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ROMANTRUHE SF

Band 07

Science-Fiction-Serie

E-Book Edition

 

 

SIE WARTETEN
JENSEITS DER STERNE

(Science-Fiction-Klassiker)

 

von

HORST HOFFMANN

 

IMPRESSUM

ROMANTRUHE SF

SF-Klassiker und neue Romane

Herausgeber: ROMANTRUHE-Buchversand.

Cover: shutterstock.

Satz und Konvertierung:

ROMANTRUHE-BUCHVERSAND.

© 2017 Romantruhe.

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Die Personen und Begebenheiten der

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Produced in Germany.

Blitze durchzuckten die Atmosphäre des Planeten. Im höllischen Inferno der Naturgewalten brachen die Kontinente auf und machten Platz für das nach außen brechende Innere des Weltenkörpers. Lavaströme bahnten sich ihren Weg über Landstriche, verschlangen die Städte und Dörfer, bis sie schließlich zischend in den, Fluten der Meere verschwanden. Die Ozeane dampften und brachten neue Inseln hervor, Kontinente entstanden und vergingen im Chaos der entfesselten Naturgewalten.

Tausende von Augen verfolgten den Weltuntergang. Die Schiffe, die das Verderben über die Welt gebracht hatten, standen reglos im All und warteten. Ihr Werk war getan. Helle Punkte lösten sich aus dem Chaos und strebten in das Weltall. Die meisten vergingen im Feuer der Aggressoren; diejenigen, die dem Gemetzel entkamen, nahmen rasch Kurs auf die äußeren Planeten und verschwanden im Nichts.

Die geweckten Urkräfte der Schöpfung verwandelten die einst blühende Welt in eine dunkelrot leuchtende Kugel in der Schwärze des Weltraumes. Tage vor dem endgültigen Untergang war der fünfte Planet des Systems ohne jedes Leben.

Als der Himmelskörper auseinanderbrach, befanden sich die Schiffe der Zerstörer bereits weit weg in sicherem Abstand. Das Ende des Planeten wurde zum grandiosen Schauspiel auf den Bildschirmen der Außenübertragung, wo es sich vor zufriedenen, aber auch vor nachdenklichen Gesichtern vollzog.

 

*

 

Die Vernichtung des fünften Planeten war der endgültige Schlusspunkt eines langen und grausamen Krieges gewesen, den zwei benachbarte, aber grundverschiedene Rassen geführt hatten. Die Bewohner der beiden benachbarten Planeten hatten fast zur gleichen Zeit den Schritt ins Weltall gewagt. Nach der anfänglichen Überraschung über die Existenz der anderen hatten beide die andere Rasse immer mehr als Konkurrenten, als Hindernis in der eigenen Ausdehnung empfunden. Dabei war es die Rasse, deren Entwicklung sich auf dem vierten Planeten vollzogen hatte, gewesen, die den Unfrieden geschürt hatte und bereits frühzeitig die Vorbereitungen zu einem kompromisslosen Offensivkrieg gegen die unerwünschten Nachbarn getroffen hatte. Zu dieser Zeit jedoch hatte noch niemand etwas geahnt von dem katastrophalen Ausmaß, das der Konflikt schließlich annehmen würde.

Als man glaubte, genug aufgerüstet zu haben, wagte man den offenen Kampf. Nach zermürbenden und kostspieligen Raumschlachten über beiden Planeten sah man auf dem vierten Planeten keine andere Möglichkeit mehr, als den Nachbarstern zu vernichten. Und die Vernichtung war total. Ein Haufen glühender und bereits erkalteter Trümmerstücke breitete sich auf der Bahn aus, auf der vorher ein blühender und von vielfältigem Leben erfüllter Planet seine Bahn um die Sonne gezogen hatte.

Die Folgen ihrer Handlungen ließen für die Sieger jedoch nicht lange auf sich warten. Ihre Welt veränderte sich. Mit Temperatureinbrüchen ungeahnter Ausmaße kündigte sich an, was die Natur als Antwort auf den Kraftakt der Zerstörung bereithielt. Unter Stürmen starb das Leben auf ihrer Welt. Im Laufe der Jahrtausende verlor sie ihre Atmosphäre und das höhere Leben. Zurück blieben niedrige Lebewesen und stumme Zeugen einer vergangenen Blütezeit.

