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Butler Parker
– Box 8 –

E-Book 36-40

Günter Dönges

Impressum:

Epub-Version © 2022 Kelter Media GmbH & Co. KG, Averhoffstraße 14, 22085 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © Kelter Media GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-138-4

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Agenten unter Feuer 

Roman von Dönges, Günter

Parker, Schüsse und Agenten

Roman von Gunter Dönges

Sergeant Wallby von der amerikanischen Kanalpolizei stieg über die Treppe hinauf zur Brücke der »Salvador«. Sein breites, glattrasiertes Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Lächeln, als Kapitän Limon aus der Kapitänskajüte kam und mit schnellen, kleinen Schritten auf ihn zukam.

»Alles in Ordnung?« fragte Kapitän Limon. Er war ein dicklicher, untersetzter Mann von etwa fünfzig Jahren. Er fuhr mit einem riesigen roten Taschentuch über die stark ausgebildete Stirnglatze und wischte sich die Schweißperlen weg. Kapitän Limon trug eine Art Pyjama, dessen Jacke aufgeknöpft war und den Blick auf seine dicht behaarte Brust freigab.

»Alles in Ordnung, von uns aus können Sie losmachen und abfahren.«

Sergeant Wallby reichte das dicke Bündel der Schiffs- und Ladepapiere an Kapitän Limon weiter. Der Kapitän des Frachters nahm das Bündel achtlos entgegen und schob es in ein Wandbord.

»Mal ’ne Frage im Vertrauen«, sagte er dann zu Sergeant Wallby. Sein Amerikanisch war hart akzentuiert. »Warum haben Sie meinen Kahn fast auf den Kopf gestellt, Sergeant?«

»Hab’ ich das?« gab der Sergeant neutral zurück. Er schüttelte sich eine Zigarette aus der Packung, die er einer Tasche seiner stramm sitzenden Hose entnommen hatte, und zündete sie an.

»Ich fahr’ ja nicht zum ersten Mal durch den Kanal«, meinte Kapitän Limon.

»Vielleicht sind wir hinter Gaunern her«, gab Sergeant Wallby lächelnd zurück. Er sog an der Zigarette und sah von der Brücke hinunter auf das Schiffsdeck. Zwei uniformierte Männer der Kanalpolizei winkten lässig nach oben. Sergeant Wallby antwortete mit einer vagen Handbewegung.

»Gauner? Hier auf der ›Salvador‹?« Kapitän Limon sah Sergeant Wallby entgeistert an. »Das war doch ’n Witz, oder?«

»Wir sehen uns jeden Kahn an, der durch den Panama-Kanal fährt«, erwiderte der Sergeant gleichmütig.

»Um was geht es eigentlich?« wollte Kapitän Limon wissen. »Mir können Sie’s doch sagen, Sergeant.«

»Können Sie den Mund halten?« erkundigte sich Sergeant Wallby mit gedämpfter Stimme.

»Klar«, gab Kapitän Limon zurück. »Ich kann schweigen wie ein Grab.«

»Ich auch...!« Sergeant Wallby grinste, tippte an den Rand seiner Mütze und ging dann mit schnellen Schritten zurück zur Treppe. Innerhalb weniger Sekunden war er von der Brücke verschwunden.

Kapitän Limon fluchte leise.

Er baute sich am Brückenrand auf und sah dem Sergeant nach, der seinen beiden Männern zunickte und dann zusammen mit ihnen über die Gangway hinüber auf den Kai stieg.

»Was war los? Ärger mit der Kanalpolizei?«

Kapitän Limon wandte sich zu dem Sprecher um, der lautlos hinter ihm erschienen war. Er stand dem 1. Offizier der »Salvador« gegenüber, einem mittelgroßen, schlanken Mann von knapp vierzig Jahren.

»Die spielen sich wieder auf«, meinte Kapitän Limon und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

»Hab’ ich auch schon gemerkt, Käpt’n«, antwortete der 1. Offizier. Er hieß Steve Mulligan und wirkte verschlossen. »Ich hab’ sie durch alle Laderäume führen müssen. Sie haben sogar Stichproben gemacht und wollten sich die Ladung ganz genau ansehen.« Steve Mulligan lächelte plötzlich und fügte hinzu: »Vielleicht sind sie mal wieder hinter Waffen her...!«

»Wenn schon...!« Kapitän Limon machte eine wegwerfende Handbewegung. Er wischte sich erneut den Schweiß von der Stirnglatze. »Da hätten sie bei uns lange suchen können.«

»Wann legen wir ab?« erkundigte sich Steve Mulligan, das Thema wechselnd.

»In ’ner halben Stunde fahren wir in den Kanal ein«, sagte Kapitän Limon. »Bereiten Sie alles für das Ablegen vor, Mulligan. Und sehen Sie sich die Maschine noch mal an... Die hörte sich nicht besonders lupenrein an!«

»Ich werd’ mich sofort drum kümmern«, erwiderte der 1. Offizier. »Ich geh’ noch mal runter zum Chief. Vielleicht weiß der inzwischen mehr!«

Steve Mulligan nickte seinem Kapitän kurz zu und verließ die Brücke. Kapitän Limon bemühte ein drittes Mal sein riesiges Taschentuch und wischte sich damit die neugebildeten Schweißperlen ab. Aus zusammengekniffenen Augen sah er dann zum Kai hinüber, auf dem Sergeant Wallby und seine beiden Begleiter zu erkennen waren. Sie stiegen gerade in einen Jeep, der kurz darauf schnell davonfuhr. Der Jeep verschwand hinter Lagerschuppen und abgestellten Lastwagen.

Kapitän Limon wollte sich gerade ab wenden, als seine Augen von einem Lichtblitz getroffen wurden.

Die Mittagssonne schien sich in irgendeinem polierten Gegenstand gespiegelt zu haben.

Kapitän Limon beschattete mit der flachen Hand seine Augen. Dann sah er zu einem der wellblechgedeckten Lagerschuppen hinüber. Er machte einen amerikanischen Wagen aus, neben dem ein schlanker Mann stand.

