The Cover Image
missing image file
missing image file

und der rote Rächer

erzählt von Katharina Fischer

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941–24. Dezember 2009)

 

 

 

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele
weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

 

 

 

 

© 2000, 2010, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

 

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12779-7

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

 

 

 

Ein anonymer Anruf

Etwas schepperte draußen im Hof. Justus Jonas fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Schlich jemand auf dem Gelände des Schrottplatzes herum? Onkel Titus und Tante Mathilda, bei denen Justus seit dem Tod seiner Eltern lebte, waren ins Kino gegangen. Er war allein zu Hause geblieben. Zögernd stand Justus auf und trat ans Fenster. Die Nacht war mondlos und schwarz. Nur auf wenige Ecken des Gebrauchtwarenlagers von Titus Jonas fiel das schale, gelbe Licht der Straßenlaterne herüber. Schemenhaft hob sich der Campingwagen von der Straßenbeleuchtung ab. Er diente Justus und seinen Freunden Peter und Bob als Einsatzzentrale für ihr Detektivbüro. Direkt neben dem Campinganhänger befand sich die Freiluftwerkstatt, die, im Schatten der Einsatzzentrale, vollkommen in der Finsternis lag.

Angestrengt starrte Justus hinaus. Da flackerte etwas in der Freiluftwerkstatt. Er fuhr zusammen. Brannte es etwa auf dem Schrottplatz?

Justus sprang die Treppe hinunter. Brennbares gab es genug in Onkel Titus’ Gerümpellager: Bretter und Matratzen, alte Möbel, Kisten, Bücher.

Er stürzte über den Platz, stolperte über einen Autoreifen, den er in der Dunkelheit nicht gesehen hatte, und erreichte fluchend die Freiluftwerkstatt. Justus griff an den Pfosten, an dem der Feuerlöscher hing, doch seine Hand fasste ins Leere. Der Feuerlöscher war weg. Fast im gleichen Moment stöhnte Justus auf. Das Flackern, das er gesehen hatte, kam von einem elektrischen Kaminfeuer, das er am Nachmittag mit Onkel Titus repariert hatte. Offenbar hatten sie vergessen, es abzuschalten.

Erleichtert lief er zurück, doch dass der Feuerlöscher verschwunden war, beunruhigte Justus.

Aber warum sollte jemand einen in die Jahre gekommenen Feuerlöscher klauen, überlegte er. Wahrscheinlich war das Gerät schon lange verschwunden und Onkel Titus hatte es einfach nicht bemerkt.

Justus ging zurück ins Haus und schloss sicherheitshalber die Tür ab. Der Schrottplatz war ein idealer Unterschlupf für jeden Einbrecher. Als sie noch kleiner waren, hatten Justus, Peter und Bob ganze Nachmittage lang Verstecken gespielt und nicht selten musste einer von ihnen lange suchen, bis er die anderen endlich in einem der verborgenen Winkel gefunden hatte.

Zum Glück gab es hier nicht viel zu stehlen. Justus’ Onkel Titus kaufte und verkaufte keine teuren Kunstschätze. Seine Einnahmen erzielte er durch den Handel mit alten Geräten, Büchern, Möbeln oder Haushaltswaren. Die meisten Leute wussten das. Ab und zu tauchte auch ein wertvolles Stück zwischen all dem Gerümpel auf, aber das war ein seltenes Glück, mit dem Titus Jonas unverdrossen immer wieder rechnete.

Justus setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Missmutig nahm er einen Bleistift, öffnete sein Heft und beugte sich über die leeren Seiten. Ausgerechnet zur Rolle der Werbung in amerikanischen Kinderserien sollte er in der Schule ein Referat halten. Ein Thema, das ihn überhaupt nicht interessierte, aber darauf schien es der Lehrer geradezu anzulegen. Er begann damit, alle Kinderserien aufzuschreiben, die er kannte, doch immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Plötzlich schrillte das Telefon. Justus lief in den Flur und sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter. Das muss Peter sein, dachte er. Bestimmt hat er eine Frage zum Mathetest, der morgen ansteht. Er schnappte sich den Hörer.

