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Pistenteufel

erzählt von Ben Nevis

Kosmos

Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941–24. Dezember 2009)

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941–24. Dezember 2009)

 

 

 

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© 1997, 2010, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

 

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12780-3

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

 

 

 

Ein überraschender Anruf

Dass es ausgerechnet seine Geschichtslehrerin Mrs Seven war, die sich am anderen Ende der Telefonleitung meldete, über-raschte Bob. Eigentlich hatte er einen anderen Anruf erwartet. Bereits beim ersten Klingelzeichen riss er den Hörer von der Gabel, denn Justus und Peter, die beiden anderen Mitglieder der Detektivgruppe die drei ???, hätten sich inzwischen längst bei ihm melden sollen.

Am frühen Nachmittag waren die beiden Detektive losgezogen, um einem mysteriösen Autoreifenstecher aufzulauern. Kein angenehmer Job, bei dem ungemütlichen Wetter draußen. Bob hatte die Aufgabe übernommen, in dem Wohnwagen auf Onkel Titus’ Schrottplatz, der als Einsatzzentrale der drei ??? diente, zu warten und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen einzuleiten. Im Idealfall musste er nur Inspektor Cotta, mit dem die drei Detektive befreundet waren, bei einem seiner Polizeieinsätze aufspüren und zur Verhaftung des Reifenstechers hinzuziehen.

Aber nun war nicht Justus oder Peter am Telefon, sondern Bobs Geschichtslehrerin Mrs Seven. Noch nie zuvor hatte sie ihn angerufen. Ihr schulisches Verhältnis war geprägt durch Bobs Nachlässigkeit in geschichtlichen Fragen. Da konnte er dem schlauen Justus, auch ›Superhirn‹ genannt, einfach nicht das Wasser reichen.

»Ja, Mrs Seven«, stotterte Bob, »guten Tag, wie geht es Ihnen?«

»Na, solange ich nicht in eure Geschichtsarbeiten schaue, gehts mir gut«, sagte Mrs Seven süffisant. »Aber um dir das mitzuteilen, rufe ich nicht an. Ich habe gehört, dass Justus, Peter und du eine Art Detektivbüro betreiben, wenn ihr euch mal nicht gerade um die High School kümmert.«

»Ja«, erklärte Bob stolz und wurde sofort gesprächiger, »wir nennen uns die drei ???. Inzwischen haben wir sogar schon in Europa Fälle geklärt. In Rom und in Wien.«

»Na schön«, sagte Mrs Seven, »dann habt ihr ja schon viel Erfahrung. Vielleicht habe ich eine Aufgabe für euch. Ihr habt ja gerade eine Woche Winterferien. Während der Schulzeit würde ich euch natürlich nicht anrufen. Da sollt ihr Geschichte büffeln.« Sie machte eine Kunstpause. »Aber jetzt habt ihr vielleicht Lust, euch mein kleines Problem anzuhören.«

»Na klar«, bemerkte Bob. Dass es den drei ??? ziemlich egal war, ob sich ein neuer Fall in der Schul- oder in der Ferienzeit ankündigte, sagte er vorsichtshalber nicht.

Mrs Seven schlug vor, die Angelegenheit bei ihr zu Hause zu besprechen: »Am Telefon lässt sich nicht so leicht darüber reden. Vermutlich ist die Sache, um die es geht, ohnehin kein richtiger Fall für euch. Ich hoffe es jedenfalls. Vielleicht ist es nur meine übertriebene Angst und Vorsicht.«

»Ja natürlich, Mrs Seven, bestimmt ist es nichts«, antwortete Bob. Im Stillen hoffte er natürlich, dass mehr dahinter steckte. Schließlich hatte schon oft eine harmlos wirkende Spur zu einem spannenden Fall geführt. »Peter und Justus sind gerade unterwegs. Aber ich denke, morgen Nachmittag können wir vorbeikommen.« Mrs Seven war einverstanden.

