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Table of Contents

Titel

Impressum

1965

Prolog

Meine Eltern

Meine Kindheit und Horrornächte

Teddy – mein bester Freund

Schrecklicher Hopsefloh

Familienfeiern

Schlachte”fest”

Streiten bis zum Autounfall

Der erste Übergriff

Eine weitere Grenze überschritten

Schulzeit

Es geht weiter

Übergriffe auf dem Ruderboot

Erste Liebe

Mein erster Job

Von einer Hölle in die nächste

Umzug nach Rheinland/Pfalz und zurück

Urlaub mit meinen Eltern in

Arbeitslos

Ständige Angst

Erster Zusammenbruch

Endlich wieder einen Job

Neue Liebe

Auszug meiner Tochter

Ist das noch mein Kind?

Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs

Schrecklicher Urlaub in der Türkei

9 Monate Zahnschmerzen

Versetzung in die Innere Klinik

Mein Leben heute

Danksagung

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Martina Woknitz

 

 

 

 

Papa,

bitte tu das nicht

 

 

Mein Vater missbrauchte mich, meine Mutter schaute weg

 

 

 

AUTOBIOGRAFIE

 

 

 

 

Verlag DeBehr

 

Copyright by: Martina Woknitz

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2018

ISBN: 9783957535108

Umschlaggrafik Copyright by Fotolia by JenkoAtaman

 

Ich wurde 1965 in einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt geboren. Meine Kindheit, meine Jugend und meine erste Ehe waren geprägt von Demütigung, Gewalt, Schlägen und sexuellem Missbrauch. Es war für mich die Hölle.

Meine Eltern ließen mich schon von ganz klein auf allein zu Hause, um feiern zu gehen. Ich war nicht älter als drei Jahre, als ich zum ersten Mal mitbekam, dass ich mutterseelenallein in unserem großen Haus war. Ich hatte unbeschreibliche Angst. Wenn meine Eltern dann irgendwann in der Nacht wieder zurückkamen, ging der Horror los. Mein Vater war immer betrunken, er schrie laut herum, bedrohte meine Mutter, sie stritten sich jedes Mal unheimlich und fast immer eskalierte es. Mein Vater trat Türen ein, schrie, meine Mutter schrie zurück, sie kassierte nicht selten Ohrfeigen oder mehr und ich war mittendrin. Ich war noch so klein, ich hatte einfach nur Angst. Auch Angst deshalb, weil meine Mutter immer, wenn sie dann ins Bett kam, sagte, dass sie sich einen Strick nehmen will, weil das Scheißleben nicht auszuhalten ist. Ich brauchte doch meine Mutter. Ich war doch noch ein Kind.

Im Alter von fünf oder sechs Jahren missbrauchte mein Vater mich zum ersten Mal. Er kam an mein Bett, streichelte mich überall, auch an Stellen, die er nicht hätte streicheln dürfen. Ich war wie versteinert, aber bei dem Streicheln sollte es nicht bleiben. Er missbrauchte mich in den nächsten zehn Jahren und es wurde immer brutaler.

Als ich meiner Mutter nach dem ersten Mal davon erzählte, glaubte sie mir kein Wort, schnauzte mich an, ich solle nicht lügen, gab mir eine saftige Ohrfeige, dann war es für sie erledigt. Ich sagte diesbezüglich nie wieder etwas, ertrug das Gestreite, Gebrüll, Schläge und den Missbrauch an mir. Meine Kinderseele bestand nur noch aus Angst.

Es sollte jedoch nicht “nur” bei mir bleiben. Er versuchte auch, meine damals beste Freundin und mich zusammen zu missbrauchen. Wir waren elf Jahre alt. Meine Mutter war wie so oft abends “dienstlich” unterwegs.

Meine Freundin schlief an einem dieser Tage bei mir und mein Vater kam besoffen ins Bett und legte sich zwischen uns. Er wollte, dass wir ihn zwischen seinen Beinen anfassten.

Meine Freundin erpresste mich dann über einen langen Zeitraum damit, ihre Hausarbeiten zu schreiben, Hausaufgaben von mir abzuschreiben, ansonsten erzählt sie allen, was mit meinem Vater passiert war. Jetzt hatte ich auch keine beste Freundin mehr. Ich ertrug alles über Jahre, bestand nur noch aus Angst.

Ich durfte nicht in meinem Zimmer schlafen. Ich musste, bis ich 16 Jahre alt war, im Ehebett meiner Eltern schlafen, mein Vater schlief in meinem Zimmer.