»Peter, bist du’s?«, hechelte Justus in die Sprechmuschel.

Eine fremde, verzerrte Stimme erklang. »Wer ist dort?«

»Äh, Sie sprechen mit Justus Jonas.«

»Rufe die Feuerwehr, Justus Jonas«, schnarrte die Stimme. Sie klang kühl und metallisch. »Ein Großbrand am Hafen. Feuer!« Ein paar Sekunden lang hörte Justus den Anrufer nur atmen. »Joes Bootsverleih brennt«, krächzte er weiter. »Beeile dich. Hole die Feuerwehr!«

»Aber Mister, warten Sie …«

Dann sagte die Stimme einen merkwürdigen Satz. »Im Zeichen des Feuers: Einmal ist es jetzt passiert – alles Glück, das explodiert!«

»Halt, Mister, was soll …«

Doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt.

War das ein böser Scherz? Oder war es bitterer Ernst und es drohte Gefahr? Verwirrt wischte sich Justus über die Stirn. Er überlegte kurz, dann wählte er mit zitternder Hand die Nummer der Feuerwache.

»Feuerstation, Sheppard.«

Sofort stotterte Justus los. »Feuer, es brennt am Hafen, bitte fahren Sie hin, das Haus von Joes Bootsverleih, es brennt, Sie müssen es löschen.«

»Ganz ruhig. Von wo aus rufen Sie an und wer sind Sie?«

»Entschuldigen Sie, es ist der Schreck.« Justus atmete durch und hatte sich nun besser unter Kontrolle. »Mein Name ist Justus Jonas«, erklärte er mit fester Stimme. »Ich rufe von zu Hause aus an, von Gebrauchtwaren Titus Jonas.«

»Und Sie haben das Feuer gesehen? Von dort aus?«

»Nein, Sir. Nicht ich selbst. Man hat es mir telefonisch mitgeteilt, gerade eben.«

»Wer hat sie angerufen?«

»Der Mann hat seinen Namen nicht genannt, Sir. Aber es klang eilig.«

»Gut, wir werden uns darum kümmern.« Der Feuerwehrmann legte auf.

Justus dachte einen Moment nach. Mit dem Anruf bei der Feuerwehr hatte er seine Pflicht erfüllt. Doch der seltsame nächtliche Anrufer hatte ihn neugierig gemacht. Er griff erneut zum Telefon.

»Shaw?«

»Mr Shaw, Justus hier. Ich muss leider noch einmal stören. Ist Peter da?«

»Ja, er sitzt schon den ganzen Abend über irgendwelchen Matheaufgaben. Moment.«

Justus wartete kurz, dann war Peter am anderen Ende der Leitung. »Hi, Just! Gut, dass du anrufst, ich wollte mich auch gerade melden«, redete er los wie ein Wasserfall. »Ich brauche mal dein mathematisches Superhirn. Der Test morgen, der macht mich echt fertig, und es wäre schön, wenn du ...«

»Nicht jetzt, Peter.« Justus unterbrach ihn kurzerhand und erzählte seinem Freund von dem merkwürdigen Anruf. »Eben habe ich die Feuerwehr alarmiert«, schloss er. »Sie fahren zum Hafen.«

»Und, was schlägst du vor?« Peter war sofort bei der Sache. Die Mathearbeit hatte er bereits vergessen.

