cover

Theodor Storm

Gedichte

Herausgegeben von
Gerd Eversberg

Boyens Buchverlag
Logo Boyens Buchverlag

 

Über die Heide hallet mein Schritt

 

Natur

Abends

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;

Halb träumend schwankt im Silberschein die Rose.

Der Abendfalter schwingt sich sacht heran,

Im Flug zu ruhn an ihrem zarten Moose.

Nun schwirrt er auf – doch sieh! er muss zurück;

Die Rose zwingt ihn mit gefeitem Zügel.

An ihrem Kelche hängt der Schmetterling,

Vergessend sich und seine bunten Flügel. – –

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;

Halb träumend wiegst du dich in meinen Armen

O gönne mir der Lippen feuchte Glut,

Erschließ den Rosenkelch, den liebewarmen!

Du bist die Blume, die mich einzig reizt!

Dein heller Blick ist ein gefeiter Zügel!

An deinen Lippen hängt der Schmetterling,

Sich selbst vergessend und die bunten Flügel.

Westermühlen

<Entwurf>

Die Heimat hier, und hier dein erster Traum.

Das Mühlrad rauscht, es stäubt der Silberschaum.

Tief unten ruht der Bach, ein stiller Frieden

Im Spiegelgrund, drin blau der Himmel ruht,

Vom Ufer rings mit ihren dunklen Zweigen

Taucht sich die Erle in die klare Flut.

Horch, Peitschenknall und muntrer Pferdetrab!

Die Räder knirschen durch den feuchten Sand.

Halt an, halt an! – Nun sacht den Berg hinab

Und durch den Bach zum andern Uferrand.

Und wieder aufwärts, links den Weg herum

Hinauf zur Mühle mit des Kornes Last,

Vorbei die Eiche, wo der bunte Star

Sein unermüdlich Plaudern schwatzt vom Ast.

Zehn Schritte noch, da steht im kühlen Schatten

Der Linden halb versteckt das Müllerhaus,

Der Müller mit der Nachtmütz und der Pfeife

Lehnt in der Tür und schaut behäglich aus.

„Wo bleibt der Cas’?! Der Henker mit dem Jungen!“

Und ungeduldig raucht er Zug auf Zug.

Trarah trarah! Da kommt der Kas’ gesungen.

Nur frisch heran, du kommst just früh genug!

Barfuß, barkopf, zerrissen Hos und Hemde,

Zerrissen heut wie sonst schon hundertmal,

Im Arm das Wams, die Ärmel zugebunden,

In jedem Arm ein Dutzend fetter Aal.

Doch wie der Kas’ den Alten hat geschaut,

Trotz seinem Fang schaut er voll Angst zur Erden!

Der nimmt die Pfeife drohend aus dem Mund!

„Sprich Junge, Cas’! was soll doch aus dir werden.“

Der Alte ruht schon lang – des Alten Mühle,

Die rauscht und ragt wie sonst noch für und für.

Viel Zeit verstrich – doch was der Kas’ geworden,

Wohl mancher Mann noch weiß es außer mir.

Mein guter Vater, den Natur gehegt,

Den sie in Waldeslust als liebstes Kind gepflegt,

Was sie dir gab, das konnte nicht erkalten,

Und wie das Leben immer dich bewegt,

Das hast du dir, das wirst du dir erhalten.

Abseits

Es ist so still; die Heide liegt

Im warmen Mittagssonnenstrahle,

Ein rosenroter Schimmer fliegt

Um ihre alten Gräbermale;

Die Kräuter blühn; der Heideduft

Steigt in die blaue Sommerluft.

Laufkäfer hasten durch’s Gesträuch

In ihren goldnen Panzerröckchen,

Die Bienen hängen Zweig um Zweig

Sich an der Edelheide Glöckchen,

Die Vögel schwirren aus dem Kraut –

Die Luft ist voller Lerchenlaut.

Ein halbverfallen’ niedrig’ Haus

Steht einsam hier und sonnbeschienen;

Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,

Behaglich blinzelnd nach den Bienen;

Sein Junge auf dem Stein davor

Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

Kaum zittert durch die Mittagsruh

Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;

Dem Alten fällt die Wimper zu,

Er träumt von seinen Honigernten.