Nachdem Bob den Hörer eingehängt hatte, blickte er nachdenklich aus dem Fenster. Bei allem Ärger um die schulischen Leistungen hatten Mrs Seven und er doch ein faires Verhältnis. Die Lehrerin mit den wilden roten Haaren verstand es zwar, die Klasse mit fester Hand zu dirigieren, blieb dabei aber, wie Bob fand, fast immer gerecht. Nur mit den Schulnoten war er manchmal nicht ganz einverstanden. Aber immerhin hatte sie das Vertrauen, ihn anzurufen. Also musste sie ihn als Person schätzen. Justus und Peter natürlich auch, beeilte sich Bob zu denken. Um was es wohl ging? Mrs Seven lebte alleine, soweit er wusste. Einmal hatte sie ihre Schüler zu sich nach Hause eingeladen. Damals war ihm aufgefallen, dass ein Bild von ihrem Vater an der Wand hing. Der war eingewandert, aus Deutschland. Bob war viel zu sehr Detektiv, als dass er aufhören konnte darüber zu spekulieren, was wohl hinter Mrs Sevens geheimnisvollem Anruf steckte. Die Schule? Drohbriefe? Die Verwandtschaft? Bob saß vor dem stummen Telefon und ließ die Gedanken treiben. Seine Vermutungen wurden immer abenteuerlicher.

Als er in seinen Vorstellungen gerade dabei war, Mrs Seven gegen eine Bande rachsüchtiger Mitschüler zu verteidigen – natürlich waren darunter alle diejenigen versammelt, die Bob nicht leiden konnte – schellte das Telefon erneut. Diesmal griff Bob erst nach dem dritten Klingelzeichen zum Hörer, so lange brauchte er, um aus seinem Tagtraum zu erwachen. Doch wieder war es nicht Justus oder Peter, sondern seine Freundin Elizabeth.

»Hi, Bob! Ich wollte mich wegen heute Abend melden. Habt ihr nicht Lust mit uns ins Kino zu gehen? Kelly und Lys sind auch mit von der Partie.« Kelly und Lys waren die Freundinnen von Peter und Justus.

Elizabeth erzählte, dass im Kino seit kurzem der allerneuste James Bond lief. Das sei doch für die drei Superdetektive bestimmt verlockend. Als Bob erklärte, dass Justus und Peter gerade selbst im Einsatz wären, erntete er nur Spott: »Noch nicht mal in den Ferien habt ihr Zeit! Hoffentlich habt ihr drei Super-Bonds eure Gegner auch so gut im Griff wie James …«

Bob versprach sich zu melden, falls Justus und Peter noch rechtzeitig auftauchen sollten. Es ist schon ganz schön anstrengend, dachte er. Als ob die Schule und das Detektivbüro sie nicht schon genug auf Trab halten würden, mussten die drei ??? nun auch noch die Termine mit den Freundinnen unter einen Hut bekommen. Andererseits: wenn alle Termine so viel Spaß machen würden …

Justus und Peter kamen natürlich zu spät, um noch ins Kino gehen zu können. Das war umso ärgerlicher, da sie vergeblich auf der Lauer gelegen hatten. Als am Nachmittag ein scharfer Wind aufgekommen war, hatten die beiden Detektive beschlossen nach Hause zu fahren. Bei Peters Wagen erwartete sie dann allerdings eine böse Überraschung: Ein Reifen des Autos war platt. Offenbar hatte sich der Reifenstecher hier in der Zwischenzeit zu schaffen gemacht. Reifenwechsel war nicht gerade Peters Stärke und Justus Superhirn krümmte natürlich keinen Finger. Noch schlimmer: Zu allem Überfluss hatte er die ganze Zeit untätig neben Peter gestanden, aus der Betriebsanleitung des Autos vorgelesen und sich über das ungeschickte Englisch dort lustig gemacht: »›Achten sie das Rad einhebelnd auf die richtige Position des Drehrohrs.‹ Peter! Du sollst mehr auf das Drehrohr achten!«

Jetzt saßen die zwei Detektive völlig erschöpft auf den alten Sesseln im Campingwagen. Justus blätterte lustlos in einer Zeitung herum. »Spitzentreffen in der Basketball-Liga«, las er vor.

