Fußnoten

 

1 Eine Art kleiner Pavillon für sommerliche Vergnügen, meist mit offenem Dach.

2 Ein Goldocker-Farbton. Namensgebend dafür ist die Bemalung von Schloss Schönbrunn (seit mindestens 1780). Davon ausgehend, wurden unzählige Villen, Bürgerhäuser, Kirchen, Bahnhöfe, Ministerien usw. in derselben Farbe bemalt. Man findet das Schönbrunner Gelb nicht nur in Wien, sondern in weiten Teilen des ehemaligen Habsburger Reiches.

3 Wörtlich: »Ich habe die Ehre« Auch als Ausruf der Verwunderung verwendet: »Ich werd verrückt!«

4 Leck mich doch.

 

Der Teufel in mir

 

 

© Zaubermond Verlag 2018

© "Das Haus Zamis – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Titelbild: Mark Freier

eBook-Erstellung: Die eBook-Manufaktur

 

www.Zaubermond.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

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Band 56

 

Der Teufel in mir

 

von Michael Marcus Thurner und Logan Dee

nach einem Exposé von Uwe Voehl

 

 

Was bisher geschah:

 

Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind.

Michael Zamis, seine Frau Thekla und Coco reisen nach Rumänien. Dort, auf der Temeschburg, findet die Testamentseröffnung der Fürstin Bredica statt, einer Großtante Michaels. Hier trifft er seine ehemalige Geliebte Florentina wieder – und seine uneheliche Tochter Juna, die er bisher verschwiegen hat. Juna hat eine grausame Vergangenheit hinter sich – die sie auf der Temeschburg einzuholen droht.

Das in Aussicht gestellte Erbe der Fürstin erweist sich als Lockvogel, damit diese ihre Jugend wiedererlangen kann. Michael, Thekla und Coco Zamis sowie Juna und auch Skarabäus Toth entkommen der tödlichen Intrige nur knapp. Der Rückweg nach Wien führt durch den sagenumwobenen, dämonenverseuchten Hoia-Baciu-Wald. Dort werden sie von einem unsichtbaren Gegner attackiert. Jeder Einzelne muss fortan um sein Leben kämpfen: Coco Zamis gelangt in ein Dorf, das von der Außenwelt abgeschnitten scheint. Bei dem verzweifelten Versuch, daraus zu fliehen, wird sie von Schwärmen von Fliegen attackiert. Ihr Vater, Michael Zamis, hat unterdessen in demselben Dorf eine Unterredung mit einem Dämon namens Beelzebub, der über die Ansiedlung herrscht. Der Dämon versucht Michael dazu zu gewinnen, mit ihm gegen Asmodi vorzugehen, doch Michael lehnt ab …

Unterdessen wird klar, dass Skarabäus Toth, der Schiedsrichter der Schwarzen Familie, einmal mehr ein doppeltes Spiel betreibt: Er bereitet für Beelzebub dessen Herrschaft in Wien vor.

Die verbliebenen Zamis-Sprösslinge Adalmar, Lydia und vor allem Georg, der das Erbe seines für tot erklärten Vaters Michael anzutreten anstrebt, halten dagegen.

Georg hat jedoch keinen leichten Stand. Er wird von den Wiener Dämonen nicht akzeptiert. Da tauchen Coco und ihre Eltern unverhofft wieder auf. Michael Zamis nimmt das Zepter wieder in die Hand, und es gelingt der vereinten Familie, Baalthasar Zebub zu schlagen …

 

 

Erstes Buch: Des Teufels Exorzist

 

Des Teufels Exorzist

 

von Michael Marcus Thurner

nach einem Exposé von Uwe Voehl

 

 

1.

 

Die Zeitung lag nicht auf dem Tisch. Sie lag nicht bereit.

Aber sie hatte hier zu sein, wenn er sein Abendessen einnahm.

»Magda!«, rief er, »wo ist die Rundschau?«

»Dort, wo sie immer ist, Friedrich«, erklang die fröhliche Stimme seiner Frau aus der Küche.

