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Table of Contents

Titel

Impressum

1. Nichts

2. Der Meister des Hohen Rates

3. Der erste Tag der Offenbarung

4. Die Christusrose

5. Ein kleine Freude

6. Dunkle Wolken ziehen auf

7. Das künstliche Koma

8. Der Traum

9. Das Wartezimmer

10. Der nächste Tag

11. Der Waldspaziergang

12. Die Herzklinik

13. Verlegung in die vorige Klinik

14. Der nächste Schritt

15. Innere Station

16. Wieder in der Herzklinik

17. Zu Hause auf Urlaub

18. Der Wald

19. Kardiologische Reha

20. Zu Hause

21. Ein Tag am Meer

22. Das große Zusammenspiel der Schöpfung

23. Der Abschied

24. Wieder zurück und angekommen

25. Zwiespräch mit Gottvater

Danksagung

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Angela Maria

 

 

 

Visionen der Heilung

Rettung eines unheilbar Kranken

durch die geistige Welt

 

Nach wahren Begebenheiten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

         

         

DeBehr

 

Copyright by: Angela Maria

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2018

ISBN: 9783957535450

Grafiken Copyright by Fotolia by theaphotography,  Jitka Svetnickova, jozsitoeroe, @nt, Patrick Daxenbichler, Photobank, JuliaNaether, psychoshadow, Robert Kneschke, ohenze, Kevin Carden, rasica, cristina_conti, VanHope, liliya kulianionak, kichigin19, Tierney

 

1. Nichts

 

Groß, sehr groß stand die Person vor ihr, sogar mit erhobenem Zeigefinger! Auch die Stimme war hart, sie erinnerte an Glas, das gleich springen wollte. Der Raum war finster, was dem Ganzen eine bedrohliche Atmosphäre verlieh.

   Überall Bedrohung, so empfand es das Kind. Der kleine Körper war in Aufruhr, schreckte hoch und war wach – es war nur ein Traum. Ein Traum, der wiederkehrte, immer und immer wieder. Auch wenn die Zeit des Geschehens schon etwas zurücklag, so war das doch allgegenwärtig.

   Lisa war inzwischen kein kleines Kind mehr, eher auf der Stufe eines jungen Mädchens, trotzdem überfielen sie des Nachts diese eigenartigen Träume. Und so hörte sie wieder und wieder die Worte, die früher schon, verzerrt vor Wut, klangen: „Ich sage dir, du bist ein Nichts, du kannst nichts, du taugst zu nichts, du wirst einmal nichts haben, was du wirst vorweisen können. Nichts, dein Wert ist und bleibt, du Nichts, Nichts, Nichts …

   So ging es weiter, lange noch - und dann fühlte Lisa nichts.

   Sie fühlte eine unendliche Zeit nichts, auch die Reise, welche sie in diesem Zustand des Nichts machte, war ihr nicht bewusst. Die Reise, die erfüllt war von Licht, von Farben, von Wärme und den merkwürdigen Worten, die da lauteten: „Lisa, wundere dich nicht.“

   „Was ist das für ein Ort – wo bin ich?“, fragte Lisa „Wer bist du, ich kann dich nicht sehen.“ Da antwortete die Stimme: „Oh, du wirst mich und meine Begleiter gleich sehen, deine Augen müssen sich erst an diese Umgebung gewöhnen, das macht nichts, das geht jedem so, der hierherkommt.“

   Lisa fühlte sich komisch, aber trotzdem sehr wohl. „Jetzt bloß nichts falsch machen, denn ich tauge ja nichts“, dachte sie.

   Da hörte sie wieder diese Stimme: „Lisa, keine Angst, du kamst auf des Adlers Flügeln zu uns.“

   „Auf des Adlers Flügeln?“, rief Lisa erschrocken. „Ja, auf des Adlers Flügeln“, antwortete die Stimme. „Du hast uns gerufen, ganz laut. Es schien sehr dringend zu sein, so haben wir dir einen unserer schnellen Adler geschickt.“

   Lisa bemerkte jetzt einen riesigen Vogel neben sich, normalerweise hätte sie Angst gehabt, aber der Vogel lächelte sie an. „Du darfst deinen Kopf an mein Gefieder legen, hier passiert dir nichts“, flüsterte er ihr ins Ohr.

