ROBERT E. HOWARD

 

 

Der Fluch des

blutroten Gottes

Novellen und Erzählungen

 

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

Der Fluch des blutroten Gottes (The Curse Of The Crimson God) 

Der Schatz der Tartaren (The Treasures Of Tartary) 

Die Schwerter von Shahrazar (Swords Of Shahrazar) 

Der bronzene Pfau (The Brazen Peacock) 

Der schwarze Lama (The Black Bear Bites) 

Die Schwerter der Roten Bruderschaft (Swords Of The Red Brotherhood) 

Black Vulmeas Vergeltung (Black Vulmeas Vengeance) 

Almuric (Almuric) 

 

Das Buch

 

 

Robert E. Howard - der Schöpfer von Conan, dem Barbaren - gilt unter Genre-Kennern nicht nur als Meister der Fantasy und des düsteren Horrors, sondern auch als ein meisterhafter Verfasser farbenprächtiger und spannender Abenteuergeschichten.

Der Band Der Fluch des blutroten Gottes versammelt neben der titelgebenden Erzählung die Storys Der Schatz der Tartaren, Die Schwerter von Shahrazar, Der bronzene Pfau und Der schwarze Lama sowie die Novellen Die Schwerter der Roten Bruderschaft, Black Vulmeas Vergeltung und Almuric; letztgenannte erinnert nicht von ungefähr an die Venus- und die Mars-Romane von Edgar Rice Burroughs. 

Der Autor

 

Robert Ervin Howard (* 22. Januar 1906, + 11. Juni 1936).  

 

Robert Ervin Howard war ein US-amerikanischer Autor von Fantasy-, Abenteuer- und Horrorgeschichten sowie mehrerer Westernromane. Er gilt als stilprägender Vertreter der Low Fantasy.

Howard wuchs in der kahlen und trockenen Landschaft von West-Texas auf und unternahm nur wenige Reisen. Als Heranwachsender arbeitete er auf den örtlichen Ölfeldern; darüber hinaus arbeitete er als Baumwollpflücker, Cowboy, Verkäufer, in einem Rechtsanwaltsbüro, als Landvermesser und als Journalist, bevor er sich durch den Verkauf seiner Geschichten an diverse Pulp-Magazine - vor allem Weird Tales, Thrilling Adventures, Argosy und Top-Notch - ein regelmäßiges Einkommen sichern konnte.

Seine erste Geschichte Spear And Fang verkaufte er im Jahre 1924 an Weird Tales. Dies war der Start einer ebenso kurzen wie beeindruckenden (und vor allem: nachwirkenden) Karriere als Schriftsteller: In den Folgejahren erschuf Howard seine bekanntesten Zyklen um Conan den Cimmerier, Kull von Atlantis, den Pikten Bran Mak Morn, den irischen Piraten Turlogh O’Brien und den englischen Puritaner Solomon Kane.

Die meisten Helden in Howards literarischem Nachlass sind latent depressiv (Solomon Kane, Turlogh O’Brien, Kull von Atlantis), was biographische Bezüge vermuten lässt. Lediglich Conan ist ein tendenziell naiver, von keinen Skrupeln oder tieferen Gefühlen berührter Abenteurer und Krieger. Über den Charakter Conan, der - vor allem auch durch die Verfilmungen in den Jahren 1982 und 1984 (beide mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle) sowie 2011 (mit Jason Momoa in der Rolle des Barbaren)  - wohl die populärste der von ihm geschaffenen Figuren ist, sagte er, sie sei die realistischste von allen, da sie eine intuitive Kombination diverser Männer darstelle, mit denen er in seinem Leben zu tun gehabt habe.

Viele von Howards Fantasy-Geschichten spielen vor dem Hintergrund des – fiktiven – Hyborischen Zeitalters.

Howard war ein Brieffreund H. P. Lovecrafts, der auch Einfluss auf Howards Geschichten ausübte. Umgekehrt geht das fiktive Buch Unaussprechliche Kulte, dessen Erfindung häufig Lovecraft zugeschrieben wird, auf Howard zurück.

Robert E. Howard Howard beendete sein Leben im Alter von 30 Jahren durch Selbstmord. Als seine kranke Mutter ins Koma fiel und wenig Hoffnung auf Genesung bestand, stieg er in seinen Wagen und erschoss sich in der Einfahrt zu seinem Haus. 

  Der Fluch des blutroten Gottes (The Curse Of The Crimson God)

 

 

 

 

1. In der Gasse des Satans 

 

 

In der afghanischen Hintergasse, durch die sich Kirby O’Donnell in der Verkleidung eines kurdischen Schwertkämpfers vorwärtstastete, war es so finster wie in einem Höllenpfuhl, und das Trachten des Amerikaners war so undurchdringlich und geheimnisvoll wie die Nacht, die ihn umgab. Es war ein scharfer, schmerzverzerrter Schrei, der ihn seine Pläne ändern ließ. Gequälte Schreie waren kein ungewöhnlicher Klang in den gewundenen Hintergassen von Medina el Harami, der Stadt der Diebe, und kein vorsichtiger oder zurückhaltender Mann dachte im Traum daran, sich hier in fremde Angelegenheiten zu mischen. Doch O’Donnell war weder vorsichtig, noch zurückhaltend, und irgendetwas in seiner eigensinnigen irisch-amerikanischen Seele machte es ihm unmöglich, einen Hilferuf unbeachtet zu lassen.

Seinem Instinkt folgend, bewegte er sich auf einen dünnen Lichtstrahl zu, der die Dunkelheit kurz vor ihm durchbohrte, und wenig später spähte er durch eine Ritze zwischen zwei dicht geschlossenen Fensterläden in einer dicken Steinmauer. Was er erblickte, ließ ihm das Blut in den Adern kochen, obwohl er durch seinen langen Aufenthalt in den rauen Gegenden dieser Welt eigentlich hätte abgehärtet sein müssen. Doch unmenschliche Folter konnte O’Donnell niemals abhärten. Er blickte in einen weiten, mit samtenen Teppichen ausgehangenen Raum, dessen Diwane kostbar bezogen waren. Um einen dieser Diwane drängte sich eine Gruppe von Männern - sieben stämmige Yusufzai und zwei andere, die nicht zu identifizieren waren. Auf den Diwan lag ein Mann gestreckt, ein Waziri, nackt bis zur Hüfte. Es war ein starker Mann, doch vier ebenso starke Gewaltmenschen hielten ihn an Hand- und Fußgelenken fest. Er konnte sich nicht bewegen, obwohl zum Zerreißen gespannte Muskelpakete an seinen Schultern und in den Lenden zitterten. Seine Augen funkelten rot, und auf seinem breiten Brustkasten glitzerte der Schweiß. Aus gutem Grund; denn wie O’Donnell sah, hob ein geschmeidiger Mann in rotem Seidenturban mit einer silbernen Zange ein glühendes Kohlestück aus einer Kohlenpfanne und hielt es über die zitternde Brust, die bereits von mehreren Marterspuren gezeichnet war.

Ein anderer Mann, der größer als jener mit dem Turban war, zischte eine Frage, die O’Donnell nicht verstehen konnte. Der Waziri schüttelte heftig den Kopf und spie ihm ins Gesicht. Im nächsten Augenblick fiel das Glutstück auf die haarige Brust. Der Kehle des Gefolterten entrang sich ein unmenschlicher Schrei. Und in diesem Augenblick ließ sich O’Donnell mit all seiner Kraft gegen die Fensterläden krachen.