Dieser Mann nahm gerade ein Fernglas von den Augen herunter und ging um den Wagen herum. Er setzte sich ans Steuer und fuhr augenblicklich davon. Die Entfernung war zu weit, um sich das Kennzeichnen des Wagens merken zu können.

Kapitän Limon fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut. Trotz der sengenden Hitze schien er zu frösteln. Mit schnellen Schritten verschwand er in seiner Kapitänskajüte. Auf seiner hohen Stirn hatten sich tief eingeschnittene, steile Falten gebildet...

*

Der seltsame Hotelgast schien sich aus einem verstaubten Plüschmuseum hierher in die weiträumige Halle verirrt zu haben. Stocksteif, als habe er einen Besenstiel verschluckt, saß er auf der Kante des tiefen und bequemen Sessels und ignorierte die Einladung der schwellenden Polster.

Er mißachtete auch die teils neugierigen, teil amüsanten Blicke, die seiner Erscheinung galten. Dieser seltsame Hotelgast trug einen tiefschwarzen Zweireiher, unter dem eine ebenfalls tiefschwarze Weste zu sehen war.

Der seltsame Hotelgast hatte seine schwarze, steife Melone auf dem zentimeterdicken Teppich abgestellt. Seine Hände, die in schwarzen Zwirnhandschuhen staken, lagen gekreuzt über dem Bambusgriff eines altväterlich wirkenden schwarzen Regenschirms.

Eingeweihte Gangster, Gauner und Ganoven hätten diesen so korrekt dasitzenden Mann sofort als Butler Josuah Parker identifizieren können, doch Chikago, die Heimatstadt des Butlers, war weit, sehr weit. Josuah Parker wartete hier in der Halle des exklusiven »Globe-Hotel« von Panama-City auf seinen jungen Herrn.

Parker war schlank, ohne aber mager zu wirken. Er war etwas über mittelgroß und hatte ein Gesicht, an dem sein Alter sich auf keinen Fall ablesen ließ. Er konnte sowohl vierzig als auch fünfzig Jahre alt sein. Sein undurchdringliches Pokergesicht mit den grauen Augen wirkte glatt und war tief ausrasiert. Obwohl trotz der Klimaanlage des Hotels die Halle recht gut temperiert war, wirkte der Butler kühl wie ein Eisberg. Ja, er schien sogar eine gewisse Kälte zu verströmen.

Butler Parker sah durch die vielen ferienfrohen Hotelgäste hindurch, die die Lounge des Hotels bevölkerten. Mit gemessenen, abgezirkelten Bewegungen knöpfte er seinen tiefschwarzen Zweireiher auf und faßte nach der Uhr, die sich in einer der vielen Westentaschen befand.

Es war eine Uhr, die in Form und Größe an eine besonders wohlgewachsene Zwiebel erinnerte. Sie hing an einer Uhrkette, deren Glieder glatt ausgereicht hätten, ein mittelgroßes Schiff zu verankern. Es tickte sehr laut, als Parker den Sprungdeckel dieser Uhr aufspringen ließ.

Parker stellte fest, daß er noch zehn Minuten zu warten hatte, bis sein junger Herr hier in der Hotelhalle erschien. Anwalt Mike Rander hatte ihn durch ein Blitztelegramm nach Panama-City beordert. Josuah Parker war dieser Einladung mehr als gern gefolgt, denn er witterte hier in den tropischen Breiten ein neues Abenteuer. Weshalb Mike Rander ihn brauchte, war aus dem bewußten Blitztelegramm nicht hervorgegangen, doch das spielte im Moment ja keine Rolle.

Als Parker die zwiebelförmige Uhr zurück in die Westentasche steckte, erschien vor seinem Sessel ein junger Mann, der einen fast weißen Tropenanzug trug. Er gab sich selbstsicher und überlegen. In der Hand hielt er einen leichten, luftdurchlässigen Panamahut.

»Mr. Ployers...?« fragte er, sich an den Butler wenden.

»Wie meinen...?« Parker sah hoch und musterte den jungen, elegant gekleideten Mann, dessen scharfgeschnittenes Gesicht tiefgebräunt war.

»Sie sind doch Ployers, oder...?« Breitbeinig blieb der junge Mann vor Parker stehen.

»Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Parker höflich. Wenn es nicht sein mußte, widersprach er nur selten.

»Mann, Sie sind vielleicht ’ne ulkige Type...!« Der junge Mann grinste etwas abfällig. Gleichzeitig griff er aber in die Tasche seines Jacketts und zog einen schmalen weißen Schein hervor, den er Parker reichte.

Parker sah mit einem winzigen, schnellen Blick, daß es sich um einen Gepäckschein handelte. Er behielt ihn unentschlossen in der Hand.

»Ich weiß durchaus Ihr Vertrauen zu schätzen, Sir«, meinte Parker schließlich. »Doch sehe ich mich gezwungen, einen kleinen Irrtum aufzuklären, zumal ich auf keinen Fall...«

Der junge Mann ließ den Butler nicht ausreden.

»Über Einzelheiten reden wir heute abend«, sagte er, Parker das Wort abschneidend. »Sausen Sie sofort los und besorgen Sie sich die Unterlagen aus dem Schließfach! Wir sehen uns um 20.00 Uhr im ›Miraflores‹, klar?«

»Wenn Sie darauf bestehen!« seufzte Butler Parker.

»Und passen Sie auf, damit man Sie nicht beschattet, Ployers«, fügte der junge Mann noch hinzu, bevor er sich dann auf dem Absatz umwandte und auf die Drehtür der Hotelhalle zuging.

Josuah Parker ließ den bewußten Gepäckschein in seiner Westentasche verschwinden und schüttelte andeutungsweise den Kopf. Es wollte ihm einfach nicht eingehen, daß man ihn mit einem ähnlich aussehenden Mann verwechselt hatte.

