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Über dieses Buch:

Mike und seine Freunde müssen zurück ins Internat und nehmen deshalb mit ihrem Unterseeboot, der NAUTILUS, Kurs auf England. Doch auf ihrem Weg werden sie von dem gefürchteten Kapitän Winterfeld angegriffen und müssen sich Hals über Kopf in die Tiefen des Ozeans retten. Von einem mysteriösen Licht angelockt, machen sie dort eine unglaubliche Entdeckung: eine metallene Kuppel, in der ein schlafendes Mädchen liegt. Wer ist sie? Stammt sie womöglich aus dem sagenumwobenen Reich Atlantis, das Kapitän Winterfeld um jeden Preis finden will? Mike und seine Freunde sind die einzigen, die ihn jetzt noch aufhalten können …

Über den Autor:

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch MÄRCHENMOND. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 44 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX.

Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Die Romane der Operation-Nautilus-Reihe:

Die vergessene Insel – Erster Roman

Das Mädchen von Atlantis – Zweiter Roman

Die Herren der Tiefe – Dritter Roman

Im Tal der Giganten – Vierter Roman

Das Meeresfeuer – Fünfter Roman

Die schwarze Bruderschaft – Sechster Roman

Die steinerne Pest – Siebter Roman

Die grauen Wächter – Achter Roman

Die Stadt der Verlorenen – Neunter Roman

Die Insel der Vulkane – Zehnter Roman

Die Stadt unter dem Eis – Elfter Roman

Die Rückkehr der Nautilus – Zwölfter Roman

Bei jumpbooks erscheint von Wolfgang Hohlbein ebenfalls:
Der weiße Ritter – Erster Roman: Wolfsnebel
Der weiße Ritter – Zweiter Roman: Schattentanz
Nach dem großen Feuer

Teufelchen
Schandmäulchens Abenteuer

Ithaka
Der Drachentöter

Saint Nick – Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte

NORG – Erster Roman: Im verbotenen Land

NORG – Zweiter Roman: Im Tal des Ungeheuers

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eBook-Neuausgabe Juni 2018

Copyright © der Originalausgabe 1993 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2018 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Attitude, Duda Vasili, diversepixel

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96053-242-2

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Wolfgang Hohlbein

Das Mädchen von Atlantis

Operation Nautilus – Zweiter Roman

jumpbooks

Das gedämpfte Wummern der Motoren, von denen das gewaltige Unterseeboot während der letzten Monate erfüllt gewesen war, hatte sich in ein leises Tuckern verwandelt und war schließlich ganz verstummt. In den ersten Tagen und Nächten hatte Mike den Motorenlärm verflucht, denn es war ein Geräusch, das in jeden Raum, jede Ecke, jeden noch so verborgenen Winkel des Schiffes drang und das bald angefangen hatte, nicht nur seinen Herzschlag, sondern auch jeder seiner Bewegungen, der Betonung seiner Worte und selbst seinen Gedanken seinen Rhythmus aufzuzwingen. Aber er hatte sich daran gewöhnt und jetzt empfand er die fast geisterhafte Ruhe beinahe als unangenehm. Aber vielleicht lag es auch nur an seiner Stimmung, die kaum gedrückter hätte sein können, wenn der Weltuntergang unmittelbar bevorstehen würde.

Mike sah sich in der kleinen, einfachen Kammer um, die in den vergangenen Monaten sein Zuhause gewesen war. Er hatte jeden Zentimeter dieses Raumes – ebenso wie das übrige Schiff – kennen und lieben gelernt. Ganz egal, wie viele Wunder man auf diesem Schiff entdeckte, ganz egal, wie viele Geheimnisse man ergründen mochte – für jede Frage, auf die er eine Antwort gefunden hatte, hatten sich zwei neue gestellt, und es hatte keinen Tag gegeben, an dem er oder die anderen nicht wieder etwas Neues über die Funktionen des Schiffes herausgefunden hatten.

Denn dies war nicht nur ein Unterseeboot – was im August des Jahres 1914, in dem sie sich der englischen Küste wieder näherten, an sich schon eine Sensation gewesen wäre. Es war die NAUTILUS, das legendäre Tauchboot des nicht minder legendären Kapitän Nemo, die Mike (und mit ihm nahezu der gesamte Rest der Menschheit) bisher noch für eine bloße Erfindung gehalten hatte – ebenso wie ihren Erbauer. Aber inzwischen war viel geschehen und Mike wusste, dass sein Leben nie mehr das gleiche wie früher sein würde. Noch vor mehr als einem halben Jahr hatte er sich für einen ganz normalen, durchschnittlichen Jungen gehalten, einer von über zweihundert ganz normalen, durchschnittlichen Schülern des englischen Internats, in dem er die letzten sechs Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Nichts davon kam der Wahrheit irgendwie nahe.

