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(Foto: Dr. Udo Recker)

Steffi Rumpf

ENTSPANNT LEBEN
MIT HUND

BACK TO BASICS

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Haftungsausschluss:

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

IMPRESSUM

Grafisches Konzept: ravenstein2.de

Druck: Graspo CZ, a.s., Zlín

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Czech Republic

ISBN: 978-3-8404-2527-1

INHALT

Einleitung

Hundehaltung früher und heute

Wild lebende Hunde und Hunde von Obdachlosen

Gedanken zu den Grundbedürfnissen von Hunden

Einige Gedanken zum Hundetraining

Was sollte mein Hund können?

Wie finde ich den richtigen Trainer?

Wie viel Training ist überhaupt nötig?

Woran Training häufig scheitert

Welpenförderung oder -überforderung?

Die neue Mode: Raufergruppen

Gedanken zum Alltag mit Hund

Familienleben

Arbeitsalltag

Hundetagesstätten

Routinen sind wichtig

Qualität statt Quantität

Stress, lass nach!

Auch Ruhe will gelernt sein

Termine, Termine

Was bedeutet Stress?

Wie viel ist zu viel?

Die Beschäftigungsspirale

Ball- und andere Junkies

Langeweile als Stressfaktor?

Stress durch Futter

Selbstbeherrschung trainieren

Gemeinsam glücklich

Gemeinsame Interessen finden

Gemeinsam Spaß beim Sport

Bitte keine Vergleiche!

Dinge nehmen, wie sie sind

Nachwort

Danke

Tipps zum Weiterlesen

Stichwortregister

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(Foto: Catharina Cordes)

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(Foto: Tanja Zapp)

EINLEITUNG

Sie haben einen Hund, trainieren mit ihm aber gar nicht, unregelmäßig oder „nur“ einbis zweimal pro Woche? Das setzt Sie unter Druck? Hunde müssen doch schließlich – das kann man ja überall nachlesen – täglich artgerecht und ausreichend beschäftigt werden. Allerdings haben Sie auch noch andere Verpflichtungen – Ihre Familie, Ihren Beruf, Ihren Haushalt –, und außerdem sind Sie so gar nicht der Typ Mensch, der Spaß am Training in einem Hundesportverein hat. Aber dem Hund zuliebe sollten Sie doch …

Vielleicht leben Sie aber auch mit einem oder mehreren Hunden zusammen, den/die Sie regelmäßig sportlich beschäftigen? Jeden Montag geht es zum Agility, dienstags steht Obedience auf dem Plan, mittwochs ist Sportpause (da machen Sie einen großen Spaziergang mit Hundefreunden), donnerstags ist noch mal Obedience dran, freitags sind dann „nur“ ein wenig Nasenarbeit oder Longierübungen angesagt, denn am Wochenende wollen Sie aufs Turnier. Selbstverständlich gehen Sie zusätzlich zum Sport jeden Tag ausgiebig spazieren.

Egal, welcher Typ Hundehalter Sie sind, der Titel dieses Buches hat Sie angesprochen. Sie suchen also wahrscheinlich nach Entspannung im Zusammenleben mit Ihrem Hund – vielleicht vor allem für sich selbst, weil Sie das Gefühl haben, Ihren Hund zu wenig „auszulasten“, und weil Sie deshalb endlich kein schlechtes Gewissen mehr haben möchten; oder Sie haben den Eindruck gewonnen, dass Ihrem Hund das Sport- und Freizeitprogramm manchmal doch ein bisschen zu viel wird und er etwas mehr Ruhe brauchen könnte. Nebenbei gefragt: Was bedeutet eigentlich „Auslastung“? Müssen nicht eher Maschinen ausgelastet werden, um sie optimal zu nutzen? Kann so ein Konzept überhaupt zu einem Hund passen?

