KBN-12_Cover_300dpi.jpg
Anzeige_Stahlw_lfe_Luzifer_druck

Kara Ben Nemsi
KÖNIGIN SHEJITANA



In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana


Kara Ben Nemsi


Königin Shejitana


Eine Reiseerzählung nach den Charakteren
von Karl May


Aufgeschrieben von Thomas Ostwald




Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung 
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2018 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Thomas Ostwald
Titelbild: Mark Freier
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-122-9

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



1.


„Kommen Sie, kommen Sie rasch, das müssen Sie sich ansehen!“

Der Mann, der in mein Zelt gestürmt war und mich von der Beendigung meiner Rasur abhielt, war der englische Archäologe Robin Earl of Burlington, der mit David Lindsay befreundet war und über ihn von mir gehört hatte. Er hatte die letzten Tage in der unterirdischen Grabanlage zusammen mit Sir Walter Mitchell gearbeitet. Beide waren davon überzeugt, in der Kammer mit dem Bild des krokodilköpfigen Gottes Sobek auch Mumien von Krokodilen zu finden, die man zu Ehren des Gottes dort beigesetzt hatte.

Ich wischte mir mit einem Handtuch den letzten Seifenschaum vom Gesicht und eilte dem Engländer nach, der bereits auf dem Weg zum Grabmal war und mich ungeduldig am Eingang erwartete, als ich ihm nun folgte.

„Haben Sie Erfolg bei Ihrer Suche gehabt und sind auf eine Krokodilmumie gestoßen, My Lord?“, erkundigte ich mich freundlich, aber der Earl of Burlington hatte so große Eile, dass er nur nach vorn in den von Fackeln erleuchteten Gang deutete und weitereilte. Ich schmunzelte über den Eifer des Adligen, der sich mir gegenüber zwar immer freundlich, aber doch auf typische britische Weise etwas vornehm-zurückhaltend gezeigt hatte, ähnlich wie auch im Falle von Sir Walter. Aber auch der schien völlig aus dem Häuschen zu sein, als ich in die Kammer eintrat, deren Wand erst kürzlich geöffnet wurde und offenbar ebenfalls an ein Kanalsystem grenzte.

„Jetzt kommt der große Moment, Mister Nemsi“, verkündete der Fachmann für ägyptische Mythologie, „und da dachten wir uns, es wäre doch für Sie eine besondere Freude, das mitzuerleben!“ Die feuerroten Haare des Engländers waren ordentlich frisiert, der Schnauzbart exakt beschnitten, der Backenbart kurz und militärisch wie zur aktiven Dienstzeit Sir Walters in der britischen Armee. Queen Victoria hatte ihn 1868 zum Knight of Bachelor geschlagen, was seine Anrede mit dem Titel Sir mit sich brachte.

Gespannt sah ich auf die Stelle, auf die er deutete. Ich hatte den Raum gesehen, als Arbeiter dabei waren, den Fußboden zu öffnen, unter dem man die Mumien vermutete.1 Jetzt hatten die Arbeiter beinahe den gesamten Fußboden, der aus großen Sandsteinplatten bestand, entfernt und die Platten gegen die Wände gelehnt. Ein großes Segeltuch war über den Boden ausgebreitet worden und sollte verhindern, dass jemand versehentlich diesen Bereich betrat, bevor die beiden Forscher ihre Arbeit beendet hatten.

Jetzt gab der Earl den wartenden Arbeitern ein Zeichen, und die beiden Ägypter zogen die Plane beiseite und legten sie im Gang zusammen. Ich konnte die Aufregung der Wissenschaftler verstehen und stieß einen Ruf der Bewunderung aus, als ich die drei mächtigen Mumien­pakete entdeckte, die hier dicht beieinander lagen. Tatsächlich waren also hier, in einem Raum, der dem Gott Sobek gewidmet war, Krokodile im Boden beigesetzt worden. Während ich schon einmal lediglich mumifizierte, also im heißen ­Wüstensand getrocknete, Krokodilkörper gesehen hatte, unterschieden sich diese Funde deutlich. Sie waren alle mit Binden umwickelt, die zudem eine Bemalung trugen. Nur ihre Köpfe waren frei geblieben, und auf der eingetrockneten Haut ließ sich eine sehr frisch wirkende Bemalung erkennen. Bei dem mir am nächsten liegenden Tier erkannte ich eine sehr wirkungsvolle Aufmalung des Augenbereiches, die so wirkte, als würde mich das Krokodil direkt ansehen.

Zwei Bögen waren mit schwarzer Farbe um das Auge gezogen, die Pupille selbst ersetzt durch eine bläulich schimmernde Bemalung, bei der nicht einmal der den Reptilien eigene Querstrich ausgelassen wurde.

Die beiden Engländer begannen nun, lang und breit von der Bedeutung dieser Krokodilmumien zu berichten, aber ich konnte ihnen nicht aufmerksam folgen, denn es lag ein seltsames Geräusch in der Luft, das ich allerdings nicht bestimmen konnte.

Etwas beunruhigt sah ich zu den beiden ägyptischen Arbeitern, die wohl ebenfalls etwas vernommen hatten und auf die Wand mit dem Abbild des Gottes Sobek starrten.

„Diese Mumien haben eine Länge von etwas über neuneinhalb feet oder gut drei Metern. Nach Mitteilung von Reisenden gäbe es womöglich noch größere Krokodilmumien, aber der Earl und ich sind der Meinung, dass es noch keinen einzigen Fund von so hervorragend erhaltenen und zudem bemalten Mumien gibt“, erklärte mir Sir Walter.