Es begann damit, dass er erfahren hatte, dass sein seit langem toter Vater nicht ein indischer Adeliger gewesen war, wie Mike bisher angenommen hatte, sondern niemand anders als jener legendäre Kapitän Nemo. Und auch er, Mike, war alles andere als ein normaler Schüler des Nobelinternats vor den Toren Londons. Sein wirklicher Name lautete Prinz Dakkar und er war nicht nur der Erbe des beträchtlichen Vermögens seines Vaters, sondern zugleich auch der Erbe der NAUTILUS und mit ihr des unvorstellbaren Schatzes an Wissen und Macht, den sie darstellte, kurz – was Mike in den letzten sieben Monaten widerfahren war, war etwas wie ein Märchen.

Allerdings – an das Vermögen seines Vaters kam er nicht heran. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er und die anderen so einfach nach Andara-House zurückkehren konnten, als wäre nichts geschehen. Und was die NAUTILUS betraf ...

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Tür geöffnet wurde. Juan steckte den Kopf herein.

»Wo bleibst du?«, fragte er. »Wir warten schon alle auf dich.« Er trat in die Kabine und legte Mike die Hand auf die Schulter. »Es tut weh, nicht wahr?« Seine Stimme war leise und mitfühlend.

Juan war trotz seiner Jugend ganz das, was man sich unter dem klassischen stolzen spanischen Edelmann vorstellte. Dass er jemandem kameradschaftlich die Hand auf die Schulter legte, war beinahe undenkbar.

Mike wusste diesen Freundschaftsbeweis durchaus zu schätzen. Trotzdem nickte er nur stumm. Was hätte er auch schon sagen sollen? Der Abschied tat wirklich weh. In den letzten Wochen hatten er und seine Freunde mitgeholfen, defekte Aggregate zu reparieren, und gelernt, wie man viele der Maschinen bediente. Sie hatten hier geschlafen, gelacht, gegessen und wilde Pläne gesponnen und zumindest für Mike war das Schiff in dieser Zeit mehr zu einer Heimat geworden, als es Andara-House, das Internat, ja selbst das Anwesen seines Vormunds in Indien je gewesen waren.

Es war einfach nicht fair, dachte er, dass er all dies nun aufgeben musste. Natürlich hatte er von Anfang an gewusst, dass sie nur eine begrenzte Zeit hier verbringen würden, Trautman hatte an seinen diesbezüglichen Plänen von Anfang an keinen Zweifel gelassen. Aber Mike hatte jeden Gedanken daran, was nach ihrer Rückkehr nach England geschehen würde, weit von sich geschoben. Und nun war es plötzlich da.

»Es ist ... nicht fair!«, sagte er mit schwankender Stimme. »Es ist einfach nicht gerecht!«

»Nein, das ist es nicht«, bestätigte der junge Spanier. »Und das hat auch niemand behauptet. Aber es ist das einzig Vernünftige. Du selbst hast schon auf der Vergessenen Insel eingewilligt, dass die NAUTILUS zerstört wird. Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist, aber trotzdem ...«

Auf der Vergessenen Insel, dem Versteck der NAUTILUS, war sie für ihn nur ein Mythos gewesen, der unvermutet Wirklichkeit geworden war. Er hatte damals keinerlei persönliche Beziehung zu diesem Schiff gehabt, sondern es nur als das gesehen, was es im Grunde auch war: ein fantastisches Fahrzeug und eine gefährliche Waffe, die ungeheuren Schaden anrichten konnte, wenn sie in die falschen Hände fiele.

Und diese Gefahr hatte damals durchaus bestanden: Kapitän Winterfeld von der kaiserlich deutschen Kriegsmarine hatte gewissermaßen schon seine Hände nach der NAUTILUS ausgestreckt. Vor die Wahl gestellt, ihm das Schiff zu überlassen oder es zu zerstören, war es Mike vergleichsweise leicht gefallen, sich für Letzteres zu entscheiden. Aber jetzt sah die Sache entschieden anders aus. Sie waren Winterfeld entkommen.

Andererseits war Mike klar, dass der Kapitän die Suche nach ihnen mit Sicherheit nicht aufgegeben hatte, dafür hatte er viel zu viel riskiert, um in den Besitz der NAUTILUS zu gelangen. Über kurz oder lang würden sie ihm wieder begegnen – und ob es ihnen noch einmal gelingen würde, ihn hinters Licht zu führen, war mehr als fraglich. Winterfeld war rücksichtslos und gefährlich und alles andere als dumm.

»Ich könnte heulen bei dem Gedanken, dass Trautman dieses wunderbare Schiff zerstören wird, sobald wir von Bord gegangen sind«, sagte er.

