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Ende des Sommers

Die Dunmow Road, ein trockenes Flussbett inmitten der Hügel von Essex. Wie Quelle und Meer verbindet sie Monk Street und Thaxted, den Weiler mit der Kleinstadt. Eidechsen auf ihrer geschotterten Haut. Irgendwann taucht sie ein in ein wogendes Gerstenfeld, breiter als jeder Exerzierplatz – und mit ihr ein früher Wanderer, staunend über diese staubgoldene Pracht, über das Getreide, das beiderseits immer höher emporragt, bis er zuletzt in leuchtender See versinkt, von magischen Strudeln herabgezogen. Gönnen wir ihm eine Pause. Er entledigt sich seines Jacketts, nimmt die Brille ab, wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Ähren über ihm strotzen vor Kraft: geballte Wärme eines langen Sommers. Vor dem blauen Himmel tasten ihre Grannenfinger nacheinander. Eine Armee, fährt es ihm durch den Sinn, ein Aufmarsch: Mann neben Mann, Schulter an Schulter, gemeinsam vom Wind gebeugt, gemeinsam zurückweichend. Schwankend und doch im Gleichklang. Es ist Gerste, braungoldene Gerste, und sie hätte längst geerntet werden müssen. Aber woran soll man sonst denken, in diesen Zeiten?

Der Wanderer setzt seinen Weg fort, trotz der Morgenstunde froh über jeden Luftzug. Er kann sich nicht erinnern, jemals einen so gewaltigen Spätsommer erlebt zu haben.

Was für ein Sommer … Überall erhitzen sich die Geister, in allen Ländern. Das junge Jahrhundert steckt voll hochfliegender, weitreichender Gedanken, Grenzen werden missachtet, man beginnt mit der Neuordnung des Kontinents oder, warum nicht, des Planeten, die Strategen bekommen glänzende Augen, wenn sie mit einer Bewegung ihres Handrückens alle Bedenken, jede Beschränkung und jeden Protest von der Weltkarte fegen. Glühend erregte Stirnen, wohin man schaut, sich überschlagende Stimmen, das eisenschmelzende Feuer der Erregung. Alles in Aufruhr. Der Einzelne gilt wieder etwas, er ist Gedanke geworden und wird über die Grenzen geschickt, ins Feld, in die Felder … Mit den anderen zusammen, im Gleichklang.

Was für ein Sommer!

Ein Automobil rollt gemächlich durch die Gerstensee, überholt den Wanderer, hält stotternd an: ob man den Herrn mitnehmen könne. Nach Thaxted. Bei dieser Hitze.

Danke, nein. Der Weg geht sich leicht, trotz der Temperaturen. Außerdem ist es nicht mehr weit. Vielen Dank.

Langsam entfernt sich der Wagen. Die Staubwolke, die er aufrührt, wird vom Wind zerteilt.

Die Polizeistation von Thaxted befindet sich im Wohnhaus des Sergeanten Smith, in einem kleinen Raum linkerhand der Diele. Sergeant Smith hat beides, das Haus und die Führung der Station, von seinem Vorgänger übernommen, der vor vielen Jahren in Erfüllung seiner Dienstpflicht verschied. Von zwei Pferdedieben, denen er in eiskalter Dezembernacht auflauerte, wurde der Mann verprügelt. Und weil er bis zum Morgengrauen bewusstlos in einer Pfütze lag, zog er sich eine Unterkühlung zu, an der er starb. Seit Menschengedenken war in Thaxted kein schrecklicheres, verabscheuungswürdigeres Verbrechen begangen worden, und was nützte es den beiden Dieben, dass sie sich brieflich bei der Witwe des Sergeanten und bei den Bewohnern des Ortes entschuldigten? Am Galgen mussten sie Abschied nehmen von ihrem sündigen Leben. Das ist lange her.