Selbst ein Autounfall, der durch die Streiterei meiner Eltern passierte, rüttelte sie nicht wach. Ich war am meisten verletzt. Das Auto überschlug sich mehrmals und blieb auf dem Dach liegen. Ich wurde durch die Heckscheibe geschleudert, bin über den Kofferraum gekullert und blieb dann liegen. Hätte das Auto noch eine halbe Drehung gemacht, hätte ich darunter gelegen. Ich hasste das alles. Ich wollte doch nur Eltern, die mich liebten, gesund liebten. Wenigstens eine Mutter. Aber meine Mutter war auch nie für mich da. Sie hatte nur Arbeit und Karriere im Sinn. Für mich war da keine Zeit.

Meine Kindheit und meine Jugend bestanden aus Schlägen, sexuellem Missbrauch und Arbeit zu Hause. Wir hatten ein Einfamilienhaus, viel Nutzvieh und einen Schäferhund. Unseren Hund liebte ich abgöttisch, aber auch den hat mein Vater oft geschlagen und getreten. Ich musste bei allem mithelfen, nicht nur ein bisschen, sondern manchmal stundenlang. So verlief mein Leben die nächsten Jahre. Als meine erste große Liebe und ich uns trennten, war ich 17 Jahre alt. Er holte ein paar Sachen, die er noch bei mir hatte und verabschiedete sich von meinen Eltern. Mein Vater sagte dann zu ihm: “Mach dir nichts draus, mein Junge, so eine Schlampe wie die findest du an jeder Ecke.“ Ich fasste es nicht.

Als ich 23 Jahre alt war, zog ich in einer Nacht- und Nebelaktion zu meinem damaligen Freund. Ich hielt es zu Hause einfach nicht mehr aus. Mein Vater brüllte mich oft an: “Der müsste dir früh, mittags und abends eine ins Maul hauen.“ Wir waren noch nicht lange zusammen, da wurde ich schwanger. Als unser Engelchen auf der Welt war, heirateten wir.

Ich ahnte nicht, dass ich von einer Hölle in die nächste kam.

Mein Ex-Mann hieß Michael. Er sah toll aus, war überall beliebt und ich hätte nie gedacht, dass er sich für mich interessiert. Er war sechs Jahre älter als ich. Er hatte ein eigenes Haus. Das begannen wir, umzugestalten. Michael begann, sich zu verändern, oder hatte er sich anfangs nur verstellt und zeigte jetzt immer mehr sein wahres Gesicht. Als ich im 8. Monat schwanger war, schlug er mich zum ersten Mal richtig zusammen. Vorher waren es “nur” Ohrfeigen. Er vergewaltigte mich mehrmals auf brutalste Weise, schlug mich zusammen – auch oft vor den Augen unserer Tochter. Sie musste viel mit ansehen, was ein Kind niemals sehen sollte. Ich hatte mir geschworen, sie immer zu beschützen, ihr eine tolle Kindheit zu bescheren. Sie sollte nie dasselbe wie ich durchmachen müssen. Das konnte ich nicht halten und das tut bis heute noch unbeschreiblich weh.

Mein Leben bestand nur noch aus Angst und Panik. Schläge, Vergewaltigungen und Mobbing auf der Arbeit waren für mich an der Tagesordnung. Meine Tochter hat oft den Notarzt rufen müssen, nachdem er mich schlimm zugerichtet hatte. Er ging danach meistens ins Bett und sagte: “Stell dich nicht so an, machst wieder nur Drama.“ Aber ich machte kein Drama. Er schlug nicht nur ein bisschen zu, er vergewaltigte mich nicht nur ein bisschen. Er war böse und brutal. Ich konnte manchmal nicht richtig laufen, konnte nicht ohne Schmerzen auf die Toilette gehen. Ich hatte ständige Angst, etwas falsch zu machen. Aber ich konnte machen, was ich wollte. Es war nie richtig. Er fand immer einen Grund. Für ihn war ich stinkend faul, dämlich, hässlich und ekelig.

Ich habe es 2007 geschafft, mich endlich von Michael zu trennen. Der Weg bis dahin war unbeschreiblich schwer, da ich in keinster Weise Selbstbewusstsein hatte und nur aus Angst bestand. In diesem Jahr kam ich zum ersten Mal in eine psychiatrische Klinik für sechs Wochen. Ich war unbeschreiblich dünn, hatte keinen Appetit mehr und kippte ohne Grund oft einfach um. Ich wog nur noch 36 kg bei einer Größe von 1,65 m. In der Klinik fand ich die Kraft, mich von ihm zu trennen.