»Ich weiß«, antwortete Juan ernst. »Meinst du, mir geht es anders?«

Überrascht sah Mike den jungen Spanier an. Juan war schon immer ein Einzelgänger gewesen, der jeder Situation mit Vernunft begegnete. Nur wer ihn wirklich kannte, konnte ermessen, wie schwer ihm ein Eingeständnis wie dieses fallen musste.

»Aber es geht nun einmal nicht anders«, fuhr Juan fort. »Trautman hat gut eineinhalb Jahrzehnte damit verbracht, die NAUTILUS zu bewachen. Sie ist sein Lebensinhalt. Glaubst du, er würde sie vernichten, wenn er irgendeine andere Möglichkeit sähe?«

Widerstrebend nickte Mike – es nutzte nichts, mit dem Schicksal zu hadern. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren. »Du hast Recht«, murmelte er und straffte sich. »Gehen wir.«

An der Tür verharrte er noch einmal und ließ seinen Blick durch die Kabine schweifen, die er niemals wieder sehen würde. Die letzten sieben Monate waren ...

Nein, es gab keine Worte, um es zu beschreiben. Das große Abenteuer seines Lebens. Aber nun war es vorbei und vielleicht sollte er versuchen seinen Schmerz darüber nicht übermächtig werden zu lassen, um sich wenigstens die Erinnerung an diese Zeit so zu bewahren, wie sie es verdiente.

Seine Augen brannten. Er musste einen Tränenschleier fortblinzeln, als er sich endlich mit einem Ruck abwandte und die Tür hinter sich schloss.

Sie traten auf den Gang hinaus, der beinahe durch die gesamte Länge des Tauchbootes führte. Im Gegensatz zu dem Unterseeboot, mit dem Kapitän Winterfeld sie entführt hatte (dem einzigen, in dem Mike jemals zuvor gewesen war) und in dem alles so niedrig und schmal gebaut war, dass man schon nach zehn Minuten Platzangst bekam, war die NAUTILUS riesig. Sie war gut hundert Meter lang und besaß mehrere Decks, sodass sie fast schon so etwas wie eine kleine, schwimmende Stadt aus Stahl war.

Trautman und die anderen erwarteten sie in der Kommandozentrale. Die anderen, das waren Ben, André und Chris, wie Mike Schüler in Andara-House, und dazu Ghunda Singh, der Sikh-Krieger, Mikes Diener und Leibwächter.

»Na endlich«, brummte Ben, als Mike und Juan eintraten. Er wollte noch mehr sagen, erntete jedoch einen so scharfen Blick Trautmans, dass er den Mund wieder zuklappte. Ben war vermutlich der Einzige, der sich auf das Ende der Reise freute. Anfangs hatte er am schärfsten dagegen protestiert, die NAUTILUS zu zerstören – allerdings nicht, weil er so an dem Schiff hing, sondern weil er fand, es müsste der englischen Marine übergeben werden. Seit er eingesehen hatte, dass er weit und breit der Einzige war, der das für eine gute Idee hielt, hatte er sich nach Kräften bemüht, ihnen die Freude an der Reise zu verderben.

Trautman musterte Mike einige Sekunden lang. Seine Finger spielten nervös mit einer zusammengerollten Zeitung: einer beinahe drei Wochen alten Ausgabe der TIMES, die sie auf dem Weg hierher erstanden hatten. Trautman war damals eigens dafür an Land gegangen, was im Moment ein nicht unerhebliches Risiko darstellte. Nach fünfzehn Jahren, die er in vollkommener Isolation verbracht hatte, war er neugierig, was in der Welt vor sich ging. Aber schon die Schlagzeile hatte ihm jegliche Lust an der weiteren Lektüre genommen: Sie sagte, dass der Ausbruch eines Krieges nun so gut wie unvermeidlich geworden sei. Und so, wie es aussah, war die Behauptung nicht übertrieben gewesen.

»Bist du soweit?«, erkundigte sich Trautman.

Mike riss seinen Blick von der zusammengerollten Zeitung los und nickte widerstrebend.

»Dann lasst uns gehen«, sagte Trautman und wandte sich zur Tür. Ohne ein weiteres Wort folgten sie Trautman die schmale Treppe zum Turm und danach auf das Deck der NAUTILUS hinauf.

Sie waren in der Nähe von Alderney aufgetaucht. Ursprünglich hatte Trautman vorgehabt, die Themsemündung direkt anzusteuern und sie irgendwo in der Nähe von London an Land zu setzen, was sich jedoch als unmöglich erwiesen hatte. Das Meer wimmelte nur so von Kriegsschiffen und vor allem die Themsemündung wurde streng bewacht. Schon die ganze Zeit war die politische Lage in Europa ernst gewesen: Der Balkan war schon seit Jahren Krisengebiet und zwischen dem deutschen Kaiserreich auf der einen und Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite gab es tief gehende Spannungen. Die große Zahl von Kriegsschiffen vor der englischen Küste deutete darauf hin, dass sich die Situation seither offenbar noch beträchtlich verschärft hatte.