Der junge Mann war inzwischen draußen auf der Straße verschwunden. Er schien es sehr eilig gehabt zu haben. Auf jeden Fall eiliger als sein junger Herr, Mike Rander. Der mit ihm vereinbarte Zeitpunkt war inzwischen längst überschritten. Parker wunderte sich sehr darüber, daß Mike Rander unpünktlich war. Gleichzeitig aber kroch eine gewisse Sorge in ihm hoch. Sollte seinem jungen Herrn irgend etwas passiert sein?

Bevor der Butler diesen Gedanken weiter ausspinnen konnte, öffnete sich die Tür eines Lifts. Ein etwa vierzigjähriger, kompakt wirkender Mann mit glattem Gesicht betrat die Hotelhalle. Er trug einen unauffälligen dunklen Anzug, unter dem eine gestreifte Weste zu sehen war. Parker wußte sofort, daß er es mit einem Berufskollegen zu tun hatte. Dieser Vierzigjährige mußte Butler oder Kammerdiener sein. Seine Manieren waren ausgezeichnet.

Der Mann ging zur Rezeption und stellte einige Fragen, die der Empfangschef mit bedauerndem Kopfschütteln beantwortete.

Wenig später ließ sich der Berufskollege von Parker in einem Sessel nieder und zündete sich eine Zigarette an. Parkers Gesicht nahm einen leicht mißbilligenden Ausdruck an. Sein Berufskollege gab sich nämlich sehr lässig. Er ruhte förmlich in den schwellenden Polstern des Sessels. Hinzu kam, daß er rauchte. Einem bestens geschulten Butler oder Kammerdiener wären solche Entgleisungen wohl kaum passiert.

Parker prägte sich das Gesicht seines jüngeren Berufskollegen ein. Langsam wurde er sich klar darüber, daß dieser Mann wohl der richtige Empfänger des Gepäckscheins sein mußte.

Bevor Josuah Parker zur Anmeldung gehen und dort nachfragen konnte, erschien ein schlanker Enddreißiger im Eingang. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, sah sehr sportlich aus und hatte braunes Haar und braune Augen.

Dieser junge Mann warf einen prüfenden Blick in die Halle, erkannte Parker und winkte ihm ungeniert zu. Dann kam er mit schnellen Schritten und blieb lächelnd vor dem Butler stehen.

Parker hatte sich schon längst erhoben.

Feierlich und gemessen wie ein Zeremonienmeister verbeugte er sich.

»Es ist mir eine Freude und Ehre zugleich, Sir, Sie begrüßen zu dürfen«, sagte Parker dann in seiner barocken, etwas umständlichen Art. »Ich möchte glauben und hoffen, daß ich schnell genug hierher nach Panama-City gekommen bin.«

»Sind Sie, Parker, sind Sie...! Schnell genug, um eine tolle Schweinerei mit verhindern zu können. Aber nehmen wir erst einen Drink an der Hotelbar. Draußen im Hafen war’s heiß genug. Ich bin wie ausgetrocknet.«

Parker hob seine schwarze Melone vom Teppich auf und legte den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms über den linken Unterarm. Dann folgte er seinem jungen Herrn in die Bar. Er ließ sich auf keinen Fall anmerken, wie interessiert und neugierig er war. Er konnte es aber kaum erwarten, Einzelheiten über jene tolle Schweinerei zu erfahren, von der sein junger Herr gesprochen hatte.

Als er Mike Rander folgte, kam er dicht an dem, Sessel vorbei, in dem sein Berufskollege Platz genommen hatte. Der kompakte Mann mit den etwas groben Gesichtszügen achtete überhaupt nicht auf den Butler. Er übersah ihn völlig, schien sich innerlich mit sehr wichtigen Dingen zu befassen.

Parker hingegen beobachtete sehr aufmerksam.

So stellte er unter anderem zum Beispiel fest, daß sein Berufskollege eine Schußwaffe trug, die in einem hochsitzenden Schulterhalfter stak. Für einen normalen Butler oder Kammerdiener war das immerhin eine mehr als ungewöhnliche Berufsausrüstung...

Sie saßen sich in einer Nische der Hotelbar gegenüber. Mike Rander rauchte eine Zigarette. Er wirkte abgespannt und nervös.

»Geheime Kommandosache, was ich Ihnen jetzt erzähle«, sagte er zu Josuah Parker. »Der Geheimdienst hat mich hierher nach Panama-City geschickt. Man weiß in Washington, daß ich Sie mit einschalten werde. Wir haben völlig freie Hand.«

»Darf ich unterstellen, daß Sie und meine Wenigkeit verhindern sollen, daß der Panama-Kanal gesprengt wird?« erkundigte Parker sich gemessen und würdevoll. Er redete in einem Ton, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.

»Woher... woher haben Sie denn das?« fragte Mike Rander verblüfft zurück.

»Nun ja, Sir, mit solchen und ähnlichen Aktionen war wohl immer zu rechnen«, erwiderte Parker. »Sie bieten sich für eine Fremdmacht ja förmlich an.«

»Ja, Sie treffen den Nagel genau auf den Kopf.« Mike Rander drückte seine Zigarette aus, um sich gleich darauf eine neue anzuzünden. Er war tatsächlich nervös. »Beim Geheimdienst ist bekannt geworden, daß eine der Panama-Schleusen in die Luft gesprengt werden soll. Was das bedeutet, brauche ich Ihnen ja wohl nicht erst zu erklären...!«

»Natürlich nicht, Sir!« Parker nickte. »Sind dem Geheimdienst Einzelheiten bekannt? Mit anderen Worten, weiß man ungefähr, welche Schleusen vernichtet werden sollen?«

»Leider nicht, Parker. Der Tip, den man dort bekommen hat, ist nur ein vager Hinweis.«

»Wenn ich mich recht erinnere, Sir, dürfte der Panama-Kanal nicht nur eine einzige Schleuse besitzen.«

»Stimmt haargenau, Parker.« Mike Rander lächelte bitter. »Wir sind auf Vermutungen angewiesen. Wir können nur ahnen, wie dieser Sabotageakt über die Bühne gehen wird.«

»Mittels eines Schiffes, das bis zum Rand mit Sprengstoff angefüllt ist, nicht wahr, Sir?« Parkers Stimme klang ruhig und konzentriert.