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Bei der Anschaffung eines Hundes steht meistens der Wunsch nach einem Freund und Begleiter im Alltag im Vordergrund. (Foto: Harald Seiler)

Denken Sie einmal zurück: Warum haben Sie Ihren ersten Hund angeschafft? Vermutlich war es bei Ihnen wie bei den meisten Hundehaltern: Er sollte Sie im Alltag begleiten und Ihr Leben insgesamt noch ein bisschen lebenswerter machen – einen richtigen Kumpel haben Sie sich gewünscht. Er sollte Sie dazu veranlassen, sich regelmäßiger in der Natur zu bewegen, aber auch mal mit ins Café kommen oder im Sommer mit an den Badesee – ein Freund zum Kuscheln, als Tröster, zum Raufen, zum Spielen und zum gemeinsam Wohlfühlen, der nebenbei auch gern noch aufs Haus aufpasst.

Und dann ist Ihnen womöglich das passiert, was ebenfalls viele kennen: Sobald die Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen, Verwandten oder wer auch immer erfahren haben, dass Sie sich einen Hund anschaffen möchten, waren Sie plötzlich von Hundeprofis umgeben. Das ist ganz ähnlich, wenn man ein Kind bekommt. Alle anderen scheinen plötzlich genauestens zu wissen, was dem neuen Familienmitglied guttut und was nicht. Da wird der frischgebackene Hundebesitzer erst einmal von allen Seiten so richtig schön verunsichert, und die Fachliteratur tut ihr Übriges. Angefangen von veralteten Ansichten wie: „Der Welpe/Hund muss möglichst viel ignoriert werden“, und der ebenfalls überholten „Dominanztheorie“, die vermuten lässt, dass Hunde die Weltherrschaft an sich reißen wollen, über die (tatsächlich sehr wertvolle) positive Verstärkung bis hin zu den sonderbarsten Auswüchsen menschlicher Fantasie darüber, wie mit einem Hund umzugehen ist, wird man mit Tipps, Methoden und Theorien regelrecht überflutet. Es ist gar nicht so leicht, sich dabei das Vertrauen in das eigene Bauchgefühl wenigstens halbwegs zu bewahren, zumal in der Realität selten alles so funktioniert, wie man es sich ursprünglich vorgestellt hat. Der „Traumbegleiter“ entpuppt sich als passionierter Jäger, stellt das Haus auf den Kopf, nervt beim Restaurantbesuch, zieht an der Leine …

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Reichlich Action zur körperlichen Auslastung wird noch immer als Patentlösung für Probleme empfohlen. Tatsächlich kann sie Probleme sogar verstärken. (Foto: Thorsten Rumpf)

Ganz oben auf der Liste der selbst ernannten Experten steht in der Regel, dass „genügend Auslastung“ die Patentlösung für alle Probleme ist. In meiner Hundeschule bekomme ich das häufig mit. Fragen wie: „Warum bieten Sie keine Welpenspielstunden an? Es ist doch so wichtig, dass Welpen miteinander toben können“, oder Aussagen wie: „Wir haben den Hund schon eine Weile, und die einzige Möglichkeit, ihn müde zu bekommen, ist ausgiebiges Spielen mit dem Ball/Stöckchen/Frisbee“, sind an der Tagesordnung, weil sich die Meinung, dass Hunde „müde gemacht“ werden müssen, damit sie zufrieden und umgänglich sind, hartnäckig hält. In diesem Buch werde ich ausführlich darauf eingehen, warum „Müdemachen“ nicht der Schlüssel zum glücklichen Zusammenleben mit einem Hund ist.

In meiner Hundeschule biete ich verschiedenste Aktivitäten für Hunde an und ich betreibe selbst auch Hundesport mit meinen Hunden. Ich möchte also körperliche Beschäftigung keineswegs schlechtreden. Leider hat sich jedoch mittlerweile ein regelrechter Beschäftigungshype entwickelt, der unseren Hunden eher schadet als nützt, und das sowohl physisch als auch psychisch. Wir kennen es aus unserer menschlichen Gesellschaft, vielleicht sogar von uns selbst (oder von unserem Partner, von Freunden, von Arbeitskollegen …): Tagsüber geht es zum Vollzeitjob, danach ins Sportstudio, anschließend schnell mit Freunden in den Biergarten, und dann werden zu Hause noch rasch ein paar anliegende Arbeiten erledigt. Das Handy ist im Dauerbetrieb, man ist ständig erreichbar. Aus Angst, im Leben etwas zu verpassen, bleibt die Ruhe auf der Strecke. Man hetzt von Programmpunkt zu Programmpunkt, die (zu kurze) Lebenszeit soll ja genutzt werden.

