Peter Handke

Warum eine Küche?

Suhrkamp Verlag

für S.

Die Küche, erste Bruchstücke

‒ Oft, wenn ich in der Küche bin, merke ich, daß ich da etwas suche, nur weiß ich nicht, was.

‒ Küche der Reichen wird Armenküche, und umgekehrt.

‒ Meine Mutter hat mir erzählt, daß die debile Tochter eines Nachbarn »schwachsinnig« geworden sei, weil sie, als Kleinkind ständig schreiend, von ihrer Mutter auf die heißen Herdplatten gesetzt wurde, um zum Schweigen gebracht zu werden.

‒ Der griechische Philosoph-Dichter Heraklit, im 6. Jahrhundert vor Christus, habe die Fremden, welche sein Haus (oder seine Hütte) betraten, an seine Herdstelle gebeten mit der Bemerkung: »Tretet ein, auch hier wohnen Götter!«

‒ Die großen Augenblicke der Küche, wenn da niemand ist ‒ nichts als die Dinge, die Früchte, die Gemüse, das Licht, das da durchscheint, die wechselnden Farben, die heranwehenden Vogelrufe, die bombardierenden Flugzeuge …: Stilleben vibrierende ‒ als der Rhythmus für das Küchen-Spektakel; nach jedem Vorkommnis oder Ereignis.

‒ Tiere in der Küche, tot oder lebendig (sogar ein Bär? ein Affe?)

‒ Weihnachten und Küche; Ostern! und Küche; die Jahreszeiten und die Küche (die Küche im Herbst …)

‒ Philosophischer Dialog in einer Küche zwischen zwei Köchen: »Philosophie der Reste (Überbleibsel)« (ich träume von einem Meisterkoch, der ein Experte der Reste wäre, kein Schwindler wie die »Drei-Sterne-Köche« von Michelin, die schwindeln über die Frische ihrer Speisen, noch und noch).

‒ Chansons von der Küche: Ballade/Blues/Folksongs (keine Joan Baëz!); Tanz der Küche.

‒ Küche und Tod/Küche und Geburt/Küche und Schreiben (Schrift, Schriftzeug, galam, arab.); Schreibstifte zwischen totem Hasen, Kraut, Äpfeln, und eine Zigeunertrompete.

Entwicklung und Verwicklung des »Themas«