Sie splitterten nach innen, und mit den Füßen zuerst landete er in dem Raum, den Krummsäbel in der einen Hand, den kindhjal in der anderen. Mit einem lauten Aufschrei fuhren die Folterer herum.

Sie erblickten eine vermummte, rätselhafte Gestalt, denn O’Donnell hatte sein Gesicht zur Hälfte hinter seinem kafiyeh verborgen. Darüber funkelten seine Augen wie heiße Kohlen und lähmten die Männer. Für einige Sekunden erstarrte jede Bewegung, um sich dann in umso wilderer Aktivität zu entladen.

Der Turbanträger schrie einen Befehl, und ein behaarter Riese stürzte auf den Eindringling zu. Sein drei Fuß langes Khaiber-Messer hielt er tief, um damit von unten zuzustoßen. Doch der niedersausende Krummsäbel traf das hochschießende Handgelenk. Messer und Hand flogen durch die Luft, und die lange, schmale Klinge in O’Donnells Linker durchtrennte die Kehle des Angreifers.

Über den Niedersinkenden sprang O’Donnell auf den Turbanträger und seinen großen Kumpan zu. Er fürchtete sich nicht vor Feuerwaffen. Schüsse, die nachts in der Gasse des Satans erklangen, würden mit Sicherheit Nachforschungen nach sich ziehen - woran keiner der Bewohner interessiert war.

Er hatte Recht. Der Turbanträger zog ein Messer, der große Mann einen Säbel.

»Mach ihn nieder, Jallad!«, knurrte der Turbanträger, der vor dem Angriff des Amerikaners zurückwich. »Achmed, hilf uns!«

Der Mann, der Jallad genannt wurde - was so viel wie Henker bedeutet -, parierte O’Donnells Stoß und schlug zurück. O’Donnell wich dem Streich mit einem Sprung aus, der einem Panther Ehre gemacht hätte, und landete in Reichweite des Turbanträgers, der sich mit seinem Messer herangeschlichen hatte. Der Turbanträger japste und schnellte zurück, wobei er O’Donnells kindhjal nur so knapp entging, dass dieser ihm noch die Seidenweste aufschlitzte und eine rote Spur über die Haut darunter zog. Er stolperte rückwärts über einen Stuhl und fiel, alle viere von sich gestreckt, zu Boden; aber bevor O’Donnell diesen Vorteil ausnutzen konnte, ragte Jallad über ihm auf und deckte ihn mit Säbelhieben ein. Der große Mann führte seine Klinge mit Kraft, aber auch mit Geschick, und für einen Moment befand sich O’Donnell in der Defensive.

Während er die blitzartigen Stöße parierte, sah der Amerikaner aus den Augenwinkeln, dass sich der Yusufzai, den der Turbanträger Achmed genannt hatte, mit einer alten Tower-Muskete näherte. Ein Schlag mit dem schweren, eisenbeschlagenen Schaft konnte, den Kopf eines Mannes wie ein Ei zertrümmern. Der Turbanträger rappelte sich wieder auf, und O’Donnell sah sich von drei Seiten her eingekreist.

Ein blitzender Streich seines Krummsäbels, gerade noch pariert, trieb Jallad zurück, und O’Donnell wirbelte gleich einer aufgeschreckten Katze herum und sprang auf Achmed zu. Der Yusufzai brüllte und hob die Muskete zum Schlag, doch der Angriff war zu schnell für ihn. Ehe er sich’s versah, wand er sich in seinem Blut am Boden.

Wie ein wildes Tier schreiend, stürzte Jallad auf O’Donnell zu, aber der Amerikaner wich dem Angriff aus.

Zwischen ihm und dem Waziri auf dem Diwan befand sich niemand. Er hechtete direkt auf die vier Männer zu, die den Gefangenen noch immer niederhielten. Sie ließen den Mann los und zogen ihre tulwars. Einer schlug sofort heimtückisch auf den Waziri ein, doch dieser rollte sich vom Diwan und wich dem Schlag aus. Im nächsten Moment stand O’Donnell zwischen den Folterknechten und ihrem Opfer. Sie begannen, auf den Amerikaner einzustechen, und dieser wich vor ihnen zurück, wobei er »Raus! Vor mir! Schnell!« in Richtung des Waziris rief.

»Hunde!«, schrie der Turbanträger, der mit Jallad herübergerast kam. »Lasst sie nicht entkommen!«

»Komm, und schmecke den Tod meiner Klinge, du Hund!«, höhnte O’Donnell laut das Säbelgeklirr übertönend. Und selbst im wildesten Kampfgewirr vergaß er nicht, mit kurdischem Akzent zu sprechen.

Der Waziri, von der Folter geschwächt und taumelnd, schob einen Riegel zurück und riss die Tür auf. Sie führte in einen kleinen, mauerumgebenen Hof.

»Geh!«, schnappte O’Donnell. »Über die Mauer! Ich halte sie solange zurück!«

Er stand in der Tür, und seine Klingen waren zwei zuckende Zungen todbringenden Stahls. Der Waziri rannte stolpernd über den Hof, und die Männer im Raum warfen sich heulend gegen O’Donnell. Doch in dem schmalen Türrahmen behinderten sie sich selber. Er lachte und beschimpfte sie, während er parierte und zustieß. Der Turbanträger tanzte hinter der rempelnden, fluchenden Meute herum und stieß die wildesten Verwünschungen gegen den »diebischen Kurden« aus. Jallad holte zu einem Streich gegen O’Donnell aus, aber seine eigenen Männer standen ihm im Weg. Dann züngelte O’Donnells Krummsäbel vor und unter einen geschwungenen tulwar. Ein Yusufzai schrie auf und stürzte tot zu Boden. Jallad, der gerade einen weiten Ausfall unternahm, stolperte über den Daliegenden und fiel. Augenblicklich verstopfte ein Knäuel wimmernder, fluchender Gestalten den Türrahmen, und bevor es sich entwirren konnte, rannte O’Donnell über den Hof auf die Mauer zu, die der Waziri kurz zuvor überwunden hatte.

O’Donnell sprang, bekam die Mauerkrone zu fassen und hievte sich hoch. Für einen Moment blickte er in die dunkle, gewundene Straße hinunter. Dann traf ihn etwas hart am Kopf. Es war ein Schemel, den Jallad an sich gerissen und O’Donnell in seiner Wut nachgeworfen hatte, als dieser für kurze Zeit gegen das Sternenlicht zu sehen gewesen war. Doch O’Donnell wusste nicht, was ihn da traf, denn kurz nachdem er es gespürt hatte, verlor er das Bewusstsein. Starr und ohne einen Laut von sich zu geben, fiel er in die dunkle Straße hinunter.

 

 

 

2. Der Pfad ins Ungewisse

 

Der dünne Strahl einer Taschenlampe in seinem Gesicht holte ihn aus der Ohnmacht zurück. Er richtete sich auf, blinzelte, fluchte und griff nach seinem Schwert. Das Licht erlosch, und aus der Dunkelheit erklang eine Stimme: »Beruhige dich, Ali el Gazi. Ich bin dein Freund.«

»Wer in Teufels Namen bist du?«, fragte O’Donnell. Er hatte seinen Krummsäbel neben sich am Boden gefunden und sammelte seine Beine unter sich zu einem plötzlichen Sprung. Er befand sich in der Straße am Fuß der Mauer, von der er gefallen war. Sein Gegenüber war eine verschwommene Gestalt im Sternenlicht, die drohend über ihm ragte.