– Kein Klang der aufgeregten Zeit

Drang noch in diese Einsamkeit.

Morgane

An regentrüben Sommertagen,

Wenn Luft und Flut zusammenragen

Und ohne Regung schläft die See,

Dann steht an unserm grauen Strande

Das Wunder aus dem Morgenlande,

Morgane, die berufne Fee.

Arglistig halb und halb von Sinne,

Verschmachtend nach dem Kelch der Minne,

Der stets an ihrem Mund versiegt,

Umgaukelt sie des Wandrers Pfade

Und lockt ihn an ein Scheingestade,

Das in des Todes Reichen liegt.

Von ihrem Zauberspiel geblendet,

Ruht manches Haupt in Nacht gewendet,

Begraben in der Wüste Schlucht;

Denn ihre Liebe ist Verderben,

Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuss ist Sterben,

Die schönen Augen sind verflucht.

So steht sie jetzt im hohen Norden

An unsres Meeres dunklen Borden,

So schreibt sie fingernd in den Dunst;

Und quellend aus den luftgen Spuren

Erstehn in dämmernden Konturen

Die Bilder ihrer argen Kunst.

Doch hebt sich nicht wie dort im Süden

Auf rosigen Karyatiden

Ein Wundermärchenschloss in’s Blau;

Nur einer Hauberg graues Bildnis

Schwimmt einsam in der Nebelwildnis,

Und keinen lockt der Hexenbau.

Bald wechselt sie die dunkle Küste

Mit Libyens sonnengelber Wüste

Und mit der Tropenwälder Duft;

Dann bläst sie lachend durch die Hände,

Dann schwankt das Haus, und Fach und Wände

Verrinnen quirlend in die Luft.

Im Walde

Hier an der Bergeshalde

Verstummet ganz der Wind;

Die Zweige hängen nieder,

Darunter sitzt das Kind.

Sie sitzt in Thymiane,

Sie sitzt in lauter Duft;

Die blauen Fliegen summen

Und blitzen durch die Luft.

Es steht der Wald so schweigend,

Sie schaut so klug darein;

Um ihre braunen Locken

Hinfließt der Sonnenschein.

Der Kuckuck lacht von ferne,

Es geht mir durch den Sinn:

Sie hat die goldnen Augen

Der Waldeskönigin.

Sturmnacht

Im Hinterhaus, im Fliesensaal

Über Urgroßmutters Tisch’ und Bänke,

Über die alten Schatullen und Schränke

Wandelt der zitternde Mondenstrahl.

Vom Wald kommt der Wind

Und fährt an die Scheiben;

Und geschwind, geschwind

Schwatzt er ein Wort,

Und dann wieder fort

Zum Wald über Föhren und Eiben.

Da wird auch das alte verzauberte Holz

Da drinnen lebendig;

Wie sonst im Walde will es stolz

Die Kronen schütteln unbändig,

Mit den Ästen greifen hinaus in die Nacht,

Mit dem Sturm sich schaukeln in brausender Jagd,

Mit den Blättern in Übermut rauschen,

Beim Tanz im Flug

Durch Wolkenzug

Mit dem Mondlicht silberne Blicke tauschen.

Da müht sich der Lehnstuhl, die Arme zu recken,

Den Rokokofuß will das Kanapee strecken,

In der Kommode die Schubfächer drängen

Und wollen die rostigen Schlösser sprengen;

Der Eichschrank unter dem kleinen Tross

Steht da, ein finsterer Koloss.

Traumhaft regt er die Klauen an,

Ihm zuckt’s in der verlornen Krone;

Doch bricht er nicht den schweren Bann. –

Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne

Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht,

Bläst durch die Ritzen, grunzt und lacht,

Schmeißt die Fledermäuse, die kleinen Gespenster,

Klitschend gegen die rasselnden Fenster.

Die glupen dumm neugierig hinein –

Da drinn’ steht voll der Mondenschein.