»Hoffentlich behalten Sie nicht recht, Parker. Aber ich fürchte, daß dies der beste Weg ist, den Kanal unbrauchbar zu machen.«

»Darf ich mir einige Einzelheiten in die Erinnerung zurückrufen, Sir?«

»Natürlich, Parker, rufen Sie...«

»Nun denn, Sir, der fast 82 Kilometer lange Kanal beginnt an der Atlantikseite beim Hafen Christobal, um von dort aus nach etwa 11 Kilometern zu den Schleusen von Gatun zu führen. Hier werden die eingeschleusten Schiffe um ungefähr 26 Meter gehoben und können dann durch den Gatunsee bis zum Culebra-Einschnitt fahren. - Am Ende dieses Durchstichs befinden sich die Doppelschleusen von Pedro Miguel, die es den eingeschleusten Schiffen gestatten, hinunter in den Stausee von Miraflores zu fahren. Am Ende dieses Stausees nun gibt es zwei weitere Doppelschleusen, die in den pazifischen Auslaufkanal führen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß die Kanaldurchfahrt im Schnitt etwa acht Stunden dauert.«

»Sie haben sich verflixt gut präpariert, Parker.« Mike Rander lächelte nur ganz flüchtig. »Bei der Aufzählung der Details werden Sie ja gemerkt haben, wo sich die neuralgischen Punkte des Kanals befinden, oder?«

»Selbstverständlich, Sir... Diese Punkte sind mir nicht entgangen. Eine Sprengung der Schleusen des Tatunsees oder des Stausees von Miraflores würde bedeuten, daß der Panamakanal leerläuft.«

»Grob gesprochen, aber im Prinzip völlig richtig.« Mike Rander seufzte. »Und wir, Parker, haben nicht mehr oder weniger zu tun, als dies zu verhindern.«

»Dürfte dieses Aufgebot in Anbetracht der Umstände nicht etwas zu klein sein, Sir? Ich spreche nicht aus einer persönlichen Sorge oder Angst heraus, es geht mir ausschließlich um die Sache, wie ich mit aller gebotenen Deutlichkeit bemerken möchte.«

»Wir sind natürlich nicht allein auf weiter Flur«, antwortete Mike Rander. »Der Geheimdienst hat uns nur zusätzlich eingeschaltet. Als eine von vielen Sicherungen.«

»Hat man Ihnen, Sir, wenigstens einige Hinweise personeller Art liefern können?«

»Wir werden uns um einen Mann namens Richard Newport kümmern, Parker.« Mike Rander hatte seine Stimme unwillkürlich gedämpft und sah sich verstohlen in der Bar um, als befürchte er, belauscht zu werden. »Dieser Richard Newport ist Schweizer Staatsbürger, in England geboren. Vor vielen Jahren hat er die Schweizer Nationalität angenommen. Newport ist überall dort anzutreffen, wo es Ärger gibt, wo es zu internationalen Komplikationen kommt. Der Geheimdienst in Washington ist fest davon überzeugt, daß Newport von einer fremden Macht bezahl wird.«

»Befindet sich Mr. Newport bereits hier in Panama-City, Sir?«

»Natürlich...! Seit genau einer Woche...! Und das Gefährliche an dieser Geschichte ist, daß er sich bisher nicht gerührt hat. Er spielt die Rolle eines Globetrotters, der sich die Schönheiten dieser Welt ansehen will. Ich bin aber fest davon überzeugt, daß er die Sprengung einer Doppelschleuse längst in die Wege geleitet hat.«

»Und wo, wenn ich fragen darf, ist dieser Mr. Richard Newport abgestiegen?«

»In einem exklusiven Bungalow in der Nähe des Hafens, außerhalb der amerikanischen Kanalzone.«

»Wenn ich recht verstanden habe, Sir, so hat Mr. Newport einen Butler oder Kammerdiener, nicht wahr?«

»Woher wissen Sie denn das schon wieder?« fragte Mike Rander verblüfft.

*

Bevor Josuah Parker die Frage seines jungen Herrn beantworten konnte, erschien ein Boy in der Bar, der eine Tafel trug. Auf dieser schwarzen Tafel stand Mike Randers Name. Er wurde am Telefon verlangt.

»Bin gleich wieder zurück«, sagte Rander und stand auf. Er ging auf den Hotelboy zu, sprach ein paar Worte mit ihm und verließ dann die Bar.

Josuah Parker fingerte unwillkürlich nach dem Gepäckschein in der Westentasche. Er dachte an den jungen Mann, der ihn offensichtlich mit jenem Butler verwechselt hatte, der draußen in der Hotelhalle saß. Ob jener Mann der Butler dieses Richard Newport war? Parker hatte aus einer plötzlichen Eingebung heraus seinen jungen Herrn nach Newports Kammerdiener gefragt. Gab es hier gewisse Zusammenhänge?

Der Butler kam nicht dazu, seine Gedanken durchzudenken, denn in diesem Moment betraten zwei Männer die Bar. Sie waren fast gleichgroß, schlank und trugen helle Sommeranzüge, die gut geschnitten waren. Es handelte sich um zwei Panamesen, deren Gesichtshaut einen dunklen Bronzeton aufwies.

Sie gingen auf die Bartheke zu, dann schwenkten sie jedoch schnell ab und blieben vor der Nische stehen, in der Parker saß.

»Sie werden am Telefon verlangt«, sagte einer der beiden Panamesen. Seine dunklen Augen wirkten stechend. Sein Amerikanisch war fließend und wies kaum einen Akzent auf.

»Sind Sie sicher?« erkundigte sich Parker.

»Ganz sicher«, sagte der Panamese mit den stechenden dunklen Augen. Um seine Worte zu unterstreichen, zog er seine Hand aus der Tasche seines Jackets. Parker sah mit höflichem Interesse auf den kurzläufigen 38 er, der sich in der Hand des Mannes befand.

»Meinen Sie tatsächlich meine Wenigkeit?« fragte Parker sicherheitshalber noch mal.