»Mir egal«, brummte Peter.

»Weltcup-Skirennen in Vail. Kampf der Top-Favoritinnen: Picabo Road gegen Karen Sulzenberger.«

»Mir egal«, brummte Peter erneut. »Obwohl diese Picabo Road echt süß ist und das lustigste Lächeln hat seit der Erfindung von Halloween.« Er streckte die Beine aus und gähnte.

Doch Bob wusste, wie man seine Freunde wieder auf Trab bringen konnte. »Na, ihr schlappen zwei ??, legt mal die Zeitung beiseite. Ich habe eine Denkaufgabe für euch. Ratet mal, wer angerufen hat?«

»Die Basketballer. Oder Michael Jackson«, schlug Justus vor. Bob verzog das Gesicht.

»Die Mädels«, meinte Peter gelangweilt.

»Richtig«, sagte Bob, »aber das wisst ihr ja schon. Weiter! Eine Frau, die bei uns sehr bekannt ist!«

»Bekannt, berühmt …«, überlegte Justus. »Vielleicht Peters süße Picabo Road?«

»Was habt ihr denn dauernd mit dieser so süßen Picabo Road?«, fragte Bob. »Was fährt sie überhaupt? Abfahrt? Allerdings liegt ihr mit der sowieso ganz falsch. Ich sagte doch: bei uns sehr bekannt. Mit Betonung auf ›uns‹, auf die drei ???!«

»Ach so, ich dachte bei uns ›in den Staaten‹«, erwiderte Justus. »Aber Bob, wer Picabo Road ist, solltest du trotzdem wissen. Auch wenn du nicht mehr aufs Skilaufen stehst, seitdem du deinen Snowboard-Tick entwickelt hast. Picabo Road war Weltmeisterin in der Skiabfahrt und fährt im neuen Weltcup mit 200 Punkten ganz vorne mit. Außerdem kommt sie selbstredend aus Amerika.«

»Und am Wochenende wird sie in Vail starten«, wiederholte Bob. »Dann können wir sie ja mal im Fernsehen begutachten. Peters Geschmack will ich testen!«

»Da wird sie bestimmt wieder gut laufen. Das ist ja fast ein Heimspiel für sie«, sagte Justus. Eigentlich interessierte er sich nicht besonders für Skirennen, aber fast jede Nachricht, vor allem wenn sie mit Zahlen und Tabellen zu tun hatte, speicherte er unwillkürlich in seinem Gehirn ab. So gelang es ihm immer wieder, seine Umgebung mit absonderlichen Details zu überraschen.

»Okay, Bob, du hast gewonnen«, drängte Peter. »Jetzt aber mal raus mit der Sprache. Wer hat denn nun angerufen, doch nicht der Reifenstecher?«

»Nein«, sagte Bob. »Angerufen hat unser aller Lehrerin, Mrs Seven.« Er berichtete Justus und Peter von dem merkwürdigen Telefonat, in dem Mrs Seven die drei Detektive um Hilfe gebeten hatte. »Ich habe auf alle Fälle mal zugesagt. Ihr habt doch hoffentlich nichts dagegen, nur weil sie unsere Lehrerin ist?«

Natürlich lag Bob damit richtig, Lehrerin hin oder her. Der Reifenstecher ging mittlerweile allen gehörig auf die Nerven und ein wenig Abwechslung würde nicht schaden. Die Laune der drei ??? hob sich angesichts des möglichen neuen Falls augenblicklich.

Auch Justus hatte ein besonderes Verhältnis zu Mrs Seven, allerdings ganz anderer Art. Es kam immer wieder vor, dass er die Lehrerin bei den Jahreszahlen korrigieren musste. »Vielleicht will sie von mir auch nur ein wenig Nachhilfe in Geschichte«, sagte er mit gespielter Arroganz.

