbett. Wie gewohnt, lud ich sofort nach, aber der Bock war bereits verendet.