Bis zu diesem Sommer hat es keinen Vorfall gegeben, der sich auch nur annähernd mit den alten Geschichten hätte messen können, und jeden Abend schickt Sergeant Smith ein Stoßgebet gen Himmel, dass sich daran nichts ändert. Dafür ist er auch bereit, ein Ärgernis zu ertragen, das wie eine Landplage über den Ort hereingebrochen ist: das Schreckgespenst des Kommunismus. Ja, der rote Brand hat Fuß gefasst in Thaxted, und zwar in Gestalt eines Pfarrers: Vikar Conrad Noel. Ein berühmter Mann, sicher. Und vielleicht der Einzige, der zu St. John the Baptist passt, dieser viel zu groß geratenen Kirche im Zentrum von Thaxted. Aber warum muss er Dinge predigen, die in dieser Region des Landes noch niemand zu denken geschweige denn auszusprechen gewagt hat, schon gar kein Pfarrer? Und welcher Gott heißt ihn, vor seiner Kirche die Flagge irischer Nationalisten neben der roten Arbeiterfahne zu hissen? Mehr als einmal hat Sergeant Smith den Vikar ermahnen müssen, hat seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen, wie sie nur ein Repräsentant der Krone besitzt. Der Vertreter eines Weltreiches. Dass der von Marx und Engels infizierte Geistliche aber jemals seine umstürzlerischen Gedanken in die Tat umsetzen, seine Hand gegen die Ordnungsmacht erheben würde, glaubt selbst der Polizist nicht.

Obwohl, man weiß nie. Drüben in Russland spielen sich seltsame Dinge ab. Vom übrigen Kontinent ganz zu schweigen.

Glitzerndes Sonnenlicht fällt durch die geöffneten Fenster der Thaxteder Polizeistation, als der Wanderer über die Schwelle tritt. An einem breiten Sekretär, der den Raum in zwei Hälften teilt, sitzt ein uniformierter junger Mann hinter einer Schreibmaschine und ölt die Mechanik.

»Guten Morgen«, sagt der Wanderer. »Sergeant Smith?«

»Oh, nein«, entgegnet der junge Mann und springt auf. »Das bin ich nicht, bitteschön. Der Sergeant ist ausgegangen. Ich bin bloß Konstabler. Konstabler Brown.«

»Sergeant Smith hat mich zum Gespräch hierher gebeten.«

»Ah, ja.« Eine leichte Röte überzieht das Gesicht des Konstablers. Er hat rotblonde, gelockte Haare, blasse Haut und ein überlanges Kinn. Das Ölkännchen wandert von einer Hand in die andere. »Ich weiß. Er sagte … Sergeant Smith musste dringend fort. Seine Frau bat ihn, bei Besorgungen zu helfen. Er wusste nicht, dass Sie so früh kommen würden.«

»Eine schlechte Angewohnheit«, lächelt der Wanderer. »Außerdem steht jetzt die Sonne noch nicht so hoch. Bei meinem Heimweg wird das anders sein.«

»Vielleicht finden wir einen Wagen, der Sie zurückbringt.«

»Nicht nötig, danke.«

Der Konstabler nickt. Er überlegt, was zu tun ist. Sein Vorgesetzter wird kaum innerhalb der nächsten halben Stunde zurückkehren. Peinlich genug, dass der Mann den Weg von Monk Street in der aufkommenden Hitze zu Fuß zurückgelegt hat; peinlicher noch, dass er nun warten muss. Im Grunde könnte er selbst, obwohl nur Konstabler, das Gespräch bestreiten, es würde allen nützen. Auch wenn er nicht alle Details kennt und nicht weiß, mit welcher Methode Sergeant Smith die Befragung des prominenten Gasts zum gewünschten Ergebnis (zu welchem eigentlich?) bringen möchte. Trotzdem lässt er den Gedanken fallen. Man könnte ihm sein eigenmächtiges Vorgehen als Einmischung auslegen, als unbefugtes Vorpreschen.

»Dürfte ich hier neben dem Fenster auf Sergeant Smith warten?«, fragt der Wanderer.

