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CHRISTOPHER A. RUNGE UND ALLAN GRAP

MARKEN BOTSCHAFTER NR. 1

CHRISTOPHER A. RUNGE UND ALLAN GRAP

MARKEN BOTSCHAFTER NR. 1

Warum Manager heute völlig neu kommunizieren und zu Marken werden müssen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

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1. Auflage 2021

© 2021 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die gewählte männliche Form bezieht sich immer zugleich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf konsequente Doppelbezeichnung wurde aufgrund besserer Lesbarkeit verzichtet.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Christiane Otto

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: Stock-Asso/Shutterstock

Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-86881-723-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-056-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-057-3

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Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

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Inhalt

Einleitung

1 – CEO-Kommunikation

Das Erfolgskonzept für Unternehmen

Werdegang eines CEOs des 21. Jahrhunderts

Wolfgang Grupp: »Ehrbarer Kaufmann« als Orientierung

Der CEO als Marke

Jakob Mähren: »Wir kommunizieren klar und deutlich, was wir sind.«

Erwartungen an CEOs – und ihre verschiedenen Rollen

Zwischenfazit

Stefan Wolf: »Die höchste Form der Kommunikation ist noch immer der Dialog«

2 – Handlungsfelder

Visionen schaffen – extern

Intern Visionen schaffen durch den CEO

Die Wirkung eines CEOs nach innen

Werte vermitteln

Anna Banicevic: »Mehr Ästhetik und Leidenschaft«

3 – Instrumente, Kanäle und Vorgehensweisen

Öffentlichkeitsarbeit

Medien als Multiplikatoren

Fernsehen

Dirk Kreuter: »Kommunizieren und Verkaufen sind ein und dasselbe«

Soziale Medien

PR-Agentur – und wie man die richtige findet

Sonderform der PR: mit Büchern Geschichten erzählen

Alexander Weber: »Gut zu kommunizieren ist der Schlüssel für gute zwischenmenschliche Beziehungen«

4 – Handwerk und Grundregeln

Kernbotschaften

Der CEO: Gesicht des Unternehmens

Ernst Prost: »Ich rede nie verkünstelt, durchaus mal grob – aber immer mit Herz«

Vertrauen

Einen Anlass schaffen

Krisen-PR

Stil, Format und Storytelling

Sprache

Fazit

Literatur

Über die Autoren

Anmerkungen

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Einleitung

Nie zuvor waren die Ansprüche an CEOs und Geschäftsführer bedeutender Unternehmen größer. Im Zeitalter von Digitalisierung und Innovation hat sich ihr Aufgabenbereich deutlich ausgeweitet – und damit auch die Herausforderungen, vor denen sie stehen: Sie müssen ihr Fach beherrschen, Strategen und Visionäre sowie gute Verkäufer sein. Gerade der letzte Aspekt bedeutet allerdings nicht nur Verkaufen im klassischen Sinne – also der firmeneigenen Produkte und Dienstleistungen –, sondern das intelligente Kommunizieren und Erklären der Unternehmensanliegen. Und durchaus auch der eigenen. Diese Anforderung war früher nicht Teil der Stellenbeschreibung. Einige Chefs, vor allem Firmengründer, waren zwar geniale Verkäufer und Kommunikatoren. Doch gerade die angestellten Vorstandschefs, etwa die einstigen Generaldirektoren deutscher Industriebetriebe, brachten nicht immer dieses Talent mit – und es machte nichts. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Wer heute erfolgreich in der Chefetage agieren möchte, muss den ausgesprochen dynamischen Bedürfnissen einer Fülle von »Anspruchstellern« – den sogenannten Stakeholdern – entsprechen: An allererster Stelle stehen da die Anteilseigner, die Kunden und die Kapitalmärkte. Gleich darauf kommen aber die Mitarbeiter inklusive Betriebsrat und Gewerkschaften, Lieferanten, Händler, und je nach Branche die Politik – und bei fast allen die generelle Öffentlichkeit. All diese Zielgruppen sind miteinander verwoben und müssen – bezogen auf das Geschäft – nicht nur operativ und strategisch bedient werden, sondern auch kommunikativ. Hinzu kommt: Manche der Anspruchsteller haben gleich mehrere Funktionen: Ein Mitarbeiter kann aufgrund des deutschen Mitbestimmungsgesetzes auch im Aufsichtsrat sitzen, ein Kunde kann ebenso Aktionär sein. Und Politiker können plötzlich als Vertreter des neuen Anteilseigners mitreden, siehe Lufthansa.