»Ist sie nicht!«, sagte er laut, weniger verärgert denn verwundert. Seitdem sie verheiratet waren, seit einundzwanzig glückselig machenden Jahren, hatte Magda erst zweimal Zeitungsverfehlungen begangen. Sie wusste ganz genau, dass ihm Routinen heilig waren. Dass ein derartiger Fauxpas schlecht für seine Laune war, und wenn seine Laune schlecht war, wirkte sich das auf die Harmonie ihres Ehelebens aus.

Friedrich hörte ein Klappern in der Küche. Es war das Backofenblech. Seine Frau nahm eben das Fleisch aus der Backröhre und stellte es auf dem Carrara-Marmor der Küchentischplatte ab. Viel zu laut, viel zu ungeschickt.

Er seufzte. Manche Dinge würden sich nie ändern.

Magda kam mit kurzen, trippeligen Schritten ins Wohnzimmer. Sie wischte sich die Hände an der Küchenschürze ab und wollte auf den Platz vor ihm deuten, stoppte in der Bewegung aber abrupt ab.

Ihr Gesicht wurde bleich. Gut so. Sie verstand, dass sie einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte.

»Das … das verstehe ich nicht!«, sagte sie. »Verzeih mir, Fritz. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich sie bereitgelegt hätte.«

»Ist schon gut, Magda. Man kann ja mal etwas vergessen, nicht wahr? Lass uns nachdenken, wo du die Rundschau hingelegt haben könntest. Vielleicht ist sie noch in deinem Einkaufskorb, in der Transportfolie?«

Natürlich wurde die Rundschau sorgfältig und mit spitzen Fingern aus dem Briefkasten gefischt und augenblicklich in eine Hochglanzfolie gesteckt, bevor sie auf dem Essenstisch landete. Friedrich mochte keine Risse oder Eselsohren. Es war schlimm genug, mitzuerleben, wie sorglos die Zusteller mit der Tageszeitung umgingen. Er hatte bereits mehrmals Knicke und Flecken zu beklagen gehabt.

Vor vier Jahren hatte er sogar ein Exemplar geliefert bekommen, dessen Seiten vom Regen völlig aufgeweicht gewesen waren.

Der zuständige Mitarbeiter war entlassen worden. Der Chef vom Dienst der Rundschau hatte eine Ermahnung vom Aufsichtsratsvorsitzenden erhalten. Schließlich besaß Friedrich Gajdusik ein Aktienpaket, das ihn Einfluss auf die Geschäftsgebarung nehmen ließ.

Magda lief aufgeregt in der Wohnung umher. Sie durchsuchte ihre Handtasche und den Einkaufsstrohkorb, den bereits Friedrichs Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, benutzt hatte. Anschließend sah sie auf der Ablagefläche im Vorzimmer nach. Das Holz des Parkettbodens knirschte unter ihren Schuhen. Sie vergaß völlig darauf, sachte aufzutreten, so wie er es ihr anbefohlen hatte, damals, am 15. August vor einundzwanzig Jahren, als sie in die Wohnung seiner Eltern eingezogen waren.

»Das gibt’s doch nicht!«, hörte er Magda sagen. Immer wieder, immer verzweifelter, immer weinerlicher: »Das gibt’s doch nicht!«

Friedrich wartete. Er lauschte ihren Tritten. Ergötzte sich an der steigernden Nervosität.

Das Gefühl, seine Zeitung nicht bei der Hand zu haben, wenn das Essen serviert wurde, machte ihn unruhig. Andererseits erregte es ihn. Diese Durchbrechung der Routine war eine Unbekannte in der Rechnung seines Lebens, die sich anfühlte wie ein rauschender Windstoß, der alles durcheinanderwirbelte.

Und Magda war schuld daran. Oh, wie sehr sie daran schuld hatte …

Sie begann zu schluchzen. Seine Frau war nahe am Wasser gebaut. Nicht einmal die geringste Belastung war ihr zuzumuten. Es war gut, dass sie vor einundzwanzig Jahren ihren Brotberuf aufgegeben hatte und ausschließlich zu Hause blieb, um sich auf das Wichtigste in ihrem Leben zu konzentrieren.

Auf ihn.