»Los, stehen Sie auf, kommen Sie mit!« Der zweite Panamese, der wesentlich schlechter sprach als sein Partner, lächelte bösartig.

»Sie haben mich vollkommen überzeugt«, gab Parker zurück und erhob sich.

»Wir gehen dort durch die Tür«, sagte der Panamese mit dem stechenden Blick. »Und keine Mätzchen, Mann, sonst haben Sie Ärger...!«

Parker wußte inzwischen längst, woran er war. Die Tonart der beiden Männer war ihm vertraut. Zu oft schon hatte Parker sich mit Gangstern herumgeschlagen. Er wußte, welchen Jargon sie sprachen.

Seiner bescheidenen Ansicht nach aber hatte er es hier mit zwei ausgekochten Berufsgangstern zu tun, die ihr mörderisches Handwerk bestens verstanden. Weiterhin war es offensichtlich, daß man seinen jungen Herrn durch ein fingiertes Telefongespräch aus der Bar herausgelockt hatte, um sich ungestört mit ihm, Josuah Parker, befassen zu können.

Parker ging voraus. Die beiden Panamesen folgten ihm. Sie bugsierten ihn auf eine Seitentür der Bar zu. Innerhalb weniger Minuten stand der Butler in einem kurzen Korridor, in dem es wohltuend nach frischem Bratenfleisch roch. Die Hotelküche mußte ganz in der Nähe sein.

»Weiter, weiter!« drängte der Mann mit dem stechenden Blick. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, versetzte er Parker einen mehr als derben Stoß in den Rücken. Der Butler ließ sich nicht anmerken, wie sehr er Berührungen solcher Art haßte. Er paßte sich geschickt den neuen Umweltbedingungen an, zumal er sehr neugierig war, was die beiden Panamesen von ihm wollten.

Am Ende des Korridors befand sich eine Tür, die er öffnen mußte. Parker stand in einem großen, niedrigen Raum, in dem einige Wäschereigeräte standen. Da gab es eine automatische Waschmaschine, Bügelmaschinen, Wäscheschleudern und einfache Tische. In einer Ecke des Raumes stapelte sich die gebrauchte Wäsche.

Der Panamese mit dem stechenden Blick schloß die Tür hinter sich und baute sich breitbeinig vor Parker auf.

»Rücken Sie den Gepäckschein raus, den Sie irrtümlich bekommen haben«, sagte er.

»Wie meinen...?« Parker tat irritiert.

Er hätte es besser nicht getan.

Der Partner mit dem schlechten Amerikanisch hielt plötzlich eine Art Gummiknüppel in der Hand. Damit langte er ohne jede Vorwarnung zu und traf die linke Schulter des Butlers.

»Raus mit dem Gepäckschein, sonst erlebst du dein blaues Wunder«, sagte der Mann mit dem stechenden Blick. »Wir wissen genau, daß du ihn haben mußt...!«

Der zweite Panamese hatte den Gummiknüppel zu einem zweiten Schlag erhoben. Er wartete nur darauf, ihn auf Parker niedersausen zu lassen.

»Ach, Sie meinen den Gepäckschein!« Erst jetzt schien Parker ein Licht aufgegangen zu sein. »In der Tat, ich habe einen solchen erhalten.«

»Dann raus damit...!«

»Ich... ich besitze ihn leider nicht mehr.«

»Wie...?« Der Panamese mit dem stechenden Blick beugte sich vor. »Und wo ist das Papier?«

»Im Papierkorb, wie ich einräumen muß.« Parker lächelte verlegen. »Da er für mich wertlos war, habe ich mir die Freiheit genommen, ihn in einen Papierkorb zu werfen.«

»Mann, Sie haben Nerven! Wo steht der Papierkorb...?«

»Neben der Rezeption...! Sie werden ihn darin bestimmt finden. Das heißt, ich erkläre mich selbstverständlich zu gern bereit, ihn für Sie zu holen...!«

»Das könnte dir so passen, Idiot!« Der Panamese grinste abfällig. Dann wandte er sich an seinen Partner und redete in spanischer Sprache auf ihn ein. Parker verstand jedes Wort. Seine Sprachkenntnisse konnten sich selbstverständlich sehen lassen. Der Panamese mit dem stechenden Blick trug seinem Partner auf, den Gepäckschein aus dem Papierkorb zu holen.

»Und ich bleib’ bei dir, Alter«, sagte er dann abschließend zu Parker. »Und gnade dir Gott, wenn du uns belogen hast...«

Der zweite Panamese verschwand aus dem Raum. Parker und der Mann mit dem stechenden Blick waren unter sich.

Der Panamese traute Parker nicht über den Weg.

Er hielt den kurzläufigen Revolver nach wie vor in der Hand. Er ließ den Butler nicht aus den Augen. Parker stützte sich auf seinen Regenschirm und wartete gelassen. Er wirkte wie ein Mann, der ein besonders reines und gutes Gewissen hat.

»Ich dürfte augenscheinlich mit meinem Kollegen Anthony Ployers verwechselt worden sein, nicht wahr?« fragte Parker, um die Zeit etwas zu überbrücken.

»Sie merken aber auch alles...«

»Ist Mr. Ployers der Kammerdiener eines gewissen Mr. Newport?«

Parker tat nichts anderes, als im übertragenen Sinn auf den berühmtberüchtigten sprichwörtlichen Busch zu klopfen.

»Newport...?« Der Panamese schien von einer mittelgroßen Tarantel gebissen worden zu sein. Er riß weit die Augen auf und starrte den Butler entgeistert an. Der Name Newport schien ihm nicht nur einiges, sondern sogar sehr viel zu sagen. »Woher... woher haben Sie den Namen Newport...?«

»Dort befindet sich die Antwort«, gab der Butler höflich zurück und wies auf die Tür hinter dem Panamesen.

Der Gangster war einfältig genug, sich halb umzuwenden.

Er hätte das besser nicht getan.

Josuah Parker konnte wieder einmal nicht widerstehen.

Er riß den altväterlich gebundenen Regenschirm hoch und schlug dem Panamesen die Waffe aus der Hand.