Ich erinnerte mich an einen Artikel in der Zeitschrift Globus, in dem ein ungenannter Autor über solche Mumien berichtete, konnte mich aber nicht mehr an jedes Detail erinnern.2 Zudem verstärkte sich das Geräusch in diesem Raum zu einem kräftigen Rauschen, und ich erkannte, dass die beiden Arbeiter sich mit sehr ängstlichen Gesichtern zum Gang bewegten, um vermutlich unbemerkt die Grabanlage zu verlassen. Gerade wollte ich etwas zu ihnen sagen, als das Rauschen so laut wurde, dass auch die Köpfe der beiden Engländer entsetzt zu dem Bild des Krokodilgottes flogen.

Ein gewaltiger Riss in der Wand tat sich auf, und noch ehe einer von uns etwas unternehmen konnte oder zu einer Bewegung fähig war, schoss ein etwa armdicker Wasserstrahl auf uns herab. Ich sprang zurück, doch die Wand war im nächsten Moment zusammengebrochen, und eine riesige Flutwelle schwemmte herein. Die Schreie der beiden Ägypter vom Flur gingen im Gurgeln der Massen unter, und nun kämpften wir drei in dem Raum um unser Überleben. Durch den Einsturz der ersten Mauer, die ungeheure Wassermengen hereinließ, brach auch eine der seitlichen Wände zusammen. Ich versuchte, mich mit schwimmen in den Gang zu retten, aber vergeblich. Dort waren sämt­liche Fackeln erloschen, und unmittelbar hinter dem gerade erst kürzlich geöffneten Eingang in den Sobek-Raum mit den Mumien war offenbar die Decke herabgestürzt. Das ­Wasser schwappte dort gegen das neue Hindernis, wirbelte mich herum und stieß mich gegen die noch stehenden Wände. Rasch stieg das Wasser bis auf Deckenhöhe, und ich hatte Mühe, meinen Kopf darüber zu halten, um Luft zu bekommen. Dann war auch das nicht mehr möglich, denn das Wasser füllte den gesamten Raum bereits aus, und ich musste mit Tauchen nach einem Ausgang suchen.

Offenbar brachen weitere Wände zusammen, denn plötzlich gab es eine starke Strömung, die mich mitriss. Gleichzeitig sank glücklicherweise der Wasserspiegel wieder etwas ab, sodass ich beim Auftauchen gierig nach Luft schnappen konnte, bevor ich von einem weiteren Strudel wirbelnd herum­gerissen wurde und wieder gegen eine Wand schlug.

Halb benommen strampelte ich mich wieder frei, konnte Schwimmzüge machen und dabei meinen Kopf über Wasser halten. Wohin mich die starke Strömung trieb, konnte ich nicht erkennen, denn mit dem Wassereinbruch hatte mich rasch die Dunkelheit orientierungslos gemacht. Ein gelegentlicher Ruf nach den Engländern wurde nicht beantwortet. Zum Glück war das Wasser sauber und stammte vielleicht aus einer alten Zisternenanlage, aber die Menge verwunderte mich schon, und es kam wohl auch immer mehr Wasser dazu, denn ich musste schon wieder aufpassen, beim Schwimmen nicht gegen die Decke zu stoßen. Das Wasser riss mich durch das unterirdische Grabsystem wie durch einen Kanal. Eisiger Schreck durchfuhr mich, als ich eine Verengung meiner Umgebung bemerkte. Die Wände waren jetzt dicht an meine Schultern herangerückt, und noch etwas weiter konnte ich kaum noch zu den Schwimmbewegungen ausholen. Jetzt ging es wohl durch einen alten Kanalbereich, und ich musste jeden Augenblick damit rechnen, stecken zu bleiben und jämmerlich zu ertrinken.

Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, wurde immer matter und dazu jetzt ständig gegen die engen Steinwände gedrückt. Mein Herz raste, die Pulse flatterten, ich hatte nur noch einen Wunsch: Raus aus diesen Wassermassen und frei atmen! Dann entdeckte ich einen hellen Punkt vor mir und mein Herz schien kurz auszusetzen, um dann nur noch schneller zu klopfen. War das Tageslicht? Ging es endlich hinaus aus diesem System? Noch schneller schien das Wasser zu strömen, ich näherte mich jedenfalls mit großer Geschwindigkeit dem Licht. Endlich erkannte ich eine kreisförmige Öffnung, durch die tatsächlich das Tageslicht hereinkam. Die enge Röhre weitete sich und mündete schließlich in einen Raum. Im gedämpften Sonnenlicht, das den Eingangsbereich erreichte, bemerkte ich eine brunnenartige Ausmauerung, durch die mich das Wasser auf die Öffnung zu drängte. Ich hatte kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, dass sich diese Öffnung ja womöglich in einer Höhe befand, die mich auf die Steinbrocken einer zerstörten Anlage stürzen ließ, und versuchte deshalb, an einer der Wände Halt zu finden. Doch das war vergeblich, die Wände von Algen glatt und glitschig, nirgends gab es einen Halt.

Dann war der runde Bereich der Öffnung erreicht, aber auch hier griffen meine Hände vergeblich nach dem Rand. Gleich darauf stürzte ich in einer Art Wasserfall hindurch und schlug so hart auf, dass ich kurz das Bewusstsein verlor.