Natürlich wehrten sich die Bewohner mit allen Kräften gegen ihr Schicksal und suchten ihre Rettung im Weltall. Der größte Teil der vorhandenen Raumschiffe brachte einen ausgesuchten Teil der Bevölkerung zum dritten Planeten, einer jungen Welt, deren Dschungel und Sümpfe von urweltlichem Leben erfüllt waren, während einige Schiffe mit mutigen Männern und Frauen an Bord versuchten, der Katastrophe dadurch zu entgehen, dass sie den Sprung zu Nachbarsonnen wagten, in der Hoffnung, irgendwo dort draußen eine Welt zu finden, die ihnen akzeptable Lebensbedingungen bot und den Fortbestand ihrer Rasse gewährleisten konnte. Sie verschwanden in der Leere des interstellaren Raumes und nahmen den Weg, den die letzten Überlebenden der gegnerischen Rasse bereits vor ihnen angetreten hatten. Der Abschied vom heimatlichen Sonnensystem war endgültig. Niemand an Bord der Schiffe glaubte daran, die heimatliche Sonne jemals aus der Nähe wiederzusehen. Aber sie dachten an ihre Nachkommen ...

Die Kolonisierung des dritten Planeten erwies sich als fast unmöglich. Zwar war die Luft für die Neuankömmlinge atembar, aber die hohen Temperaturen und die feindliche Natur forderten ihre Opfer und dezimierten die Kolonisten. Selbst die Mittel ihrer hoch entwickelten Technik erwiesen sich als nutzlos gegenüber der feindlichen Umwelt und den tückischen Krankheiten, die sich unter den Siedlern ausbreiteten. Hinzu kam, dass auch diese Welt nicht von den Auswirkungen verschont blieb, die die Vernichtung des fünften Planeten im Gefüge des Sonnensystems nach sich zog. Der Fluch der Vernichtung verfolgte die Frevler.

Als der letzte Siedler starb, war es zwar gelungen, einen Teil der Grauen dieser Welt zu bezwingen, aber man war ein Fremdkörper auf dieser Welt geblieben, deren Natur über die perfektionierte Technik triumphiert hatte und deren Leben noch zu jung und unbezähmbar war.

Die letzten Spuren der Kolonisatoren vergingen schnell im Wechsel der Zeiten. Die Hinterlassenschaft ihrer Rasse jedoch prägte auch das Antlitz des Lebens hier. Die Riesen der Urwelt verschwanden unter dem Einfluss des kosmischen Dramas. Ihr Sterben in der sich ändernden Atmosphäre war die Geburt anderer.

Millionen von Jahren herrschte Friede im Sonnensystem. Zahlreiche Monde zogen ihre Bahnen um neun Planeten. Dort, wo früher eine weitere Welt im All gestanden hatte, breiteten sich Trümmer aus und bildeten einen Kleinstplaneten zwischen dem vierten Planeten und seinem neuen, riesigen Nachbarn.

Diejenigen, die in der Stunde des Chaos das System verlassen hatten, kehrten nicht zurück, und es waren keine da, die ihnen folgen konnten.

Es vergingen fast 100 Millionen Jahre, bis es wieder Bewegung gab zwischen den Planeten. Der ehemals belebte vierte Planet zog rot schimmernd seine Bahn um die Sonne, begleitet von zwei Trabanten. Weiter draußen im All stand ein Gürtel von Asteroiden, und weiter auf die Sonne zu stand ein blauer Planet im All, umlaufen von einem Mond.

Dieser dritte Planet des Systems hatte, ebenso wie seine Nachbarn, im Laufe

Jahrmillionen sein Antlitz geändert. Wo einst die Riesen der Urwelt ihren Weg durch Sümpfe und Urwald gebahnt hatten, standen nun Städte, lagen bebaute Felder zwischen gewaltigen Straßennetzen.

Die ersten Satelliten flogen ins All, Menschen erreichten den Mond und kehrten zurück.

Das Leben schickte sich an, zum zweiten Mal die Fesseln zu zerreißen, die die

Schwerkraft ihrer Welt ihnen angelegt hatte, und die Mauern zu stürmen, die die unüberwindliche Leere des Alls vor ihnen auftürmte ...

 

*

 

Einige Milliarden Augenpaare verfolgten über das planetare TV-Netz die letzten Vorbereitungen zum Start des Sternenschiffes. Majestätisch ragte der schlanke Leib der TERRA, wie man das Schiff sinnigerweise getauft hatte, in den dunkelblauen Himmel über der mexikanischen Wüste.

Gut vier Jahre waren seit der Rückkehr der Marsexpedition vergangen, vier Jahre, in denen sich das Weltbild der Menschen grundlegend verändert hatte.