Die Türe des Kinderzimmers öffnete sich leise quietschend. Friedrich hätte längst verlangen können, dass die Klinke geölt wurde. Doch er hatte davon abgesehen. Er wollte hören, wann sein Sohn das Zimmer verließ und wieder betrat.

Justus ging mit schlurfenden Schritten den kleinen Vorzimmergang entlang, klopfte schüchtern gegen die Esszimmertür und trat ein, nachdem Friedrich es ihm gestattet hatte.

»Guten Abend, Vater.«

»Guten Abend, mein Junge. Ist in der Schule alles in Ordnung?«

»Ja, Vater.«

»Hat mein Telefonat mit der Direktorin etwas genützt?«

»Ja, Vater. Sie ist sich nunmehr sicher, dass ich einen Einser im Altgriechisch-Unterricht bekommen werde.«

»Das ist erfreulich. Es ist schön zu wissen, dass deine Direktorin eine einsichtige Person ist. Setz dich doch.«

»Was ist denn mit Mama los, Vater? Warum weint sie?«

»Sie ist ein wenig aufgeregt wegen meiner Rundschau. Sie scheint sie verlegt zu haben. Du weißt ja, dass ich zum Abendessen meine Zeitung lesen möchte.«

»Die Zeitung …« Justus, der sich eben erst gesetzt hatte, sprang auf, wurde blass, begann sinnloses Zeugs zu stottern.

»Was ist los, mein Junge?«

»Die Rundschau …«

»Ja?«

»Sie lag hier auf dem Tisch, und auf dem Titelbild war ein Bild, das mich interessierte, und … und …« Justus verbeugte sich hastig und viel zu schlampig, bevor er davonlief, hin zu seinem Zimmer. Erneut war das Quietschen der Tür zu hören, dann weitere eilige Schritte. Ein verzweifeltes Glucksen.

Friedrich schloss die Augen. Das war nicht gut, das war gar nicht gut. Er drohte die Kontrolle zu verlieren, außer Fassung zu geraten.

Justus kehrte zurück. Mit deutlich langsamerem Schritt. Zögerlich und verängstigt. Weder klopfte er an, noch sagte er ein Wort, als er auf Friedrich zukam und die Zeitung vor ihm hinlegte.

Sie war falsch gefaltet, und sie hatte einen Knick. Oben rechts zeigten sich Spuren von Druckerschwärze, die einen winzigen Fingerabdruck nachzeichneten.

»Was hast du dir dabei gedacht, Sohn?«, fragte Friedrich.

»Ich weiß es nicht, Vater«, antwortete Justus mit kläglicher Stimme. »Ich wollte diesen Artikel über Jugendkulturen lesen. Es hat … hat mich interessiert.« Fast trotzig fügte er hinzu: »Du möchtest doch immer, dass ich mich fürs Zeitunglesen interessiere.«

»Ganz richtig, Junge«, sagte Friedrich sanft. »Ich will, dass du dich für das Zeitgeschehen interessierst, dich informierst und dich nicht von technischem Schabernack wie Handys oder dem Internet ablenken lässt.« Er klopfte mit den Fingern der Rechten auf den Tisch. »Aber ich will nicht, dass meine Routinen durchbrochen werden.« Friedrich erhob sich. »Dass mein Tagesablauf durcheinandergerät. Dass ich keine ZEITUNG ZUM ABENDESSEN LESEN KANN!«, brüllte er die letzten Worte seinem Sohn ins Gesicht, diesem kleinen Widerling, diesem verfickten Hurenbalg, diesem verdammten Scheißgesicht.

Magda betrat den Raum. Die Tränen hatten ihre Schminke verschmiert und eine Spur dunklen Mascaras von den Lidern bis zu den Kieferknochen gezogen.

Auch das noch. Dieser Abend war wirklich ein Desaster.