Diese Gemengelage hat die Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit des Topmanagements gewaltig nach oben getrieben. Vor allem aber müssen sich Unternehmenslenker heute massiv der Öffentlichkeit stellen – und nicht mehr nur Business as usual betreiben. Sie sind die obersten Kommunikatoren und stehen damit an vorderster Front, und zwar nicht nur bei der Jahrespressekonferenz oder der Hauptversammlung, sondern permanent: mit Gastbeiträgen in Leitmedien und Fachblogs oder mit einem eigenen Twitterkonto. Und wesentlich aktiver als früher müssen sie auch mit den Mitarbeitern kommunizieren. Früher gab es die Betriebszeitschrift und die alljährliche Personalversammlung. Heute sind je nach Thema, Anlass und Erregungspotenzial Echtzeitkommunikation über hauseigene Social-Media-Instrumente, Videobotschaften oder klassische Auftritte gefragt. Ein Zurückziehen in die Chefetage, abgeblockt durch zwei Chefsekretärinnen und womöglich mit persönlichem Fahrstuhl, gehört da ins 20. Jahrhundert, so wie das holzvertäfelte Direktorenzimmer. Je nach Branche und Tagesgeschehen muss der Chef auch gegenüber seinen Angestellten ständig sichtbar sein (Stichwort: Employer Branding) – weil diese wiederum Multiplikatoren sind oder bei Unzufriedenheit und schlechter Reputation des Unternehmens auch schnell wieder von Bord gehen.

Von innovativen Ideen und Visionen werden die meisten Unternehmen geleitet. Es ist dann jedoch eine der wichtigsten Aufgaben – selbstverständlich begleitet durch die PR-Abteilung, Kommunikationsberater oder Agenturen –, diese angemessen der Öffentlichkeit und allen Anspruchsgruppen zu vermitteln; idealerweise persönlich, also nicht (nur) durch zwischengeschaltete Pressesprecher. Die mediale Präsenz des Vorstands – und je nach Thema seiner Vorstandskollegen – ist daher essenziell. Durch eine geschickte Repräsentation der Unternehmensmarke durch den CEO können wiederum Erfolgskonzepte entstehen – und der Bekanntheitsgrad steigt an. Deutsche Unternehmen, vor allem der berühmte deutsche Mittelstand und die Hidden Champions, können dabei noch viel von internationalen CEOs lernen. Erst recht von den amerikanischen IT-Konzernen wie Amazon, Facebook oder Apple, nicht zu vergessen Tesla. All die vorgenannten Tech-Riesen waren auch einmal klein und haben sich mit charismatischen Chefs (Steve Jobs), zumindest aber mit kommunikativ nicht unbegabten (Jeff Bezos) Unternehmenslenkern inszeniert. Nur Mark Zuckerberg von Facebook mag vielleicht nicht so recht in eine solche Liste hineinpassen. Ihm scheint Kommunikation in ihrer packenden, emotionalen oder zumindest wohlwollenden Wirkung nicht so ganz im Blut zu liegen wie den schon legendär offensiven Gründern Elon Musk (Tesla, Space X) oder Richard Branson (Virgin). Damit ist bereits eine gehörige Bandbreite von Kommunikationstypen und -stilen abgesteckt: von zuweilen grenzwertigem Entertainment oder sogar börsenrechtlich fragwürdigen Tweets (Musk) bis zu einem seriös-zurückhaltenden Auftreten (Bezos). Auch wenn der reichste Mann der Welt 2019 mit seiner milliardenschweren Scheidung, vor allem aber mit offenbar geleakten Nacktfotos unfreiwillig für Furore sorgte. In jedem Fall werden wir im Verlauf des Buchs immer wieder auf diese CEO-Stars zurückkommen und selbstverständlich auf viele deutsche Beispiele verweisen, von DAX-Konzernen bis zum großen Mittelstand.