Deshalb hatte es einige Tage gedauert, bis Trautman entschieden hatte, sie auf der Kanalinsel abzusetzen. Von dort aus sollten sie mit einer Fähre nach England übersetzen.

Ein kalter Wind blies ihnen in die Gesichter, als sie auf das Deck der NAUTILUS hinaustraten. Es war spät in der Nacht, und passend zu Mikes Stimmung waren schwarze Regenwolken am Himmel aufgezogen, die das Licht der Sterne und des Mondes verschluckten, sodass fast vollkommene Dunkelheit herrschte, in der die wenigen Lichter der kleinen Hafenstadt wie ein Sternenband aufleuchteten.

Trautman deutete wortlos auf das kleine Ruderboot, mit dem sie an Land gehen würden. Die NAUTILUS hatte sich der Küste so weit genähert, wie es ging, trotzdem lag zwischen ihnen und dem Strand noch eine gute Meile. Leichter Nebel war aufgezogen, der ihnen eine unbemerkte Landung ermöglichen würde: Außerdem war Alderney eine kleine Insel, mit einem kleinen Hafen, den sich sicherlich niemand zu bewachen die Mühe machte.

»Also los«, sagte Trautman. »Das Wetter ist günstig. In einer Stunde wird es hell. Wenn sich der Nebel verzieht, möchte ich nicht mehr hier sein. Beeilt euch.«

Diese beinahe rüde Art überraschte Mike, aber dann begriff er, weshalb sich der Kapitän der NAUTILUS so benahm. Nicht nur Mike hatte längst gespürt, dass er und die anderen Trautman ebenso ans Herz gewachsen waren wie er ihnen. Er verbarg nur seinen Schmerz hinter seiner Ruppigkeit, um sich und ihnen den Abschied zu erleichtern.

Hintereinander kletterten sie an Bord des kleinen Schiffes, Juan und Ben griffen nach den Rudern, während André, Chris und Singh das Boot mit vereinten Kräften von der Bordwand der NAUTILUS abstießen. Zuerst schien es ihnen nicht zu gelingen, denn die Strömung drückte das Boot immer wieder gegen das große Schiff, fast als hätte es einen eigenen Willen und wolle ebenso wenig hier weg wie Mike und die anderen. Aber schließlich war der Abstand doch groß genug, Juan und Ben tauchten ihre Ruder ins Wasser und begannen zu pullen.

Während der ganzen Zeit wandte Mike den Blick nicht von der NAUTILUS ab. Selbst als sie schon längst vom Nebel verschluckt worden war, starrte er unverwandt weiter in die Richtung, in der er das Schiff wusste. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, nicht zu weinen, konnte er die Tränen nun doch nicht ganz unterdrücken – aber er war nicht der Einzige. Chris, der mit seinen neun Jahren der Jüngste von ihnen war, weinte ganz offen, aber auch André und sogar Juan drehten ein paar Mal den Kopf weg und wischten sich verstohlen über die Augen. Lediglich Singh ließ sich wie üblich keine Gefühlsregung anmerken und Ben – was auch sonst? – gab sich alle Mühe, seinem Ruf als Miesepeter gerecht zu werden.

»Wirklich toll«, kommentierte er, nachdem sie sich ein gutes Stück von der NAUTILUS entfernt hatten. »England befindet sich wahrscheinlich schon im Krieg mit den Deutschen und dieser alte Narr will das großartigste Schiff versenken, das jemals gebaut wurde. Würden wir die NAUTILUS der britischen Marine zur Verfügung stellen, könnte sie den Verlauf dieses Krieges entscheidend beeinflussen.«

»Halt die Klappe«, sagte André. Auch er starrte weiter in den Nebel zurück und in seinem Gesicht stand derselbe Kummer geschrieben, den auch Mike verspürte.

»Aber sicher, ich halte sofort den Mund«, maulte Ben. »Ich meine – warum sollte ich auch was sagen? Die NAUTILUS auf unserer Seite könnte ja nur vielleicht tausende von Menschenleben retten.«

»Oder aber kosten«, entgegnete Juan an Andrés Stelle. Er seufzte. »Das haben wir doch schon oft genug durchgekaut, oder?«

»Aber da wussten wir noch nicht, dass der Krieg tatsächlich ausgebrochen ist. Das ist eine völlig andere Situation.« Ben hielt für einen Moment mit Rudern inne und blickte Juan herausfordernd an. »Willst du vielleicht, dass die Deutschen gewinnen?«

»Bitte schweig«, sagte Singh plötzlich. »Erweise ihm diese letzte Ehre. Er hat sie wahrlich verdient.«

Mike blinzelte. Juan, André und selbst Chris hatten auf einmal einen sehr sonderbaren Ausdruck auf dem Gesicht und Mike überfiel ein unbehagliches Gefühl. »Was ... meinst du damit?«, fragte er zögernd.