Aber droben im Haus

Im behaglichen Zimmer

Beim Sturmgebraus

Saßen und schwatzten die Alten noch immer,

Nicht hörend, wie drunten die Saaltür sprang,

Wie ein Klang war erwacht

Aus der einsamen Nacht,

Der schollernd drang

Über Trepp’ und Gang,

Dass drin in der Kammer die Kinder mit Schrecken

Auffuhren und schlüpften unter die Decken.

Die Stadt

Am grauen Strand, am grauen Meer

Und seitab liegt die Stadt;

Der Nebel drückt die Dächer schwer,

Und durch die Stille braust das Meer

Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai

Kein Vogel ohn’ Unterlass;

Die Wandergans mit hartem Schrei

Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei

Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,

Du graue Stadt am Meer;

Der Jugend Zauber für und für

Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,

Du graue Stadt am Meer.

Hinter den Tannen

Sonnenschein auf grünem Rasen,

Krokus drinnen blau und blass;

Und zwei Mädchenhände tauchen

Blumen pflückend in das Gras.

Und ein Junge kniet daneben,

Gar ein übermütig Blut,

Und sie schau’n sich an und lachen –

O wie kenn’ ich sie so gut!

Hinter jenen Tannen war es,

Jene Wiese schließt es ein –

Schöne Zeit der Blumensträuße,

Stiller Sommersonnenschein!

Letzte Einkehr

Noch wandert er; doch hinter ihm

Schon liegen längst die blauen Berge;

Kurz ist der Weg, der noch zu gehn,

Und tief am Ufer harrt der Ferge.

Doch blinket schon das Abendrot

Und glühet durch das Laub der Buchen;

So muss er denn auch heute noch

Wie sonst am Wege Herberg suchen.

Die liegt in grünen Ranken ganz

Und ganz von Abendschein umglommen;

Am Tore steht ein blondes Kind

Und lacht ihn an und sagt Willkommen.

Seitab am Ofen ist der Platz;

Schon kommt der Wirt mit blankem Kruge.

Das ist ein Wein! – So trank er ihn

Vor Jahren einst in vollem Zuge.

Und endlich schaut der Mond herein

Von draußen durch die dunkeln Zweige;

Es wird so still; der alte Mann

Schlürft träumerisch die letzte Neige.

Und bei des bleichen Sternes Schein

Gedenkt er ferner Sommertage,

Nur halb ein lauschend Ohr geneigt,

Ob jemand klopf’ und nach ihm frage.

Mondlicht

Wie liegt im Mondenlichte

Begraben nun die Welt;

Wie selig ist der Friede,

Der sie umfangen hält!

Die Winde müssen schweigen,

So sanft ist dieser Schein;

Sie säuseln nur und weben

Und schlafen endlich ein.

Und was in Tagesgluten

Zur Blüte nicht erwacht,

Es öffnet seine Kelche

Und duftet in die Nacht.

Wie bin ich solchen Friedens

Seit lange nicht gewohnt!

Sei du in meinem Leben

Der liebevolle Mond!

Waldweg

Fragment

Durch einen Nachbarsgarten ging der Weg,

Wo blaue Schleh’n im tiefen Grase standen;

Dann durch die Hecke über schmalen Steg

Auf eine Wiese, die an allen Randen

Ein hoher Zaun vielfarb’gen Laubs umzog;

Buscheichen unter wilden Rosenbüschen,

Um die sich frei die Geißblattranke bog,

Brombeergewirr und Hülsendorn dazwischen;

Vorbei an Farrenkräutern wob der Eppich

Entlang des Walles seinen dunklen Teppich.

Und vorwärtsschreitend störte bald mein Tritt

Die Biene auf, die um die Distel schwärmte,

Bald hörte ich, wie durch die Gräser glitt

Die Schlange, die am Sonnenstrahl sich wärmte.

Sonst war es kirchenstill in alle Weite,

Kein Vogel hörbar; nur an meiner Seite

Sprang schnaufend ab und zu des Oheims Hund;

Denn nicht allein wär’ ich um solche Zeit

Gegangen zum entlegnen Waldesgrund;

Mir graute vor der Mittagseinsamkeit. –

Heiß war die Luft, und alle Winde schliefen;

Und vor mir lag ein sonnig offner Raum,

Wo quer hindurch schutzlos die Steige liefen.