Am Ende des Jahres lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Aber Albträume, Flashbacks und Panikattacken vergingen nicht.

Ich fand eine Arbeit im Krankenhaus unserer Stadt im Büro. Ich musste radiologische Befunde schreiben. Bis unser Krankenhaus dann privatisiert wurde, hatte ich meinen Traumjob. Doch die Geschäftsführung machte uns das Leben unendlich schwer. Als ich einmal Überstunden machte, da wir mit 400 Befunden im Rückstand waren, wurde ich zur “Strafe” in die Innere Klinik versetzt. Meiner Chefin wurde die Büroleitung entzogen. In der Inneren Klinik musste ich meine dortige Chefin oft vertreten und sie war sehr streng, aber nicht nur dienstlich. Ich musste ungelogen täglich um 07:30 Uhr bei ihr im Büro sein und sie erzählte mir jeden Tag, dass ich unmöglich angezogen und schlecht geschminkt sei. Ich nahm alles hin. Als mich der Chefarzt einmal bei ihr lobte, dass ich sie super vertrete, sagte sie zu mir: “Sollte der Chefarzt Sie noch mal so loben, dann haben wir beide Krieg.” Ich war völlig von den Socken. Was sollte ich denn machen? Fehler mit Absicht? Das konnte und wollte ich nicht. Aber ich konnte mich gegen diese Frau nicht wehren, so wie ich mich in meinem ganzen Leben nicht wehren konnte. Ich bin so erzogen – hinnehmen und weitermachen.

Im Jahr 2015 brach ich dann endgültig zusammen. Es ging nichts mehr. Ich kam in die Tagesklinik für sechs Wochen und von dort aus in eine psychosomatische Klinik. Ich wurde im November 2015 entlassen und drei Tage vor Heilig Abend bekam ich vom Krankenhaus die Kündigung. Wieder war ich am Boden. Arbeitslos, abgestempelt, zu nichts zu gebrauchen. Mein Mann unterstützte mich, wo er nur konnte. Ohne ihn hätte ich das nicht durchgestanden. Wir klagten auf Kündigungsschutz und Abfindung, womit wir durchkamen. An Arbeiten war bei mir nicht zu denken. Ich begab mich in ambulante psychiatrische und psychologische Behandlung. In dem Zuge beantragte ich Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie wurde genehmigt. Dadurch ist mir eine große Last genommen worden. Ich hatte Angst vor Menschen, Panik, mir war ständig schlecht und schwindelig. Ich konnte mir nicht vorstellen, arbeiten zu müssen, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Im Zuge des Rentenverfahrens musste ich zu einem Gutachter der Deutschen Rentenversicherung. Selbst er war sprachlos, was mir alles passiert war.

Mit meinem Buch möchte ich aufrütteln. Wer missbraucht wird, muss sich wehren. Geht weg vom Verbrecher! Macht nicht so lange weiter, wie ich. Es gibt immer einen Weg, auch wenn er nicht einfach ist.

Ich weiß, wie es ist, in der Hölle gefangen zu sein, aber ich habe es geschafft, mich zu befreien.


 

Prolog

 

Ich schreibe unter einem Pseudonym, da ich in einem kleinen Ort aufgewachsen bin und dort auch immer noch lebe.

Es kennt jeder jeden. Ich bitte daher, liebe Leserinnen und Leser, um Ihr Verständnis.

Es ist jedoch alles, was ich hier berichte, genauso passiert. Ich habe nur die Namen geändert, die Orte der Geschehnisse jedoch nicht.

Meine Kindheit, meine Jugend und meine erste Ehe waren die Hölle. Sie waren geprägt von Demütigungen, Schlägen, psychischer Gewalt und sexuellem Missbrauch. Bis heute besteht mein Alltag aus Angst, ständiger Angst. Obwohl ich wieder verheiratet bin und mit meinem jetzigen Mann sehr glücklich bin, ist das, was mir in 42 Jahren passiert ist, immer wieder präsent. Es ist Teil meines Lebens in Form von Albträumen, Flashbacks, Depressionen. Ich kann es nicht abschütteln, aber ich möchte darüber berichten.