Man schrieb den 8. August 2008.

Die Funde auf dem Nachbarplaneten hatten die letzten Zweifel über intelligentes Leben im All beseitigt. Acht kreisrunde Platten aus einem immer noch unbekannten Material, dessen Alter die Wissenschaftler übereinstimmend mit fast 100 Millionen Jahren angaben, lieferten den Beweis, nach dem die Menschheit so lange vergeblich gesucht hatte.

Drei der Platten, die jeweils einen Durchmesser, von gut einem Meter hatten, zeigten bekannte Sternkonstellationen, wie sie sich auch von der Erde aus zeigten. Die Unterschiede waren minimal. Auf jeder der drei Platten war ein Stern durch einen Kreis besonders gekennzeichnet. Zwei weitere Platten zeigten Darstellungen des Sonnensystems, wobei auf einer anstelle des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter ein weiterer Planet stand. Die restlichen drei waren mit fremdartigen Symbolen übersät, die noch nicht hatten entziffert werden können.

Auffallend war, dass die Erde auf der Platte, die das Sonnensystem in seiner jetzigen Form darstellte, durch einen Kreis besonders hervorgehoben war.

Man hatte daraus drei Schlüsse gezogen:

Erstens: Der Mars war vor vielen Millionen Jahren die Heimat intelligenter Wesen gewesen, die die Raumfahrt kannten und beherrschten, oder aber er war von solchen Lebewesen besucht worden.

Zweitens: Diese Wesen hatten die Erde und mindestens drei Sterne als Bezugspunkte festgehalten, was in Form der Platten als Information dargestellt worden war. Die Tatsache, dass es sich um vergleichsweise unkomplizierte Symbolik handelte und dass die Marsexpedition durch eine bisher ebenfalls nicht identifizierte Strahlung auf die Platten aufmerksam wurde, legte den Schluss nahe, dass diejenigen, die einst den Mars bewohnten oder besuchten, ein starkes Interesse daran gehabt hatten, dass die Informationen demjenigen zukommen sollten, der irgendwann den Mars besuchen würde. Die Platten schienen eine Botschaft zu enthalten.

Drittens: Wenn die Erde, hervorgehoben durch eine Markierung, offensichtlich von »Interesse« für die Marsianer gewesen war, wenn die fremden Wesen also hier hatten existieren können, so lag der Schluss nahe, dass die auf den anderen Platten markierten Sterne ebenfalls ähnliche Lebensbedingungen aufwiesen, beziehungsweise über entsprechende Planeten verfügten. Die Parallele schien offenkundig. Selbst wenn man berücksichtigte, dass die Erde vor 100 Millionen Jahren noch eine Urwelt gewesen war, so faszinierte die Aussicht, jenseits der Grenzen des Sonnensystems andere Welten zu finden, die für den Menschen akzeptable Lebensbedingungen aufwiesen. Selbst wenn sie damals ebenfalls Urwelten gewesen waren wie die Erde - sie mussten eine ähnliche Entwicklung wie die Erde durchgemacht, haben im Laufe der Jahrmillionen.

96 Menschen befanden sich noch an Bord der TERRA, und es waren jene Männer und Frauen, die das Wagnis eines interstellaren Fluges auf sich genommen hatten. Der Bau des Schiffes innerhalb von nur vier Jahren war ermöglicht worden durch das neue Antriebssystem, das bereits zur Marsexpedition geführt hatte, nachdem die irdische Raumfahrt in jahrzehntelanger Resignation stagniert war, als man auf dem Mond gelandet war und nicht das gefunden hatte, was viele insgeheim erhofft hatten.

Die TERRA würde die 96 Menschen über zwölf Lichtjahre weg zum System der Sonne Tau Celti tragen. Jeder hoffte jedenfalls, dass die Sonne ein Planetensystem hatte. Tau Celti war einer der markierten Sterne auf den Platten der Marsianer. Das Schiff war in der Lage, drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Die Besatzung würde den Flug in Tiefschlafkammern verbringen und erst kurz vor dem Ziel aufwachen.

Keiner der Sechsundneunzig ließ Kinder auf der Erde zurück. Jeder war sich über das Risiko des Fluges klar. Bei der Geschwindigkeit des Schiffes ließ sich die relativistische Zeitverzerrung nicht vermeiden, und es würden viele Jahre auf der Erde vergehen, bevor das Schiff zurückkehrte.