Wohl hatt’ ich’s sauer und ertrug es kaum;

Doch rascher schreitend überwand ich’s bald.

Dann war ein Bach, ein Wall zu überspringen;

Dann noch ein Steg, und vor mir lag der Wald,

In dem schon herbstlich rot die Blätter hingen.

Und drüberher, hoch in der blauen Luft,

Stand beutesüchtig ein gewalt’ger Weih’,

Die Flügel schlagend durch den Sonnenduft;

Tief aus der Holzung scholl des Hähers Schrei.

Herbstblätterduft und Tannenharzgeruch

Quoll mir entgegen schon auf meinem Wege,

Und dort im Walle schimmerte der Bruch,

Durch den ich meinen Pfad nahm in’s Gehege.

Schon streckten dort gleich Säulen der Kapelle

An’s Laubgewölb’ die Tannenstämme sich;

Dann war’s erreicht, und wie an Kirchenschwelle

Umschauerte die Schattenkühle mich.

Meeresstrand

An’s Haf nun fliegt die Möwe,

Und Dämm’rung bricht herein;

Über die feuchten Watten

Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet

Neben dem Wasser her;

Wie Träume liegen die Inseln

Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes

Geheimnisvollen Ton,

Einsames Vogelrufen –

So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise

Und schweiget dann der Wind;

Vernehmlich werden die Stimmen,

Die über der Tiefe sind.

Aus der Marsch

Der Ochse frisst das feine Gras,

Und lässt die groben Halme stehen;

Der Bauer schreitet hinterdrein

Und fängt bedächtig an zu mähen.

Und auf dem Stall zur Winterszeit,

Wie wacker steht der Ochs zu kauen!

Was er als grünes Gras verschmäht,

Das muss er nun als Heu verdauen.

Vor Tag

1

Wir harren nicht mehr ahnungsvoll

Wie sonst auf blaue Märchenwunder;

Wie sich das Buch entwickeln soll,

Wir wissen’s ganz genau jetzunder.

Wir blätterten schon hin und her

– Denn ruchlos wurden unsre Hände –

Und auf der letzten Seite sahn

Wir schon das schlimme Wörtlein Ende.

2

Und geht es noch so rüstig

Hin über Stein und Steg,

Es ist eine Stelle im Wege,

Du kommst darüber nicht weg.

3

Schlug erst die Stunde, wo auf Erden

Dein holdes Bildnis sich verlor,

Dann wirst du niemals wieder werden,

So wie du niemals warst zuvor.

4

Da diese Augen nun in Staub vergehen,

So weiß ich nicht, wie wir uns wiedersehen.

Die Nachtigall

Das macht, es hat die Nachtigall

Die ganze Nacht gesungen;

Da sind von ihrem süßen Schall,

Da sind in Hall und Widerhall

Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Kind;

Nun geht sie tief in Sinnen,

Trägt in der Hand den Sommerhut

Und duldet still der Sonne Glut

Und weiß nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall

Die ganze Nacht gesungen;

Da sind von ihrem süßen Schall,

Da sind in Hall und Widerhall

Die Rosen aufgesprungen.

Immensee

Aus diesen Blättern steigt der Duft des Veilchens,

Das dort zu Haus auf unsern Heiden stand,

Jahr aus und ein, von welchem Keiner wusste,

Und das ich später nirgends wieder fand.

Crucifixus

Am Kreuz hing sein gequält’ Gebeine,

Mit Blut besudelt und geschmäht;

Dann hat die stets jungfräulich reine

Natur das Schreckensbild verweht.

Doch die sich seine Jünger nannten,

Die formten es in Erz und Stein,

Und stellten’s in des Tempels Düster

Und in die lichte Flur hinein.

So, jedem reinen Aug’ ein Schauder,

Ragt es herein in unsre Zeit;

Verewigend den alten Frevel,

Ein Bild der Unversöhnlichkeit.

Im Garten

Hüte, hüte den Fuß und die Hände,

Eh’ sie berühren das ärmste Ding!