»Geh dich waschen, Magda«, sagte Friedrich, der sich rasch wieder beruhigte. »Mach dich fesch. Anschließend kannst du das Essen kredenzen. Justus wird heute nicht mit uns speisen. Er hat keinen Appetit und wird in seinem Zimmer darüber nachdenken, warum das so ist. – Hast du an dieses wunderbare Rezept für einen Zimt-Nuss-Apfelstrudel gedacht, das ich dir heute Morgen gezeigt habe? Ja?«

 

Friedrich musste heute selbst das Gebet sprechen, nachdem Justus in sein Zimmer zurückgekehrt war. Er dankte dem Herrn für seine Güte und Barmherzigkeit und dafür, dass er den Fleiß der Gajdusik-Familie zu würdigen wusste.

Auch heute noch, in der zwölften Generation, nach beinahe dreihundert Jahren und mehreren schrecklichen Kriegen, nach dieser abscheulichen bürgerlichen Revolution im Jahre 1848 und dem Schock der Entmachtung der Habsburger, besaßen die Gajdusiks Bedeutung. Er als Familienoberhaupt saß an dem einen oder anderen Schalthebel der Republik. Still und leise, wie es bereits seine Vorfahren gehalten hatten. Unbemerkt von stetig wechselnden Regierungen, die den schwachsinnigen Idealen einer Demokratie nachhingen.

Justus würde das dreizehnte Familienoberhaupt werden, dessen war sich Friedrich sicher. Er benötigte bloß eine harte Hand und musste lernen, was Zucht und Ordnung war. Friedrichs Vater hatte ihm diese Tugenden eingeprügelt, und so hatte es zuvor der Großvater mit seinem Vater gemacht. Manche Mechanismen waren nicht einfach so zu verstehen und zu verinnerlichen. Sie mussten mit Nachdruck verdeutlicht werden.

»Hat … hat dir der Apfelstrudel geschmeckt?«, fragte Magda. »Und die Wachtel? War das Fleisch zart genug für dich? Ich habe mir wirklich alle Mühe gegeben …«

»Es war alles ausgezeichnet, meine Liebe. Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben.« Er griff nach dem kleinen Kristallglas, in dem sich das Dunkelrot des Digestifs mehrfach gebrochen widerspiegelte. »Ich bin zufrieden mit dir.«

»Das freut mich zu hören, Friedrich.«

Ein winziger Splitter war am Glas ausgebrochen. Seine Urgroßmutter hatte den Schaden durch eine Unbedachtsamkeit verursacht. Urgroßvater war nicht sonderlich zimperlich mit ihr umgegangen, als er den Bruch entdeckt hatte.

Friedrich musste lächeln, als er an diese alte Geschichte dachte, die vom Vater an den Sohn weitergetragen worden war.

Er nahm den Digestif in den Mund, spürte den bitteren Geschmack, ließ die Flüssigkeit durch den Rachenraum kreisen und schluckte dann hinunter. Ein leichtes Brennen blieb zurück. Eine Hitze, die fünf oder sechs Minuten anhalten würde.

»Allerdings …«

»Ja, Friedrich?« Magda schreckte aus ihrer hausmütterlichen Lethargie hoch. Sie streckte ihr Kreuz durch, die Blicke irrten wild umher. Sie ahnte, was er sagen wollte.

»Du hättest Justus von der Zeitung fernhalten müssen, Magda. Du weißt doch, wie sensibel er ist. Er liest Dinge, für die er noch nicht bereit ist. Ich wünschte, ich könnte mehr Einfluss nehmen auf die Blattlinie. Aber leider müssen die Redakteure eine gewisse Rücksicht auf den wechselnden Geschmack der Leser nehmen. Wenn ich wollte, wie ich könnte, hätte ich einen Bericht über das schamlose Verhalten einiger Jugendlicher verhindert.«

»Ich weiß, Friedrich.«

»Du hast nicht aufgepasst, Magda. Du hast nicht verhindert, dass Justus mit derartigen Schundberichten in Berührung kommt.«

»Ich weiß, Friedrich.« Seine Gattin senkte den Kopf. Schicksalsergeben und devot.

»Du hast einen unentschuldbaren Fehler begangen. Wer weiß schon zu sagen, was diese dummen Ideen mit unserem lieben Justus anrichten? Was meinst du, Magda?«

»Sie … sie werden ihm schaden. Sie werden ihn ein Stückchen weit die alten Traditionen vergessen lassen. Sie werden ihm vom … vom …«

»… vom Weg abbringen. Richtig, Magda. Und ich werde größte Schwierigkeiten haben, ihn dorthin zurückzuführen. Auf den Pfad der christlichen Rechtschaffenheit.«

»Verzeih mir, Friedrich«, sagte seine Frau leise.

