2208_Zwischen_Apachen_und_Comanchen_epub



Fußnoten


1 vgl. Karl May, Winnetou II

2 Crotalus lepidus

3 Eigenname der Mescaleros: Volk, das nahe an den Bergen wohnt

4 Bezeichnung für die Anasazi, die vorkolumbischen Indianer

5 Racoon, Waschbär

6 Mescalero-Bezeichnung für das höchste Wesen

7 vgl. dazu Old Shatterhand, Neue Abenteuer – Band 7 Der Schwur der Blutsbrüder

8 vgl. Old Shatterhand – Neue Abenteuer, Band 5, Heiße Fracht für Juarez


Im Wilden Westen Nordamerikas
ZWISCHEN APACHEN UND COMANCHEN


In dieser Reihe bisher erschienen

2201 Aufbruch ins Ungewisse

2202 Auf der Spur

2203 Der schwarze Josh

2204 In den Fängen des Ku-Klux-Klan

2205 Heiße Fracht für Juarez

2206 Maximilians Gold

2207 Der Schwur der Blutsbrüder

2208 Zwischen Apachen und Comanchen

2209 Der Geist von Rio Pecos



H. W. Stein (Hrsg.)


Zwischen Apachen und Comanchen



Aufgeschrieben von Thomas Ostwald





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2019 BLITZ-Verlag
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mario Heyer
Logo: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-438-1

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!




1.


Winnetou zügelte seinen Rappen Iltschi, und ich war gleich darauf an seiner Seite, während mein Fuchs unruhig tänzelte. Es war ein gutes Pferd aus dem Mietstall von Albuquerque, für einen vernünftigen Preis gekauft – aber an die Qualitäten der Pferde der Apachen kam es bei Weitem nicht heran. Doch ich konnte mich nicht beklagen, der Fuchs hatte mich bislang nicht enttäuscht.

„Sieht mein Bruder dieses weite Tal? Erinnert er sich an die Ereignisse vor vielen Monden, die uns mit dem Comanchen-Häuptling Oyo-koltsa zusammengebracht haben?“1

„Ja, Winnetou, an den Weißen Biber, Häuptling der Comanchen, Vater von Avat-vila und Freund unseres Freundes Old Death, erinnere ich mich noch gut. Die Ereignisse damals waren nicht sehr erfreulich. Aber warum fragst du nach ihm?“

Winnetou schwieg und sah dabei in die Ferne, in der ich eine Farm erkennen konnte.

Dann gab er sich einen Ruck und antwortete mir:

„Damals war das Herz Winnetous voller Zorn. Die Comanchen hatten unsere Frauen, Kinder und Pferde geraubt. Ich habe meinem Bruder Sharlih gesagt, dass wir die Frauen nicht zurücknehmen und das Blut der Comanchen wollen. Es war Old Death, der sich für sie eingesetzt hat, und Winnetou hat damals lange mit sich gerungen und nicht gewusst, ob es die Stimme des Großen Geistes war, die er vernahm.“

Ich gestehe gern, dass mir die Erinnerung an diese Ereignisse sehr unangenehm war. Trotz aller Vermittlungsversuche und trotz der tapferen Tat des Apachen, sich den Schüssen der Comanchen auszusetzen, waren sie nicht bereit, einzulenken. Das anschließende Massaker erfüllte mich noch heute mit einem unangenehmen Schauer, wenn ich nur an die von den Berghängen krachenden Schüsse dachte.

„Ja, Winnetou, das war eine schlimme Zeit. Aber ich weiß noch immer nicht, warum mein Bruder gerade jetzt daran erinnert!“

Noch einmal sah der Apache in die Ferne, schien lange zu zögern, bevor er antwortete: „Sharlih – es hat sich seitdem nicht viel verändert. Wieder sind es Krieger der Comanchen, die sowohl meine roten Brüder töten wie weiße Siedler überfallen. Aber sie sind nicht allein schuld an diesem fürchterlichen Töten. Es ist wieder der weiße Mann, der sie aufstachelt. Er lockt mit den modernen Waffen der Weißen, und der rote Mann versteht nicht, dass es immer nur um seinen Tod geht. Wir müssen weichen, damit der weiße Mann noch mehr Raum für seine Farmen und Viehherden bekommt, noch mehr Gold in unseren Bergen findet, Mutter Erde umgräbt, um das schwarze Öl herauszupressen, das ihm so viel Gewinn verspricht. Und überall wird der Eiserne Pfad gebaut, mitten durch die Plains und die Prärien, mitten durch das Land der Indianer. Die Büffel sind längst für den weißen Mann zu einem Ziel geworden, auf das er selbst von den Zügen mit seinen modernen, mehrschüssigen Gewehren schießt. Schon gibt es Jagdgruppen, bei denen gestandene Westmänner den weißen Jägern und ihren Frauen den Büffel vor die Flinte treiben, nur damit sie auf etwas schießen können. Aber der Büffel ist unser Bruder wie der Bär und der Kojote. Ein jedes von uns hat seinen Platz auf unserer Mutter Erde. Wir brauchen diese Brüder, wenn wir überleben wollen!“