Denn du zertrittst eine hässliche Raupe

Und tötest den schönsten Schmetterling!

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;

Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –

Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;

Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär’ ich hier nur nicht gegangen im Mai!

Leben und Liebe – wie flog es vorbei!

Mit einer Handlaterne

Laterne, Laterne!

Sonne, Mond und Sterne,

Die doch sonst am Himmel stehn,

Lassen heut sich nimmer sehn;

Zwischen Wasserreih’ und Schloss

Ist die Finsternis so groß,

Gegen Löwen rennt man an,

Die man nicht erkennen kann!

Kleine freundliche Latern,

Sei du Sonne nun und Stern:

Sei noch oft der Lichtgenoss

Zwischen Wasserreih’ und Schloss

Oder – dies ist einerlei –

Zwischen Schloss und Wasserreih’!

Als ich dich kaum gesehn

 

Liebe

Im Golde, im Herzen

Ein Mädchen liebt’ ich so holde,

Ein Ringlein hatt’ ich von Golde;

Da nahm ich ein Eisen gar spitz und fein,

Und grub in den Ring ihren Namen ein.

Doch schnell mehr Mädchen und Namen

Auf’s goldene Ringlein kamen,

Dass bald ihrer neune gar wunderhold

Wie Perlen prangten im roten Gold.

Und als ich zum zehnten geliebet,

Da hat mich das Ringlein betrübet;

Denn ringsum, wie ich ihn besah,

Kein Plätzchen war zum Schreiben da.

Was nun, was nun beginnen!

Schwer musst’ ich denken und sinnen.

Da schrieb ich den Namen der Liebsten mein

In’s eigne warme Herz hinein. –

Und, Perlen aus goldenen Banden,

Neun Namen vom Ringe verschwanden.

Doch wie auch die Perle vom Golde lässt,

Im Herzen die Schrift steht treu und fest.

Käuzlein

Da sitzt der Kauz im Ulmenbaum

Und heult und heult im Ulmenbaum.

Die Welt hat für uns beide Raum!

Was heult der Kauz im Ulmenbaum

Von Sterben und von Sterben?

Und über’n Weg die Nachtigall,

Genüber pfeift die Nachtigall.

O weh, die Lieb’ ist gangen all’!

Was pfeift so süß die Nachtigall

Von Liebe und von Liebe?

Zur Rechten hell ein Liebeslied,

Zur Linken grell ein Sterbelied!

Ach, bleibt denn nichts, wenn Liebe schied,

Denn nichts als nur ein Sterbelied

Kaum wegbreit noch hinüber?

Ständchen

Weiße Mondesnebel schwimmen

Auf den feuchten Wiesenplanen;

Hörst du die Gitarre stimmen

In dem Schatten der Platanen?

Dreizehn Lieder sollst du hören,

Dreizehn Lieder, frisch gedichtet;

Alle sind, ich kann’s beschwören,

Alle nur an dich gerichtet.

An dem zarten schlanken Leibchen

Bis zur Stirne auf und nieder,

Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,

Alles preisen meine Lieder.

Wahrlich, Kind, ich hab’ zu Zeiten

Übermütige Gedanken!

Unermüdlich sind die Saiten,

Und der Mund ist ohne Schranken.

Vom geheimsten Druck der Hände

Bis zum nimmersatten Küssen!

Ja, ich selber weiß am Ende

Nicht, was du wirst hören müssen.

Lass dich warnen, lass mich schweigen,

Lass mich Lied um Liebe tauschen;

Denn die Blätter an den Zweigen

Wachen auf und wollen lauschen.

Weiße Mondesnebel schwimmen

Auf den feuchten Wiesenplanen;

Hörst du die Gitarre stimmen

In dem Schatten der Platanen?

Nelken

Ich wand ein Sträußlein morgens früh,

Das ich der Liebsten schickte;

Nicht ließ ich sagen ihr, von wem,

Und wer die Blumen pflückte.

Doch als ich abends kam zum Tanz

Und tat verstohlen und sachte,

Da trug sie die Nelken am Busenlatz,

Und schaute mich an und lachte.