»Aber sicher, gerne. Es tut mir sehr leid, dass Sie …«

»Und stört es Sie, wenn ich ohne Jackett …?«

»Überhaupt nicht, Sir. Nicht im Geringsten.«

Fotografien schmücken die Wand der Polizeistation von Thaxted. Die größten Kreuzer der britischen Seeflotte, das militärische Herzstück des Königreichs, ein Bild neben dem anderen, von Sergeant Smith persönlich angebracht. Immer wieder fällt der Blick des am Fenster sitzenden Wanderers auf die Schlachtschiffe, deren kalte Pracht ihn fasziniert. Abstößt und fasziniert. Leicht vergisst man, welch zerstörerische Macht dieses Land besitzt, wenn man durch helle Gerstenfelder schreitet, in ihnen versinkt, wenn man die träge Eitelkeit plaudernder Frauen auf der Thaxteder Hauptstraße beobachtet, die Anmut spielender Kinder und die Behäbigkeit der Pferdefuhrwerke. Der Wanderer, an der Grenze dieser beiden Welten sitzend, tupft sich ab und zu Schweißperlen von der Stirn. Während vor ihm das kleine ostenglische Städtchen im Morgenlicht erblüht, durchkreuzen hinter ihm der Schlachtkreuzer Indefatigable, die riesenhafte Queen Mary mit ihren über tausend Mann Besatzung und der Panzerkreuzer Good Hope den Dämmer der Polizeistation.

Nur die Tapete stört das Flottenmanöver. Ihr Blumenmuster schmückt auch die Diele und reicht sicherlich bis ins Schlafzimmer der Eheleute Smith hinein.

»Entschuldigen Sie, Sir. Möchten Sie vielleicht etwas trinken? Einen Tee?«

»Ein Glas Wasser wäre gut.«

»Sofort, Sir.« Der junge Konstabler verlässt den Raum, um nach wenigen Sekunden mit einem Glas Wasser in der Hand zurückzukehren. Wie hat er das nur so schnell geschafft? Man hat nicht einmal gehört, wie er einen Wasserhahn aufdrehte.

Während der Besucher trinkt, steht der Polizist mit den Händen auf dem Rücken da und mustert ihn. Das Öl an seinen Fingern hat feine Spuren auf dem Glas hinterlassen. Aber seine Uniform ist sauber und gestärkt, jeder Knopf gewienert.

»Es ist ungewöhnlich heiß diese Woche, nicht wahr, Sir?«

Der Wanderer lächelt. »Da haben Sie recht. Stammen Sie aus Thaxted, Konstabler?«

»Nicht ganz. Ich komme aus Finchingfield, fünf Meilen von hier. Aber ich wollte hierher, ich … sehen Sie, ich habe viele Freunde in Thaxted.« Wieder errötet der junge Mann.

»Wie schön.«

»Ich habe mich diesen Sommer hierher versetzen lassen. Meinen Sie, das war richtig? Oder hätte ich mich zur Front melden sollen?«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Nun, so etwas fragt man sich doch heutzutage. Wenn man in meinem Alter ist.«

»Gefällt es Ihnen in Thaxted?«

»Ja, Sir.«

»Dann war es sicher die richtige Entscheidung.«

Der Konstabler nickt und geht langsam zum Sekretär zurück. Nachdenklich schiebt er die Walze der Schreibmaschine von einer Seite auf die andere. Der Besucher verkneift sich ein Gähnen, schlägt die Beine übereinander und schließt die Augen; sein Atem geht sehr ruhig.

Von draußen dringen versprengte Geräusche in das Innere der Polizeistation. Das Anlassen eines Motors, Rufe von Kindern, die Spitzentöne einer entfernten, aber erregten Unterhaltung. Der Konstabler befeuchtet seine Lippen mit der Zunge. Unschlüssig wandert sein Blick von seinen Händen zu dem Mann am offenen Fenster.

»Sie sind Komponist, habe ich gehört«, sagt er schließlich.

Der Mann öffnet die Augen.

»Entschuldigen Sie bitte, dass ich so aufdringlich bin, aber Sergeant Smith erzählte, Sie seien Komponist. Ein berühmter sogar.«

Der Mann nickt.

»Komponieren Sie jetzt gerade?«

»Jetzt?«

»Ja, es sah so aus. Sie hatten die Augen geschlossen.«

Der Besucher blickt den Konstabler an und schweigt.