Für dieses Buch haben uns sieben namhafte Unternehmenslenker und CEOs, überwiegend selbst Unternehmer, ausführliche Interviews gegeben und uns so einen Einblick in ihre Kommunikationspolitik verschafft: Anna Banicevic (Zizoo), Wolfgang Grupp (Trigema), Verkaufscoach Dirk Kreuter, Jakob Mähren (MÄHREN AG), Ernst Prost (Liqui Moly), Alexander Weber (Chief Growth Officer N26) und Dr. Stefan Wolf (ElringKlinger AG; heute auch Chef der Arbeitgeberorganisation Gesamtmetall). Ihnen allen nochmals einen herzlichen Dank dafür!

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1 – CEO-Kommunikation

Das Erfolgskonzept für Unternehmen

Der Hintergrund

Die Köpfe international agierender Unternehmen und jene von deutschen Konzernen sind der breiten Öffentlichkeit nur selten namentlich bekannt – von den oben genannten Ausnahmen und einigen anderen einmal abgesehen, die teilweise wie Popstars agieren und angesehen werden. Gewiss, sie prägen die Schlagzeilen von Wirtschaftsmedien und Finanzseiten, vor allem wenn es brennt und bei Skandalen. Doch einer großen Masse sind bestenfalls langjährige Chefs berühmter Marken ein Begriff, wie Dieter Zetsche (bis 2019 Vorstandsvorsitzender der Daimler AG) oder Herbert Hainer (bis 2016 Chef von Adidas und seit 2019 Präsident des FC Bayern). Der Rest sagt weitestgehend nur Wirtschaftsjournalisten, Aktionären und den Mitarbeitern namentlich etwas. Allenfalls gibt es einen optischen Wiederkennungswert und einen kurzen, unfreiwilligen Auftritt im Rampenlicht bei einem Diesel-Desaster oder einen Sturm im Wasserglas wegen eines unglücklichen Social-Media-Videos. Ansonsten sind diese Personen einfach nur die jeweiligen und temporären Allianz-, VW- und Siemens-Chefs und werden kurzfristig bekannt, wenn sie abgelöst werden, ihre Verträge beenden oder es nachhaltig klemmt, wie etwa bei der Riege der jüngsten Ex-Deutschen-Bank-Chefs Anshu Jain, Jürgen Fitschen und John Cryan.

Diese »Unbekanntheit« gilt erst recht auch für den berühmten deutschen Mittelstand, die Hidden Champions (die nicht ohne Grund »hidden« sind) und milliardenschweren Firmenbesitzern. Nehmen Sie sich einfach mal die jährlichen Listen der 1000 reichsten Deutschen vor, wie sie etwa das Manager Magazin aufstellt oder bis 2019 auch die Zeitschrift BILANZ. Die meisten Lenker inhabergeführter Unternehmen – die den Großteil dieser Liste ausmachen, angestellte Manager sind oft nicht reich genug, um in dieses Ranking zu gelangen – werden Sie nicht kennen. Und die, die Ihnen etwas sagen, erkennen Sie nur daran, dass Familienname und Firmenname/Marke identisch sind (etwa Oetker). Die Person dahinter ist selten bekannt. Dies hat oft einen simplen Grund: Sie wollen schlichtweg nicht bekannt sein. Sie drängen sich nicht in den Vordergrund. Sie wollen unerkannt durch ihre (schwäbische) Stadt laufen. Sie gehören oft dem Typus »bescheidener deutscher Mittelstand, der bei null angefangen hat« an – und es gibt auch die Angst vor Entführungen. Von manchen Milliardären existieren daher nur alte Fotos (Dieter Schwarz: Lidl, Kaufland, der reichste Deutsche) und neue Bilder werden mit rechtlichen Mitteln verhindert. Bei anderen Beispielen wiederum klagen sich die Kinder erfolgreich aus Wikipedia heraus. Bewusst in den Reichenlisten wollen nur Neureiche und Prominente auftauchen, keine gestandenen Firmenbesitzer (zumal die recherchierten Vermögenszahlen oft nicht einmal stimmen). All dies funktioniert freilich nur bei nichtbörsennotierten Gesellschaften oder wenn man keinerlei Ämter ausübt. Die Anteilseigner und Gründer börsennotierter Aktiengesellschaften (etwa SAP) gehören nicht in diese Riege; genauso wie Personen, die sich offensiv und gesellschaftspolitisch positionieren, wie etwa Wolfgang Grupp von Trigema. Er ist wohl einer der bekanntesten Macher – und stand uns auch als Interviewpartner für dieses Buch zur Verfügung.