Singh wandte den Kopf und sah ihn aus seinen schwarzen, unergründlichen Augen an: »Wir werden Trautman nicht wieder sehen, Herr. Er wird die NAUTILUS auf ihrer letzten Fahrt begleiten.«

»Das weiß ich«, antwortete Mike, »aber wieso –«

Er stockte. Dann begriff er – und fuhr so erschrocken in die Höhe, dass das winzige Boot wild auf dem Wasser zu schaukeln begann.

»Du meinst –«

»Er meint, dass Trautman mit der NAUTILUS untergehen wird«, fiel ihm Juan ins Wort. »Und jetzt sag bloß noch, du hast das nicht gewusst!«

Aber genau so war es. Mike gestand sich ein, dass er bis jetzt noch nicht einmal darüber nachgedacht hatte, was Trautman tun würde, nachdem er die NAUTILUS versenkt hatte.

Die Antwort war einfach: Er würde nichts tun, weil er mit dem Schiff sterben würde. Er würde es irgendwo versenken, wo das Meer tief genug war, dass der Wasserdruck es zermalmen würde, und Trautman würde an Bord bleiben. Er liebte die NAUTILUS über alles und hatte die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens das Schiff bewacht. Wenn es nicht mehr da war, hatte auch sein Leben seinen Sinn verloren. Er würde zusammen mit der NAUTILUS untergehen: Das Schiff, das er fast ein Menschenleben lang beschützt und bewacht hatte, würde nun zu seinem Grab werden.

»Das ... das darf er nicht«, stammelte er. »Das lasse ich nicht zu! Kehrt um! Rudert sofort zurück!«

Ben schürzte nur verächtlich die Lippen und pullte weiter, während Juan ihn voll Mitgefühl ansah. Singh legte ihm sanft die Hand auf die Schulter.

»Es hätte keinen Sinn«, sagte er. »Wahrscheinlich ist er bereits fort. Und selbst wenn nicht – Ihr wisst, dass er so handeln muss. Ihr könntet ihn nicht aufhalten. Ihr würdet es nur für uns alle schwerer machen.«

Mike schlug seine Hand beiseite und funkelte ihn an. Gleich darauf tat ihm seine eigene Unbeherrschtheit schon wieder Leid – aber Singh schien sie ihm nicht übel zu nehmen. Er spürte wohl, dass es nur seine Art war, mit dem Entsetzen fertig zu werden.

Und nach einer Weile ließ sich Mike auch wieder zurücksinken und schloss die Augen. Diesmal versuchte er nicht die Tränen zurückzuhalten, die unter seinen Lidern hervorquollen.

Sie hatten sich erkundigt, wann die nächste Fähre ablegen würde, und dabei erfahren, dass sich Großbritannien tatsächlich im Kriegszustand mit Deutschland befand. So schrecklich die Nachricht auch war, brachte sie ihnen doch einen Vorteil. Vor der Kriegserklärung hatte nur alle paar Tage eine Fähre zwischen Alderney und dem britischen Festland verkehrt. Jetzt aber fuhr täglich mehrmals eine Fähre: die nächste bereits eine Stunde nach Sonnenaufgang.

Um nicht aufzufallen, gingen sie nicht in einer Gruppe, sondern getrennt an Bord – Singh, der sich des neunjährigen Chris angenommen hatte, als Erster, danach kam Ben (niemand hatte sich seinem Vorschlag, allein zu gehen, besonders nachdrücklich widersetzt) und am Schluss und mit einigen Minuten Abstand folgten Juan, André und Mike selbst.

Es war ein sonderbares Gefühl, nach so langer Zeit wieder unter Menschen zu sein. Immerhin waren mehr als sieben Monate vergangen, seit sie England verlassen hatten, und seither waren sie eigentlich fast immer allein gewesen. Wenn überhaupt, so hatte sich Mike auf diesen Aspekt ihrer Rückkehr am meisten gefreut: endlich wieder unter Menschen zu sein und einmal andere Gesichter zu sehen als die Singhs, Trautmans oder der vier anderen. Aber nun fühlte Mike sich unter all diesen Menschen nicht wohl. Ganz im Gegenteil: Sie machten ihm Angst. Auf dem Deck der schwankenden Fähre herrschte enormes Gedränge. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und der Lärm war unbeschreiblich.

Erst nach einer Weile wurde ihm klar, weshalb.