»Dein Freund«, wiederholte der andere. Er sprach mit einem persischen Akzent. »Jemand, der deinen Namen kennt. Nenne mich Hassan. Der Name ist so gut wie jeder andere.«

O’Donnell erhob sich, den Krummsäbel in der Hand, und der Perser streckte ihm etwas entgegen. O’Donnell sah ein stählernes Aufblitzen, doch bevor er darauf reagieren konnte, erkannte er, dass es sein eigener kindhjal war, den Hassan vom Boden aufgelesen hatte und ihm jetzt - den Griff zuerst - entgegenhielt.

»Du bist misstrauisch wie ein hungernder Wolf, Ali el Gazi«, lachte Hassan. »Hebe deine Klinge für deine Feinde auf.«

»Wo sind sie?«, fragte O’Donnell und ergriff den kindhjal.

»Verschwunden. In die Berge. Sie folgen dem Pfad des Blutbefleckten Gottes.«

O’Donnell fuhr heftig zusammen. Er packte den Perser an seinem khalat und starrte wütend in die schwarzen, spöttischen und im Sternenlicht irgendwie geheimnisvollen Augen.

»Verfluchter, was weißt du vom Blutbefleckten Gott?« Die scharfe Spitze des kindhjals berührte die Haut des Persers unterhalb der Rippen.

»Was ich weiß«, sagte der Perser gelassen, »ist dies: Du kamst nach Medina el Harami, weil du die Diebe verfolgst, die dir den Lageplan eines Schatzes stahlen, der größer ist als der von Akbar. Auch ich befinde mich auf der Suche nach etwas. Ich versteckte mich in der Nähe und beobachtete durch ein Loch in der Mauer, wie du in den Raum eindrangst, in dem der Waziri gefoltert wurde. Woher wusstest du, dass sie es waren, die die Karte stahlen?«

»Das wusste ich nicht!«, murmelte O’Donnell. »Ich hörte die Schreie des Mannes und entschied mich, ihm zu helfen. Hätte ich gewusst, dass sie die Männer waren, die ich suchte... Aber - was weißt du von dem Ganzen?«

»So viel«, sagte der Fremde. »In den Bergen, nicht fern von dieser Stadt, aber versteckt an einem fast unzugänglichen Ort, liegt ein heidnischer Tempel aus grauer Vorzeit, den die Eingeborenen der Hügel nicht zu betreten wagen. Das Gebiet ist tabu für die Feringhis, aber ein Engländer, Pembroke war sein Name, fand den Tempel durch Zufall, betrat ihn, und ein mit roten Edelsteinen besetztes Götzenbild fiel ihm in die Hände, das er den .Blutbefleckten Gott« taufte. Er konnte es nicht mitnehmen, fertigte jedoch eine Karte für seine Rückkehr an. Er verließ den Ort ohne Probleme, wurde aber in den Straßen Kabuls von einem Fanatiker niedergestochen und starb. Kurz vor seinem Tod übergab er die Karte einem Kurden namens Ali el Gazi.«

»Und?«, fragte O’Donnell grimmig. Das Haus in seinem Rücken war dunkel und still. Kein Laut ertönte in der schattendunklen Straße - mit Ausnahme des flüsternden Windes und des schwachen Gemurmels ihrer Stimmen.

»Die Karte wurde gestohlen«, sagte Hassan. »Du weißt, von wem.«

»Damals wusste ich es nicht«, brummte O’Donnell. »Später brachte ich in Erfahrung, dass es sich bei den Dieben um einen Engländer namens Hawklin und einen enterbten afghanischen Prinzen namens Jehungir Khan handelte. Ein herumschleichender Diener hatte den sterbenden Pembroke belauscht und sein Wissen an sie weitergeleitet. Ich habe bis jetzt keinen der beiden von Angesicht gesehen, aber es gelang mir, ihre Spuren bis hierher zu verfolgen. Heute Nacht erfuhr ich, dass sie sich in der Gasse des Satans versteckt hielten. Ich war auf der Suche nach ihrem Schlupfwinkel, als ich in diesen Kampf geriet.«

»Du hast sie bekämpft, ohne zu wissen, dass es die Männer waren, die du suchtest!«, sagte Hassan. »Der Waziri war ein gewisser Yar Mahomet, ein Spion Yakub Khans, des Anführers der Jowaki-Bande. Sie erkannten ihn, lockten ihn in ihr Haus und versengten ihn, damit er ihnen die Geheimpfade durch die Berge verriet, die nur Yakubs Spione kennen. Dann tauchtest du auf. Den Rest weißt du selber.«

»Alles mit Ausnahme dessen, was passierte, als ich die Mauer erstieg«, sagte O’Donnell.

»Jemand warf dir einen Schemel nach«, erwiderte Hassan. »Nachdem du von der Mauer gefallen warst, schenkten sie dir keine Beachtung mehr. Entweder dachten sie, du wärest tot, oder sie erkannten dich aufgrund deiner Vermummung nicht mehr wieder. Sie jagten dem Waziri hinterher, aber ob sie ihn gefangen und getötet haben, oder ob er entkommen konnte, weiß ich nicht. Nach einer kurzen Weile kehrten sie zurück, sattelten in großer Eile ihre Pferde und ritten nach Westen, ohne sich dir weiter gewidmet zu haben. Dann kam ich und enthüllte dein Gesicht, um zu sehen, wer du warst, und erkannte dich.«

»Dann war der Mann im roten Turban Jehungir Khan«, murmelte O’Donnell. »Aber wo war Hawklin?«

»Er war verkleidet, als Afghane - der Mann, den sie Jallad nennen, den Henker, weil er so viele Menschen getötet hat.«

»Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass Jallad ein Feringhi war«, brummte O’Donnell.

»Nicht jedermann ist, was er scheint«, sagte Hassan beiläufig. »Du zum Beispiel bist kein Kurde, sondern ein Amerikaner. Kirby O’Donnell.«

Für einen Moment herrschte tödliche Stille.

»Und was noch?« O’Donnells Stimme war sanft und gefährlich wie das Zischen einer Kobra.

»Nichts! Ich will den Roten Gott, genau wie du. Deswegen bin ich Hawklin hierher gefolgt. Doch alleine kann ich gegen seine Bande nichts ausrichten. Lass uns diesen Dieben folgen und ihnen das Götzenbild wegnehmen.«

»In Ordnung«, entschied sich O’Donnell schnell. »Aber ich werde dich töten, wenn du mich hereinlegst, Hassan!«

»Vertraue mir!«, antwortete Hassan. »Komm. Ich habe Pferde beim serai - bessere als den Hengst, der dich in diese Stadt der Diebe trug.«

Der Perser ging voran - durch schmale, kurvenreiche Straßen, die von vergitterten Balkonen Überhängen wurden, und sich windende, übelriechende Gassen entlang, bis er vor einer lampenerleuchteten Tür stehenblieb, die in einen ummauerten Hof führte. Auf sein Klopfen hin erschien ein bärtiges Gesicht in der Pförtnerluke, und einige gemurmelte Worte wurden gewechselt; dann schwang die Tür auf. Unbekümmert trat Hassan ein, und O’Donnell folgte ihm misstrauisch. Irgendwie erwartete er eine Falle; er hatte viele Feinde in Afghanistan, und Hassan war ein Fremder. Doch die Pferde waren da, und auf ein Wort des Stallmeisters, des serai, hin erhob sich eine Gruppe schläfriger Diener, sattelte sie und füllte die geräumigen Satteltaschen mit Essenspaketen. Hassan besorgte noch ein Paar hochwertige Gewehre und einige gut gefüllte Patronengurte.