   Allmählich wurde ihr Blick klarer und sie nahm ihre Umgebung wahr. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, wie sie es immer machte, wenn etwas schier unmöglich war. „Das müssen Engel sein“, sagte sie leise, „große und kleine, und in den herrlichsten Farben.“

   Ein wunderschöner Engel kam auf Lisa zu, er beugte sich zu ihr herab, denn er war groß, sehr groß sogar. „Liebe Lisa“, begrüßte er sie mit glockenheller Stimme, „sei uns willkommen an unserem Ort, unserer Heimat. Du wirst für eine Zeit, wie lang, ist unwichtig, unser Gast sein. - So viele Dinge gibt es zu klären und zu bereden, so viele Dinge für dich zu sehen und zu erkunden, deshalb wolltest du uns besuchen und deshalb bist du hier. Hab keine Angst, du machst nichts falsch, du kannst gar nichts falsch machen.

   Sehr vieles liegt bei den Menschen im großen Missverständnis, in der Angst und im überaus riesigen inneren Druck. All dies werden wir dir aufzeigen, über viele Dinge reden und erklären sowie dich lehren. Wir werden dir von der großen Freiheit und auch der Heilung an Körper und Seele berichten.“ Lisa staunte. „Werde ich es auch begreifen und lernen, denn ich tauge nichts.“ Der Engel lächelte weise. „Oh, Lisa, was haben dir die Menschen nur angetan, aber was wurde auch ihnen immer wieder angetan.“

   Der Engel, ein Erzengel, hielt Lisa einen Spiegel vors Gesicht und sagte: „Schau hinein, kennst du dieses wunderbare Menschenkind?“ Lisa rief verzückt: „Die ist aber hübsch und sieht so klug aus – und … na ja, sie schaut so lieb.“

   Der Erzengel lächelte. „Sieh nur genau hin, erkennst du sie? Ja richtig, das bist du selber!“

   „Nein“, meinte Lisa, „das stimmt nicht, ich bin doch nichts und hässlich auch, das wurde mir immer gesagt.“

   „Papperlapapp“, meinte der Erzengel jetzt etwas forsch und schaute den Adler an. Dieser sagte mit dem Stolz seiner Würde: „Nicht einfach, aber zu schaffen.“

   Lisa lernte in den nächsten Tagen viele Engel kennen, denn der große Erzengel war bei Gottvater in Zusammenkunft mit vielen Mentoren der geistigen Welt, die ein Konsilium abhielten. Nun, Lisa war mir ihren Sorgen nicht allein, denn so viele Menschen, egal welchen Alters, erleben und erlebten dasselbe wie sie.

   Das Konsilium hatte beschlossen, dass, sobald Lisa sich erholt hatte, mit der Schule der Heilung auf allen Ebenen begonnen wird.

   Lisa gewöhnte sich rasch an ihre neue Umgebung, denn es wurde ihr sehr leicht gemacht durch die vielen Engel, die immer um sie herum waren. So vieles durfte sie sehen und erleben, alles brauchte seine Zeit.

   Lisa wunderte sich, dass die Engel, egal ob die größeren oder die kleineren, alle eine spezielle Aufgabe hatten. Eines Tages fragte sie einen kleinen Engel, ob das hier immer so sei. Der kleine Engel lachte lauthals los. „Dachtest du“, antwortete er, „wir singen den ganzen Tag irgendwelche Psalmen oder Hosianna?“ Lisa schüttelte den Kopf und wurde ein wenig rot im Gesicht, denn sie dachte es wirklich. „Ach“, seufzte sie, „es ist so schön hier, alles hat seine Ordnung. Am liebsten würde ich für immer hierbleiben.“

   „Geht nicht“, vernahm sie die Stimme des Adlers, der wie aus dem Nichts plötzlich an ihrer Seite war. „Die Zeit ist noch nicht reif, deine Zeit ist also noch nicht da. Du bist hier nur Gast auf eine unbestimmte Zeit. Du hast hier etwas zu lernen und dann dieses Wissen mit auf die Erde zu nehmen - schon vergessen?“ Bevor Lisa Luft holen konnte, um etwas zu entgegnen, sprach der Adler: „Nein, sage nicht wieder die alten Worte. Die werden durch neue ersetzt werden, das darfst du mir glauben, auch das ist Heilung, denn hier hat alles seine Ordnung. Du hast doch bestimmt schon einmal etwas über die göttliche Ordnung gehört.“

