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Ralf König

Der kleine König auf Reisen

Memoiren Teil 1


Meiner Mutter gewidmet, die mich immer ermutigt hat ein Stück mehr aufzuschreiben


BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Kindheit in Sömmerda

 

Kindheit in Sömmerda

 

Mittelalt, pleite, verrückt und nicht mehr ganz gesund - so könnte man den derzeitigen Zustand meiner Selbst beschreiben. Angefangen hat es wohl in Sömmerda und Kölleda, wo ein junger Architekt einer hübschen dunkelhaarigen Bankangestellten den Hof machte. Das Resultat dieser Annäherung war wohl ich, denn ich kam am 17. Oktober 1962 in Kölleda zur Welt. Das Städtchen im Landkreis Sömmerda hat ca. 5000 Einwohner und war durch das Funkwerk bekannt, wo auch mein Opa beschäftigt war. Heute gibt es dort ein großes Motorenwerk von Daimler und einige andere Betriebe. Seit 2016 führt die Autobahn A71 an der Stadt vorbei und es wird wohl auch demnächst eine große Raststätte geben: den Leubinger Fürstenhügel. Lange hat sich die junge Familie aber nicht in Kölleda aufgehalten, denn als ich 3 Wochen alt war zogen wir in einen Neubaublock nach Sömmerda in die Straße der Einheit 16. Daran kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an mein Geschrei als Säugling, das Saugen an der Mutterbrust, das Einkacken in die Windeln und das Laufen lernen. Das erste Erlebnis mit einer Erinnerung war, das meine Mutter auf dem Balkon stand und verzweifelt versuchte einen schweren Teppich, der über der Brüstung hing, zurückzuziehen, da er abzustürzen drohte. Ich eilte hinzu und hängte mich an das Teppichende. Gemeinsam schafften wir es, das Unheil abzuwenden. Schon sehr früh zeigte sich also bei mir die Ausprägung ein guter Mensch, also ein Gutmensch, sein zu wollen. Mein Vater war zu dieser Zeit Soldat bei der NVA. Ab und an besuchten wir die Großeltern in Bielen bei Nordhausen oder in Kölleda. Die aus Schlesien vertriebenen Eltern meines Vaters waren sehr einfache, liebe Leute. Sie wohnten in einem bescheidenen 2-Familienhaus mit einem kleinen Hof an dem sich Kaninchenställe, eine Wasserpumpe, eine Mistgrube und ein Plumpsklo befanden. Lecker Kaninchenbraten mit saurer Sahne nach schlesischer Art gab es jedes mal. Komfortabler hatten es die Eltern meiner Mutter in Kölleda, die vorher in Naumburg und im Olympischen Dorf bei Berlin gelebt hatten, mit einer Neubauwohnung in einem 3-Geschosser getroffen. Den Ärger meines Opas über die Launen seines Berliner Rollers werde ich nicht vergessen. In dem Haus gab es viele Bücher, einen großen Fernseher, schicke Möbel und viele Fotoalben. Darin nicht nur Familienbilder sondern auch viele Fotos die mein Opa bei seinen Einsätzen im 2. Weltkrieg gemacht hatte. Als Jugendlicher habe ich mir die auch angesehen. Unser Leben in der Kindheit bestand ja nur aus Spielen. Zwischen den Häuserblocks gab es ja ausgedehnte Rasenflächen. Platz genug zum Versteckspieles, für endlose Fußballspiele, für Bandenkämpfe, Hüppekästchen und Gummitwist. Im Winter hat immer jemand Eisflächen zum Rutschen oder Eislaufen angelegt. Oder wir kletterten und hüpften über die Müllhäuschen. Aus Geburtstagskränzchen habe ich mir nie viel gemacht, überhaupt war ich ein schlechter Esser. Ich betrachtete das als notwendiges Übel, wenn Mutti zum Essen rief, deshalb war ich auch sehr dünn und schmächtig. Das Leben war doch spannender als die Mahlzeiten. Freundschaften und Feindschaften wurden geschlossen. Eines Tages sollte ich in den Kindergarten gehen, damit Mutti wieder arbeiten gehen kann. Dort abgeschoben verschanzte ich mich hinter der Tür und heulte wie ein Schlosshund, solange, bis man meine Mutter heran zitierte und sie mich nach Hause holte. Sie hat es dann schnell aufgegeben mit dem Vorsatz arbeiten gehen zu wollen und mir eine behütete Kindheit geschenkt.