Ein Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender – Relevanz der Firma, seiner Produkte und Dienstleistungen vorausgesetzt – hat die Möglichkeit, durch mediale Präsenz Kunden anzuwerben und die Visionen des Unternehmens der Öffentlichkeit vorzustellen. Diese Chance darf sich auch ein mittelständisches Unternehmen nicht entgehen lassen. Denn allein der Bekanntheits- und dadurch erreichte Beliebtheitsgrad (was nicht zwangsläufig zusammengehören muss) eines CEOs kann eine sehr erfolgreiche Firma von einer »nur« erfolgreichen unterscheiden. »Obwohl CEOs und deren Reputation einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt waren, ist der Ruf der Firmenspitze immer noch ein fundamentaler Treiber für den Unternehmenserfolg und die Wertschätzung der Organisation. Reputation gilt als wertvolle Währung in der heutigen Wirtschaft, in der Unternehmen immer öfter mit ihren Handlungen in die Öffentlichkeit rücken. Der Ruf des CEOs steht daher im direkten Verhältnis mit dem Erfolg der Unternehmen, ihrem Ansehen in der Branche und sollte nie unterschätzt oder vernachlässigt werden«, heißt es in einer Analyse der Universität Hohenheim.1 Dabei sehen die Autoren einen gewissen Dreiklang folgender Faktoren: »Die Reputation ist der eine Wert für Unternehmen, der in diesen Zeiten des steten Wandels stabilisierend wirken kann, Kommunikation der andere, der CEO, als personalisiertes Unternehmensabbild in Öffentlichkeit und Medien, der dritte.«2 Sie erkennen in diesem »Werte-Dreieck« Zusammenhänge und Wechselspiele und leiten daraus Anforderungen ab:

Dass Kommunikation kein Selbstzweck ist, sondern einen bedeutenden Beitrag zum Geschäftserfolg darstellt, betont auch Alexander Weber, Chief Growth Officer von N26. Hier berichtet er über die Anfänge der Firma: »Kommunikation war und ist ein ganz wichtiger Faktor für unseren bisherigen Erfolg. Wir waren die erste mobile und komplett digitale Bank. Die Generierung von Aufmerksamkeit und das Aufklären über das neue Angebot sowie die Vorteile gegenüber traditionellen Banken ist für uns daher von zentraler Bedeutung. Damals richteten wir uns noch an eine sehr junge technikaffine Kundschaft. Heute wollen wir den Massenmarkt erreichen.« (Vgl. »Experteninterview«.) Die »Menschen draußen« – Kunden wie Nichtkunden – identifizieren sich dabei mit Visionen und wichtigen Botschaften. Diese sind dann sogar überlebenswichtig, wenn die Konkurrenz stark ist. Eine hohe und zunehmende Bekanntheit und Beliebtheit sind hier Faktoren – aber keine Garantien – für mehr Kunden und geschäftlichen Erfolg.

Werdegang eines CEOs des 21. Jahrhunderts

»Die Nr. 1-Fähigkeit einer Topführungskraft ist es, ihre Ziele, Wünsche und Ideen anderen Menschen verkaufen zu können«, sagte uns im Gespräch für dieses Buch Verkaufstrainer Dirk Kreuter. Die Welt der Vorstandsvorsitzenden aller Branchen hat sich wahrlich verändert. Im vergangenen Jahrhundert wurden CEOs als Geschäftsführer gesehen, die in ihrer Chefetage isoliert und in mehrfachem Sinn abgehoben von den Mitarbeitern arbeiteten. Noch heute gibt es Unternehmen – abhängig von Kultur und Hierarchie- und Eigentümerstruktur –, in denen Vorstandsvorsitzende intern und extern nicht sichtbar sind; sei es aus Standesdünkel oder weil ihnen der Auftritt nicht liegt. Dies kann durchaus funktionieren, vor allem im Business-to-Business-Bereich. Ein Vorbild ist es aber nicht. Solch eine Praxis ist ein Auslaufmodell. Die Greifbarkeit von CEOs ist im 21. Jahrhundert, von dem wir bereits zwei Jahrzehnte hinter uns haben, zunehmend wichtiger geworden. Einschließen kann sich ohnehin niemand mehr – es sei denn, die Firma fliegt unter dem Radar, ist zu klein oder zu speziell. Allein schon die Mitarbeiter erwarten von ihrem Chef eine stärkere Präsenz – nach innen zu ihnen und nach außen als Kommunikator. Neben dem Kommunizierenkönnen und dem Fachlichen steht für Ernst Prost, Geschäftsführer von Liqui Moly, »aber die Fähigkeit zum Menschlichen, zur Empathie und Sympathie. Vorstände, CEOs, Chefs und Unternehmer sind Anführer und diese müssen auch das richtige Rüstzeug dafür mitbringen, Herz und Seele derjenigen zu erreichen, die ihnen folgen.«