   Lisa sagte nichts. Der Adler schüttelte sein weises Federhaupt, behielt die Worte für sich, die er auf der Zunge hatte, und sagte nur: „Nun ja, alles zu seiner Zeit, alles wirst du lernen und begreifen, denn wenn alles in der göttlichen Ordnung ist, nach der die Menschen und die Tiere geschaffen sind und all die Dinge um dich herum, dann ist alles heil.“

   Der große Tag kam und der wunderschöne Erzengel stand wieder vor Lisa. Seine Schönheit überwältigte Lisa aufs Neue und sie bekam einen besonderen Glanz in ihre Augen, denn sie freute sich so sehr. Der Erzengel nahm sie an ihren Händen und führte sie zu einer weidenumrankten Laube. Ringsum war es still und diese Stille war wohltuend.

   „Lisa“, begann er, „so wie bei allen Menschen kann ich auch in deine Seele sehen und sehe auch bei dir eine übergroße Traurigkeit und auch eine Hilflosigkeit, vermischt mit einer Portion Wut. Habe ich recht?“ Lisa nickte. „Ja“, flüsterte sie ganz leise. „Siehst du“, sagte der Erzengel, „so vieles auf der Erde resultiert aus einer falschen Bedeutung oder auch einer falschen Überlieferung. Dadurch entstanden und entstehen immer noch so unwahre Glaubenssätze auf Grund des verkehrten Wissens.“ Lisa nickte, obwohl sie diese Worte nun doch nicht so ganz verstanden hatte.

   Der Erzengel wusste das und fing an, Lisa auf den Weg zu bringen, der für sie und auch für viele andere richtig ist und auch wichtig. „Lisa“, begann er, „es gibt ein großes Wort mit sehr vielen Bedeutungen. Manchmal ist dieses Wort ein Segen und sehr positiv, aber manchmal auch ein Fluch und sehr negativ. Manchmal ist es groß und dann wiederum sehr klein. Der Erzengel ließ Buchstabe für Buchstabe einzeln auf der Zunge zergehen: Dieses Wort heißt nichts. Dann sah er Lisa an. „Nichts“, wiederholte Lisa. „Ja“, antwortete der Erzengel – „nichts, einfach nur nichts.“

   Der Erzengel legte seine Hände übereinander und fragte: „Gibt es das Nichts überhaupt und was ist es?“ Lisa überlegte: „Ja, nichts ist so viel wie gar nichts, aber das klingt jetzt blöd.“

Dann lächelte sie und meinte: „Nichts ist so viel wie Ruhe und Stille.“ Der Erzengel lächelte. „Wenn du nach einer anstrengenden Arbeit Ruhe und Stille spürst, so ist das sehr viel.“

   „Ja, stimmt“, dachte Lisa. „Ist nichts eigentlich hell oder dunkel“, wollte sie wissen, „traurig oder freudig, wie ist es?“

   Der Erzengel wusste nun, dass er auf dem richtigen Weg war, auch auf dem Weg der Heilung für Lisa, denn wer versteht und annimmt, macht diesen Weg frei. Und so wie nichts viele Bedeutungen und Aussagen hat, so vielseitig ist die Heilung. So weit war Lisa noch nicht.

   Der Erzengel blickte in die Ferne, Lisa folgte seinem Blick. „Schau mal, ganz weit da hinten, was siehst du?“, fragte er Lisa. Die stand ganz bedröppelt da, denn sie sah nichts. Sie druckste herum, bis sie schließlich antwortete: „Ich sehe nichts.“

   „Du siehst nichts?“, fragte leise der Erzengel. „Ich sehe wirklich nichts“, flüsterte Lisa, „es tut mir leid.“

   Jetzt lachte der Erzengel ganz laut, so dass Lisa erschrak, so laut hatte sie die Engel noch nie lachen hören. „Trotzdem weißt du, dass es nicht sein kann, dass da nichts ist. Manchmal sind die Dinge so weit weg, dass wir sie nicht sehen oder spüren können. Und doch wissen wir, dass sie da sind. Siehst du, liebe Lisa, den Strom könnt ihr auch nicht sehen, wohl aber seine Auswirkungen, wie immer sie auch sein mögen. Lass dich nicht täuschen, nicht von den Dingen, die du nicht sehen kannst, und auch nicht von den Dingen im Außen, die du glaubst zu sehen.“

   „Oh“, dachte Lisa, „da sind sie wieder, die weisen Worte des Engels. Oh ja, ich werde lernen, sie zu verstehen. Ich werde lernen, lernen …“ Und dann schlief Lisa auf der Laubenbank ein. Der Erzengel dachte nach: „Nichts kann so global sein, so global wie die Ewigkeit.“ Dabei sah er wohlwollend auf seinen Schützling nieder.