Er hob die Rechte und streichelte ihre Wange. Sie hatte die Spuren ihrer Tränen beseitigt. Doch er meinte, sie noch spüren zu können, heiß und feucht. »Ich verzeihe dir natürlich. Wie immer. Du wirst Buße tun, und alles ist wieder gut.«

»Können wir es vielleicht bei Gebeten und Rosenkränzen belassen, Friedrich? Ist die Buße denn wirklich notwendig?«

»Aber Liebes, das weißt du doch. Es ist notwendig. Wie sollst du sonst etwas lernen? Wie sonst soll Gott der Allerhöchste wissen, dass du seinem Willen gehorchst? Diese Logik verstehst du doch. Nicht wahr?«

Er umfasste ihr Kinn und drückte zu. Fest, aber nicht brutal. Friedrich ließ seine Frau wissen, dass er in dieser Hinsicht keinerlei Widerspruch duldete. Also presste er mit einem Daumen gegen jenen kleinen Haarriss an der linken Seite des Unterkiefers, den seine Frau unglücklicherweise bei der letzten Buße erlitten hatte.

Ihre Augenlieder zuckten, der Blick wurde unstet. Magda wollte sich zurückziehen, er hielt sie fest.

»Räum doch schon mal das Geschirr ab, Liebste. Anschließend machst du dich bereit. Ich richte indes alles her und warte auf dich im Schlafzimmer.«

Friedrich erhob sich, blieb abrupt stehen und lauschte.

Nein, es war nichts zu hören. Keine quietschende Türschnalle. Justus hielt sich an seine Anweisungen. Er würde es nicht wagen, das Kinderzimmer zu verlassen.

Friedrich betrat das Schlafzimmer und öffnete den Strafkasten. Er betrachtete seine Schätze liebevoll. Sie stellten einen beträchtlichen Wert dar. Viele dieser Werkzeuge galten anderswo als wertvolle Antiquitäten. Im Hause Gajdusik hingegen waren sie Gebrauchsgegenstände, die sorgfältig gewartet und einsatzbereit gehalten wurden.

In jungen Jahren, damals, als er die Bedeutung seines Lebens noch nicht richtig erfasst und die Traditionen seines Geschlechts ignoriert hatte, war er heimlich zu einem Psychotherapeuten geschlichen und hatte mit einem vorgeblichen Fachmann über die Traditionen der Gajdusiks gesprochen. Über die alten Erblinien. Über heimliche Heiratszeremonien und Vertuschungen, die hatten stattfinden müssen, um gewisse Vorkommnisse nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Um Rituale.

Der Therapeut war zu seinem Erstaunen blass und blasser geworden. Er hatte viele Dinge nicht verstanden und sie mit seinem kleinen Geist als »falsch« oder gar als »pervertiert« abgetan.

Der Doktor hatte von Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie, erheblichen erblichen Belastungen und sonstigem Krimskrams gesprochen, sprich: Er hatte nichts verstanden. Gar nichts.

Danach war alles anders gewesen. Friedrich hatte seine Bedeutung als Gajdusik akzeptiert. Als einen Menschen, der dank altem, tradiertem Wissen über Krethi und Plethi zu herrschen hatte und der sich mit dem gemeinen Volk nicht abgeben durfte.

Er hatte dem Vater seine Verfehlungen gebeichtet und die Strafe dankbar angenommen. Anschließend hatte der alte Herr dafür gesorgt, dass dieser vorgeblich so kompetente Psychotherapeut einen raschen Absturz hingelegt und sich wenige Monate später selbst gerichtet hatte.

Friedrich lächelte. Ein Schauder überkam ihn bei diesen Erinnerungen. Sein Besuch bei dem Seelendoktor hatte ihn … erweckt. Seine Schandtat war zur Initiation geworden, und so war aus der Sünde etwas Gutes entsprungen. Weil er gebeichtet und die Strafe akzeptiert hatte.