Wer je gelebt in Liebesarmen

Wer je gelebt in Liebesarmen,

Der kann im Leben nie verarmen;

Und müsst’ er sterben fern, allein,

Er fühlte noch die sel’ge Stunde,

Wo er gelebt an ihrem Munde,

Und noch im Tode ist sie sein.

Eine Fremde

Sie saß in unserm Mädchenkreise,

Ein Stern am Frauen-Firmament;

Sie sprach in unsres Volkes Weise,

Nur leis mit klagendem Akzent.

Du hörtest niemals heim verlangen

Den stolzen Mund der schönen Frau;

Nur auf den südlich blassen Wangen

Und über der gewölbten Brau

Lag noch Granada’s Mondenschimmer,

Den sie vertauscht um unsern Strand;

Und ihre Augen dachten immer

An ihr beglänztes Heimatland.

Morgens

Nun gib ein Morgenküsschen!

Du hast genug der Ruh’;

Und setz’ dein zierlich Füßchen

Behende in den Schuh!

Nun schüttle von der Stirne

Der Träume blasse Spur!

Das goldene Gestirne

Erleuchtet längst die Flur.

Die Rosen in deinem Garten

Sprangen im Sonnenlicht;

Sie können kaum erwarten,

Dass deine Hand sie bricht.

Zur Nacht

Vorbei der Tag! Nun lass mich unverstellt

Genießen dieser Stunde vollen Frieden!

Nun sind wir unser; von der frechen Welt

Hat endlich uns die heilige Nacht geschieden.

Lass einmal noch, eh’ sich dein Auge schließt,

Der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden;

Noch einmal, eh’ im Traum sie sich vergisst,

Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!

Was gibt es mehr! Der stille Knabe winkt

Zu seinem Strande lockender und lieber;

Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt,

Trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber.

Nachts

Wie sanft die Nacht dich zwingt zur Ruh,

Stiller werden des Herzens Schläge;

Die lieben Augen fallen dir zu,

Heimlich nur ist die Sehnsucht rege.

Halbe Worte von süßem Bedeuten

Träumerisch über die Lippen gleiten.

Zwischenreich

Meine ausgelass’ne Kleine,

Ach, ich kenne sie nicht mehr;

Nur mit Tanten und Pastoren

Hat das liebe Herz Verkehr.

Jene süße Himmelsdemut,

Die der Sünder Hoffart schilt,

Hat das ganze Schelmenantlitz

Wie mit grauem Flor verhüllt.

Ja, die brennend roten Lippen

Predigen Entsagung euch;

Diese gar zu schwarzen Augen

Schmachten nach dem Himmelreich.

Auf die Tiziansche Venus

Ist ein Heil’genbild gemalt;

Ach, ich kenne sie nicht wieder,

Die so schön mit uns gedahlt.

Nirgend mehr für blaue Märchen

Ist ein einzig’ Plätzchen leer;

Nur Traktätlein und Asceten

Liegen haufenweis umher.

Wahrlich, zum Verzweifeln wär’ es –

Aber, Schatz, wir wissen schon,

Deinen ganzen Götzenplunder

Wirft ein einz’ger Mann vom Thron.

Regine

Und webte auch auf jenen Matten

Noch jene Mondesmärchenpracht,

Und stünd’ sie noch im Waldesschatten

Inmitten jener Sommernacht,

Und fänd’ ich selber wie im Traume

Den Weg zurück durch Moor und Feld,

Sie schritte doch vom Waldessaume

Niemals hinunter in die Welt.

Dämmerstunde

Im Sessel du, und ich zu deinen Füßen,

Das Haupt zu dir gewendet, saßen wir;

Und sanfter fühlten wir die Stunden fließen,

Und stiller ward es zwischen mir und dir;

Bis unsre Augen ineinandersanken

Und wir berauscht der Seele Atem tranken.

In böser Stunde

Ein schwaches Stäbchen ist die Liebe,

Das deiner Jugend Rebe trägt,

Das wachsend bald der Baum des Lebens

Mit seinen Ästen selbst zerschlägt.

Und drängtest du mit ganzer Seele

Zu allerinnigstem Verein,

Du wirst am Ende doch, am Ende

Nur auf dir selbst gelassen sein.