   Lisa schlummerte mit einem Lächeln auf den Lippen. Und ihr Gesicht strahlte. Eigentlich schlief sie gar nicht, es war eher ein Dahinschweben, so wie ein Wiegen im Winde.

   Nach einer kleinen Weile pikste es an ihrem Arm, dann noch einmal, aber ein bisschen stärker. Lisa blinzelte ein wenig, wollte die Augen aber nicht öffnen, sondern weitergeschaukelt werden.

    Aus dem Piksen wurde ein Hacken. Schwups, waren die Augen offen und Lisa setzte sich kerzengerade auf die Bank. Donnerwetter, der Schreck fuhr ihr in die Glieder, als sie in voller Größe, mächtig und allgewaltig den Adler aufgeplustert vor sich sitzen sah. Fragend blickte sie in die großen Adleraugen.  

   „Sind wir nun fertig?“, fragte der Vogel. Lisa fühlte sich ertappt. „Wofür soll ich denn fertig sein?“, erlaubte sie sich zu fragen. Der Adler schien an Größe zuzunehmen. „Hast bemerkt, dass ich die schönsten Augen habe?“ Lisa schüttelte den Kopf. „Nun, dann weißt du es jetzt“, sprach der Adler gebieterisch. „Hör zu, du solltest dich auf meinen Rücken schwingen, damit ich dich zu deinem Lehrer bringen kann.“

   „Ich dachte“, kam es ganz unglücklich, „der Erzengel ist mein Lehrer. Habt ihr denn so viele Lehrer?“

   „Menschenkinder“, dachte der Adler nur, „wir sind hier in der Fülle, in der unendlichen Fülle. Hier fehlt es an nichts, alles ist ausgefüllt mit irgendwas.“ Etwas gütiger nun schaute er Lisa an und erklärte ihr: „Weißt du, hier ist alles anders, größer, weiter, schöner. Alles, was du dir vorstellen kannst, kannst du haben, wenn du es möchtest. Wirklich alles ist da. – Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“

   „Oh ja, oh ja!“ Lisa klatschte in ihre Hände. „Oh bitte, bitte verrate mir ein Geheimnis!“

   Der Adler setzte sich eine Brille auf, nicht, dass er nicht sehen konnte, oh nein, denn die Brille hatte keine Gläser, dies jedoch konnte man wirklich nicht sehen. „Jetzt sehe ich aus wie ein Lehrer“, sagte er sich und räusperte sich kurz. „Hör zu, Lisa“ sprach er, „das Nichts gibt es nicht. Alles ist da, alles ist vorhanden, alles ist spürbar, nichts geht verloren, aber manches und vieles ist nicht zu erkennen, obwohl es da ist. Viele Dinge verwandeln sich während der Veränderung in einen anderen Zustand oder Bewusstseinszustand.

   Nun, wir alle, wirklich alle Lebewesen, ob Mensch, Tier, Pflanze, also alles, was lebt, oder auch Mineralien, was eine Seele hat oder auch Gruppenseele, ist mit der ewigen Quelle verbunden und diese Verbindung reißt niemals ab.

   Ich erkläre es dir noch anders, höre zu: In dem größten Raum des Unterbewusstseins, in der Vereinbarung mit dem Seelenplan – der freie Wille ist ausgeschaltet –, im Raum des Nichts der Unendlichkeit in Verbindung mit der ewigen Quelle findet die tiefe Heilung statt, auf allen Ebenen. Nichts ist die Unendlichkeit, mit der wir immer verbunden sind. Es braucht keinen Raum und keine Zeit. Es ist die Freiheit allen Seins, die Ausdehnung des unendlichen Geistes. Die Menschen sind durch ihren freien Willen, durch ihre alten Glaubenssätze und vieles mehr so zugeschüttet, tragen so viele Mühlsteine um den Hals, dass eine Heilung oft nicht möglich ist, da sie selber den Weg zumauern oder verriegeln.