Es waren nicht die Menschen, die ihm ein solches Unbehagen einflößten. Es war ihre Angst, die er spürte. Wohin er auch sah, blickte er in bedrückte Gesichter, sah er in Augen, die sorgenvoll dreinblickten, und es schien nur ein Gesprächsthema zu geben: den Krieg.

Je mehr Mike darüber nachdachte, desto absurder erschien ihm die Vorstellung, dass sich plötzlich ganze Nationen gegenüberstehen sollten, bis an die Zähne bewaffnet und wild entschlossen, den anderen niederzumachen, ganz gleich, was es kostete. Es gelang ihm einfach nicht, den Gedanken als Wirklichkeit zu akzeptieren. Krieg, das war etwas, worüber man in Geschichtsbüchern las oder in Romanen, wo er einen spannenden Hintergrund bilden mochte. Es war Vergangenheit. Die Zeiten, in denen man Meinungsverschiedenheiten dadurch löste, indem man den anderen kurzerhand tötete, sollten eigentlich längst vorbei sein. Ihm selbst kam die Vorstellung noch immer lächerlich vor. Aber die Angst in den Gesichtern der Menschen hier war echt.

Die Fähre legte pünktlich ab und nahm Kurs auf die Britischen Inseln. Juan, André und Mike hatten sich einen Platz auf dem Achterdeck erobert, an dem sie wenigstens stehen konnten, ohne sich gegenseitig auf die Zehen zu treten. Falls diese Fähre überhaupt jemals so etwas wie Sitzplätze gehabt hatte, so waren sie entfernt worden, um Platz für mehr Passagiere zu schaffen. Zumindest würde die Überfahrt nicht lange dauern – Der Mann, der ihnen die Karten verkauft hatte, hatte gesagt, dass sie kaum zwei Stunden brauchen würden, um England zu erreichen.

Mikes Blick irrte immer wieder auf das Meer hinaus und er ertappte sich bei der widersinnigen Hoffnung, den Turm der NAUTILUS auftauchen zu sehen.

Natürlich würde das nicht geschehen. Sie hatten vor einer halben Stunde abgelegt und das bedeutete, dass Trautman jetzt bereits seit anderthalb Stunden unterwegs war, um die NAUTILUS in ihren letzten Hafen zu steuern. Der Gedanke erfüllte ihn mit tiefer Traurigkeit. Er spürte erst jetzt wirklich, wie sehr ihm dieser alte Mann ans Herz gewachsen war.

Aber war es nicht oft im Leben so – dass man erst begriff, wie viel einem ein Mensch bedeutete, wenn er nicht mehr da war?

»Nimm es nicht so schwer«, sagte André leise. »Trautman tut, was er tun muss. Er hat sich diese Entscheidung bestimmt nicht leicht gemacht.«

Mike begriff, dass seine Gedanken ziemlich deutlich auf seinem Gesicht zu lesen sein mussten.

»Ich ... habe nicht daran gedacht«, antwortete er wenig überzeugend. »Ich habe nach Singh und den anderen Ausschau gehalten.«

André zog nur die Augenbrauen zusammen, aber Juan deutete mit der Hand nach vorne.

»Singh und Chris sind irgendwo am Bug, glaube ich«, sagte er. »Ben steht dort drüben und bläst Trübsal.«

Mikes Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Spaniers und tatsächlich sah er Ben: Er stand nur ein knappes Dutzend Schritte entfernt an die Reling gelehnt da und starrte mit finsterem Gesicht auf das Wasser hinab.

»Wahrscheinlich kann er es immer noch nicht verwinden, nicht als strahlender Held heimzukehren und König Georg die NAUTILUS als Beute zu übergeben«, sagte André spöttisch. Er schwieg ein paar Sekunden, dann fügte er leiser und in besorgtem Ton hinzu: »Ich hoffe nur, er hält sich an das, was wir besprochen haben, und erzählt keinen Unsinn.«

Mike verstand seine Sorge. Sie hatten lange über dieses Thema gesprochen und waren schließlich übereingekommen, niemandem zu erzählen, was ihnen in den langen Monaten ihrer Abwesenheit wirklich widerfahren war. Davon abgesehen, dass nach der Zerstörung der NAUTILUS niemand mehr einen Nutzen aus dem Wissen um ihre Existenz ziehen konnte, waren sie sich zumindest in diesem Punkt einig gewesen, dass es besser war, Kapitän Nemos Geheimnis zu bewahren. Aber auch Mike war plötzlich nicht mehr sicher, dass Ben sich auch wirklich an ihre Absprache halten würde. Je näher sie England gekommen waren, desto hartnäckiger hatte er versucht Trautman von seinem Entschluss abzubringen, und ihn stattdessen dazu zu überreden, das Schiff der Royal Navy zu übergeben, um – wie er es ausdrückte – den Krieg zu beenden.