Kurze Zeit später ritten sie zusammen aus dem Westtor. Hassan, der Perser, war wohlbeleibt, aber muskulös. Er hatte ein breites, gewitztes Gesicht und dunkle, wachsame Augen. Er wusste mit einem Gewehr umzugehen, und von seinem Gürtel hing ein Krummsäbel. O’Donnell wusste, dass dieser Mann, trieb man ihn in die Enge, einen gerissenen und mutigen Kämpfer abgeben würde. Und er wusste auch, wie weit er ihm trauen konnte. Der persische Abenteurer würde sich nur so lange fair verhalten, wie es für ihn von Vorteil war. Bot sich dann eine Chance, und er benötigte O’Donnells Hilfe nicht länger, würde er nicht zögern, seinen Partner - wenn möglich - umzubringen, um vielleicht den ganzen Schatz für sich alleine zu haben. Männer vom Schlage Hassans waren so ruchlos wie eine Königskobra.

Auch Hawklin war eine Kobra, doch die Chancen, die O’Donnell gegen ihn hatte, ließen den Amerikaner nicht zurückschrecken - gegen ihn und fünf gut bewaffnete, verzweifelte Männer. Verstand und kalte Verwegenheit würden dafür sorgen, dass die Chancen gleich verteilt waren, wenn die Zeit kam.

Beim Morgengrauen ritten sie durch zerklüftete Engpässe und an bedrohlichen Abhängen vorbei. Dann zügelte Hassan unsicher seinen Hengst. Bis jetzt waren sie einem leicht zu reitenden Weg gefolgt, doch nun vollführten die Hufspuren einen scharfen Knick und verloren sich auf dem öden, felsigen Grund eines weitläufigen Plateaus.

»Hier haben sie den Weg verlassen«, sagte Hassan. »Aber wir können ihnen nicht folgen - nicht über dieses deckungslose Ödland. Du hast dir die Karte genau angesehen, als du sie noch hattest. Wohin führt unser Weg von hier?«

O’Donnell schüttelte den Kopf und ärgerte sich über seine plötzliche Verstimmung.

»Die Karte ist ein Rätsel, und mir blieb nicht die Zeit, es zu lösen. Einer der Hauptorientierungspunkte für den alten Pfad, der zum Tempel führt, muss sich irgendwo hier in der Nähe befinden: das Schloss von Akbar. Doch habe ich, weder von einem Schloss in dieser Gegend gehört, noch von den Ruinen eines Schlosses.«

»Sieh!«, rief Hassan aus, erhob sich mit feurigen Augen in seinen Steigbügeln und zeigte auf einen riesigen, kahlen Felszacken, der einige Meilen westlich von ihnen in den Himmel ragte. »Das ist das Schloss von Akbar! Jetzt nennt man es die Adlerklippe, aber früher hieß es Schloss von Akbar! Ich habe in einer alten, vergilbten Schrift davon gelesen! Irgendwie wusste Pembroke davon und gebrauchte den alten Namen, um Unbefugte zu verwirren! Komm! Auch Jehungir Khan muss davon gewusst haben. Wir sind nur eine Stunde hinter ihnen, und unsere Pferde sind besser als ihre.«

O’Donnell ritt voran und marterte sein Hirn, um sich die Details der gestohlenen Karte wieder ins Gedächtnis zu rufen. Den Fuß der Klippe nach Südwesten umreitend, folgte er einer imaginären Linie, die von der Spitze zu drei Felsen führte, die weit im Süden ein Dreieck bildeten. Bald stießen sie auf die Spuren eines alten Pfades, der sich hoch in die Berge hinaufwand. Die Karte hatte nicht gelogen, und sein Gedächtnis hatte O’Donnell nicht im Stich gelassen. Pferdeäpfel zeigten an, dass vor kurzem eine Gruppe Reiter dem undeutlichen Pfad gefolgt war. Hassan nahm an, dass es Hawklin und seine Männer gewesen waren, und O’Donnell gab ihm Recht.

»Sie haben sich am Schloss von Akbar orientiert - genau wie wir. Langsam schließen wir die Lücke zwischen uns. Aber wir sollten ihnen nicht zu nahe rücken. Zahlenmäßig sind sie uns überlegen. Am besten halten wir uns in Deckung, bis sie das Götzenbild haben. Dann lauern wir ihnen auf und nehmen es ihnen weg.«

Hassans Augen strahlten. Solch eine Strategie gefiel seiner orientalischen Seele.

»Aber wir müssen achtgeben«, sagte er. »Hier beginnt das Gebiet Yakub Khans, der alles und jeden ausraubt, den er darin findet. Hätten sie die Geheimpfade gekannt, wäre es ihnen vielleicht möglich gewesen, ihm auszuweichen. Jetzt müssen sie sich auf ihr Glück verlassen, damit sie ihm nicht in die Hände fallen. Auch wir müssen auf der Hut sein! Yakub Khan ist nicht gerade befreundet mit mir - und er hasst die Kurden!«

 

 

 

3. Die Schlacht in den Bergen

 

 

Am frühen Nachmittag folgten sie noch immer dem undeutlichen Pfad, der sich endlos dahinwand und offensichtlich den Überrest einer alten Straße darstellte.

»Wenn der Waziri zu Yakub Khan zurückgekehrt ist«, sagte Hassan, als sie auf eine schmale Schlucht zu ritten, die sich in den bedrohlichen Steilhängen vor ihnen auf tat, »werden die Jowakis doppelt wachsam sein. Allerdings hat Yar Mahomet keine Ahnung von Hawklins wahrer Identität, und er weiß auch nicht, hinter was der Engländer her ist. Wie soll Yakub es also wissen? Ich glaube, er weiß, wo der Tempel liegt, aber er ist zu abergläubisch, sich ihm auch nur zu nähern. Er fürchtet sich vor Geistern. Vor dem Götzenbild hat er keine Ahnung. Pembroke war der einzige Mensch, der den Tempel in Allah weiß wie vielen Jahrhunderten betreten hat. Hawklin, Jehungir Khan, du und ich, wir sind die einzigen, die von der Existenz des Götzenbildes wissen...«

Unwillkürlich zügelten sie die Pferde, als ein schlanker, falkengesichtiger Pather aus dem Schluchteingang vor ihnen ritt.