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Wenn man immer „auf der Überholspur unterwegs ist“, bedeuten Aktivitäten oft mehr Stress als Spaß. (Foto: Thorsten Rumpf)

Dieses eher ungesunde Zeitmodell wird nicht selten auf den Hund übertragen. Hinzu kommt noch etwas, was mittlerweile auch bei vielen Eltern zu beobachten ist. Der Hund/das Kind soll nicht nur zufrieden sein, nein, er/es soll sich entfalten können, eine Fülle von Möglichkeiten haben, ideal gefördert werden. Das ist gut gemeint, führt aber oft zu einem prall gefüllten Terminplan und zu permanent hohen Erwartungen. Viele Hundehalter setzen sich selbst und ihren Hund unter Druck, in dem Glauben, täglich für ein Beschäftigungsprogramm sorgen zu müssen, auch dann, wenn sie müde und schlecht gelaunt von der Arbeit kommen. Doch was passiert? Der Hund spiegelt die Anspannung seines Menschen und reagiert selbst gestresst und unkonzentriert. Die Freude, die gemeinsame Aktivitäten bereiten sollen, ist dann schnell verflogen. An ihre Stelle treten Ärger und Frust. Einfach „nichts machen“ kommt aber auch nicht infrage, der Hund „muss ja ausgelastet werden“. So entsteht bald ein Teufelskreis, in dem Action nicht mehr Spaß, sondern Stress bedeutet.

Mit diesem Buch möchte ich all denen, die bereits in einen solchen Teufelskreis hineingeraten sind, helfen, diesen zu durchbrechen. Und diejenigen, die es (bisher schlechtgewissig) mit ihrem Hund haben ruhiger angehen lassen, werden sich nach der Lektüre ganz bestimmt wesentlich besser fühlen.

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Hunde brauchen genügend Ruhe und Entspannung. (Foto: Tanja Zapp)

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(Foto: Catharina Cordes)

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(Foto: Shutterstock.com/Kichigin)

HUNDEHALTUNG FRÜHER UND HEUTE

Die Hundehaltung, wie wir sie heute kennen, unterscheidet sich ganz massiv von der Hundehaltung, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten praktiziert wurde. Für sehr viele Hunde ist das ein großes Glück, da es zumindest in Deutschland wohl kaum noch reine Zwingerhunde oder Kettenhunde gibt. Andererseits hatten die Hunde vor 20 bis 30 Jahren gerade in ländlichen Regionen oft noch bedeutend mehr Freiheiten als ihre heute lebenden Artgenossen. Es gab wesentlich weniger Verkehr, sodass viele Hunde jederzeit selbstständig nach draußen gehen konnten, um ihr „Geschäft“ zu verrichten oder einfach mal etwas herumzustreunen. Die Hunde eines Dorfes kannten sich gut, Beißereien waren selten, und falls es doch einmal zu einer Auseinandersetzung kam, gingen die jeweiligen Besitzer eher entspannt damit um, statt, wie es heute oft zu beobachten ist, ebenfalls in Streit zu geraten und mit Anklage zu drohen.

Inzwischen sieht vieles anders aus. Hunde haben in unserer modernen Welt (ähnlich wie Kinder) weniger Freiheiten und Möglichkeiten zur Selbstbestimmung. Im Hinblick auf das stark gestiegene Verkehrsaufkommen dient das selbstverständlich ihrem eigenen Schutz, aber auch die gesamte Einstellung der Menschen hat sich verändert. Sie neigen dazu, mehr zu kontrollieren, wodurch sie absichern, aber auch einschränken.

Der Verlust der Freiräume brachte es mit sich, dass die Hunde von heute weniger Gelegenheit haben, ihre eigenen Routinen zu entwickeln, die ihnen Sicherheit geben. Das wiederum äußert sich nicht selten in mangelnder Ausgeglichenheit und Souveränität. Die Folgen davon sind häufig Dinge wie Unverträglichkeit mit Artgenossen, fehlende Frustrationstoleranz beziehungsweise Selbstbeherrschung und zahlreiche weitere problematische Verhaltensweisen.

Wild lebende Hunde und Hunde von Obdachlosen