   „Das muss unendlich traurig und schwer sein für die Menschen“, sprach Lisa voller Mitleid, „unendlich schwer.“

   „Siehst du“, antwortete der Adler, „deshalb bringe ich dich nun zu deinem Lehrer, er ist ein Meister des Hohen Rates. Deinen Erzengel wirst du später wiedertreffen. Nun steige auf meinen Rücken und halte dich an meinen Federn fest, wir haben eine etwas längere Reise vor uns. Dort, wo dein Lehrer wohnt, ist es wunderschön, geradezu herrlich! Es wird dir gefallen. Ich besuche dich auch hin und wieder. Also aufgesessen und festgehalten!“

   Lisa kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Wind zu schützen, und sogleich ging es steil nach oben in die Lüfte.

   Als sie hoch genug waren, rief der Adler: „Lisa, mach die Augen auf! Siehst du die Erde, siehst du die Menschen, die so klein sind? Siehst du, es gibt keine Begrenzungen, alles ist möglich, so wie ich es dir gesagt habe.“

   „Von hier sieht alles so anders aus.“ Lisa wunderte sich wieder. „Ja“, sagte der Adler, „du siehst alles von einer anderen Blickrichtung. Es ist gut, wenn man die hat, vor allem, wenn man feststeckt. Aber davon wirst du noch erfahren.“

 

 

2. Der Meister des Hohen Rates

 

Der Adler flog nun etwas langsamer, so dass Lisa die Landschaft in aller Ruhe sehen konnte. „Es sieht aus wie im Paradies.“ Der Adler wusste, dass diese Harmonie wie Balsam auf ihre Seele wirkt, denn auch sie hatte viele Verletzungen zu heilen, bevor sie in die Tiefe des Lernens und Sehens mit dem Meister eintauchen durfte.

   „Oh, hier riecht es gut …“ Lisa holte ganz tief Luft und sie spürte, wie sich ihr Brustkorb weitete. Der Adler war sachte hinunter auf eine grüne Fläche geflogen, die wie Gras aussah. Aber es war kein Gras.

   Sie kletterte vom Rücken des Adlers. Es fühlte sich so angenehm an, dass Lisa ihre Schuhe auszog und barfuß umherlief. Sie summte leise vor sich hin und tänzelte ein wenig, sie fühlte sich angenommen und getragen in dieser Farbenpracht, niemand drängte sie zur Eile. „Alles ist gut, so wie es ist“, dachte sie.

   Der Adler fragte: „Hast du schon gemerkt, hier gibt es keine Zeit, überhaupt keine Zeit so wie auf der Erde. Dafür gibt es aber eine bestimmte Ordnung – die göttliche Ordnung –, nach der alles geschaffen ist. Diese Ordnung und die unendliche Liebe sind die Grundsteine und Realitäten einer jeden Heilung. Und darum bist du hier. Du wirst unendlich geliebt und wirst den Zugang zu der Ich-bin-Kraft, der göttlichen Kraft, bekommen. Aber ich greife schon wieder vor, sollte doch meinen Schnabel halten. Das ist oft schwer für mich“, seufzte der Adler. Dann machte er eine Verbeugung. Sein Gesicht wurde ernst. Lisa schaute ihn verwundert an, gerade so wie einst, als der Erzengel vor ihr stand.

   Der Meister des Hohen Rates schaute auf das Mädchen herab. Er war sehr groß und trug einen blauen langen Umhang aus Brokat. Seinen Kopf zierte ein Turban, auch der war blau und in der Mitte leuchtete ein großer Edelstein mit der Sonne um die Wette. Überhaupt sah der Meister sehr edel aus, was Lisa doch etwas Angst machte.

   „Großer Meister“, sprach der Adler, „wie abgesprochen, bringe ich dir Lisa.“ Schon hatte er sich mit weiten Flügelschlägen in die Lüfte erhoben und wurde immer kleiner.

   Der Meister des Hohen Rates gab Lisa die Hand. „Ich grüße dich und danke dir für dein Kommen, es freut mich sehr, dass du mehr über die Heilung wissen möchtest. Nun, es ist mir eine große Ehre, dich zu lehren. Hab keine Angst vor mir. Den Lehrer soll man respektieren, sich aber niemals vor ihm ängstigen.