Der Gangster heulte wütend und zugleich überrascht auf. Dann warf er sich mit konzentrierter Wucht auf den Butler, der ihn allerdings erwartete und ihm einen mehr als herzlichen Empfang bereitete.

Der Gangster rammte mit seinem vorgeschobenen Kinn den bleigefütterten Griff des Regenschirms, verdrehte lustvoll die Augen, stöhnte entzückt und ging anschließend in die Knie. Er schien sich vor dem Butler verbeugen zu wollen, schaffte es jedoch nicht mehr. Der Gangster rollte zur Seite und machte es sich mit angezogenen Beinen auf dem Steinboden bequem.

»Es ist mir in der Tat ungemein peinlich«, murmelte der Butler. »Bei Gelegenheit werde ich mich für meine rüde Handlungsweise in aller Form entschuldigen...!«

Dann beugte er sich über den besinnungslosen Gangster und leistete Erste Hilfe. Daß dabei seine Hände mit der Brieftasche des Burschen in Berührung kamen, war nicht weiter verwunderlich. Parker wollte als höflicher Mensch ja schließlich wissen, mit wem er es zu tun hatte und bei wem er sich zu einem späteren Zeitpunkt zu entschuldigen hatte...

*

Wutschnaubend kam der zweite Gangster zurück in die Waschanstalt des Hotels.

Natürlich hatte er den bewußten Gepäckschein nicht finden können. - Es juckte ihm in allen Fingern, den Gummiknüppel auf dem Butler herumtanzen zu lassen.

Parker empfing diesen Mann an der Tür.

»Sie werden selbstverständlich Verständnis für meine Lage aufbringen können«, begann Parker und wies auf den am Boden liegenden, regungslosen Panamesen. »Aber ich sah mich zu meinem Bedauern gezwungen, etwas zu tun, was ich nun auch Ihnen angedeihen lassen muß...!«

»Wie bitte...?«

Mehr brachte der fassungslose und überraschte zweite Gangster nicht mehr hervor. Er sah plötzlich einen Bambusgriff vor seinen Augen, sah anschließend eine hübsche Ansammlung bunter Sterne und entschloß sich kurzfristig, sich zu einem kurzen, aber tiefen Schlaf niederzulegen. Er bettete sich neben seinen Partner und merkte schon gar nicht mehr, daß Parker auch ihm Hilfe angedeihen ließ.

Der Butler brauchte nur wenige Minuten, um seine privaten Nachforschungen zu beenden. Seine Beute bestand aus einem 38er und aus einem handfesten Gummiknüppel. Gemessen und würdevoll wie ein Storch schritt er zurück in die Bar, wo man ihn bereits vermißt hatte.

Anwalt Mike Rander stand an der Bartheke und war sehr erstaunt, als der Butler durch die Seitentür kam. Er nahm sein gefülltes Glas in die Hand und kam ihm entgegen.

»Wo haben Sie denn gesteckt?« fragte er den Butler.

»Ich habe mir etwas die Füße vertreten, wenn ich ehrlich sein darf, so bin ich dabei nicht ganz auf meine Kosten gekommen.«

»Ich verstehe kein Wort.« Mike Rander sah seinen Butler fragend und etwas mißtrauisch an.

»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich Ihnen die ganzen Einzelheiten im Wagen erklären. Zur Zeit empfiehlt es sich ebenso dringend wie nachdrücklich, diese gastliche Bar zu verlassen.«

»Haben Sie Arger gehabt?«

»Ich eigentlich ja weniger, Sir, mehr zwei Gangster, die bald aus ihrer Ohnmacht aufwachen mußten...!«

»Man kann Sie nicht eine einzige Minute allein lassen«, gab Mike Rander auflachend zurück. »Aber schon gut, verschwinden wir...!«

»Einen Moment noch, Sir...!«

Parker ging zurück in die Nische, in der er von den beiden panamesischen Gangstern überrascht worden war. Der Butler bückte sich und hob ein kleines Papierkügelchen auf, das unter dem Tisch auf dem Spannteppich lag. Er faltete dieses Papierkügelchen auseinander und nickte zufrieden. Es war nach wie vor der bewußte Gepäckschein, den er auf diese Art und Weise kurzfristig aus dem Verkehr gezogen hatte.

Seinen jungen Herrn höflich vorausgehen lassend, folgte er in die Halle. Dann verließen die beiden äußerlich so ungleich aussehenden Männer die Halle des »Globe-Hotel« und hielten auf den parkenden Buick zu, der vor dem Hotel am Straßenrand stand.

Dieser Buick war von Mike Rander gemietet worden. Es handelte sich um einen tiefliegenden, modernen Wagen. Voller Wehmut dachte der Butler gerade in diesem Augenblick an sein hochbeiniges Monstrum, das er in Chikago hatte zurücklassen müssen.

»Soll ich das Steuer übernehmen, Sir?« fragte Parker, als sie den Buick erreicht hatten.

»Auf keinen Fall«, gab der junge Anwalt hastig zurück. »Ihr Fahrstil ist mir, sagen wir, etwas zu gewagt. Ich möchte mir den augenblicklichen guten Zustand meiner Nerven erhalten.«

Mike Rander setzte sich schnell ans Steuer, wartete, bis Josuah Parker umständlich eingestiegen war, und fuhr sodann los. Während der Fahrt hatte Parker ausreichend Gelegenheit, von seinen Abenteuern zu berichten. Mike Rander atmete tief und scharf durch, als Parker geendet hatte.

»Das sieht nach einem Kontakt mit Newport aus«, sagte er schließlich. »Aber ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll...!«

»Die Freude wird sich früher oder später bestimmt noch einstellen«, sagte Parker. »Durch die Überreichung des Gepäckscheins dürften die Agenten um Mr. Newport auf Sie und auf meine Wenigkeit aufmerksam geworden sein.«

»Eben...!« Mehr hatte Mike Rander nicht zu sagen. Er war sehr nachdenklich geworden.