»Ich glaube, darauf kann sie verzichten!« Peter lachte.

Noch von dem letzten Besuch mit der Schulklasse wusste Justus genau den Weg zu Mrs Sevens Wohnung. Sie lebte in einem charmanten älteren Haus zur Untermiete. Ihr Vermieter war ein ehemals erfolgloser Maler, der jedoch inzwischen in der Werbebranche arbeitete, viel Geld verdiente und bekannt war für seine grellbunten Bilder und Grafiken. Justus hatte schon lange vor den Künstler einmal zu fragen, ob er für die drei ??? eine Werbeaktion erfinden könnte – zum Sonderpreis natürlich. Aber bis jetzt waren die drei Detektive nie lange ohne einen Fall geblieben, und so hatte Justus den Kontakt über Mrs Seven noch nicht gebraucht.

Mrs Seven hatte sie bereits durchs Fenster gesehen und erwartete die drei ??? nun an der geöffneten Tür. Während sie in die Wohnung gingen, überlegte Bob kurz, ob er als Honorar für den zu erwartenden Auftrag nicht eine gute Note in der nächsten Geschichtsarbeit aushandeln sollte. Normalerweise verlangten sie ja nichts für ihre Nachforschungen, aber in diesem Falle …

Im Wohnzimmer nahmen sie Platz, auf dem Tisch stand für jeden eine Cola. Mrs Seven kam, wie das ihre Art war, schnell zum Thema. »Ich weiß nicht, ob euch bekannt ist, dass meine Familie ursprünglich aus Deutschland kommt.« Bob wollte nicken, doch sie wartete eine Antwort gar nicht erst ab. »Eine meiner weiter entfernten Cousinen von dort ist seit gestern in den Staaten. Sie ist keine Unbekannte. Sie ist eine erfolgreiche Skiläuferin, Karen Sulzenberger.«

Justus atmete hörbar durch. »Der Abfahrtsstar«, entfuhr es ihm.

»Das ist doch die Konkurrentin von Picabo Road«, sagte Bob.

»Ja, richtig«, antwortete Mrs Seven und freute sich über die richtige Antwort wie in der Schule.

»Note 1, setzen«, murmelte Justus ironisch zu Bob, denn ohne seinen Kurzvortrag am Tag zuvor hätte dieser nun kaum so glänzen können.

Mrs Seven ging darüber hinweg. »Karen hat diese Woche ein wichtiges Abfahrtsrennen in Vail. Aber sie ist beunruhigt. Nach dem letzten Rennen erhielt sie merkwürdige Briefe.«

»Drohbriefe?«, fragte Bob.

»Ja, oder auch nein, jedenfalls Briefe, die sie sehr verunsichern.«

»Was steht drin?«, erkundigte sich Justus.

»Bisher waren es erst zwei Briefe. In dem einem stand ›Du wirst verlieren‹ und in dem anderen ›Vertraue keinem‹. Mehr nicht.«

»Was ist dann passiert?«, wollte Bob wissen.

»Sie hat die Briefe ihrer Mannschaftsleitung gezeigt. Doch die hat sie nur zu beruhigen versucht und ihr gesagt, sie solle das nicht ernst nehmen. So etwas sei gang und gäbe.«

»Aber sie hat sich nicht beruhigen lassen und deswegen sitzen wir jetzt hier«, schloss Peter.