»Halt!«, rief er gebieterisch und kam ihnen mit erhobener Hand entgegen. »Mit welchem Recht durchquert ihr das Territorium Yakub Khans?«

»Vorsicht«, murmelte 0’Donnell.»Er ist ein Jowaki.« »Ich werde ihm Geld geben«, erwiderte Hassan verhalten. »Yakub Khan behält sich das Recht vor, von jedem, der sein Gebiet durchreist, Zoll zu verlangen. Vielleicht ist der Kerl deswegen hier.«

Dann sprach der zu dem Reiter, wobei er an seinem Gürtel nestelte: »Wir sind nur arme Reiter, die gerne bereit sind, den Zoll zu entrichten, den Yakub Khan von ihnen verlangt. Wir sind allein.«

»Und wer ist das da?«, fragte der Jowaki barsch und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Hassan, trotz all seiner Gewitztheit, drehte den Kopf. Die Hand mit den Geldstücken hielt er noch immer ausgestreckt. In diesem Moment flammte hämischer Triumph im dunklen Gesicht des Jowakis auf, und mit einer Bewegung, die so schnell wie das Zuschnappen einer Kobra war, riss er den Dolch aus seinem Gürtel und stach in Richtung des arglosen Persers.

Doch so schnell er auch war, O’Donnell, der die Falle geahnt hatte, war schneller. Als der Dolch auf Hassans Kehle zu jagte, blitzte O’Donnells Krummsäbel in der Sonne auf, und Stahl schmetterte laut auf Stahl. Der Dolch flog aus der Hand des Pathers, und knurrend fuhr er mit seiner Rechten zum Schaft des Karabiners, der neben den Schenkeln aus dem Sattelschuh ragte. Bevor der die Waffe ganz herausgezogen hatte, traf der Krummsäbel ihn am Kopf, spaltete den Turban und was darunter lag. Das Pferd des Jowakis wieherte, bäumte sich auf und schickte den leblosen Körper auf den Boden. O’Donnell riss seinen eigenen Hengst herum.

»Reite in die Schlucht!«, schrie er. »Es ist ein Hinterhalt!«

Der Kampf hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber bevor der Pather noch auf den Boden schlug, krachten hinter den Felsbrocken des Steilhangs schon die Gewehre. Hassans Pferd schüttelte sich in Krämpfen und jagte blutspuckend auf den Schluchteingang zu. O’Donnell fühlte das Blei an seinen Ärmeln zupfen, als er seinem Hengst die Sporen gab und dem flüchtenden Perser nachsetzte, dem es nicht mehr gelang, sein vor Schmerzen verrücktes Tier unter Kontrolle zu bringen.

Als sie auf den Schluchteingang zu hetzten, tauchten auf einmal drei Reiter vor ihnen auf - bewährte Schwertkämpfer des Jowaki-Klans, die ihre breitklingigen tulwars schwangen. Hassans Hengst trug ihn genau auf sie zu. Der Perser konnte ihn nicht mehr zurückreißen. Im nächsten Moment gab er es auf, zog sein Gewehr aus dem Schaft und feuerte wie wild auf die näher rückenden Jowakis. Eines der anstürmenden Pferde stolperte, fiel und warf seinen Reiter ab. Ein weiterer Reiter riss die Arme in die Höhe und stürzte zu Boden. Der dritte hieb wie verrückt auf Hassan ein, als dessen tolles Pferd an ihm vorbeiraste, doch der Perser entkam der pfeifenden Klinge mit eingezogenem Kopf und galoppierte unbehelligt in die Schlucht.

Sekunden später war O’Donnell auf gleicher Höhe mit dem Schwertkämpfer, der mit geschwungenem tulwar auf ihn zu sprengte. Der Amerikaner riss seinen Krummsäbel hoch und die Klingen trafen sich mit ohrenbetäubendem Geschmetter, als die Pferde Brust gegen Brust zusammenstießen. Das Pferd des Banditen wankte unter dem Aufprall, und O’Donnell erhob sich in seinen Steigbügeln und schlug mit all seiner Kraft zu, hieb den erhobenen tulwar nieder und spaltete den Schädel des Mannes. Im nächsten Augenblick galoppierte der Amerikaner in die Schlucht. Irgendwie erwartete er, dass sie mit bewaffneten Kriegern gefüllt war - doch blieb ihm keine andere Wahl. Von draußen jaulten ihm Kugeln nach. Sie klatschten gegen die Felsen und pflügten durch verkrüppelte Bäume.

Doch offensichtlich hatte der Stratege, der diesen Hinterhalt gelegt hatte, die Scharfschützen hinter den Eingangsfelsen für genügend erachtet und lediglich vier seiner Halsabschneider in der Schlucht selber postiert, denn O’Donnell sah nur Hassan vor sich, als er hineinraste. Das verwundete Pferd quälte sich noch über ein paar Ellen, knickte dann in den Vorderläufen ein und fiel. Der Perser sprang vorher ab.

»Steig hinter mir in den Sattel«, befahl O’Donnell und rückte vor, als Hassan, das Gewehr in der Rechten, hinter ihm aufsprang. Ein leichter Schenkeldruck mit den Sporen und schon setzte sich das schwer beladene Pferd in Bewegung. Wildes Geschrei in ihrem Rücken verriet ihnen, dass die Banditen vermutlich gerade ihre Pferde bestiegen, die sie mit Sicherheit irgendwo versteckt gehalten hatten. Die Schlucht vollführte eine Kurve, und die Geräusche wurden gedämpfter. Doch sie wussten, dass die wilden Männer der Berge ihnen folgen würden - wie Wölfe der Spur eines lahmenden Hirsches.

»Dieser Waziri muss zu Yakub zurückgekehrt sein«, keuchte Hassan. »Sie wollen Blut, kein Gold. Glaubst du, sie haben Hawklin vernichtet?«

»Hawklin hat die Schlucht vielleicht betreten, bevor sie ihren Hinterhalt legen konnten«, gab O’Donnell zu bedenken.

Hassan zuckte mit den Schultern. »Dieser Gaul wird’s nicht mehr lange machen. Er wird schnell müde werden. Wir halten besser nach einer Stelle Ausschau, an der wir sie erwarten und bekämpfen können. Wenn wir erst frische Pferde haben, können wir vielleicht in der Nacht entkommen.«

Sie hatten vielleicht ein oder zwei Meilen zurückgelegt und hörten bereits die ersten schwachen Laute einer Verfolgung, wenn auch noch aus weiter Ferne, als sie in eine weite, tellerartige Senke hinunterritten, die von steil auf ragenden Felsen umgeben wurde. Von der Mitte dieser Senke führte ein leicht ansteigender Hang zu einem flaschenhalsartigen Pass hinauf, dem Ausgang aus dieser natürlichen Arena. Etwas Ungewöhnliches an diesem Flaschenhals verblüffte O’Donnell, selbst noch als Hassan aufschrie und vom Pferd sprang. Eine niedrige Steinmauer verschloss den schmalen Durchgang des Passes. Von dort krachte ein Schuss, gerade als O'Donnells Hengst, alarmiert durch das vom blauen Gewehrlauf reflektierte Sonnenlicht, den Kopf zurückwarf. Die Kugel, die für den Reiter bestimmt gewesen war, zertrümmerte den Schädel des Pferdes.

Das Tier bäumte sich auf und stürzte auf die Felsen. O’Donnell konnte gerade noch rechtzeitig abspringen und hinter eine Felsengruppe hechten, wo Hassan bereits Deckung gefunden hatte. Feuerzungen leckten von der Steinmauer, und Querschläger durchjaulten die Luft in ihrer Nähe. Sie blickten sich mit grimmigem, sardonischem Humor in die Gesichter.