Bald darauf hatte er geheiratet, hatte seinem Vater in jedem Belang nachgeeifert und vor zehn Jahren dessen Stelle als Familienoberhaupt eingenommen.

Er hörte Magda über den Flur kommen. Sie bewegte sich mit schleppenden Schritten. Friedrich sog die Luft ein. Er meinte, ihre Angst zu riechen, zu spüren.

Wenn sie doch nur einmal, ein einziges Mal einen Fluchtversuch unternehmen würde! Was wäre das doch für ein Spaß, ihr hinterherzujagen und sie einzufangen, um sie für ihren Frevel doppelt büßen zu lassen!

Aber nein – sie fügte sich ihrem Schicksal.

Wie langweilig.

Die Türe öffnete sich, Magda betrat das Schlafzimmer. Stumm, mit gesenktem Haupt.

»Aufs Bett!«, befahl er, ohne sie anzublicken. »Du weißt, was zu tun ist.«

Sie sagte weiterhin kein Wort. Friedrich konnte hören, wie sie ihre Seidenbluse aufknöpfte, langsam und zögerlich. So als würde sie etwas gewinnen, wenn sie ihr Schicksal hinauszögerte.

Er nahm ein schmiedeeisernes Werkzeug zur Hand. Es lag gut in seiner Rechten. Er hatte es schon lange nicht mehr benutzt. Dazu einen Lederriemen, dessen Griff perfekt in seiner Hand lag.

»Bist du bereit? Willst du Buße tun?«

»Ja, Friedrich«, antwortete Magda mit überraschend klarer Stimme.

Er drehte sich ihr zu. Sie saß auf dem Bett. Ihr zarter, schmaler Rücken zeigte die Spuren früherer Bestrafungen. Manche Narben würden niemals verheilen. Weil das Register ihrer Sünden lang war und ihre Einsichtigkeit oftmals nur vorgespielt.

Er streichelte mit dem Riemen über das verquollene Fleisch. Magda zuckte zusammen, gab aber keinen Mucks von sich.

Friedrich rollte die Peitsche auf und ließ sie spielerisch über die Brüste seiner Frau gleiten. Ganz gewiss genoss sie das Gefühl. Die Lust am Schmerz steckte tief in ihr drin, wie in allen Frauen der Gajdusiks. Sie formte und prägte jedes einzelne Weib ihres Geschlechts.

»Dann lass uns beginnen. Bereust du deine Verfehlungen, Magda?«

»Ich … bereue. Zutiefst.« Sie beugte sich vor, breitete die Arme weit aus und bot Friedrich ihren Rücken dar. Sie räkelte ihren Arsch unter dem knapp sitzenden Rock.

»Dann tue Buße, geliebte Schwester«, sagte er und ließ die Peitsche auf Magda niederknallen.

 

 

2.

 

Mirka König hatte sich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder mal im Café Zamis blicken lassen. Ich hatte sie anfänglich nicht bedienen wollen. Zu ihrem eigenen Schutz. Ich wollte sie davor bewahren, noch tiefer in die Welt abseits jener einzutauchen, die sie kannte.

Doch die junge Frau, meist Mikro gerufen, war hartnäckig. Sie gab keine Ruhe. Selbst die hypnotische Sperre, die ich ihr eingepflanzt hatte, und selbst die Schmerzen, die sie hatte erleiden müssen, hinderten sie nicht daran, immer tiefer ins Reich der Dämonen vorzudringen und es zu erkunden.

Also ließ ich sie gewähren. Manche Menschen verspürten eine sonderbare Todessehnsucht.

Nun, das stimmte nicht ganz. Mirka war ein wenig anders als die meisten Menschen. Sie war zwischen den Zeiten geboren, war ein Neujahrskind. Es war ihr vorherbestimmt, die Dämonen und ihre Umtriebe zu erkennen. Sie wusste ganz genau, womit sie sich abgab und was für ein Schicksal ihr blühte.