Ich schwieg, denn auf diese wahren Worte konnte ich nichts antworten, was auch nur halbwegs für eine Entschuldigung durchgegangen wäre. Mein Blutsbruder hatte wieder den berühmten Nagel auf den Kopf getroffen. Seine unverblümte Art, die Dinge zu benennen, machte mich immer wieder verlegen und stumm. Deshalb war ich froh, als ich jetzt eine Reiterschar von der kleinen Ranch in unsere Richtung reiten sah.

Natürlich hatte sie der Apache längst gesehen, aber noch nichts dazu angemerkt. Jetzt richtete er sich hoch auf im Sattel und sagte in ruhigem Ton zu mir: „Dort kommen sie, die weißen Männer. Wir sollten ihnen entgegen reiten, um zu hören, was sie wollen. Winnetou ist in großer Sorge, weil sie die Richtung zum Pueblo der Apachen eingeschlagen haben.“

Damit trieb er Iltschi auch schon wieder an, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm rasch zu folgen, sollte sein Vorsprung nicht zu groß werden. Als wir in Sichtweite der fünf Reiter kamen, hatten sie alle ihre Gewehre in die Hand genommen. Mir war es nur ein schwacher Trost, dass diese Gruppe Weißer offenbar nur mit alten Vorderladern bewaffnet war, alle einschüssig. Denn wer jemals die Siedler im fernen Westen auf der Jagd beobachten konnte, der wusste, dass sie mit diesen Gewehren, die sie Rifle beziehungsweise Long Rifle nannten, sehr treffsicher auf der Jagd waren. Viele von ihnen scheuten sich noch nicht einmal, mit der einschüssigen Waffe auf Bärenjagd zu gehen. Sie wussten, dass sie sich auf die Gewehre verlassen konnten.

Der Gruppe etwas vorausritt ein großer, schwarzbärtiger Mann, der eine Mütze aus einem Waschbärenfell trug, an der hinten noch der Schwanz hing und ihm beim Reiten fast wie eine Standarte abstand. Er war ganz in gegerbtes Leder nach Art der Indianer gekleidet, trug in seinem breiten Gürtel ein Messer mit kräftiger Klinge und eine kleine Axt. Wäre er etwas älter gewesen, hätte ich ihn glatt für einen Verwandten von Old Firehand halten können. Aber dieser Mann der Wildnis mochte höchstens Anfang der Zwanzig sein, ritt ein kleines, kräftiges Pony indianischer Abstammung und machte uns ein Zeichen, anzuhalten.

„Hallo Fremde!“, begrüßte uns der Bärtige. „Was treibt Euch in unsere Gegend, einen Indianer und einen Weißen in so friedlicher Gemeinschaft? Darf man erfahren, wer Ihr seid, Gentlemen?“

Die Anrede war durchaus freundlich zu verstehen, und so hielt ich meinen Fuchs an, klopfte ihm beruhigend den Hals und antwortete:

„Wir haben eine Spur verloren, die uns bislang leitete. Der starke Regen des gestrigen Tages hat alles verwischt. Mein Freund hier ist Winnetou, der Apachen-­Häuptling, und mich nennt man Old Shatterhand. Wir würden uns freuen, wenn wir dort unten auf der Ranch ein wenig rasten könnten.“

„So – ein Apachen-Häuptling und ein Westmann, was?“, antwortete der Schwarzbärtige, machte aber kein unfreundliches Gesicht dazu. „Na gut, warum nicht, wir sind einfache Siedler dort unten im Tal, und die Ranch, die Ihr erkennen könnt, gehört hier meinem Freund, dem alten Will Smith. Ich bin Tom Holmes, stamme ursprünglich aus England und kam in dieses gesegnete Land, um ordentlich das Wild zu ­dezimieren!“

„Und – ist es Euch gelungen?“, antwortete ich und lachte den Schwarzbärtigen fröhlich an.