Kritik

Hör’ mir nicht auf solch’ Geschwätze,

Liebes Herz, dass wir Poeten

Schon genug der Liebeslieder,

Ja, zuviel gedichtet hätten.

Ach, es sind so kläglich wenig,

Denn ich zählte sie im stillen,

Kaum genug, dein Nadelbüchlein

Schicklich damit anzufüllen.

Lieder, die von Liebe reimen,

Kommen Tag für Tage wieder;

Doch wir zwei Verliebte sprechen:

Das sind keine Liebeslieder.

Auf dem Segeberg

Fragment

Hier stand auch einer Frauen Wiege,

Die Wiege einer deutschen Frau;

Die schaut mich an mit Augen blau,

Und auf dem Felsen, drauf ich liege,

Schließt sie mich plötzlich an die Brust.

Da werd’ ich mir des Glücks bewusst;

Ich seh’ die Welt so unvergänglich,

Voll Schönheit mir zu Füßen ruhn;

Und alle Sorgen, die so bänglich

Mein Herz bedrängten, schweigen nun.

Musik! Musik! Die Lerchen singen,

Aus Wies’ und Wäldern steigt Gesang,

Die Mücken in den Lüften schwingen

Den süßen Sommerharfenklang.

Und unten auf besonnter Flur

Seh’ ich des Kornes Wellen treiben,

In blauen Wölkchen drüber stäuben

Ein keusch’ Geheimnis der Natur. –

Da tauchen an des Berges Seite

Zwei Köpfchen auf aus dem Gestein;

Zwei Knaben steigen durch’s Gekräute;

Und sie sind unser, mein und dein.

Sie jauchzen auf, die Felsen klingen;

Mein Bursche schlank, mein Bursche klein!

Schau, wie sie purzeln, wie sie springen!

Und jeder will der erste sein.

In Kinderlust die Wangen glühen;

Die Welt, die Welt, o wie sie lacht!

Nun hängen sie an deinen Knien,

Nun an den meinen unbedacht;

Der Große hier, und hier der Kleine,

Sie halten mich so eng umfasst,

Dass in den Thymian der Steine

Mich hinzieht die geliebte Last.

Die Schatten, die mein Auge trübten,

Die letzten scheucht der Kindermund;

Ich seh’ der Heimat, der geliebten,

Zukunft in dieser Augen Grund.

Gedenkst du noch?

1857

Gedenkst du noch, wenn in der Frühlingsnacht

Aus unserm Kammerfenster wir hernieder

Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll

Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder?

Der Sternenhimmel über uns so weit,

Und du so jung; – unmerklich geht die Zeit.

Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei

Scholl klar herüber von dem Meeresstrande;

Und über unsrer Bäume Wipfel sah’n

Wir schweigend in die dämmerigen Lande.

Nun wird es wieder Frühling um uns her;

Nur eine Heimat haben wir nicht mehr.

Nun horch ich oft schlaflos in tiefer Nacht,

Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.

Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,

Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!

Nach drüben ist sein Auge stets gewandt:

Doch eines blieb, – wir gehen Hand in Hand.

Du warst es doch

In buntem Zug zum Walde ging’s hinaus;

Du bei den Kindern bliebst allein zu Haus.

Und draußen haben wir getanzt, gelacht,

Und kaum, so war mir, hatt’ ich dein gedacht. –

Nun kommt der Abend, und die Zeit beginnt,

Wo auf sich selbst die Seele sich besinnt;

Nun weiß ich auch, was mich so froh ließ sein,

Du warst es doch, und du nur ganz allein.

Im Volkston

1

Als ich dich kaum gesehn,

Musst’ es mein Herz gestehn,

Ich könnt’ dir nimmermehr

Vorübergehn.

Fällt nun der Sternenschein

Nachts in mein Kämmerlein,

Lieg’ ich und schlafe nicht

Und denke dein.

Ist doch die Seele mein

So ganz geworden dein,

Zittert in deiner Hand,

Tu’ ihr kein Leid!

2

Einen Brief soll ich schreiben

Meinem Schatz in der Fern’;

Sie hat mich gebeten,

Sie hätt’s gar zu gern.