»Ihr werdet wirklich eurem Ruf gerecht«, sagte Mrs Seven. »Ja, ich wollte euch bitten einfach ein wenig auf sie aufzupassen. Damit sie ein bisschen ruhiger wird und sich auf ihr Rennen konzentrieren kann. Vermutlich steckt ja wirklich nichts Besonderes dahinter. Irgendeiner, der sich wichtig machen will. So etwas gibt es ja oft. Verrückte, die ihre Freude daran haben, andere Menschen zu irritieren.«

»Wir werden unser Bestes tun«, versprach Justus. »Aber wie? Am besten wäre es natürlich, wir würden nach Vail fahren.«

»Ich könnte euch dort vielleicht eine kleine Ferienwohnung besorgen. Sie gehört meinem Vermieter, dem Maler. Ich werde ihm die Geschichte erzählen und ich glaube, dass er nichts dagegen hat, euch dort ein paar Tage wohnen zu lassen. Vorausgesetzt, er erkennt seine Wohnung nach eurem Aufenthalt noch wieder.«

Die drei ??? grinsten. »Wir werden keine Unordnung hinterlassen«, übernahm Justus das Wort. »Und Geschirr spülen können wir auch.« Die Aussicht auf einen Trip ins winterliche Vail war verlockend.

Mrs Seven nickte. »Das klingt gut. Ihr könntet bis zum Sonntag dort bleiben, dann ist das Hauptrennen. Danach fährt Karen nach Kanada weiter, und ich hoffe, bis dahin hat sich alles geklärt.«

Die drei Detektive sagten sofort zu. »Nur noch eins«, fragte Justus, »wie kommen wir denn an so einen Star wie Karen heran?«

»Ich werde ihr sagen, dass ihr kommt«, antwortete Mrs Seven. »Alles Weitere müsst ihr euch einfallen lassen. Schließlich seid ihr doch die drei großen Detektive …«

Ein dunkles Vorzeichen

Der Flug nach Denver verlief planmäßig. Mrs Seven hatte die Flugkarten bezahlt. Mit dem Ausblick auf ein kostenloses verlängertes Winterwochenende in Vail war die Stimmung unter den drei ??? entsprechend ausgelassen. Peter galt als sehr guter Skifahrer. Justus und Bob hatten immerhin schon einige Male auf Skiern gestanden. Bob wollte allerdings diesmal nicht nur Ski, sondern vor allem auch Snowboard fahren. Im letzten Winter hatte er in den Bergen einen Snowboard-Anfängerkurs absolviert. Es war ein Riesenspaß gewesen. Inzwischen waren viele der Mitschüler ebenfalls auf den neuen Sport umgestiegen. Peter, nach wie vor ein überzeugter Skifahrer, zog ihn wegen des Snowboards zwar ständig auf, doch Bob tat es als Neid ab: Jetzt konnte Peter mit seinen Skikünsten nicht mehr so glänzen.

Auch wenn es kein spannender Fall werden sollte, stand also ein tolles Wochenende bevor. Die Freundinnen waren ein wenig eifersüchtig und sogar etwas verärgert gewesen. Besonders, nachdem bereits der Kinoabend ausgefallen war. »Jetzt haben wir schon mal Winterferien und ihr seid trotzdem beschäftigt wie Bill Gates. Ich verliere dich noch ganz an euren Detektivladen«, hatte sich Elizabeth bei Bob beschwert. Ganz anders erging es Justus, dem Lys – vielleicht aus Trotz – gesagt hatte, dass sie froh sei, das Wochenende jetzt in Ruhe mit Lesen verbringen zu können. Und auf die Party am Samstagabend könne sie genauso gut alleine gehen. Justus jedenfalls hatte es geärgert.

In Denver mietete Peter einen älteren Buick, in den das Gepäck und auch Peters Skier gut hineinpassten. Peter verstaute sie sehr sorgfältig, er hatte sie gerade erst zu Weihnachten geschenkt bekommen. Justus und Bob wollten sich ihre Sportgeräte in Vail ausleihen. Dann gings auf den Highway Richtung Vail. Es war eine eindrucksvolle Fahrt. Die Bergwelt wurde immer imposanter, die Gegend einsamer und wilder. Doch plötzlich schlug das Wetter ganz überraschend um. Sie fuhren geradewegs auf eine dunkle Wolkenwand zu. Schon fielen die ersten Tropfen, die bald in Schneeregen und dann in ein dichtes Schneetreiben übergingen.