»Wir fahren auch hin, Peter. Ich sage noch Bob Bescheid. Ich möchte wissen, was am Hafen los ist. Die Sache kommt mir sehr merkwürdig vor.«

»Okay. Treffen wir uns am großen Bootssteg. In fünf Minuten sitze ich auf dem Fahrrad!«

Justus stimmte zu, beendete das Gespräch und rief bei Bob an. Doch leider war seine Mutter am Apparat. Sie entschied, dass Bob nicht mehr wegdürfte. »Die Mathearbeit morgen«, erklärte sie. »Tut mir leid. Er muss noch lernen. Und zwar nicht wenig!«

»Ich lass ihn abschreiben«, versuchte es Justus, doch dafür handelte er sich einen Rüffel ein. »Das wirst du schön bleiben lassen, Justus. Davon lernt er es nie!«

»Also gut, Mrs Andrews. Grüßen Sie ihn bitte.«

Justus legte auf und schrieb seinem Onkel und seiner Tante eine kurze Notiz. Dann schnappte er sich Jacke und Schlüssel. »Los geht’s«, rief er sich zu und rannte in den Hof.

Gut zehn Minuten später stieg Justus schnaufend vom Fahrrad. Peter, der die beste Kondition hatte, erwartete ihn bereits. Doch sein Gesichtsausdruck war zerknirscht.

»Wenn du geglaubt hast, dass sich der Himmel rot färbt vom Feuer, hast du dich getäuscht«, erklärte er. »Nichts zu sehen, rein gar nichts. Falscher Alarm! Da hat dich einer reingelegt, Erster. Wir sind umsonst ausgerückt.«

Justus sah sich um. Von einem Großbrand war wirklich nichts zu sehen. »Ich habe es mir bereits gedacht«, antwortete er. »Gerade sind mir zwei Feuerwehrwagen schon wieder entgegengekommen. Aber es ist ja noch ein Stück zu Joes Bootshaus. Wir sollten auf jeden Fall vor Ort alles überprüfen.«

Peter nickte und sie schwangen sich aufs Rad, um die letzten Meter zum Kai zurückzulegen, an dessen Ende sie, angestrahlt von einer Laterne, gänzlich unversehrt das kleine Holzhaus von Joes Bootsverleih sahen. Erst jetzt bemerkten sie, dass direkt vor dem Haus noch ein Einsatzwagen der Feuerwehr geparkt hatte. Prüfend zog Justus die Luft durch die Nase. Täuschte er sich oder war die kühle Luft, die vom Meer heranzog, mit Rauch durchsetzt?

»Also doch«, murmelte er. Sie traten in die Pedale und kurz darauf hatten sie Joes Bootsverleih erreicht. Dünne Rauchschwaden zogen von hinten am Gebäude vorbei. Justus und Peter lehnten die Fahrräder gegen einen Poller und liefen um das Holzhaus herum. Zwei Feuerwehrmänner waren dabei, einen Abfallcontainer zu löschen, in dem offenbar ein Feuer schwelte. Das Wasser zischte in den Flammen und Dampf stieg auf. Die beiden Männer waren so beschäftigt, dass sie die zwei Jungen nicht bemerkten.

»Ein Großbrand ist es nicht gerade«, sagte Justus und wischte mit der Hand eine Rauchschwade zur Seite. »Da hat Joe Glück gehabt. Es hätte mir auch sehr leidgetan. Jetzt, wo er endlich mal ein Geschäft begonnen hat, das gut läuft.«

Peter sah, wie einer der Feuerwehrmänner hinter das Gebäude ging, da sein Feuerlöscher leer geworden war. Vermutlich wollte er Nachschub holen. »Es muss nicht Brandstiftung sein«, überlegte Peter. »Vielleicht war es auch nur Unachtsamkeit, eine brennende Zigarette oder so. Und jemand hat’s beobachtet und gemeldet.«

»Aber warum dann der Anruf ausgerechnet bei mir?«

»Keine Ahnung. Vielleicht legt dieser Jemand keinen gesteigerten Wert auf einen direkten Draht zu Polizei oder Feuerwehr.«

»Und da sucht er rein zufällig gerade mich aus dem Telefonbuch?« Justus schüttelte den Kopf. »Nein, Peter. So wie das Gespräch ablief, wollte er genau mich sprechen. Sag mal, wo ist eigentlich der andere Feuerwehrmann abgeblieben?«

»Hier!« Genau in dem Moment fühlte Justus eine schwere Hand auf seiner Schulter. »Also, wen haben wir denn da? Wollt ihr euch das Feuer ansehen?«

Erschrocken drehten Justus und Peter sich um. Der Feuerwehrmann stand hinter ihnen. Er war von beeindruckender Statur.