»Verzeihen Sie«, sagt der junge Mann hastig. »Ich sollte solche Dinge nicht fragen. Wahrscheinlich ist es töricht und beleidigend, jemanden auf diese … Es geht mich ja auch nichts an. Aber als ich Sie so sitzen sah, mit geschlossenen Augen, und ich wusste doch, dass Sie Komponist sind …«

»Nein, nein, das ist schon in Ordnung, Konstabler. Ich musste mir nur selbst darüber klar werden, was gerade in mir vorging. Komponieren würde ich es nicht direkt nennen.«

Der Polizist nickt erleichtert.

»Ich habe gelauscht. Nichts Bestimmtem. Was sich drau­ßen auf der Straße tut. Nennen Sie es das Sammeln von Eindrücken. Aber komponieren?« Wieder lächelt der Mann. »Dafür scheint mir eine Polizeistation kaum der geeignete Ort.«

»Nein, natürlich nicht. Wo komponieren Sie überhaupt?«

»Überall dort, wo ich Ruhe finde. Gewöhnlich ist das mein Arbeitszimmer.«

»Drüben in Monk Street?«

»Oder in London. Hier auf dem Land kann ich mich allerdings bedeutend besser konzentrieren.«

»Und was schreiben Sie gerade? Musik für unsere Truppen? Oder über den Krieg allgemein?«

Der Komponist wirft dem Konstabler einen kurzen, prüfenden Blick zu. Wenn nicht alles täuscht, drückt seine Miene zum erstenmal an diesem Tag Ablehnung aus: Unverständnis, vielleicht sogar Ärger über eine ungehörige Frage. Er wechselt die Stellung seiner übereinandergeschlagenen Beine und sagt: »Nein.«

Der Konstabler wartet, doch es bleibt bei dieser knappen Antwort. Verlegen räuspert er sich. »Entschuldigung«, sagt er nach einer Weile. »Sergeant Smith wird jeden Moment zurück sein, dann wird er Ihnen erklären, weshalb er Sie hergebeten hat.«

Der Wanderer nickt schweigend.

Konstabler Phileas Brown aus Finchingfield hat sich natürlich nicht nach Thaxted versetzen lassen, um dort alte Freundschaften aufzufrischen. Genau genommen kannte er bis zu seinem Dienstantritt vor sechs Wochen nur eine einzige Person aus dem Ort, aber diese Person, eine gewisse Abigail Marshall, drei Jahre jünger als der Konstabler und blond bis zu den Augenbrauen, ist nach seiner Einschätzung jeden Versetzungsantrag wert. Miss Marshall singt im Sopran des Thaxteder Kirchenchors, und seit der Chor die Ehre hatte, das diesjährige Frühlingsfest von Finchingfield zu umrahmen, weiß Konstabler Phileas Brown, dass sein Platz in Thaxted ist. Nirgendwo sonst auf dieser Welt. Er weiß aber auch, dass zu dem bleibenden Eindruck, den Miss Marshall auf ihn machte, ihre helle Stimme gehört, mit der sie ganz alleine die Strophen eines Volkslieds vortrug, sowie ihr entrückter Gesichtsausdruck, mit dem sie sich Madrigalen und Chorälen widmete. Ohne die Feierlichkeit einer musikalischen Darbietung, auch dies ist ihm mittlerweile klar geworden, wäre ihm das Mädchen aus dem Nachbarort nicht aufgefallen, und nur die Sprache der Musik hat bislang eine Verbindung zwischen den beiden jungen Leuten herstellen können, denn noch haben Konstabler Brown und Miss Marshall kein Wort miteinander gewechselt.

Aus diesem Grund hat ihn Sergeant Smiths Mitteilung, heute werde ein Musiker, ein Komponist, die Polizeistation aufsuchen, so irritiert. Früher hielt der Konstabler Künstler für seltsame, womöglich etwas anrüchige Personen, deren Ansehen in keinem Verhältnis zu ihrem gesellschaftlichen Nutzen stand. Diese Meinung hat er inzwischen revidiert. Seit dem Chorkonzert von Finchingfield hegt er sogar eine heimliche Bewunderung für Menschen, denen es mit einer Handvoll Noten gelingt, aus einem Frühlingsfest ein unvergessliches Ereignis zu machen und aus der blonden Tochter eines Thaxteder Werkzeugmachers eine engelhafte Erscheinung. Irritiert hat ihn aber vor allem, dass Sergeant Smith, indem er sich heftig am Kopf kratzte, erklärte, er werde diesem Komponisten einige unangenehme Fragen stellen müssen, Fragen, deren Berechtigung er, der Sergeant, zwar prinzipiell einsehe, die ihm aber in diesem speziellen Fall doch eher unangebracht schienen. Wie auch immer, Befehl sei Befehl, und daher habe er den Komponisten zu sich gebeten. Man werde sehen.