„Kann man wohl sagen, Sir – ganz prächtige Schinken und Hirschkeulen hängen in meinem Rauchfang. Aber kommt doch mit uns, wir haben nur einen Streifzug in die Umgebung gemacht und nach dem Rechten gesehen. Ihr seid uns willkommen!“

Das ging mir fast etwas zu schnell, denn es war für mich unverkennbar, dass die Reiter von der Ansiedlung aufgebrochen waren, als sie uns bemerkt hatten. Aber ich wollte nicht unfreundlich sein, bedankte mich und antwortete:

„Das trifft sich gut, Mister Holmes, und dieser Einladung folgen wir gern, wenn wir auch etwas zu essen bekommen können. Natürlich zahlen wir für alles, das wir essen und trinken.“

„Wollt Ihr uns beleidigen, Sir? Natürlich seid Ihr unsere Gäste ... ähm, wenn Ihr ...“, der Schwarzbärtige wurde verlegen, dann setzte er hinzu: „Wenn Ihr Euch auch für diesen roten Gentleman verbürgen könnt.“

Ich unterdrückte ein Lächeln und nickte dem guten Mann zu.

„Er ist mein Blutsbruder, Sir, und so gut wie jeder andere von uns.“

„Ja dann – also, herzlich willkommen in unserer Mitte!“

Damit nickte er uns freundlich zu, machte seinen Begleitern ein Zeichen, und gemeinsam ritten wir auf das Anwesen zu, das von einer einfachen Fenz umzäunt war. Diese Art, eine Farm einzufassen, fand sich überall im Westen der Staaten. Wer das Feld gerodet und bestellt hatte und dann darangehen konnte, das erste Quartier zu einem etwas komfortableren Blockhaus auszubauen, der begann auch damit, einfache Stangen im Wald abzuschlagen, zurechtzuhauen und damit sein unmittelbares Grundstück am Wohnhaus zu umzäunen. Dabei wurden die Stangen geschickt über- und untereinandergelegt und bildeten auf diese Weise ein Hindernis, das man vielleicht mit dem Pferd überspringen konnte – das aber in jedem Fall das außerhalb frei laufende Vieh davon abhielt, in die beim Haus befindlichen Gemüsebeete einzufallen.

Darüber hinaus mochte es keinem Besucher einfallen, einfach über die Fenz zu springen, ohne vorher das Haus angerufen zu haben. Die Sitte in der Wildnis verlangte es, sich in Rufnähe bemerkbar zu machen und dann eine Einladung abzuwarten. Da kaum einer der Siedler ohne Hunde lebte, war es ohnehin unmöglich, unbemerkt an ein solches Anwesen zu gelangen. Auch hier wurden wir von einer sich wie toll gebärdenden Hundeschar empfan­gen, die bellte, jaulte und an der Fenz emporsprang, die leuchtenden Zähne im weit geöffneten Maul gut zu sehen.

„Kusch, Astor, troll dich, Hector – Pluto, leg dich! Wollt ihr wohl schweigen, Bestien?“, schrie der alte Will Smith den Hunden zu, die tatsächlich augenblicklich gehorchten, sich hinlegten und uns nur mit den Augen verfolgten. Wir waren offenbar bei einem gebildeten Siedler angelangt, wenn man die Namen der Hunde hörte. Das sollte sich auch bald bewahrheiten, der alte Smith besaß sogar ein paar Bücher in seiner einfachen Hütte, die etwas verloren wirkten auf dem grob zurecht gehauenen Brett an der Wand. Daneben bemerkte ich schon beim Eintreten eine große, blaue Zuckerdose. Vermutlich hatte der Besitzer seine kostbarsten Güter hier zusammen vereint.

„Nehmt Platz, Leute, das Frühstück wird gleich fertig sein. Holla, Alte, ich habe dir noch ein paar Gäste mitgebracht!“, rief fröhlich der Hausherr, als uns eine würdige, rundliche Matrone folgte, mit einem pausbäckigen Gesicht, das von der Arbeit auf dem Feld sonnenverbrannt war. Sie trug aber eine schneeweiße Haube und brachte einen Korb mit Eiern herein, die sie wohl eben aus dem benachbarten Verschlag der Hühner geholt hatte.

„Das ist recht so, mein Alter, was würden wir ohne unsere Gäste und unsere Nachbarn tun? Vor Langeweile eingehen wie eine Blume ohne Wasser!“, antwortete die Frau des Hauses, die uns sogleich vorgestellt wurde. Will Smith hatte sich neben sie gestellt und umfasste ihre gut ausgebildete Hüfte.