Mirka verstand sich gut mit der Callas. Ich war froh, dass die beiden einen Draht zueinander gefunden hatten. Die ältere Domina hatte die Polizistin quasi adoptiert und vermittelte ihr Wissen. Sodass sie sich notfalls verteidigen konnte und mit ein wenig Glück die ersten ein, zwei Jahre im dämonisch beherrschten Wien überlebte.

Ich fragte mich, ob sie es tatsächlich so weit schaffen würde.

»Warum so nachdenklich?«

»Hm? Ich schreckte hoch und blickte Juna an. Juna, meine Halbschwester, die ich gerne in meiner Nähe wusste. Die mir mehr Familie war als all jene, die in der Villa Zamis wohnten, vielleicht mit Ausnahme Georgs.

»Es ist nichts«, antwortete ich. »Du weißt ja: die üblichen Sorgen. Wie lange schaffe ich es noch, das Caféhaus über Wasser zu halten? Welche dämonische Todsünde kriecht als nächste hinter den Tapeten dieser Wände hervor? Wird Asmodi oder ein anderer Dämon einen Weg finden, um die Neutralität der Gemäuer aufzubrechen und mich zu vernichten?«

»Für eine Zamis bist du eine verdammt schlechte Lügnerin, Coco.« Juna lachte und entblößte weiße, regelmäßige Zähne. »Du machst dir Sorgen um deine Gäste.«

»Ich mache mir immer um irgendwen Sorgen«, wich ich aus.

»Mikro ist bei der Callas gut aufgehoben. Die beiden sind sich ähnlicher, als man glauben möchte. Und sieh dir die Callas mal an: Sie hat Wege gefunden, trotz ihres Menschseins in Dämonenkreisen alt zu werden.«

»Ja. Es ist ein Wunder.«

»Kein Wunder. Geschick und Anpassungsfähigkeit.«

Ich betrachtete meine Halbschwester. Sie blickte sinnend ins Leere. Ich vermutete, dass sie eben an ihr eigenes Schicksal dachte, das sie kreuz und quer durch Raum und Zeit geschickt und ihr kaum Gelegenheit gegeben hatte, so etwas wie eine Kindheit oder Jugend zu genießen.

Ich drückte an der Kaffeemaschine zwei Melange ab, verzierte sie mit ein wenig Schlag und servierte Mirka und der Callas die Heißgetränke. Auf Blechtabletts und mit jeweils einem großen Glas Leitungswasser. So, wie es sich gehörte.

Beide nickten mir dankend zu. Mirka rührte die Melange um und trank geistesabwesend davon. Ein weißbrauner Rand blieb an ihren Lippen zurück, nachdem sie die Tasse abgestellt hatte.

»Wie läuft es im Kommissariat Schillergasse?«, fragte ich. »Kommst du mit deinem Kollegen zurecht, mit dem Zarten

Der Zarte. Wolfgang Werdenyi. Ein Polizist, durch und durch korrupt und mit dämonischen Gaben ausgestattet, über die ich nicht viel wusste. Er tat oft gemeinsam Dienst mit Mirka. Die beiden hatten ein undurchschaubares Verhältnis, zu dem sich die kleingewachsene Polizistin nur selten äußerte.

»Es geht«, antwortete sie wortkarg und umklammerte ihre Tasse mit beiden Händen. Es war kalt draußen auf der Mariahilfer Straße, nun, wenige Wochen vor Weihnachten.

»Unterschätze ihn nicht«, mahnte die Callas, während sie aus einem Flachmann dunkelbraune Flüssigkeit in den Kaffee goss. »Ich hatte ihn öfter mal zu Gast bei mir und weiß, dass er sonderbare Kräfte besitzt.«

»Wir kommen miteinander aus.«

Das war alles, was Mirka zu sagen hatte.

Ich seufzte. »Na schön, Themenwechsel: Gibt es Neuigkeiten aus der Wiener Unterwelt, die wichtig für mich sein könnten?«

Mirka schüttelte zögernd den Kopf. »Nein«, sagte sie. Es gehen zwar einige Gerüchte rum, aber du kennst das ja. Manchmal habe ich den Eindruck, als wäre ganz Wien auf Hörensagen aufgebaut und gar nicht real.«

»Das mag stimmen.« Ich musste an Vindobene denken, der irgendwo im Gebälk des Café Zamis ruhte, die Arme um sich geschlungen wie eine Fledermaus. Er wirkte in letzter Zeit gut genährt. Er lebte von den Bösartigkeiten der Stadt – und war selbst nicht ganz unbeteiligt daran, dass die Wiener gegeneinander intrigierten.