»Ich würde vorschlagen, dieses Spiel konsequent durchzuspielen«, redete der Butler weiter. »Es kommt meiner bescheidenen Meinung nach nur darauf an, interessant zu bleiben...«

»Und wie stellen Sie sich das vor, Parker?«

»Sir, hätten Sie nicht zur Abwechslung einmal Lust, einen Abenteurer zu spielen?«

»Zur Abwechslung ist gut«, meinte Mike Rander bitter. »Mein Leben ist zu einem einzigen großen Abenteuer geworden, seitdem Sie sich mit Gangstern befassen...«

»Hoffentlich hat das nicht Ihre Mißbilligung gefunden, Sir.«

»Na ja, eigentlich bin ich ganz zufrieden.« Mike Rander lächelte schon wieder. »Sie meinen also, man müßte diesem Newport etwas vorgaukeln?«

»Gewiß, Sir! Er müßte in Ihnen und meiner Wenigkeit eine Art, sagen wir, Geschäftskonkurrenz wittern. - Dann wird er, wenn meine Rechnung aufgeht, sich früher oder später mit Ihnen befassen.«

»Und aus allen Rohren schießen lassen...!«

»Dagegen, Sir, läßt sich immer etwas tun«, tröstete Parker seinen jungen Herrn. »Wenn Sie erlauben, werde ich mir etwas einfallen lassen.«

»Ich ahnte es...!« Rander stöhnte in gespielter Verzweiflung und verdrehte gekonnt die Augen. »Was haben Sie denn jetzt im Moment vor, Parker?«

»Ich möchte mir das Gepäckstück ansehen, Sir, das mittels dieses Gepäckscheins einzulösen ist. Wenn mich nicht alles täuscht, muß es sich um die Gepäckaufbewahrung des Flughafens handeln.«

»Und was erwarten Sie zu finden? - Eine Bombe...?«

»Ich rechne mit Bargeld, Sir...«

»Bargeld...?« Mike Rander sah seinen Butler erstaunt an.

»Gangster müssen finanziert werden«, gab Parker zu überlegen. »Und so ein Gangster wie Mr. Newport wird gewiß nicht billig sein. Ich rechne mit einem beträchtlichen Vorschuß, den man ihm auf dem Umweg über ein Gepäckstück zugewiesen hat...!«

»Dann wird Newport aber ganz schön schäumen, wenn wir ihm diesen Vorschuß wegnehmen...!«

»Sie kennen diesen bewußten Herrn bereits, Sir?«

»Nur aus der Entfernung, Parker. Er wohnt in einem Bungalow, der wie ein Tresor abgesichert ist.«

»Er wird diesen streng abgesicherten Bungalow früher oder später verlassen«, prophezeite der Butler. »Welcher Gangster verzichtet schon freiwillig auf eine Bargeldzahlung! Der Kontakt zu Mr. Newport ist meiner bescheidenen Ansicht nach schon so gut wie perfekt...!«

»Und die obligaten Schüsse aus dem Hinterhalt auch«, fügte Mike Rander düster hinzu. Er ahnte schon im voraus, wie sich die Dinge entwickeln würden.

*

Der schweinslederne Koffer war etwas über mittelgroß, wirkte aber bereits ziemlich abgeschabt und schien schon sehr viele internationale Hotels gesehen zu haben. Er war über und über mit Hoteletiketten beklebt worden.

Josuah Parker hatte ihn aus der Gepäckaufbewahrung geholt. Er trug ihn nun zurück zu dem Buick, in dem Mike Rander saß.

Parker hatte gerade auf dem Sitz Platz genommen, als Mike Rander überraschend schnell und rasant losfuhr. Der Butler wurde gegen seinen Willen tief in die Rückenpolster gepreßt.

»Ich glaube, wir haben uns ein paar Gangster eingehandelt«, sagte Rander und wies mit dem Kinn hinauf zum Rückspiegel des Wagens. Parker wandte sich ungeniert um und schaute durch das Rückfenster. Hinter dem Buick fuhr ein unauffällig aussehender grauer Ford.

»Ich muß Ihnen beipflichten, Sir«, sagte Parker. »Der Fahrer des Ford ist jener Gangster, dessen Amerikanisch nicht besonders gut war. Er dürfte übrigens nicht allein sein.«

»Wenn schon...!« Mike Rander aber schmunzelte. »Früher oder später hängen wir den Schlitten ab, Parker. Aber machen Sie jetzt erst mal den Koffer auf. Ich möchte wissen, was drin ist!«

Parker war froh, dieses Stichwort gehört zu haben. Er hatte bereits einen kleinen, blinkenden und hakenförmigen Schlüssel in der Hand, den er vorsichtig in die erste Schloßöffnung gleiten ließ.

Es dauerte wenige Minuten, bis er beide Kofferschlösser aufgesperrt hatte, dann hakte er den Mittelverschluß auf und ließ den Kofferdeckel aufgehen.

Verblüfft beugte Parker sich vor.

»Nicht eine einzige Banknote!« stellte Mike Rander mit einem Seitenblick fest. Dann mußte er sich wieder der asphaltierten Fahrbahn zuwenden.

»Vier sehr gut gearbeitete Zeitzünder«, verkündete Parker, nachdem er einige ölige Putzlappen entfernt hatte. »Zeitzünder, wie ich sie noch nie vorher gesehen habe, Sir.«

»Was schon was heißen will«, meinte Rander lächelnd. »Im Grunde sind mir diese Zeitzünder lieber als Banknoten. So lange wir die haben, können diese Gangster nicht sprengen...!«

»In der Tat, Sir...!« Parker war nachdenklich geworden. »Sehr bedauerlich, daß ich keine Zeit mehr habe, mir die vier Zünder genauer anzusehen...!«

»Diese Zeit werde ich Ihnen gleich verschaffen«, meinte Rander, um dann scharf auf das Gaspedal zu treten. »Die Gangster holen auf...! Ich wette, sie wollen uns da drüben in den Kurven fassen...!«

»Ein gewisser Sichtvorsprung wäre mir wirklich sehr lieb«, sagte Parker. »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich die Zünder unterwegs aus dem Wagen werfen...!«

»So vorsichtig...?«

»Wir werden es ganz sicher nicht nur mit einem einzigen Wagen zu tun haben, Sir...!«

»Sie denken an ein großangelegtes Kesseltreiben?«

»Richtig, Sir...! An diesen vier Zündern hängt die Sprengung des Kanals. Also werden die gegnerischen Agenten und Gangster alles daransetzen, sie uns wieder abzujagen...!«

»Dann mal los...! Hoffentlich sind Sie nachher mit meinem Fahrstil zufrieden...!«

Natürlich war Mike Rander kein schlechter Fahrer. Er hatte in dieser Hinsicht von seinem wesentlich erfahreneren Butler sehr viel gelernt.