Egal wie Chefs dazu stehen: Eine im Vergleich zu früher lockere und gleichgestellte Arbeits- und Umgangsform wird von der Belegschaft bevorzugt. Dabei muss es nicht gleich das pauschale Du sein, doch eine größere Nahbarkeit. Auch weil es heute aufgrund der Dynamik und des Wandels viel mehr zu erklären gibt: Grundsätzliches und Sinnstiftendes, wie eine Mission oder Strategie, aber auch Operatives, wenn ein neues Geschäftsmodell auf die Spur gesetzt wird. Am besten vom Chef persönlich. Warum hat sich die Bedeutung der Kommunikation für einen CEO in den vergangenen Jahrzehnten so verändert? Treiber dieser Entwicklung war für Dirk Kreuter vor allem das Internet, durch das wir »eine viel größere Transparenz bekommen haben. Jeder kann sich im Internet äußern und auch Informationen sammeln. Jeder kommunikative Fehler rächt sich im Internet sofort und wird niemals vergessen.«

Personalisierung: Produkte und Dienstleistungen bekommen ein Gesicht

Natürlich gilt dies auch nach außen (was wiederum innerhalb des Unternehmens stark beachtet und bewertet wird). Der CEO als Repräsentant ist vor allem für börsennotierte Konzerne wichtig oder bei gesellschaftlich als heikel angesehenen Produkten und Dienstleistungen. Das positive Bild eines CEOs unterstützt damit den Unternehmenserfolg und zahlt direkt auf den Wert der Marke ein. Im schnelllebigen Zeitalter der sozialen Netzwerke sind Branding und eine Identifikation der Unternehmen mit und durch den CEO ein wichtiger Faktor. Die Chancen und Gefahren der Boulevardisierung – also einer absoluten Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen – stellen eine Herausforderung dar. Geschäftsmodelle, ein Dieselskandal oder ein neues iPhone bekommen ein Gesicht, und zwar das des Chefs. Beliebt ist dieser Mechanismus auch bei eher sperrigen Themen oder Aspekten, die sich schlecht illustrieren lassen. Beides ist Fluch und Segen zugleich. Wer ein schwer erklärbares, aber trotzdem exzellentes Produkt hat – etwa aus dem IT-Bereich –, der kann seinen Kopf heraushalten, gern auch in Form eines Gastbeitrags. Wer eine austauschbare, wenig originelle Dienstleistung hat – etwa als Immobilienmakler –, kann ebenfalls mit seiner Persönlichkeit auftrumpfen. Selbstläufer sind dies freilich nicht, aber offene Türen, manchmal Scheunentore, durch die man mit viel Kreativität gehen kann.

Die Digitalisierung und die schnelle Verbreitung von Nachrichten leisten dem Phänomen der Personalisierung Vorschub. Doch komplexe Angelegenheiten und Verantwortlichkeiten lassen sich dadurch immer noch nicht darstellen. Für einen Dieselskandal macht die veröffentlichte Meinung, also die Presse, den Oberboss verantwortlich, nicht einen findigen Ingenieur aus der dritten Reihe. Gleichzeitig erntet der Chef auch die Lorbeeren für die neueste Technikinnovation – und nicht die geballte Kraft Dutzender Designer- und Entwicklerteams. Dabei ist mit diesem Kopf meist nur die jeweilige Position gemeint. Natürlich steht dahinter eine konkrete Person. Doch sie ist meist austauschbar. Ausnahmen bilden auch hier direkt nachweisbare Verantwortlichkeiten oder Pioniere wie die Gründer von Firmen (Dietmar Hopp / SAP, Elon Musk & Co.). Letztere sind tatsächlich die treibende Kraft hinter den Innovationen. Ohne deren Visionen und Geld würde es die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen gar nicht geben. Komplikationen und Skandale, Erfolge und Technikrevolutionen werden also zumeist den Konzernchefs zugeschrieben – eine Vereinfachung, aber eben eine Tatsache des aktuellen Medienbetriebs und der Anforderungen der Mediennutzer. Diesem Risiko müssen sich die Chefs bewusst sein; es ist auch in ihrem Gehalt mit inbegriffen.