   Übrigens, die Angst ist der größte Feind der Heilung und sein Bruder ist der Zweifel. Die Menschen haben so viel Angst und Zweifel. Aber davon später. Gib mir deine Hand, ich führe dich zu dem Haus, in dem du wohnst, solange du hier Gast bist. Morgen gehen wir zum See der Heilung und der Leichtigkeit, er ist ganz in der Nähe.

   Am nächsten Morgen konnte Lisa es kaum erwarten, ihren Lehrer zu sehen. Plötzlich stand er neben ihr, sie hatte ihn nicht kommen hören. „Wie macht er das nur?“, dachte sie. Der Meister schaute gütig. Er wusste, wie sehr Lisa sich noch verändern würde, wie viel sie zu lernen hatte und auch wie zerbrechlich sie war – noch. Denn ganz tief in ihr drinnen schlummerte eine große Kraft, die langsam ins Bewusstsein kommen durfte. Aber zuerst bedurfte sie selber der großen Heilung, deren erster Tag gekommen war.

   „Meine leuchtende Blume“, sprach er, „lass uns einen Spaziergang machen.“ In stummer Übereinkunft gingen sie nebeneinanderher. Lisa hing ihren Gedanken nach und war überrascht, wie still es sein kann.

   Nach der letzten Wegbiegung sprach der Meister zu ihr: „Lisa, viele Hohe Räte des Lichtes haben sich zusammengefunden, um zu beraten, wie wir dich am besten schulen, denn du sollst unsere Botschafterin sein. Alle Botschaften werden durch dich weitergetragen auf die Erde. Du wirst alle Zweifel loslassen und auch dein altes Leben mit vielen nicht mehr dienlichen Glaubenssätzen. Glaube mir, alle Menschen können so wie du jeden Tag mit einer neuen Seelenstruktur beginnen.

   „Aber …“, fiel Lisa ein. Der Meister hob die Hand und der Zeigefinger zeigte steil nach oben. „Sage jetzt nichts, meine leuchtende Blume, sage einfach nichts. Es ist, wie es ist. Alles hat seinen Sinn, auch wenn du ihn gerade nicht verstehen kannst – vertraue, meine leuchtende Blume, vertraue.

   Und dann lag er vor ihnen, der See der Heilung und der Leichtigkeit mit einem leuchtenden türkisfarbenen Wasser. „Das Sonderbare ist, dieser See hat eine Verbindung mit dem weiten offenen Meer.“

   „Wie glatt er ist, und dieses türkisfarbene Wasser!“ Lisa staunte, sie wurde wieder einmal geradezu andächtig. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und stammelte: „Das …, das muss Gottes Werk sein.“ Der Meister lachte. „So ist es, so ist es, meine leuchtende Blume, alles ist Gottes Werk, wirklich alles.“

   Der Meister des Hohen Rates ging mit Lisa hin zum Ufer. Lisa schaute über das Wasser und bemerkte, dass sich etwas bewegte - etwas kam näher und näher. Der Meister erklärte ihr, dass es ein Freund sei. Jetzt sah Lisa ihn auch, einen großen Delfin.

   „Mein Freund hat den Körper eines Delfins angenommen, um seine Aufgabe, die er angenommen hat, genau erfüllen zu können. Er gehört zum Ältestenrat der Wale und Delfine, die die Geschicke der Erde mitlenken und sie in der Stabilität halten. Weißt du, manche nennen die Delfine auch die Engel des Erdgürtels, die Engel der Meere sind sie sowieso.

   Die Delfine und auch die Wale haben um die Erde ein energetisches Netz gebaut, um sie stabil zu halten, so dass sie im Gleichgewicht bleibt. Und noch etwas, meine leuchtende Blume: Wie im Großen so im Kleinen, so kann der Erde Energie auch die Menschen im Gleichgewicht und in der Stabilität halten.