»Tja - damit hätten wir Hawklin gefunden!«, sagte Hassan.

»Und in ein paar Minuten wird Yakub Khan in unserem Rücken auftauchen, und wir werden uns zwischen dem Teufel und der tiefen, blauen See befinden!« O’Donnell lachte, aber nur kurz. Ihre Situation war verzweifelt. Sie saßen in der Falle.

Die Felsbrocken, hinter denen sie sich verschanzt hatten, boten zwar Deckung gegen das Feuer vom Pass, Yakub Khans Kugeln jedoch würden sie gnadenlos ausgeliefert sein, wenn er mit seinen Jowakis in die Senke hinuntergeritten kam.

Eine höhnische Stimme erklang vom Pass. »Komm hervor und lass dich erschießen, du verfluchter Schurke!« Hawklin ließ keine Zweifel an seiner wahren Identität aufkommen. »Ich kenne dich, Hassan! Wer ist der Kurde bei dir? Ich dachte, ich hätte ihn gestern erledigt!«

»Ich bin der Kurde!«, rief O’Donnell zurück. »Ali el Gazi!«

Nach einem kurzen Augenblick verblüffter Stille rief der Engländer: »Ich hätte es mir denken können, du Yankee-Schwein! Ich kenne dich; aber das ist jetzt egal! Wir haben dich im Schwitzkasten!«

»Meinst du, deine Lage ist besser, Hawklin?«, schrie O’Donnell. »Hast du die Schüsse weiter hinten in der Schlucht gehört!?«

»Natürlich. Wer ist hinter euch her?«

»Yakub Khan und mindestens hundert Jowakis!« O’Donnell übertrieb absichtlich. »Wenn er uns fertiggemacht hat, glaubst du, dass er dann euch in Ruhe lässt? Wo ihr doch einen seiner Männer gefoltert habt?«

»Es wäre besser, wenn wir uns dir anschlössen«, stimmte Hassan ein, der - wie O’Donnell - ihre letzte, verzweifelte Chance erkannt hatte. »Es wird einen ziemlichen Kampf geben, und ihr werdet jede Hilfe brauchen können, wenn ihr mit heiler Haut davonkommen wollt!«

Hawklins turbanbesetzter Kopf erschien über der Mauer. Offensichtlich vertraute er auf die Ehre der Männer, die er hasste, und fürchtete sich nicht vor einem hinterhältigen Schuss.

»Ist das wahr?«, rief er.

»Hörst du denn die Pferde nicht?«, erwiderte O’Donnell.

Die Antwort erübrigte sich. Die Schlucht hallte von Hufschlägen und wilden Schreien wider. Hawklin erbleichte. Er wusste, wieviel Gnade er von Yakub Khan erhoffen konnte. Er kannte die Erfahrung im Kampf beider Abenteurer und wusste, wie sehr ihre Hilfe in einem Kampf auf Leben und Tod zählen würde.

»Kommt rauf, schnell!«, rief er. »Wenn wir den Kampf überleben, können wir immer noch entscheiden, wer das Götzenbild kriegt!«

Es war beileibe nicht die Zeit, an Schätze zu denken, selbst nicht an den Roten Gott! Das Leben selber stand auf dem Spiel. O’Donnell und Hassan sprangen hoch. Die Gewehre in den Händen, rannten sie den Hang hinauf zu der Mauer. Sie hatten sie gerade erreicht, als die ersten Reiter aus der Schlucht stürmten und zu schießen begannen. Hinter der Mauer kauernd, erwiderten Hawklin und seine Männer das Feuer. Ein halbes Dutzend Sättel wurde geleert, und die Jowakis rissen, demoralisiert von der unerwarteten Wirkung der Salve, ihre Pferde herum und flohen zurück in die Schlucht.

O’Donnell warf einen Blick auf die Männer, die das Schicksal zu seinen Kampfgefährten gemacht hatte - die Diebe, die ihm die Karte gestohlen hatten und ihn noch vor fünfzehn Minuten ohne Zögern getötet hätten - auf Hawklin, grimmig und hartäugig in seinem Afghanengewand, Jehungir Khan, der selbst nach langem Ritt noch adrett aussah, und die drei Yusufzai- Schwertkämpfer Akbar, Suliman und Yusuf. Letztere zeigten ihm ihre Zähne. Dies war ein Bund von Wölfen, der nicht länger andauern würde, als die gemeinsame Bedrohung.

Die Männer hinter der Mauer begannen auf die weißgekleideten Figuren zu schießen, die zwischen den Felsen und Büschen am Schluchtausgang herumsprangen. Die Jowakis waren abgestiegen und krochen, jede Deckung nutzend, in die Senke hinunter. Ihre Gewehre krachten hinter jedem Felsbrocken und jeder verkrüppelten Tamariske.

»Die müssen uns verfolgt haben«, knurrte Hawklin und äugte seinen Gewehrlauf entlang. »Du hast gelogen, O’Donnell! Das sind niemals hundert Mann da unten.«

»Auf jeden Fall genügend, um dir den Hals durchzuschneiden«, erwiderte O’Donnell und zog seinen Abzug durch. Ein Mann, der gerade auf einen Felsbrocken zu hechtete, schrie auf und blieb tot liegen. Ein wütendes Brüllen entrang sich den Kehlen der lauernden Krieger. »Und außerdem: Yakub Khan hat bestimmt schon nach Verstärkung geschickt. Sein Dorf ist nicht weit von hier.«

Ihr Gespräch wurde vom ständigen Krachen der Gewehre unterbrochen. Die gut gedeckten Jowakis trugen bei dem Schusswechsel kaum Schaden davon.

»Solange wir hinter dieser Mauer sind, ist die Lage nicht aussichtslos«, brummte Hawklin. »Wer weiß, wie viele Jahrhunderte die schon hier steht. Ich glaube, sie wurde von derselben Rasse erbaut, die auch den Tempel des roten Gottes errichtete. Ruinen wie diese findet man überall in den Hügeln. Verflixt!« Er schrie zu seinen Männern: »Feuer einstellen! Wir haben kaum noch Munition. Sie bereiten sich auf einen Sturmangriff vor. Hebt eure Patronen dafür auf. Wir werden sie alle niedermähen, sobald sie ihre Deckung verlassen haben.« Und wenig später rief er: »Da kommen sie!«

Die Jowakis rückten zu Fuß vor. Sie sprangen von Felsen zu Felsen, von Busch zu Busch und schossen, als sie kamen. Die Verteidiger hielten verbissen ihr Feuer zurück, duckten sich und spähten durch die flachen Zinnenauszackungen der Mauer. Blei schmetterte gegen den Stein, sprengte kleine Stückchen ab und staubte. Suliman fluchte laut, als ihn eine Kugel in die Schulter traf. Hinten im Schluchtausgang sah O’Donnell für kurze Zeit Yakub Khans roten Bart aufleuchten, aber der Anführer ging in Deckung, bevor der Amerikaner auf ihn anlegen konnte. Der schlaue Fuchs riskierte es nicht, den Angriff selber anzuführen.