Geboren bin ich 1965 in einem kleinen Dorf in der ehemaligen DDR. Ich war ein Einzelkind. Als der erste sexuelle Übergriff passierte, war ich noch klein. Ich weiß es nicht mehr, aber ich denke, ich war fünf oder sechs Jahre alt. Es passierte durch meinen eigenen Vater.

Als ich 23 Jahre alt war, zog ich zu meinem damaligen Freund, da ich es zu Hause einfach nicht mehr aushielt. Wir heirateten relativ schnell. Dort jedoch begann die zweite Hölle. Wir hatten zusammen eine Tochter, die die Gewalt in der Ehe immer mitbekam und bis heute – sie ist jetzt 29 Jahre – ihr Leben nicht wirklich in den Griff bekommt und ich gebe mir die ganze Schuld daran.

Mit meinem Buch möchte ich Mut machen. Ich wünsche mir, dass mehr und mehr Opfer von Gewalt und Missbrauch sich wehren, die Täter anzeigen, aus dem gewaltgeprägten Leben ausbrechen. Der Weg kostet Mut und Kraft, aber er ist möglich.


 

Meine Eltern

 

Meine Eltern lernten sich in den 50er-Jahren kennen. Es war wohl die große Liebe. Meine Großeltern mütterlicherseits kenne ich nicht, da sie vor meiner Geburt verstorben sind. Die Geschichte dazu ist so schrecklich.

Es war so, dass mein Opa im Krieg in Stalingrad gefallen ist. Meine Oma heiratete wieder, aber niemand wusste, dass dieser Mann ein überzeugter Nazi war. Das typische Möbelteil in damaligen Küchen war ein kleines Sofa. Dort lag meine Oma mit meiner einjährigen Cousine im Arm zum Mittagschlaf. Als die Postfrau kam und nach mehrmaligem Klingeln niemand öffnete, jedoch lautes Weinen meiner Cousine zu hören war, informierte sie die Polizei. Die Polizei fand ein Horrorszenario vor: Meine Oma lag erschossen, blutüberströmt auf dem Boden. Ihr Mann hatte sich selbst erschossen und lag auch irgendwo blutüberströmt in der Küche. Die Küche muss mit Blut nur so verschmiert gewesen sein. Meine kleine Cousine lag auf dem Sofa und schrie sich die Seele aus dem Leib. Es muss die Hölle gewesen sein. Zum Glück hat er der kleinen Maus nichts angetan. Meine Mutter war 21 Jahre alt und schon mit meinem Vater verheiratet. Von diesem Schock, so plötzlich eine starke, gesunde Mutter zu verlieren, hat sie sich nie erholt.

Meine Oma väterlicherseits liebte ich. Meinen Opa nicht, er war ein Trinker und schimpfte nur. Wenn ich dort war, sagte er immer: “Na, bist du schon wieder da?” Aber meine Oma liebte ich abgöttisch. Sie war so eine liebe und herzensgute Frau. Als Mutter war sie jedoch sehr streng. Mein Vater hatte einmal Kartoffeln bei einem Bauern gestohlen, er stritt es jedoch ab. Es kam heraus, dass er es war. Da streute meine Oma ein paar Erbsen auf den Boden und mein Vater musste sich stundenlang darauf knien. Er bekam Nasenbluten, das Blut tropfte auf sein Hemd. Mit diesem blutverschmierten Hemd musste er eine Woche in die Schule gehen. Das finde ich schon sehr hart. So streng sie früher war, ich liebte meine liebe Oma. Als sie gestorben ist, brach für mich eine Welt zusammen. Bei ihr war der einzige Ort, an dem ich mich geborgen und geliebt gefühlt habe.

Man Vater ist ein typisches Kriegs- und Flüchtlingskind. Meine Oma musste damals mit zwei kleinen Kindern aus dem heutigen Tschechien hierher flüchten. Mein Vater kennt Krieg, Bomben, Hunger, Flucht, Flüchtlingslager. Er musste leider viel Böses erleben, aber muss man dann so ein fürchterlicher Mensch werden, der er dann war?

Meine Eltern arbeiteten in der Landwirtschaft. Sie waren sehr fleißige und strebsame Menschen. Sie wollten immer mehr und mehr Geld verdienen, ein eigenes Haus und ein Auto und natürlich ein Kind haben.