»Peter Shaw«, stellte sich Peter vor und trat schnell einen Schritt zur Seite. »Ja, wir haben den Rauch bemerkt …«

Justus wand sich unter der Hand des Feuerwehrmanns. »Justus Jonas«, sagte er gepresst.

Der Mann merkte auf. »Justus Jonas? Du bist doch der, der bei uns angerufen hat!«

»Ja, Sir.«

»Ich fürchte, darüber müssen wir uns noch unterhalten.«

Justus stutzte. »Aber warum denn, Sir?«

»Woher wusstest du von diesem Feuer?«

»Ich wurde angerufen, das habe ich doch schon gesagt!«

»Immer mit der Ruhe!« Der Mann hielt Justus am Arm fest.

»Ich hau schon nicht ab!«, rief Justus. »Ich bin doch kein Verbrecher!«

In dem Moment sah Peter, wie der Wind ein kleines, vom Feuer angeschwärztes Papier herantrieb. Mit einem geschickten Griff fing er es aus der Luft. Erstaunt warf er einen Blick darauf und ließ den Zettel dann schnell in der Tasche verschwinden. Doch der Feuerwehrmann schien seine Augen überall zu haben.

»Was hast du da eingesteckt? Gib mir den Zettel«, schnauzte er Peter an. »Aber Tempo, wenn ich bitten darf.«

»Hier, Sir«, sagte Peter kleinlaut.

Der Mann ließ Justus los und nahm das Papier entgegen. Mit zusammengekniffenen Augen las er den Text vor, der darauf stand:

 

Visitenkarte

 

»… Recherchen und … den Rest kann man nicht mehr lesen«, sagte der Feuerwehrmann und blickte auf. »Sehr interessant, Justus Jonas und Peter Shaw. Ich fürchte, ihr müsst mitkommen. Wegen Verdachts auf Brandstiftung!«

Angeklagt!

»Darf ich bitte meine Eltern anrufen?«, fragte Peter. »Sie machen sich bestimmt schon Sorgen.«

Zusammen mit Justus saß er in einem verglasten, engen Büro der Polizeistation von Rocky Beach. Sie war ziemlich leer, da nur wenige Polizisten Nachtdienst hatten.

Vor ihnen hatte sich ein dunkelhaariger Polizist aufgebaut, der dem Feuerwehrmann an Körpergröße in nichts nachstand. Er war etwa Mitte dreißig, hatte ein scharf geschnittenes Gesicht und stellte sich als Detective Franks vor. Kalt blickte er Peter an. »Nicht umsonst machen sich deine Eltern Gedanken. Sie sollten besser auf ihre Brut aufpassen!« Ohne Peter aus den Augen zu lassen, ließ sich der Detective in seinen Schreibtischstuhl fallen. Er hustete und wandte sich dann an Justus. »Und du, willst du auch telefonieren?«

»Ich möchte sofort Inspektor Cotta sprechen«, sagte Justus bestimmt. »Der Inspektor ist ein Freund von uns. Er wird ihnen erklären, dass wir mit dem Feuer bei Joes Bootsverleih nichts zu tun haben!«

»Da hast du leider Pech gehabt. Inspektor Cotta ist im Urlaub«, erklärte Detective Franks und grinste. »Auch Polizisten haben mal frei! Wo hast du den Namen her, Junge, aus der Zeitung?« Er trank einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Justus und Peter hatte er nichts zu trinken angeboten. Franks warf ein Stück Zucker in den Kaffee und studierte aufmerksam die kleinen Luftblasen, die sich bildeten. Plötzlich blickte er auf. »Deine Flunkergeschichte mit Cotta kannst du vergessen«, sagte er scharf. »Darauf falle ich nicht herein. Du musst wissen, ich war vorher in Los Angeles stationiert. Ich bin schon mit ganz anderen Typen fertiggeworden als mit euch!«