Der Anwalt zog den schwarzen Buick verwegen durch die ersten Kehren. Es gelang ihm, den Ford abzuhängen. Wenigstens für einige Minuten. Dann, als der graue Ford wieder aufschloß, befanden sich beide Wagen bereits im Gewirr der vielen Kurven und Kehren.

Innerhalb dieses Kurvengartens wollte Parker den bewußten Koffer aus dem Wagen befördern. Er rechnete fest damit, daß sie früher oder später gestoppt wurden. Das Fehlen des Koffers war dann eine einzige, große Lebensversicherung.

Mit kreischenden Reifen schoß der Buick durch eine Haarnadelkurve und verschwand hinter einem großen, bewaldeten Hang.

»Bremsen, Sir...!«

Mike Rander stieg voll in die Bremsen und hatte seine liebe Mühe und Not, den schlingernden Buick auf der Fahrbahn zu halten. Parker, der das Wagenfenster auf seiner Seite bereits heruntergekurbelt hatte, packte den Koffer und beförderte ihn mit Schwung und Geschick nach draußen.

Der schweinslederne Koffer segelte durch die Luft, beschrieb einen Bogen und verschwand dann im grünen Teppich eines sanften Berghanges. Er wurde augenblicklich von dem wildwuchernden Grün verschluckt.

Gleichzeitig gab Mike Rander erneut Gas, ließ den schweren Buick vorpreschen und fädelte ihn in die nächste Kurve ein. Noch war der graue Ford hinter ihnen nicht zu sehen.

»Man sollte vielleicht doch aussteigen«, schlug Parker plötzlich laut vor.

»Sie glauben an eine Falle...?«

»Ich bin fast enttäuscht, Sir, daß sie noch nicht zu sehen ist...!«

»Da... da haben wir den Salat...!«

Mike Rander bremste erneut scharf.

Parker sah durch die staubige Windschutzscheibe den großen Laster, der quer zur Straße stand und die Fahrbahn blockierte. Dieser Laster schien einsam und verlassen zu sein. Es war nicht zu erkennen, was sich hinter ihm abspielte.

»Raus!« rief Rander seinem Butler zu.

Der Wagen schlingerte durch die Notbremsung hart an den Straßenrand heran. Mike Rander stieg aus dem sich noch wiegenden Buick und lief in geduckter Haltung auf die grüne Busch- und Waldmauer zu, die die Straße zu beiden Seiten einfaßte.

Josuah Parker wollte nicht so leicht auf seine gemessene Würde verzichten. Er klinkte die Wagentür auf seiner Seite auf, stieg auf und griff nach seinem Universal-Regenschirm.

Genau in diesem Augenblick spukte eine Maschinenpistole Feuer.

Die Geschosse lagen gefährlich nahe. Sie stanzten die ersten Löcher in das Blech des Wagens und zertrümmerten die Windschutzscheibe, die klirrend und splitternd zerbarst.

Parker verzichtete unter diesem Eindruck auf seine gewohnte Würde. Wie ein aufgeschreckter Hase galoppierte er seinem jungen Herrn nach, der bereits im dichten grünen Busch verschwunden war.

Sekunden später tauchte der graue Ford hinter dem Buick auf.

Drei Männer fielen förmlich aus dem Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Sie alle hielten solide 45er in den Händen. Sie schossen erst einmal wahllos in das dichte Grün hinein und hofften wohl auf einen Sonntagstreffer.

Mike Rander und sein Butler hatten sich schon in Waldläufer verwandelt. Sie befanden sich auf einem schmalen, schlüpfrigen Pfad, der sich stark nach unten senkte und dem Augenschein nach in eine tiefe, steile Schlucht führte.

Plötzlich hörten die ungezielten Schüsse auf.

Es wurde unheimlich still. Irgendwo knackten Äste. Dann keckerte ein aufgeschreckter Vögel. Zeternd stob er aus dem dichten Gebüsch und verschwand hinter einer Baumgruppe.

Rander war stehengeblieben.

»Und jetzt?« fragte er seinen Butler.

»Ich möchte auf keinen Fall behaupten, Sir, daß ich von Natur aus faul bin«, meinte der Butler. »Auf der anderen Seite möchte ich betonen, daß ich mir grundsätzlich keine Gelegenheit entgehen lasse, ein Auto zu benutzen.«

»Ich verstehe kein Wort.« Mike Rander wirkte ungeduldig und nervös. Er konnte sich schließlich an fünf Fingern abzählen, daß die Gangster ihnen bereits dicht auf den Fersen waren.

»Darf ich Sie höflichst bitten, mir zu folgen, Sir...?«

»Sie... Sie wollen zurück?« Rander sah seinem Butler entgeistert an.

»Ich bemühe mich nur, das zu tun, was die verfolgenden Gangster nicht erwarten.«

Dann ging Parker zurück zur Straße, ohne sich darum zu kümmern, ob sein junger Herr ihm folgte oder nicht...

*

Nach dreißig Metern blieb Parker stehen. Erst jetzt sah er sich nach dem Anwalt um, dann verschwand Parker blitzschnell im dichten Gebüsch rechts des Pfades.

Mike Rander reagierte augenblicklich.

Auch er brachte sich in Deckung und duckte sich ab. Kurz darauf hörte er leise, katzenhafte Schritte. Eine Gestalt tauchte auf. Rander erkannte den Fahrer des Ford.