Wenn es zurückkehrte.

Der Countdown lief ab. An Bord des Schiffes bereiteten sich 96 Menschen auf den großen Sprung vor. Der Kommandant der TERRA, ein noch junger Mann namens David Morgan, hielt den Sprechfunk mit der Bodenstelle aufrecht und tauschte letzte Daten aus.

Dann erhob sich das Schiff in den wolkenlosen Himmel.

 

*

 

Tau Celti wurde von sieben Planeten umlaufen, die ihrerseits wiederum von Monden begleitet wurden. Eine Ausnahme bildete lediglich der sonnennächste Planet, der zugleich der kleinste des Systems war. Die anderen Planeten glichen in vielem denen des irdischen Sonnensystems. Die drei inneren waren relativ klein, gemessen an den Riesen, die ihre Bahnen weiter draußen zogen. Der zweite Planet war eine Sauerstoffwelt und besaß zwei Monde, ebenso wie Planet Nummer drei, der jedoch eine Methanatmosphäre hatte. Die Planeten Nummer vier bis sechs waren saturngroß und besaßen jeweils ein gutes halbes Dutzend Monde. Der siebte Planet schließlich zog weit draußen im All seine Bahn um die entfernte Sonne und besaß einen beachtlich großen Mond.

Der zweite Planet war also die Welt, auf die sich alle Hoffnungen stützten. Er besaß eine Atmosphäre, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit der gewohnten irdischen hatte, und es war anzunehmen, dass die Luft für Menschen atembar war. Die Temperaturen lagen allerdings erheblich niedriger im Durchschnitt als auf der Erde. Am Äquator bewegten sich die Temperaturen um den Nullpunkt herum. Tau Celti II war eine Eiswelt und funkelte bläulich weiß im All. Der Planet bot den Anblick eines glitzernden Juwels, und die Besatzung der TERRA taufte ihn kurzerhand JEWEL.

Mit sich stetig vermindernder Geschwindigkeit flog das Schiff in das System ein und näherte sich der Bahn des zweiten Planeten.

 

*

 

»... und weißt du, was sein neuester Tick ist?« Sandra warf, eine Karte ab.

David Morgan machte den Stich und spielte eine neue Karte auf. »Und ...?«

»Du weißt doch Bescheid über unseren Bugdesintegrator, der uns vor einer Kollision mit Meteoriten und so weiter schützen soll«, sagte Sandra und machte einen Stich. »Jetzt rennt er quer durchs Schiff und versucht die Leute für seine Idee zu begeistern, den Desintegrator als Superwaffe zu testen. Er sagt, man müsse jederzeit auf das Auftauchen feindlicher Intelligenzen gefasst sein, und dass wir nicht unvorbereitet ...«

»Ich dachte, das Thema wäre seit unserem Start von der Erde erledigt«, unterbrach David ihren Redeschwall. Er kannte die Touren ihres Sicherheitsoffiziers zur Genüge, denn er als Verantwortlicher für die Expedition und das Schiff hatte sich laufend mit den Vorschlägen des Majors auseinanderzusetzen. »Man sollte wirklich meinen, wir hätten die letzten großen Haudegen auf der Erde zurückgelassen, ein für alle Mal.«

»Die haben schon dafür gesorgt, dass sie ihre Leute hier ins Schiff reinbekommen würden!« Sandra war bei ihrem Lieblingsthema. Sie versäumte keine Gelegenheit, über die fünfzig Mann herzuziehen, die man ihnen als Sicherheitstruppe mitgegeben hatte, und wenn sie von der Truppe sprach, dann dauerte es nicht lange, bis sie bei ihrem speziellen Freund, Major Hal Rodgers, angelangt war.

»Der Kerl spinnt doch!«, fuhr sie aufgebracht fort, und da sie wusste, dass auch David nicht allzu viel von den Herren Strategen hielt, gebrauchte sie ein paar deftige Kraftausdrücke, um deutlich zu machen, was sie von Rodgers und seinesgleichen dachte.

»Na, na!«, mahnte David lachend und sah von den Karten auf in das vor Erregung gerötete Gesicht der Biologin. Sie war eine Schönheit, und in ihrem Zorn wirkte sie noch anziehender. In ihren Augen funkelte echte Wut.

»Du bist doch auch meiner Meinung, sei doch ehrlich!« Sandra hatte ihre Karten hingeworfen und war ganz bei der Sache.