Auch Konstabler Brown würde dem Komponisten gerne ein paar Fragen stellen, aber dazu ist er nicht befugt. Er spielt wieder mit dem Ölkännchen in seinen Händen, während seine Gedanken zu Abigail Marshall wandern und zu den Worten, die er sich für ihr erstes Gespräch zurechtgelegt hat.

Dass Miss Marshall eine entfernte Verwandte eines der beiden Pferdediebe ist, die Sergeant Smiths Amtsvorgänger zu Tode prügelten, weiß der Konstabler nicht. Auch dem Sergeanten ist diese Tatsache nicht bekannt, und wäre sie es, hätte er seinem Untergebenen gegenüber taktvoll geschwiegen. Er hätte lediglich einige Erkundigungen über die Familie Marshall eingeholt. In aller Stille, versteht sich.

»Es ist mir wirklich unbegreiflich«, beginnt Konstabler Brown und springt auf. »Sergeant Smith bleibt sonst nicht so lange fort. Und er weiß ja, dass Sie kommen wollten.«

»Vielleicht hat seine Frau heute ein paar ungewöhnliche Besorgungen zu machen.«

Schwer zu sagen, ob der Komponist diese Bemerkung ironisch meint. Der Konstabler stellt sich neben den Mann ans Fenster, stützt seine Hände auf die Fensterbank und blickt hinaus. Keine Spur von seinem Vorgesetzten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden Zeitungen aus einem Wagen ausgeladen: Eilmeldungen von der Front.

»Kann ich Ihnen nicht wenigstens einen Tee anbieten, Sir?«

»Danke.«

»Falls Sie einen dringenden Termin haben … Ich meine, der geht dann natürlich vor.«

»Oh, ich habe heute nur den Termin mit Sergeant Smith«, lächelt der Komponist. »Wobei ich nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn ich unser Gespräch vor Mittag beendet wüsste.«

»Sicher. So lange wird es kaum dauern.«

»Vor allem, da ich immer noch nicht weiß, worum es sich eigentlich handelt.«

Der Konstabler kratzt sich am Kopf – eine Geste, die er sich, ohne es zu wissen, von seinem Vorgesetzten abgeschaut hat – und blickt wieder hinaus. Der motorisierte Zeitungsbote ist verschwunden, heute Abend wird er zurückkommen, mit einem Stapel druckfrischer Neuigkeiten aus Frankreich, die in diesen Minuten irgendwo in London zu Papier gebracht werden und doch bereits Vergangenheit sind. Unschlüssig trommelt der Polizist mit der linken Hand auf der Fensterbank. Dann dreht er sich abrupt um und geht zurück zum Sekretär.

»Es ist mir wirklich sehr unangenehm, dass Sie warten müssen«, sagt er. »Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen, Sir? Geben Sie Sergeant Smith noch fünf Minuten.« Er deutet auf die kleine Wanduhr über der Eingangstür. »Fünf Minuten, und sollte er dann noch nicht zurück sein, erlauben Sie mir, die Befragung durchzuführen. Auch wenn ich nur Konstabler bin.«

»Gerne«, entgegnet der Komponist und unterdrückt eine Frage: warum Konstabler Brown, da er über den Zweck des Gesprächs offenbar unterrichtet ist, überhaupt auf das Erscheinen seines Vorgesetzten wartet. Eine solche Frage stellt sich nicht, weder in Thaxted noch in London noch an einem anderen Ort des Vereinigten Königreiches. Kein britischer Konstabler würde jemals gegen die Anweisungen eines Sergeanten handeln. Auf diesem Naturgesetz beruhen seit Generationen Macht und Größe des Empires, deren es in Kriegszeiten mehr denn je bedarf.