   Die Delfine heilen übrigens über das Emotionalfeld und das Mentalfeld, so kann auch der Körper geheilt werden. Wie heißt es doch: ‚Zuerst heile die Seele und dann heile den Körper.‘ Die Delfine und die Wale haben eine enorme Heilkraft. Sie heilen mit dem Strahl der Christusenergie, der sehr direkt fließt. Die Delfine bündeln die Energien, so dass sie der Struktur der Erde angepasst sind und auch der Schwingung.“

   Lisa hatte sich am Ufer des Sees hingesetzt, als plötzlich der große Delfin aus dem Wasser auftauchte, in voller Größe, und den Meister begrüßte, der ihm die Hand entgegenstreckte. „Hier ist Lisa, meine leuchtende Blume und Schülerin, die sehr wissbegierig sein wird“, sprach er zu ihm. „Ich vertraue sie dir für eine Weile an.“  

   Der Delfin vom Ältestenrat der Wale und Delfine ließ sich leise ins Wasser hineingleiten und tauchte in einiger Entfernung vor Lisa wieder auf. Er schaute sie an, was Lisa verunsicherte. Der Meister nickte ihr zu und gab ihr ein Zeichen, sich langsam ins Wasser zu begeben. Lisas Augen wurden immer größer. „Keine Angst“, munterte der Meister sie auf, „alles ist in Ordnung. Mein Freund nimmt dich mit hinaus auf das Meer, es wird dir nichts passieren, vertraue auf ihn. Und vertraue auf das, was da kommen mag, du bist nicht allein.“

   Lisa watete ganz sachte in den See der Heilung und der Leichtigkeit. Langsam wurde sie mutiger und schwamm dem großen Delfin entgegen. der ganz bewusst in seiner Position gewartet hatte, er wollte, dass Lisa Gelegenheit hatte, Vertrauen aufzubauen. Lisa genoss es, wie ihr Körper umspült wurde. Ganz langsam kam der große Delfin an ihre Seite. Sie schwammen gemeinsam los und schauten sich an – Auge in Auge.

   Lisa war, als würde das Auge des Delfins immer größer und größer. Sie hörte ihn sagen: „Kleine Anmut des Wassers, deine Seele und unsere Seelen sind eins in diesem Moment, unsere Energien vermischen sich, überfluten dich, reinigen und glätten dich. Alles, was gehen darf, wird gehen, alles, was nicht mehr zu dir gehört, darf gehen.“

   Lisa schaute noch immer in das Auge des Delfins und erblickte sich selber darin - sah, wie sich Schicht um Schicht löste, fühlte ein Prickeln, Ziehen und auch wellenförmige Energieströme.

   Plötzlich fühlte sich Lisa frei, unbeschreiblich frei! „Danke, danke für diese Heilung, für dieses Gefühl der Freiheit, für dieses so herrliche Gefühl der Geborgenheit!“ Und so hatte sie nicht bemerkt, dass sie weit draußen auf dem Meer angekommen waren, wo ein Wal mit seiner Familie wartete.

   Das Licht der Wale zog sie in einen besonderen Bann. Die Weisheit und Güte umhüllten sie wie ein Mantel aus dicken Daunen, wie ein ganz besonderer Schutz. So jedenfalls kam es ihr vor, denn sie konnte es nicht anders ausdrücken.

   Der größte aller Wale schaute sie an, seine Augen waren der direkte Weg zur Seele und sie fühlte sich magisch von ihm angezogen. Alles war Magie für sie. Sie fühlte ihre Seele und seine Seele eins zu werden, ein Ineinandergleiten der Schöpfungsenergie. Die letzten Transformationen setzten in diesem Moment ein.

   Der Wal deutete ihr an, sich auf seinen Rücken zu legen und keine Angst zu haben. „Vertraue“, sagte er, „ich werde nun etwas in die Tiefe tauchen, auch in die Tiefe deiner Seele – somit wird alles erkennbar und darf an die Oberfläche kommen und gehen.“ Lisa schloss die Augen und legte sich auf den Rücken des Wales. Neben ihr tauchte nun eine Gruppe Wale auf. Sie umringten sie und gaben ihr Schutz und Halt. Dann kamen noch viele Delfine, die sie begleiteten.

   Plötzlich vernahm Lisa den Gesang der Wale, die tiefen Töne der Wale, und dann stimmten die Delfine mit ein mit ihren hohen Tönen und Klicken. Über das weite Meer waren die Gesänge zu hören. Es waren Gesänge, die eine tiefe Heilung in Gang setzten. Es waren Gesänge der Erlösung, des Friedens.

   Lisa hielt immer noch die Augen geschlossen und lauschte diesen so wunderbaren Tönen. Jeder Ton hatte eine andere Frequenz der Heilung. „Das Schöne ist, die Heilung kommt von ganz allein“, sprach sie leise, „ich brauche nichts dafür tun. Es sind nur ein offenes Herz nötig und Vertrauen.“