Doch seine Klanmitglieder kämpften mit ungezähmter Wildheit. Vielleicht hatte sie die Waffenruhe der Verteidiger dem Irrtum unterliegen lassen, dass jenen die Munition ausgegangen wäre. Vielleicht übermannte auch die Mordlust in ihren Adern ihre sonstige Gerissenheit. Auf jeden Fall verließen sie ihre Deckung von einer Sekunde auf die andere und hetzten mit immer lauter werdendem Wolfgeheul den Hang hinauf. Es mussten dreißig oder vierzig sein. Aus nächster Nähe feuerten sie ihre Gewehre ab und stürzten dann mit drei Fuß langen Messern auf die Barriere zu.

»Jetzt!«, schrie Hawklin, und eine Salve aus kürzester Entfernung zerriss die heranjagende Formation. Im nächsten Moment war der Hang mit sich windenden Gestalten übersät. Die Männer hinter der Mauer waren mehr als kampferfahren, und es war ihnen unmöglich, einen Mann auf so kurze Entfernung zu verfehlen. Der Blutzoll, den ihr mörderischer Bleihagel forderte, war entsetzlich, aber die Angreifer ließen sich nicht beirren. Ihre Augen waren starr, die Bärte voll Schaum, und die Klingen blinkten in ihren haarigen Fäusten.

»Die halten wir nicht mehr mit Kugeln auf!«, schrie Hawklin aschfahl und verfeuerte seine letzte Patrone. »Haltet die Mauer, oder wir werden alle sterben!«

Die Verteidiger entleerten ihre Gewehre in die Mitte der anrückenden Meute. Dann erhoben sie sich hinter der Mauer, zogen ihre Stichwaffen oder bedienten sich ihrer Gewehrschäfte als Keulen. Hawklins Strategie hatte versagt; jetzt hieß es Mann gegen Mann, und der Teufel soll den Verlierer holen.

Männer taumelten und gingen unter den letzten Kugeln nieder, doch die Angreiferhorde stürmte über ihre zuckenden Leiber zur Mauer und staute sich davor. Die ganze Barriere entlang schallten das Krachen knochenzersplitternder Hiebe, das Schmettern aufeinandertreffenden Stahls, und die Flüche sterbender Männer. Die Handvoll Verteidiger befand sich noch immer im Vorteil der Stellung, und viele Tote lagen vor der Mauer, bevor es den Jowakis gelang, auf der Barrikade Fuß zu fassen. Ein wildäugiger Eingeborener stieß den Lauf seiner Muskete mitten in Akbars Gesicht und drückte ab. In die Lücke, die durch den niedersinkenden Yusufzai entstand, sprang der heulende Jowaki, der sich auf und über die Mauer hievte, bevor O’Donnell die Stelle erreichen konnte. Der Amerikaner war zurückgetreten und nestelte an seinem Waffengurt, um sein Gewehr nachzuladen - nur, um herauszufinden, dass er keine Patronen mehr hatte. In diesem Moment sah er den Jowaki über die Mauer kommen. Das Gewehr am Lauf schwingend, rannte er auf den Banditen zu, der gerade die Muskete fallen gelassen und sein langes Messer gezogen hatte. Doch kaum hielt er es fest in seiner Hand, als ihm O’Donnells Gewehrschaft den Schädel zerschmetterte.

O’Donnell sprang über den fallenden Körper, um sich den Männern entgegenzustellen, die nunmehr auf die Mauer vordrangen. Er schwang sein Gewehr wie einen Dreschflegel, und es blieb ihm keine Zeit, zu sehen, wie der Kampf rechts und links von ihm voranging. Hawklin fluchte in Englisch, Hassan in Persisch, und irgendjemand schrie in Todesqual. Er hörte Schläge, Keuchen und Flüche, doch konnte er nicht einen Blick nach rechts oder links riskieren. Drei völlig rasende Banditen kämpften wie Wildkatzen um den Halt auf der Mauer. Er drosch auf sie ein, bis sein Gewehrschaft zersplittert war. Zwei von ihnen lagen mit gebrochenem Schädel tot am Boden, doch der letzte, rittlings auf der Mauer sitzend, ergriff den Amerikaner mit seinen Gorillahänden und zog ihn so nahe zu sich heran, dass dieser seinen Knüppel nicht mehr gebrauchen konnte. Halb erstickt von den behaarten Fingern um seinen Hals, zerrte O’Donnell seinen kindhjal aus dem Gürtel und stieß blind damit zu, wieder und wieder, bis Blut über seine Hand strömte. Mit einem klagenden Aufschrei ließ ihn der Jowaki los und fiel von der Mauer.

Nach Luft schnappend, blickte O’Donnell sich um - und erkannte, dass die Lage sich entspannt hatte. Die Barriere wurde nicht mehr länger von wilden Gesichtern bedrängt. Die wenigen übriggebliebenen Jowakis taumelten den Hang hinunter.

Ihre Verluste waren schrecklich, und unter den Überlebenden gab es keinen, der nicht mindestens aus einer Wunde heftig blutete.

Doch der Sieg war teuer erkauft worden. Suliman hing bewegungslos über der Mauer, den Kopf zertrümmert. Akbar war tot. Yusuf lag im Sterben. Eine Messerwunde klaffte in seinem Bauch, und er schrie entsetzlich. Als O’Donnell zu ihm hinüberblickte, sah er, wie Hawklin seinen Leiden mit einer Pistolenkugel ein Ende setzte. Dann erblickte der Amerikaner Jehungir Khan, der mit seinem Rücken gegen die Mauer saß und die Hände gegen den Körper gepresst hielt, während unentwegt Blut zwischen seinen Fingern hervorsickerte. Die Lippen des Fürsten waren blau, brachten aber immer noch ein - wenn auch grässliches - Lächeln zustande.

»In einem Palast geboren«, flüsterte er, »sterbe ich jetzt hinter einer Steinmauer! Macht nichts - Kismet. Es liegt ein Fluch auf diesem heidnischen Schatz - alle, die den Pfad des Blutbefleckten Gottes ritten, mussten sterben...« Seine Stimme versagte. Er war tot.

Hawklin, O’Donnell und Hassan blickten sich schweigend an. Sie waren die einzigen Überlebenden - drei finstere Gestalten, von Pulverdampf geschwärzt und von Blutflecken übersät, die Kleider zerrissen. Die flüchtenden Jowakis hatten sich in die Schlucht zurückgezogen und die Senke, bis auf die Toten am Hang, leer zurückgelassen.

»Yakub konnte entkommen!«, knurrte Hawklin. »Ich sah ihn sich davonschleichen, als die Niederlage sich abzeichnete. Er wird zu seinem Hauptquartier zurückkehren, und dann haben wir den Rest der Bande auf unseren Fersen! Kommt! Wir können den Tempel finden. Lassen wir’s drauf ankommen; wir sehen zu, dass wir das Götzenbild kriegen - und dann nichts wie ’raus aus den Bergen, bevor uns Yakub erwischt. Wir sitzen alle in einem Boot. Lasst uns unsere Streitigkeiten vergessen und in dieselbe Richtung rudern. Der Schatz reicht für uns drei.«

»Du sprichst die Wahrheit«, brummte O’Donnell. »Doch gib mir die Karte, bevor wir aufbrechen.« Hawklin hielt noch immer eine rauchende Pistole in seiner Hand, aber bevor er sie heben konnte, bedrohte ihn Hassan mit einem Revolver.