»Aber ich sage die Wahrheit«, sagte Justus verzweifelt. »Ist denn sonst niemand hier, der uns kennt? Haben Sie schon mal was von Kommissar Reynolds gehört?«

»Der alte Reynolds? Sag mal, hast du in den untersten Schubladen des Polizeiarchivs gestöbert? Nein, mein Junge«, raunzte er zurück, »ich kenne euch nicht! Aber ihr zwei Hübschen werdet mich gleich so richtig kennenlernen.« Er holte Luft und zog die angekohlte Visitenkarte hervor, die Peter gefunden hatte. »Und jetzt erklärt mir mal: Wie kommt eure Karte in den brennenden Abfallcontainer?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Justus genervt.

»Natürlich nicht! So ist es immer, wenn ich jemanden schnappe. Keiner hat etwas gesehen, keiner hat etwas gehört, keiner hat etwas getan.« Franks warf die Karte auf den Tisch und beugte sich vor. »Roy!«, rief er. Ein Polizist schaute ins Büro.

»Bringe den einen Jungen woandershin!«, befahl Franks. »Ich will die beiden getrennt befragen.«

»Wen?«

Franks deutete auf Peter. »Weg mit ihm.«

Der Kollege nickte. »Also los, Mister Shaw.«

Widerwillig ließ sich der Zweite Detektiv hinausführen.

Franks starrte ihm noch einen Moment nach. »Nun zu dir, Justus Jonas«, sagte er dann. Er faltete die Hände und lehnte sich auf seinen Schreibtisch. Treuherzig schaute er Justus in die Augen, seine Stimme war plötzlich samtweich. »Du scheinst mir der Klügere von euch beiden zu sein. Sage mir doch einfach, wie es war: Ihr wolltet mal einen kleinen Streich spielen, nicht wahr?« Er schenkte sich Kaffee nach und nahm genüsslich einen Schluck. »Verstehe ich ja. Ich habe früher selbst so einiges angestellt«, sagte er dann, als erinnerte er sich an seine Kindheit zurück.

Als Justus schwieg, änderte Franks den Tonfall.

»Hör mir mal gut zu, du Naseweis: Wir sind hier nicht in Los Angeles! In Rocky Beach herrscht Ruhe und Ordnung! Und das soll auch so bleiben! Dafür werde ich schon sorgen! Mein liebes Freundchen, du hast einen ganzen Löschzug rausgeschickt. Für eine kleine pubertäre Zündelei!«

»Ich war es aber nicht«, beharrte Justus auf seiner Position.

Franks trank seine Tasse aus. »Hast du Durst, Junge?«, fragte er wieder ruhiger. »Eine Cola?«

»Ja«, sagte Justus, obwohl er spürte, dass Franks mit ihm spielte. Erst Drohungen. Und nun kam er auf die freundliche Tour.

»Roy! Für den Jungen eine Cola!«

»Ich war es nicht«, wiederholte Justus. »Wie soll ich denn von zu Hause aus anrufen und gleichzeitig am Hafen Feuer legen?«

»Ein Schwelbrand, der sich langsam ausgebreitet hat«, sagte Franks. »Du hattest Zeit genug zwischendurch.« Er hustete. »Nun, das Feuer im Abfallcontainer hat zwar keinen großen Schaden angerichtet, aber ein paar hundert Dollar kostet so ein Behälter auch. Willst du das bezahlen? Oder deine Eltern?« Franks machte eine Pause, da der andere Polizist die Cola brachte. Als Justus sich das Glas gefüllt hatte, sprach Franks weiter. »Du bist ein intelligenter Kerl«, begann er. »Hör mir zu: Das gibt es oft, dass ein Brandstifter die Feuerwehr ruft. Er will sehen, was passiert. Er will seine Macht spüren, gewissermaßen. Ins Leben eingreifen: Andere Leute tun was, müssen reagieren, und er beobachtet alles, lenkt das Spiel, kommt sich klug vor, klüger als andere, verstehst du? Er hat die Fäden in der Hand. Kennst du das Gefühl?«