Weiter sollte Mike mit seinen Gedanken nicht kommen, denn in diesem Moment entstand irgendwo auf der anderen Seite des Schiffes Aufregung: Sie hörten Stimmen, erregte Rufe und einen Augenblick später Schreie und plötzlich schien die gesamte Menschenmenge nach Steuerbord zu drängen, sodass sie mitgerissen wurden, ob sie wollten oder nicht.

»Was ist da los?«, schrie André über den Tumult hinweg. Mike konnte zur Antwort nur mit den Schultern zucken. Er war inmitten dieser Menschen eingepfercht, wie die sprichwörtliche Sardine in der Dose. Die Bewegung nach Steuerbord hin war inzwischen so gewaltig geworden, dass sich das Schiff in diese Richtung zu neigen begann.

In die gellenden Schreie mischten sich jetzt immer wieder panische Rufe, die mal von einem Seeungeheuer, dann wieder von einer Geheimwaffe der Deutschen schrien. Eine bange Ahnung begann sich in Mike breit zu machen, worum es sich bei dem »Seeungeheuer« handeln könnte.

Sie erreichten die Reling und ein einziger Blick aufs Meer hinaus genügte, um Mikes Ahnung Gewissheit werden zu lassen.

Ein gewaltiges stählernes Etwas, über dessen Rücken sich vom Bug bis zum Heck ein Zackenkamm zog, der in einem Ehrfurcht gebietenden Rammsporn endete, war nur wenige Dutzend Meter von der Fähre entfernt aufgetaucht. Rings um den stählernen Koloss schäumte das Meer, als koche es. Eine riesige Heckflosse ragte fast zehn Meter weit in die Luft, und um die Ähnlichkeit mit einem Fabelwesen komplett zu machen, erhob sich über der Mitte des Rumpfes ein gewaltiger, buckeliger Turm, aus dem zwei runde Bullaugen wie übergroße Augen hervorstarrten.

»Die NAUTILUS«, stieß André hervor. »Das ist –«

Weiter kam er nicht, denn trotz seiner Überraschung und Freude fuhr Mike blitzschnell herum und versetzte ihm einen heftigen Rippenstoß. »Still!«, zischte er und sah sich erschrocken um. Glücklicherweise schien niemand Andrés Worte gehört zu haben – rings um sie herum drohte nämlich Panik auszubrechen.

»Das sind die Deutschen!«, kreischte eine dicke Frau. Sie starrte kreidebleich vor Schreck auf das Unterseeboot. Andere Passagiere nahmen ihren Ruf auf. Wieder hallten Schreckensschreie über das Deck. Einige Besatzungsmitglieder versuchten tapfer, aber vergeblich die aufgebrachte Menge zu beruhigen. ' Die Fähre begann immer spürbarer zu schaukeln.

Mike sah sich nach Ben und den beiden anderen um. Singh kämpfte sich gerade in ihre Richtung vor, wobei er Chris der Einfachheit halber auf die Arme genommen hatte, damit sie nicht getrennt wurden. Von Ben war keine Spur zu sehen.

»Sie kommt näher!«, stieß André atemlos hervor. »Sie kommt zurück, Mike! Trautman geht längsseits!«

Tatsächlich nahm die NAUTILUS wieder Fahrt auf, überholte die Fähre und ging schließlich kaum einen Meter neben der Fähre längsseits, sodass sie scheinbar stillzustehen schien. Hinter dem riesigen Bullauge im Turm bewegte sich ein Schatten, dann wurde die Turmluke geöffnet.

Eine Sekunde lang war es, als hielten alle Leute an Bord den Atem an, aber als nichts geschah, brach die Panik tatsächlich aus. Ein Teil der Menschenmenge versuchte entsetzt, von der Reling und der vermeintlichen Geheimwaffe zurückzuweichen, während von hinten andere herankamen – ein unvorstellbares Gedränge entstand, in dem niemand mehr wirklich von der Stelle kam.

»Trautman will, dass wir wieder an Bord kommen«, rief Mike voll Aufregung. Er wartete nicht ab, ob Juan und André antworteten, sondern schwang sich mit einer entschlossenen Bewegung auf die schmale Metallreling hinauf. Die Fähre war ein ziemlich flaches Schiff, sodass sich der Rücken der NAUTILUS fast auf gleicher Höhe mit ihrem Deck befand. Hinter ihm klangen erschrockene Schreie auf. Jemand versuchte ihn zurückzuhalten, aber Mike streifte die Hand ab und nutzte den Schwung dieser Bewegung zugleich, um sich abzustoßen. Der Sprung war nicht sehr tief, aber er verlor auf dem nassen Metall um ein Haar die Balance und kämpfte mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht, dann hatte er festen Halt gefunden. »Kommt schon!«, rief er.