Zur Erinnerung und zum Vergleich: CEOs im 20. Jahrhundert

Einen Einblick in die Vergangenheit der CEO-Kommunikation zu werfen, ist essenziell, um die Veränderung der Kommunikationsart zu verstehen – und daraus Notwendigkeiten für heute abzuleiten. Im 20. Jahrhundert bestanden noch klare Hierarchieebenen mit festgefahrenen Strukturen. Die derzeit ausgeprägte Arbeit in Gruppen und Projekten existierte in dieser Ausprägung nur ansatzweise, obwohl manche dieser Arbeitsformen jahrzehntealt sind – bis hin zur Agilität.

Anfang des 20. Jahrhunderts spielte in Unternehmen die Produktivität die herausragende Rolle, wobei Industrie- und Produktionsbetriebe einen weitaus höheren Anteil hatten als heute. Die Erfolge wurden meist den Führungskräften zugeschrieben. Doch schrittweise wandelten sich die Sichtweise und die Verhältnisse: Nicht nur die Triumphe und Produktivität eines Unternehmens sollten in Betracht gezogen werden, sondern auch die Mitarbeiter, die für diesen Erfolg einen großen Beitrag leisten. Entlang dieser Linie veränderten sich die Führungsmethoden vor allem zu Beginn des 21. Jahrhunderts – und dieser Umbruch ist damit auch ein Spiegelbild der Gesellschaft, ihrer Werte und Strukturen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts bestand noch eine prägende Klassengesellschaft mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten. Sie fand ihre Entsprechung in den Führungsmethoden innerhalb einer Organisation. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich dies, allerdings nur allmählich und auch nur im Westen Deutschlands, und nahm erst ab den 1990er-Jahren Fahrt auf. Heute erleben wir eine stark ausgeprägte Gleichberechtigung. Sie drückt sich mitunter sogar in einer Anspruchshaltung aus, die alle Unterschiede verwischen und vermissen lässt, wer Eigentümer eines Unternehmens ist und wer Arbeitnehmer. Vor allem Personalvertretungen und Gewerkschaften fahren oft einen Kurs, als gehöre der Betrieb ihnen und als gehe es zu wie in einer Kommune.

CEOs im 21. Jahrhundert

Der Ruf eines Unternehmens hängt von der Leistung und seinen Produkten ab – aber auch vom Image eines CEOs. Was einen guten CEO ausmacht, dafür gibt es keine haarscharfen, objektiven Kriterien, aber doch Anhaltspunkte – und diese haben etwas mit seinen Kommunikationsfähigkeiten und Eigenschaften zu tun. Loyalität, Vertrauen und Visionen gegenüber Mitarbeitern zu vermitteln sowie Identifikation, Respekt, Selbstvertrauen und Zukunftsvertrauen zu stiften, dies sind die Attribute und Werte, denen Kommunikationsexperten in einer Umfrage des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften die größte Bedeutung beigemessen haben.4 Die direkte Kommunikation hat positive Auswirkungen auf das CEO-Image, das auch Freizeitveranstaltungen, informelle Meetings, Mitarbeitergespräche und persönliche Ansprache beinhaltet.5 Demnach ist der direkte Zugang zum CEO für die Mitarbeiter wichtig – aber auch für das Image des Geschäftsführers und des Unternehmens. Die Anwesenheit des CEOs ist für die Mitarbeiter essenziell, um von ihm einen Eindruck zu gewinnen. An der Bedeutung von informellen Meetings lässt sich gut der Unterschied zu einst erkennen: Gemeinsame Freizeitveranstaltungen, Ausflüge oder Teambuilding-Events auf Augenhöhe wären früher abgesehen von der traditionellen Weihnachtsfeier undenkbar, ja abwegig gewesen – allenfalls einmal ein väterliches »Auf-die-Schulter-Klopfen« beim Rundgang in der Produktion, das gerade die Rangunterschiede festmachte.