»Hoffentlich bleiben wir nicht stecken«, murmelte Peter. »Wir haben zwar Winterreifen, aber wenn das so weitergeht, ist bald alles zugeschneit. Und sehen tue ich auch nicht mehr viel.«

»Zum Glück haben wir ein paar Lunchpakete von Tante Mathilda dabei«, sagte Justus.

Der Schnee fiel immer dichter. Längst hatte Peter die Scheinwerfer eingeschaltet. Die Autos vor und hinter ihnen waren kaum noch zu erkennen, geschweige denn die Straßenschilder. Justus und Bob warfen sich einen besorgten Blick zu. In den Bergen war die Natur doch sehr unberechenbar.

»Peter, fahr lieber etwas langsamer«, sagte Bob. Obwohl Peter sonst auf Kritik an seinem Fahrstil heftig reagierte, sagte er jetzt nichts und ging tatsächlich weiter vom Gas.

Inzwischen verlief die Straße spürbar bergauf. Da trat Peter plötzlich auf die Bremse. Vor ihnen waren zwei große rote Bremslichter aufgetaucht. Der Buick hatte nur kurz Straßenhaftung, dann rutschte er. Gerade noch rechtzeitig kam der Wagen zum Stehen, fast wäre er gegen das Fahrzeug vor ihnen gestoßen. Justus und Bob hingen in den Sicherheitsgurten.

»Noch mal Glück gehabt«, stieß Justus heraus. »Toll, dass du so schnell reagiert hast!«

Peter schaltete die Warnblinkanlage ein und schaute sich um. Der Wagen hinter ihnen hatte rechtzeitig angehalten und sicherte sie gegen den weiteren Verkehr ab. Vor ihnen stand ein dunkler Lieferwagen, der auf seiner Rückseite groß die Aufschrift ›SPEED‹ trug. »Aha«, überlegte Justus, »mit dem haben wir wohl dasselbe Ziel. SPEED ist eine große Skifirma. Der will bestimmt auch zum Rennen.«

»Jetzt steckt er jedenfalls erst einmal selbst im Schnee«, bemerkte Peter.

An den Reifen des Lieferwagens machten sich zwei Gestalten zu schaffen. Offenbar wollten sie Schneeketten anlegen.

»Sollen wir aussteigen und helfen?«, schlug Bob vor.

Peter öffnete die Fahrertür und blickte kurz nach hinten. Der nachfolgende Verkehr hatte sich etwas aufgestaut und rollte nun langsam an ihnen vorbei. Die drei Detektive griffen nach ihren Jacken und Handschuhen und sprangen aus dem Buick. Sie gingen an dem Lieferwagen entlang. Die Seitentür des Wagens war geöffnet, so dass Justus im Inneren mehrere längliche Behälter erkennen konnte. Wahrscheinlich Skiboxen. Auf einer stand das Wort ›Testmodell‹. Der Wind trieb ihnen dicke Schneeflocken in die Augen. Schemenhaft konnten sie zwei Männer sehen, die sich vor den linken Vorderreifen gekniet hatten. »Können wir Ihnen helfen?«, rief Peter den Männern durch das Schneegestöber entgegen. »Sollen wir Ihnen die andere Schneekette aus dem Wagen holen?«

»Was wollt ihr? Haut ab!«, war die scharfe Antwort.

»Aber wir wollten doch nur …«

»Kapiert ihr nicht? Verschwindet! Abflug!«

Peter war inzwischen nahe genug herangekommen, um die beiden Männer trotz des Schneegestöbers etwas genauer betrachten zu können. Viel sah er allerdings nicht. Aus dem einen Winteranorak blickte ihm ein grimmiges, bärtiges Gesicht entgegen. Der andere Mann war etwas kleiner als der Bartträger, unrasiert, von seinem Blick her nicht minder unfreundlich. »Setzt euch in euer Auto und verschwindet«, zischte der Bärtige noch einmal. »Schnüffler können wir nicht leiden.« Er ging auf die drei ??? zu und schlug die Seitentür des Lieferwagens mit einem kräftigen Ruck zu.