»Ich verstehe sehr gut. Aber ich habe das Feuer nicht gelegt.«

»Für die Tatzeit hast du kein Alibi«, sagte Franks immer noch ruhig. »Hast angeblich alleine zu Hause gesessen. Keine Zeugen. Anders als dein Freund Peter, der bei seinen Eltern war. Das haben wir bereits überprüft.« Mit der Hand fuhr er über seinen Schreibtisch und schob ein paar Papiere zur Seite. »Hier«. Plötzlich hatte er wieder die Visitenkarte der drei ??? in der Hand. »Warum hat dein Freund wohl versucht, die Visitenkarte zu verstecken?«

Justus wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Er schwitzte. »Wir waren es nicht«, sagte er trotzig. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie die Karte dorthin gekommen ist. Wir verteilen sie ab und zu an mögliche Kunden unseres Detektivbüros. Vielleicht hat sie jemand einfach achtlos weggeworfen.«

»Achtlos weggeworfen von Mr Unbekannt.« Detective Franks lächelte. »So ein Zufall. Ich glaube eher«, sagte er mit gestellter Sanftheit in der Stimme, »ich glaube eher, dass ihr in eurem, nun ja, wie ihr es nennt, ›Detektivbüro‹ seit einer Weile keinen Fall mehr zum Aufklären hattet. Da wolltet ihr selbst ein bisschen für Spannung sorgen. Ist doch sonst so langweilig, nicht wahr?«

»Detective Franks, mir ist nie langweilig«, erklärte Justus. »Ich habe immer etwas, was mich interessiert. Was Sie da sagen, ist eine gemeine Unterstellung!«

»Verdammter Dickkopf!« Detective Franks stand auf. »Roy«, rief er nach draußen. »Bleib bei unserem Freund hier. Ich werde dem anderen auf den Zahn fühlen.«

 

Mitternacht war schon vorüber, als Justus und Peter endlich die Polizeiwache von Rocky Beach verlassen durften. Man hatte ihnen nichts nachweisen können, aber Detective Franks verabschiedete Justus mit einer deutlichen Warnung: »Beim nächsten Mal kommst du mir nicht mehr ungeschoren davon! Und nun haut ab!«

Justus blieb stehen. »Unsere Räder stehen noch am Bootssteg.«

Franks verdrehte die Augen. »Auch das noch! Roy!«, brüllte er. »Setz dich in unsere Kiste und fahr unsere Gäste runter zum Hafen. Sonst stellen sie auf dem Weg dorthin noch was an.« Mit verdrießlichem Gesicht erschien sein Kollege. Wortlos drehte Franks ab und ging zurück in sein Büro.

Nachdem sie der Polizist bei ihren Fahrrädern abgesetzt hatte, radelten die beiden Jungen erschöpft nach Hause. Die Straßen waren leer und Peter ließ sich ein Stück zurückfallen, bis er neben Justus fuhr. »Der hat sich ja mächtig aufgeblasen, dieser Franks«, schimpfte er los. »Was bildet sich dieser Obersheriff eigentlich ein?«

Doch bei Justus hatte vorerst wieder der kühle Kopf die Oberhand gewonnen. »Bleib cool, Peter. Aus seiner Sicht hat er vielleicht sogar recht. Wir sind nun einmal verdächtig, so wie das alles gelaufen ist. Auch wenn das ungebührliche Verhalten von Detective Franks zu einiger Kritik Anlass gibt.« Er trat in die Pedale, um mit Peter mitzuhalten. »Es gibt nur einen Weg«, stieß er hervor. »Wir müssen den wahren Täter finden.«

»Ach, und wie sollen wir das anstellen?«

»Ich glaube, der Mann wird sich noch mal melden«, sagte Justus. Sie erreichten die Straßenkreuzung, an der sich ihre Wege trennten, und hielten an.

»Noch ein zweites Mal?«, fragte Peter. »Warum?«