Die Arbeitsverhältnisse heute haben sich völlig gewandelt. Einerseits, weil jeder sein eigener Chef werden kann – ein Teil des Gründungsmythos der Bundesrepublik mit dem Wirtschaftswunder, der bei modernen Start-ups eine Entsprechung gefunden hat. Insofern gibt es vom theoretischen Zugang her kaum noch formale Klassenunterschiede; de facto durchaus, etwa durch ungleichen Zugriff auf Kapital, Bildungseinrichtungen oder informelle Netzwerke. Natürlich rekrutieren sich Topmanager wie Dax-Vorstände nach wie vor überwiegend aus Familien, die es »geschafft haben«, vernetzt sind, einige wenige Kaderschmieden besucht haben und eher zu gehobenen Gesellschaftsschichten zählen. Aber die Durchlässigkeit und auch die Lässigkeit sind wesentlich größer geworden. Andererseits hat sich das gesellschaftliche Klima geändert und die Umgangsformen sind lockerer geworden. Kaum jemand möchte da noch als steif oder unnahbar gelten. Produktivität und Unternehmensumsatz allein machen keinen guten CEO mehr aus.

Der CEO ist heute »Teamplayer« und nicht Führungsperson einer höheren Kaste. Durch Kooperation innerhalb der Vorstandsriege wird die operative Verantwortung aufgeteilt. So handhabt es auch die Vorstandsmannschaft von N26, wie uns Chief Growth Officer Alexander Weber im Gespräch verriet: »Die funktionale Verantwortung für Kommunikation (PR, Social Media, Content) ist Teil des Marketings und daher meine Verantwortung als CGO im Vorstand. Interne Kommunikation wird zwischen der CPO (Chief People Officer) und mir geteilt, je nach Thema. In der Vertretung nach außen haben die General Manager unserer Regionen eine wesentliche Rolle; auf Gesamtunternehmensebene spielt Valentin Stalf als Gründer und CEO natürlich eine große Rolle in der Kommunikation, sowohl extern als auch unternehmensintern.« Wie bedeutsam diese Aufteilung aus fachlicher Sicht ist, das bestätigt uns Dirk Kreuter: »Jeder hat zu Recht sein eigenes Ressort und seine eigenen Aufgaben. Daher soll auch die Kommunikation entsprechend verteilt werden. Viel wichtiger als diese Verteilung ist jedoch die Abstimmung untereinander und besonders eine gemeinsame Sprache. Die Inhalte, aber auch die Art und Weise, wie kommuniziert wird, müssen aus einem Guss sein.« (Vgl. »Experteninterview«.)

Ganz anderen Herausforderungen müssen sich obendrein Frauen stellen, die immer noch viel zu selten unter CEOs vertreten sind. Auch unsere recht maskuline Runde an Gesprächspartnern ist da ein Spiegelbild. Bei unserer Interviewpartnerin Anna Banicevic, CEO der Bootsvermittlungsplattform Zizoo, kommt noch hinzu, dass sie in einer zutiefst männlichen Branche arbeitet. Wir haben sie gefragt, was das für die Unternehmenskommunikation, aber auch für die persönliche CEO-Kommunikation bedeutet. Ihre Antwort: »Grundsätzlich glaube ich nicht, dass CEOs (oder andere Personen) je nach Geschlecht unterschiedlich kommunizieren sollten. Einige Situationen erfordern dies jedoch. Ich habe das Gefühl, dass ich manchmal ›härter arbeiten‹ muss, damit meine Stimme gehört wird – und dies erfordert Energie, Selbstvertrauen und Entschlossenheit. In Bezug auf die Unternehmenskommunikation ist es mitunter sogar hilfreich, als Frau CEO eines erfolgreichen Unternehmens zu sein – es ist leider nach wie vor eine Seltenheit, sodass es in bestimmten Gruppen Aufmerksamkeit erregt.«