»Sie haben wohl Angst vor neugierigen Leuten«, provozierte Peter die beiden. Doch Justus zog ihn zurück.

»Freunde, wir gehen«, rief er zur Umkehr, »hier sind wir wohl nicht gern gesehen. Sollen die beiden Herrschaften eben alleine im Schnee herumschaufeln.«

Die Detektive verdrückten sich wieder in ihren warmen Buick. »Hoffentlich packen es die Räder, sonst können wir hier noch mit diesen freundlichen Herren übernachten«, murmelte Peter. Er zitterte leicht, die Begegnung hatte ihm nicht gefallen. Der Wagen startete gut, Peter setzte ihn etwas zurück, und nach einem kurzen Durchdrehen der Reifen ging die Fahrt weiter.

»Regt euch ab«, riet Justus, »aufgeregt fährt es sich schlecht Auto.«

Doch Bob war immer noch wütend. »Da bietet man seine Hilfe an, und dann so was.«

»Was die wohl zu verbergen hatten«, überlegte Justus. »Normal war deren Verhalten doch nicht. Oder sehen wir so furchteinflößend aus? Das wäre mir neu. So nette und adrette Jungs, wie wir es nun mal sind.«

»Der Traum aller Schwiegermütter«, warf Peter ein.

Doch Justus ließ sich nicht unterbrechen. »Das Nummernschild des Lieferwagens habe ich mir jedenfalls notiert.« Er machte eine Kunstpause. »Warum fragt ihr denn nicht, wo?«

»Damit du keine Gelegenheit hast, schon wieder anzugeben«, meinte Peter, und Bob fügte hinzu: »Wir wissen doch, dass Justus Superhirn alles in seinem Kopf abspeichern kann.« Zum Spaß zog Justus eine Grimasse.

»Dafür habe ich mir deren Gesichter genau angesehen«, sagte Peter. »Zumindest soweit es die Schneejacken zuließen.«

»Vielleicht waren die ja bloß sauer, dass sie bei solch einem Wetter die Schneeketten auflegen mussten«, meinte Bob. Aber er glaubte selbst nicht ganz daran.

Mit der Zeit wurde das Schneetreiben zum Glück schwächer, so dass die drei ??? ihrem Ziel wieder schneller entgegensteuern konnten. Sogar die Ausfahrt nach Vail fanden sie sofort, obwohl das Straßenschild unter dem angewehten und fest gefrorenen Schnee kaum lesbar war. Als sie über eine Ausfahrtsbrücke auf die atemberaubende Kulisse von Vail-Village zurollten, brach der erste Sonnenstrahl durch die Wolken und ließ im Hintergrund eine wunderschön geschwungene, weiße Skiabfahrt aufstrahlen.

Die neue Cousine

Das Appartement des Malers befand sich in einem neuen, stilvollen Haus in der Nähe des Vail Mountain. Obwohl in der Umgebung einige größere Hotels standen, hatte man von hier aus einen guten Blick auf die herrliche Berg- und Schneekulisse. Inzwischen war die Sonne richtig herausgekommen und langsam füllten sich die Straßen wieder mit Menschen. Alle waren froh über das plötzliche Ende des Schneetreibens. Schließlich war es erst gegen Mittag und man konnte den Tag noch genießen. Eine dicke Schicht Neuschnee bedeckte die Straßen und Häuser des Ortes. Für die Skifahrer ein viel versprechender Anblick, denn auf den Pisten lag jetzt sicher wunderbarer Pulverschnee.

Während Peter das Auto ausräumte, liefen Justus und Bob zum nächsten Skigeschäft, um sich ihre Sportgeräte auszuleihen. Justus suchte nach nicht allzu langen Brettern und Bob wollte sich zwar ebenfalls nach Skiern, vor allem aber auch nach einem guten Anfängerboard umsehen.