»Ich bin verantwortlich für die Expedition und kann mir keine Gefühle gegenüber anderen leisten«, versuchte sich David aus der Affäre zu ziehen. »Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass die Sicherheit des Schiffes im Rahmen des Möglichen gegeben ist. Und deshalb brauchen wir Rodgers und seine Leute, wenn wir wirklich einmal Schwierigkeiten bekommen sollten, was ja keiner hofft. Ich habe bloß etwas gegen Versuche, das Schiff in einen Kasernenhof zu verwandeln. «

Sandras Blick verriet, dass sie nicht ganz überzeugt von seinen Worten war.

»Ich habe wirklich schon genug mit Rodgers selbst zu tun«, versuchte er noch einmal, sie zu besänftigen, »jetzt mach du mir nicht auch noch das Leben schwer. Ich kann mir in meiner Position hier wirklich keine Gefühle ...«‚ sein Blick wanderte über den Oberkörper der attraktiven Frau, »... na, also, fast keine Gefühle der Besatzung gegenüber erlauben.«

Sandra, die den Blick und die Anspielung wohl bemerkt hatte, schlug die Augen nieder, um dann plötzlich sehr intensiv ihren kleinen Hund, den sie unbedingt hatte mitnehmen wollen, zu beobachten.

»Na ja«, murmelte sie dann und zitierte eine im Schiff zur Phrase gewordene Redeweise, »wir sitzen halt alle in einem Boot ...

David ging zu seinem alten Plattenspieler, den, er auf der langen Reise nicht hatte missen wollen, und drehte die abgelaufene Platte um. Als er sich wieder setzte, hatte er die noch halb volle Flasche Wein in der Hand und goss nach. Eine der schönsten Erinnerungen an die Erde, dachte er und nahm einen Schluck.

Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend in ihren bequemen Sesseln und lauschten der Musik, wie so oft, wenn sie gemeinsam ihre dienstfreien Stunden verbrachten. Sandras Gesicht war nachdenklich geworden. Viele Gedanken hatten sie - und nicht nur sie - beschäftigt, seit die Besatzung aus dem Tiefschlaf erwacht war, kurz vor Tau Celti.

»Ob wir etwas von ihnen finden werden?«, sinnierte sie und spielte damit auf gewisse Spekulationen an, die die Konversation an Bord des Schiffes belebten. Seit der Entdeckung der Platten auf dem Mars geisterten sie in den Gehirnen der Menschen herum, jene Fremden, die vor unendlich langer Zeit diese Zeugen einer längst versunkenen Zivilisation zurückgelassen hatten.

»Fängst du jetzt auch schon damit an?« David Morgan glaubte nicht an diese Hirngespinste, was sie seiner Meinung nach waren »Ich sehe es schon vor mir: Bei unserer Landung auf JEWEL werden sie vor uns stehen, uns freundlich begrüßen und in perfektem Englisch sagen: ›Seid gegrüßt, Menschen der Erde. Seit Ewigkeiten warten wir mit Ungeduld. Es wurde aber auch Zeit, dass ihr endlich kommt, lange hatten wir das nicht mehr durchgehalten.‹ Und dann werden sie uns zu einem fürstlichen Begrüßungsmahl führen und uns von den alten Zeiten erzählen, damals auf dem Mars.«

»David!«, rief Sandra fast beleidigt. »So witzig ist das auch wieder nicht! Wieso sollten wir nicht zumindest Spuren von ihnen finden? Schließlich sind wir doch praktisch ihrem Wegweiser gefolgt, und wenn sie Mittel fanden, diese Platten über Millionen von Jahren zu konservieren, dann ...«

»Nun ja«, unterbrach Morgan sie schmunzelnd, »das glaubt schließlich unser Herr Sicherheitsoffizier auch. Darum will er ja seine neue ›Kanone‹ testen ...«

»Ungeheuer komisch, wirklich, du übertriffst dich wieder selbst!« Die schöne Biologin war nun wirklich beleidigt. »Ich glaube, es ist besser, wenn Marc und ich uns jetzt verabschieden.«

Damit stand sie auf und ging zur Tür. Marc war die Abkürzung des vollen Namens ihres geliebten Schoßhündchens, den sie Marcus Antonius getauft hatte. Auf einen kurzen Pfiff seines Frauchens erhob sich das Tier vom Sofa, streckte gemächlich alle viere von sich und watschelte zur Tür.

»Schlaf gut, David Morgan! Und träume nicht von diesen ... diesen Hirngespinsten!« Damit war die temperamentvolle Frau verschwunden.