Da lauf’ ich zum Krämer,

Kauf Tint’ und Papier

Und schneid mir ein’ Feder,

Und sitz’ nun dahier.

Als wir noch mitsammen

Uns lustig gemacht,

Da haben wir nimmer

An’s Schreiben gedacht.

Was hilft mir nun Feder

Und Tint’ und Papier!

Du weißt, die Gedanken

Sind allzeit bei dir.

Engel-Ehe

Wie Flederwisch und Bürste sie regiert!

Glas und Gerät, es blitzt nur alles so

Und lacht und lebt! Nur, ach, sie selber nicht!

Ihr schmuck Gesicht, dem Manne ihrer Wahl,

Wenn ihre wirtschaftliche Bahn er kreuzt,

Gleich einer Maske hält sie’s ihm entgegen;

Und fragt er gar, so wirft sie ihm das Wort,

Als wie dem Hunde einen Knochen, zu.

Denn er ist schuld an Allem, was sie plagt,

Am Trotz der Mägde, an den großen Wäschen,

Am Tages-Mühsal und der Nächte Wachen,

Schuld an dem schmutz’gen Pudel und den Kindern! –

Und er? – Er weiß, wenn kaum der grimme Tod

Das Antlitz ihm zu prägen nur beginnt,

Dann wird, der doch in jedem Weibe schläft,

Der Engel auch in seinem Weib erwachen;

Ihr eigen Weh bezwingend wird sie dann,

Was aus der Jugend Süßes ihr verblieb,

Heraufbeschwören; leuchten wird es ihm

Aus ihren Augen, lind wie Sommeratem

Wird dann ihr Wort zu seinem Herzen gehn. –

Doch wähnet nicht, dass dies ihn tröste! Nein,

Den künft’gen Engel, gräulich hasst er ihn;

Er magert ab, er schlottert im Gebein,

Er wird daran ersticken jedenfalls.

Doch eh’ ihm ganz die Kehle zugeschnürt,

Muss er sein Weib in Himmelsglorie sehn;

Die Rede, die er brütend ausstudiert,

Womit vor seinem letzten Atemzug,

Jedwedes Wort ein Schwert, auf einen Schlag

Er alles Ungemach ihr hat vergelten wollen,

Er wird sie nimmer halten; Segen-Stammeln

Wird noch von seinen toten Lippen fliehn.

Das Alles weiß er, und es macht ihn toll;

Er geht umher und fluchet innerlich.

Ja, manches Mal im hellsten Sonnenschein

Durchfährt es ihn, als stürz’ er in das Grab.

Es war sein Weib, sie sprach ein sanftes Wort;

Und zitternd blickt er auf: „Oh, Gott sei Dank,

Noch nicht, noch nicht das Engels-Angesicht!“

Verirrt

Ein Vöglein singt so süße

Vor mir von Ort zu Ort;

Weh, meine wunden Füße!

Das Vöglein singt so süße,

Ich wandre immerfort.

Wo ist nun hin das Singen?

Schon sank das Abendrot;

Die Nacht hat es verstecket,

Hat alles zugedecket –

Wem klag’ ich meine Not?

Kein Sternlein blinkt im Walde,

Weiß weder Weg noch Ort;

Die Blumen an der Halde,

Die Blumen in dem Walde,

Die blühn im Dunkeln fort.

Schon ins Land der Pyramiden

 

Durch das Jahr

Im Winter starb der geliebte Freund,

Da wollte sie sterben mit ihm vereint;

Dann kam der Sommer ins Land hinein;

Die Tränen trocknet der Sonnenschein;

Dann kam des Herbstes raue Gewalt,

Da ward ihr das Witwenbett zu kalt;

Teilnehmende Augen blickten sie an –

Wie liebte sie schon den zweiten Mann!

Februar

Im Winde wehn die Lindenzweige,

Von roten Knospen übersäumt;

Die Wiegen sind’s, worin der Frühling

Die schlimme Winterzeit verträumt.

Frühlingsankunft

„Was rauscht und brauset vor der Tür?

Was singt so süße Melodein?