Den anderen blieb keine Wahl mehr. Nach dem Sprung war für die Besatzungsmitglieder der Fähre klar, dass Mike und seine Begleiter etwas mit dem mysteriösen Ungetüm zu tun hatten, das so jäh aus dem Meer aufgetaucht war. Rücksichtslos drängten sie sich durch die Menschenmenge auf die Jugendlichen zu.

Juan war der Nächste, der sprang. Mike packte ihn, bevor er stürzen konnte. Ihm folgte André. Von Ben war noch immer nichts zu entdecken.

Zwei Besatzungsmitglieder hatten inzwischen Singh erreicht und versuchten ihn zu packen. Singh versetzte dem einen einen Stoß, der ihn in die Menschenmenge zurücktrieb, und rammte dem anderen den Ellbogen in den Magen, dass er sich vor Schmerz krümmte. Noch in der gleichen Bewegung fuhr Singh herum, stieg mit einem Fuß auf die schmale Reling – und warf den völlig perplexen Chris einfach zu ihnen herüber! Noch während Mike und Juan gemeinsam vorsprangen, um Chris aufzufangen, stieß Singh sich ab und landete geschmeidig auf dem Deck der NAUTILUS.

Mike hastete auf den Turm zu, stieg die kleine Leiter hinauf und schwang sich durch die Luke ins Innere des Unterseebootes, wo Trautman ihn erwartete.

»Was ist passiert?«, fragte Mike.

Trautmans Aufregung war unverkennbar. »Später«, antwortete er knapp. »Erst einmal müssen wir hier weg. Wo sind die anderen?«

Juan und André polterten bereits die schmale Eisenleiter in den Turm hinunter. Über ihnen erschien Singhs Gestalt und endlich sahen sie auch Ben. Durch das der Fähre zugewandte Bullauge beobachtete Mike, wie Ben ein ganzes Stück zum Heck hin vergeblich versuchte sich durch die Menge zu quetschen. Als er einsah, wie wenig Sinn dieses Unterfangen hatte, sprang er kurzerhand über Bord und begann mit kräftigen Bewegungen auf das Boot zuzukraulen.

Ben war ein guter Schwimmer, aber an Bord der Fähre hatte sich die Situation dramatisch verändert: Zwei Männer in dunkelblauen Uniformen bahnten sich ihren Weg zur Reling, und Mike bemerkte voller Schreck, dass einer ein Gewehr trug.

Trautman und Singh verständigten sich mit einem schnellen Blick. Während Trautmans Finger über die Kontrollen huschten, Schalter umlegten, Knöpfe drückten und Hebel betätigten, kletterte Singh die Leiter wieder hinauf und verharrte auf der zweitobersten Sprosse, um Ben beim Einsteigen zu helfen.

»Aber die werden doch nicht etwa auf ihn schießen!«, sagte Juan ungläubig.

Wie zur Antwort krachte vom Deck der Fähre ein Schuss. Allerdings galt der Angriff nicht dem Jungen im Wasser, sondern der NAUTILUS selbst. Die Kugel knallte gegen den Turm und heulte als Querschläger davon. Natürlich konnte eine Gewehrkugel dem gewaltigen Schiff keinen Schaden zufügen; selbst die Bullaugen bestanden aus fünf Zentimeter dickem Quarzglas, das ein solches Geschoss nicht einmal anzukratzen vermochte. Trotzdem fuhren alle im Turm so erschrocken zusammen, als wäre das Schiff von einem Kanonenschuss getroffen worden.

»Er ist auf Deck!«, rief Singh zu ihnen hinab. »Los!«

Trautman schob einen großen Hebel nach vorne und die NAUTILUS begann sich schwerfällig in Bewegung zu setzen. Das Schiff war so konstruiert, dass es notfalls auch von einem einzigen Menschen gesteuert werden konnte, allerdings standen zahlreiche Funktionen dann nicht zur Verfügung. Um alle Fähigkeiten des Tauchbootes voll zu nutzen, war eine Besatzung von wenigstens einem Dutzend Mann erforderlich.

Jetzt näherten sich Bens hastige Schritte dem Turm. Vor den beiden Bullaugen stieg eine sprudelnde Wasserlinie in die Höhe.

Ben schaffte es, aber buchstäblich im allerletzten Moment. Kaum eine Sekunde, bevor sich das Wasser endgültig über der NAUTILUS schloss, sprang er mit einem Satz die Leiter herab, und beinahe gleichzeitig knallte Singh den Lukendeckel über sich zu – allerdings nicht schnell genug. Ein Schwall eisigen Wassers schoss herein und ergoss sich über Ben, der gerade erst aus dem Wasser heraus war. Ben begann zu schimpfen, aber niemand achtete darauf.