„Das ist mein Goldstück, Leute, Mary – eigentlich Marianne – denn wir kommen beide aus dem guten alten Deutschland hierher. Daher auch unsere Namen, die wir ein wenig angepasst haben. ­Marianne und Wilhelm Schmidt aus Lüneburg – na, wie klingt das?“

Wir lachten, und ich antwortete fröhlich: „Das trifft sich gut, ich stamme zwar aus Sachsen, weiß aber doch das gute Salz aus Lüneburg wohl zu schätzen!“

„Das ist ein Stichwort, Gents!“, rief Mary, griff zur Feuerstelle, die aus einem Herd bestand, den man aus dicken Feldsteinen gemauert hatte, und brachte einen großen Braten auf den Tisch. „Salzkrusten­braten, musste ich für meinen Alten nach einem Rezept aus der Heimat machen – der alte Mann hatte gestern Geburtstag!“

„Hurra für Will!“, schrie der Schwarzbart. „Und jetzt zu Tisch, die Pfannkuchen kommen sofort!“

„So ist es recht, Tom, verfüge du nur über meine Küchenvorräte!“, antwortete Mary lachend und stellte einen Steinkrug mit Ahornsirup auf den Tisch.

„Du hast tatsächlich noch von dem Sirup?“, rief Tom Holmes begeistert. „Ich wusste, es wird heute ein guter Tag, als ich im Morgengrauen zu euch aufgebrochen bin!“

Kaum eine halbe Stunde später langten wir alle kräftig zu. Die Frau des Hauses buk eine riesige Ladung von Pfannkuchen, über die wir fleißig den Sirup gossen und die Fleischscheiben darauflegten.

Du meinst also, lieber Leser, das könne ja ganz fürchterlich schmecken? Salzkrustenbraten und süße Pfannkuchen? Durchaus nicht – probiere es nur einmal selbst! Und wenn man seit fast zehn Stunden keine vernünftige Mahlzeit mehr hatte und davor nur getrocknetes Fleisch mit Fett und ein paar getrockneten Früchten – also Pemmikan –, dann isst man mit Herzenslust alles auf, was bei einem solchen Farmerfrühstück auf den Tisch kommt.

Dazu gab es viel Kaffee, den die Siedler von einem der umherziehenden Pedlar erworben hatten. Diese typischen Yankees traf man auch noch in der einsamsten Gegend an, ihre Frachtwagen voll bis an die Holzbögen, über die man eine feste Plane zog, um die Waren zu schützen. Und was diese Burschen alles mit in die Einsamkeit schleppten! Nicht nur Salz, Zucker, Kaffee, sondern viele nützliche und noch mehr unnütze Dinge, die den Frauen in der Einsamkeit unbedingt fehlten. Neben Nadeln, Knöpfen, allerlei Garn und sonstigem Krimskrams, hatten sie auch immer wunderbar gemusterte Kattunstoffe auf ihren Wagen, und wenn die Frau des Hauses auch nur wenig Bargeld hatte, so wechselte das doch häufig innerhalb kürzester Zeit seinen Besitzer.

„Nehmt ruhig noch nach, der Pedlar muss in den nächsten Wochen vorbeikommen und wir können die Vorräte auffüllen!“, rief uns Mary von ihrer Arbeitsstelle am Herd zu.

„Und nimmt er dir wieder die Felle zu einem guten Preis mit, Will?“, erkundigte sich Tom, und der alte Mann antwortete mit einem fröhlichen Kopfnicken.

„Möchte wohl meinen, Tom, denn so gut gegerbte Häute wie die meinen findet er wohl kaum sonst noch in ganz New Mexiko!“

Die anderen lachten herzhaft, und ich hatte Gelegenheit, die Männer gründlich zu mustern, die hier mit uns am Tisch versammelt waren und den aufgetischten Dingen herzhaft zusprachen.

Da war ein Bruderpaar, wohl noch keine achtzehn Jahre alt, aber große, kräftige Burschen, die wohl durch das Farmerleben frühzeitig an harte Arbeit gewöhnt wurden. Dann ein kleiner, schweigsamer Bursche, vielleicht in den Dreißigern, der mit einem verschmitzten Blick immer denjenigen musterte, der gerade etwas erzählte, still in sich hineinlachte, aber selbst den Mund nur zum Essen öffnete.