Sie fingen beide an zu studieren, waren dann Diplomingenieure der Agrarwirtschaft. Dann wurde ich geboren. Angeblich ihr ganzer Stolz. Als ich drei Jahre alt war, zogen wir in das langersehnte, selbstgebaute Eigenheim. Es dauerte nicht lange und das erste Auto stand vor der Tür und im Wohnzimmer der neue Fernseher. Wie gesagt, wir lebten in der ehemaligen DDR, da waren ein Auto und ein Fernsehgerät nicht selbstverständlich, zumindest nicht in den 60er-Jahren. Das war schon ein Privileg und das hatten meine Eltern aufgrund ihres Fleißes und ihrer Studienabschlüsse. Auch hatten sie überall hin Beziehungen und konnten alles besorgen, was es sehr schlecht in der ehemaligen DDR gab.

Auf unserem Grundstück stand noch ein zweites Gebäude. In einem Teil war die Garage, die anderen Teile dienten als Waschküche und Stallungen. Wir besaßen 10 Schweine, 20 Hühner, 20 Enten, 15 Kaninchen und einen Schäferhund. Den Hund liebte ich total. Er war so lieb und treu. Mein Vater jedoch, in seinen cholerischen Anfällen, schlug oder trat ihn sehr oft. Ich hörte ihn dann immer herzerweichend jaulen. Mir tat es in der Seele weh. Das arme Tier konnte sich genauso wenig wehren wie ich, zuzubeißen traute er sich bestimmt nicht. Er war genauso hilflos wie ich.

Dazu gab es noch einen großen Garten, der ja auch bewirtschaftet werden musste. Ich habe ganz früh gelernt, mitarbeiten zu müssen. Ich musste im Garten mithelfen, im Haushalt und auf dem Feld, welches meine Eltern gepachtet hatten, um genug Futter für das Vieh zu bekommen. Das hieß, im Sommer Rüben hacken auf einer kilometerlangen Strecke über den Acker. Ich musste Zwiebeln auf dem Acker putzen, egal wie warm es war. Meine Freunde spielten oder waren als Jugendliche im Jugendklub. Ich konnte immer erst später dazustoßen, wenn ich dann überhaupt noch durfte.

Zwei Schweine wurden selbst geschlachtet und die anderen wurden verkauft. Pro Schwein gab es damals ca. 1000 DDR-Mark. Alles was meine Eltern bis dahin geschafft haben, war eine reife Leistung und verdient auch meinen Respekt, wenn man bedenkt, dass die beiden aus ärmlichsten Verhältnissen kamen. Im Dorf genossen sie hohe Achtung und Respekt. Leider blieb ich jedoch auf der Strecke. Für mich war ja fast nie Zeit, aber abends für meine Eltern zum Weggehen und Feiern, dafür fand sich immer Zeit. LEIDER.


 

Meine Kindheit und Horrornächte

 

Ich kannte keine liebevolle Umarmung, kein Zuhören, kein harmloses Kuscheln, kein Lob, nichts. Im Gegenteil. Meine Eltern sind sehr gern an den Wochenenden feiern gegangen. Und ich? Na, ich war doch egal, ich wurde einfach allein gelassen.

Ich kann mich an eine Situation genau erinnern, obwohl ich noch ganz klein war. Dass ich noch so klein war, weiß ich, da ich noch in einem Gitterbettchen geschlafen habe. Meine Eltern haben mir anfangs nie gesagt, wenn sie abends weggegangen sind. Sie sind einfach losgezogen. Wie auch an diesem Abend. Ich wurde in der Nacht wach, habe meiner Mama gerufen, niemand antwortete, auch mein Papa nicht. Ich bekam Angst, kletterte aus meinem Gitterbettchen und ging die Treppe runter zu meinen Eltern. Ich dachte, sie sind im Wohnzimmer. Aber es war alles dunkel, niemand war da. In keinem Zimmer. Dann habe ich mir Sachen angezogen und wollte raus. Ich dachte, sie sind bei ihren sehr guten Bekannten. Diese hatten auch Kinder und da wollte ich hin. Da wir da oft waren, kannte ich den Weg etwas. Aber es war abgeschlossen und ein Schlüssel war nicht da. Ich wollte dann durch den Keller raus, aber auch dort war abgeschlossen und kein Schlüssel da. Wer weiß, ob ich mit dem Schlüssel überhaupt etwas hätte anfangen können, ich war ja noch ganz klein. Es war mitten in der Nacht. Heute würde ich sagen, bloß gut, dass ich nicht rauskam. Angezogen war ich bestimmt auch fürchterlich, aber das konnte ich ja noch gar nicht richtig. Dafür war ich noch zu klein.