»Genau für diesen Fall habe ich ein paar Patronen aufgehoben«, sagte der Perser. »Gib mir die Pistole.« Der Engländer gehorchte.

»Und nun gib O’Donnell die Karte.«

Schulterzuckend zog Hawklin ein zerknittertes Stück Pergament hervor. »Verfluchte Hunde«, knurrte er. »Ein Drittel des Schatzes kriege ich!«

O’Donnell warf einen kurzen Blick auf die Karte und stopfte sie dann in seinen Gürtel. »In Ordnung. Ich bin nicht nachtragend. Zwar bist du ein Schwein, aber solange du zu uns hältst, werden wir dich als gleichberechtigten Partner behandeln, was, Hassan?«

Der Perser nickte und steckte beide Schusswaffen in seinen Gürtel. »Dies ist kein Zeitpunkt für Streitigkeiten. Wir drei werden unser Bestes geben müssen, wenn wir hier heil wieder herauswollen. Sobald die Jowakis uns zu nahe rücken, werde ich dir deine Pistole zurückgeben, Hawklin. Wenn sie es nicht tun, wirst du sie nicht gebrauchen können.«

 

 

 

4. Der Blutzoll des Gottes

 

 

In dem engen Pass hinter der Mauer waren Pferde festgemacht. Die drei Männer zogen sich in die Sättel der besten, ließen die anderen frei und ritten die Schlucht hinauf, die sich hinter dem Pass endlos dahinschlängelte. Die Nacht brach über die Reisenden herein, doch unbekümmert ritten sie weiter durch die Dunkelheit. Irgendwo in ihrem Rücken, wie weit oder nah konnten sie nicht sagen, ritten die Banditen Yakub Khans, und wenn der Anführer ihrer habhaft werden würde, hätten sie nichts zu lachen. So ritten sie durch die Finsternis des nächtlichen Himalaja, drei zu allem fähige Männer bei einem verrückten Unternehmen, vom Tod verfolgt und von unbekannten Gefahren erwartet, voll beunruhigenden Argwohns gegeneinander.

O’Donnell beobachtete Hassan wie ein Falke. Er trug die einzigen Feuerwaffen bei sich. Er befand sich dadurch in einem Vorteil, der dem Amerikaner nicht behagte. War es erst einmal soweit, dass Hassan die Hilfe seiner beiden Kumpane nicht mehr benötigte, so war sich O’Donnell sicher, dass er sie unverzüglich kaltblütig erschösse. Doch solange er ihren Beistand brauchte, würde er ihnen kein Haar krümmen. Sollte es dann aber wirklich zum Kampf zwischen ihnen kommen. O’Donnell berührte grimmig seine beiden Klingen. Mehr als einmal war er mit ihnen gegen heißes Blei angetreten - und er lebte noch immer.

Während sie sich unter Zuhilfenahme der Karte ihren Weg durch das Sternenlicht bahnten, und sich an den auch bei Nacht nicht zu verfehlenden Bezugspunkten orientierten, fragte sich O’Donnell immer wieder, was es war, das ihm der Urheber der Karte kurz vor seinem Tod hatte sagen wollen. Der Tod hatte Pembroke schneller heimgesucht, als dieser es erwartet hatte. Mitten in der Beschreibung des Tempels war das Blut über seine Lippen gesprudelt, und er war zurückgesunken, selbst im Sterben noch verzweifelt um ein paar Worte ringend. Sie klangen wie eine Warnung - aber wovor?

Der Morgen zog heraus, als sie die Schlucht verließen und in ein tiefes, von hohen Bergen umgebenes Tal einritten. Der Engpass, durch den sie eindrangen, ein schmaler Pfad zwischen hoch aufragenden Klippen, war der einzige Zugang; ohne die Karte hätten sie ihn nie gefunden. Er führte auf eine Felsbank, die den Talrand entlanglief, eine Art vorspringendes Bord, etwa hundert Fuß breit und an der einen Seite von einer dreihundert Fuß hohen Klippe überragt - während es auf der anderen Seite über tausend Fuß tief senkrecht abfiel. Kein Weg schien in die nebelverhangenen Tiefen des Tales hinunterzuführen. Doch sie verschwendeten keinen zweiten Blick auf das, was unter ihnen lag, denn was sie vor sich sahen, ließ sie vergessen, dass sie hungrig und müde waren. Auf der Felsbank erhob sich der Tempel, und er glänzte in der aufgehenden Sonne. Er war in das bloße Felsgestein einer Klippe gehauen, und sein weiter Säulengang zeigte in ihre Richtung. Die Felsbank glich einer großzügigen Anfahrt zu seiner matt glänzenden Tür.

Welche Rasse, welche Kultur dieser Tempel repräsentierte, darüber stellte O’Donnell keine Vermutungen an. Tausende unbekannter Eroberer waren noch vor Beginn der Geschichtsschreibung durch diese Berge gestreift, und namenlose Zivilisationen waren aufgeblüht und niedergegangen, bevor die eisigen Bergspitzen von den siegreichen Trompeten Alexanders des Großen widerhallten.

Wie werden wir die Tür auf bekommen? fragte sich O’Donnell. Das bronzebeschlagene Tor sah aus, als ob es Artilleriebeschuss standhalten würde. Er entfaltete die Karte und studierte einmal mehr die Bemerkungen, die auf den Rand geschrieben waren. Doch Hassan glitt aus seinem Sattel und rannte ihnen - vor lauter Gier ganz außer sich - voraus. Eine merkwürdige Besessenheit, die an Wahnsinn grenzte, hatte Besitz von dem Perser ergriffen, als dieser den Tempel vor sich liegen sah und an die fabelhaften Reichtümer in seinem Innern dachte.

»Er ist ein Narr!«, brummte Hawklin und stieg vom Pferd. »Pembroke hat eine Warnung auf den Rand der Karte gekritzelt - der Tempel könne betreten werden, doch solle man vorsichtig sein, da der Gott auf einem Opfer bestehen würde.«

Hassan zog und riss an den verschiedenen Ornamenten und vorspringenden Teilen des Portals. Sie hörten ihn entzückt auf jauchzen, als es sich unter seinen Händen bewegte - doch sein Jauchzen verwandelte sich in einen Entsetzensschrei, als der Türflügel, eine Tonne bearbeiteter Bronze, schwankte und krachend vorfiel. Der Perser konnte ihm nicht mehr ausweichen. Er zerquetschte ihn wie eine Ameise. Die große Metallplatte bedeckte ihr Opfer völlig, und das einzige, was von Hassan zu sehen war, war sein rotes Blut, das unter ihr hervorquoll.                                                              

Hawklin zuckte mit den Schultern.

»Ich sagte, dass er ein Narr wäre. Die Alten wussten schon, wie sie ihre Schätze schützten. Ich frage mich, wie es Pembroke fertigbrachte, nicht zerquetscht zu werden.«

»Es wird ihm gelungen sein, das Portal zu öffnen, ohne es aus den Angeln zu lösen«, erwiderte O’Donnell.

»Hassan hat an den falschen Griffen gezogen. Ich glaube, Pembroke versuchte, mir vor seinem Tod zu erzählen, welche Griffe ich anfassen sollte, um das Tor zu öffnen, und welche lieber nicht.«