Als der größte Hunger gestillt war und man zum Kaffee in den Blechbechern sich die Maiskolbenpfeife stopfte und dicker Rauch gleich darauf aus dem einzigen, weit geöffneten Fenster zog, war es Tom Holmes, der schwarzbärtige Nachbar, der Geschichten aus dem Alltag erzählte. Winnetou hatte sich nicht am Gespräch beteiligt, nur wenig gegessen und machte mir ein Zeichen, dass er nach den Pferden sehen wollte. Als er den einzigen Raum des Blockhauses verlassen hatte, nahm Holmes das Wort.

„Also, Mister Shatterhand, der Apache ist ja nun sehr schweigsam. Aber jetzt mal raus mit der Sprache – was führt Euch beide in unsere Gegend? Ich meine, in den letzten Wochen haben wir in der ganzen Umgebung zwar jede Menge Indianer gesehen, aber mit Ausnahme eines Vermessungstrupps der Eisenbahn keinen einzigen Weißen.“

„Wir haben in den vergangenen Tagen viele Dinge erlebt, Mister Holmes, die uns auf die Spur einer Mörderbande brachten. Wenn es zahlreiche Indianer in der Umgebung gibt, so könnten das vielleicht die Comanchen sein, die aber ihre Mord- und Brandzüge in die Nacht verlegt haben“, antwortete ich und hatte sofort die Aufmerksamkeit der hier Versammelten. Auch Mary hatte ihre Tätigkeit am Herd eingestellt, wischte sich die Hände an einem Tuch ab und schob einen der grob behauenen Klötze an den Tisch, um sich zu uns zu setzen.

„Comanchen? Nun, das wäre denkbar, denn soweit ich weiß, ist Yo-ovuts-tokvi, der Schwarze Wolf, am Rio Pecos unterwegs mit einigen Kriegern“, erklärte Tom Holmes.

„Ihr kennt den Häuptling?“, erkundigte ich mich überrascht.

„Leider, muss ich sagen. Wir hatten vor längerer Zeit einmal eine Auseinandersetzung, bei der es um eine Frau ging“, antwortete der Schwarzbärtige. „Meine leider inzwischen verstorbene Frau gehörte zum gleichen Stamm wie der Schwarze Wolf.“

„Oh, das erklärt einiges“, antwortete ich. „Es tut mir sehr leid, dass Ihr Eure Frau verloren habt, ­Holmes, aber könnt Ihr mir vielleicht trotzdem etwas über den Mann sagen?“

Holmes blickte zu den anderen, und schließlich war es Will Smith, der ihn aufforderte: „Nun komm schon, Tom – es ist ja kein Geheimnis für uns, da kannst du es auch dem Gast erzählen.“

Der Schwarzbärtige brummte gutmütig und nickte schließlich zustimmend.

„Ich habe mehrere Jahre bei den Comanchen gelebt“, erzählte er, „und es waren die glücklichsten Jahre meines Lebens. Totsiyaa mua, Blumen-Mond, war meine große Liebe und wurde gegen den Einwand des Schwarzen Wolfs meine Frau. Er wollte sie selbst zur Frau nehmen, aber Totsiyaa liebte mich und ist mit mir gegangen, als wir uns Land am Rio Pecos suchten. Es war eine glückliche Zeit, trotz allem ...“

Tom Holmes starrte in die Ferne und verstummte, während nun der kleine, rundliche Siedler etwas ergänzte. Er räusperte sich und sprach dann mit einer erstaunlich hohen Stimme: „Tom und Toti, wie wir sie alle in der Nachbarschaft nannten, waren ein schönes, glückliches Paar. Ihre Farm ist noch heute ein Muster an Sauberkeit und Ordnung, Sir, Ihr müsstet nur einmal sehen, wie Tom seine Felder angelegt hat!“

Ich blickte mitleidsvoll auf den jungen Ansiedler, der noch immer nicht reagierte.

„Was ist dann geschehen?“, erkundigte ich mich vorsichtig, und da war es Tom, der wie aus einer Erstarrung zu erwachen schien. Er drehte sein Gesicht mir zu und sagte leise:

„Bei der Geburt unseres ersten Kindes sind beide verstorben. Ich habe sie auf unserem Grund und Boden begraben, aber seit dieser Zeit bin ich ein anderer geworden. Nie wieder wird es eine Frau wie Totsiyaa geben.“

Wir wurden unterbrochen, als Winnetou eintrat. Alle sahen ihn erstaunt an, denn der Apache hatte seine Silberbüchse in der Hand und untersuchte das Pulver auf der Pfanne. Fast im gleichen Augenblick schlugen die Hunde an. Im Nu waren die Männer auf den Beinen und schauten hinaus.