In gewisser Weise ähnelte er der Dämonin Invidia, mit der wir es vor einigen Monaten zu tun gehabt hatten, mit der Dämonin des Neides. Mit diesem verdammten Mistding, das sich weigerte, die Stadt zu verlassen und ab und zu vor der Haustür des Café Zamis umherstreunte. So als lauerte sie auf mich.

»Allerdings …«

»Ja?« Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Mirka König.

»Etwas bereitet mir Kopfzerbrechen. Es war in diversen Meldungen die Rede von einem Prediger, der in Wien auftritt. Er lässt sich da und dort blicken und verbreitet krude Theorien. Er gibt sich christlich, scheint aber keiner Kongregation anzugehören.«

»Es gibt viele Scharlatane, die mit den Religionen ein Geschäft machen«, sagte die Callas und kicherte hinter vorgehaltenen Händen. »Was meinst du, wie vielen Frauen und Männern ich bereits die Beichte abnehmen musste und wie sehr sie mein Latex-Nonnenkostüm mögen …«

Mirka lächelte müde. »Ich glaube nicht, dass es sich dabei um solch einen … Heiligen handelt.«

»Wird der Prediger von der Polizei gesucht?«, hakte ich nach. »Hat er irgendwelche Untaten begangen? Steht er im Zusammenhang mit unheimlichen Begebenheiten?«

»Bis jetzt haben wir noch kein, hm, großes Bild. Er erzählt widerliche Geschichten und zieht die Zuhörer in seinen Bann. Wir hören immer wieder, dass er eine sehr bestimmende Persönlichkeit sei und ein selbstbewusstes Auftreten habe. Er vollführt Exerzitien und Teufelsaustreibungen, spricht sich für den Flagellantismus aus und dafür, dass Gläubige ein Cilicium tragen sollten …«

»Ein was?«, hakte die Callas nach.

»Ein Büßerhemd«, erklärte ich ihr. »Es besteht aus rohem Stoff, der auf nackter Haut getragen wird. An der Innenseite liegen Rosshaare oder Schweineborsten. Du kannst dir vorstellen, wie unangenehm das Gefühl ist. Wenn man es länger trägt, verursacht das Cilicium Rötungen oder gar Entzündungen. Es dient zur Selbstkasteiung.«

»Man lernt nie aus.« Die Callas zückte ihr Handy und tippte einige Zeilen Text ein. »So etwas fehlt mir noch in meiner Sammlung. Ich bin mir sicher, dass ich den einen oder anderen meiner Klienten dazu überreden kann, ein Cilicium zu tragen, um mir zu gefallen.«

Ich wandte mich erneut Mirka zu. »Das hört sich nach einem religiösen Spinner an«, sagte ich. »Gewiss gibt es konservative Kreise, in denen seine Ideen Gefallen finden.«

»Gerüchteweise finden ihn die Angehörigen des Opus-Dei-Ordens besonders faszinierend. Aber du weißt sicherlich, wie es ist, wenn man in derartigen Kreisen nachforscht.«

»Man bekommt nichts aus ihnen raus. Kein Wort.«

»Richtig. Zumal der Kerl ein Phantom zu sein scheint.« Mirka trank ihren Espresso aus und blickte auf die Uhr. »Wir haben nichts Greifbares gegen ihn in der Hand. Aber Wien hat schon genug Spinner zu bieten. Ich kann gut und gerne auf einen weiteren Sonderling verzichten.«

»Das verstehe ich.«

Die Polizistin wollte mir einige Münzen reichen, ich streckte die Hände abwehrend aus. »Das geht aufs Haus. Wie immer.«

»Du willst mich bloß dazu verführen, wiederzukommen.«

»Dafür muss ich mich nicht sonderlich anstrengen. Du bist süchtig nach meinem Kaffee.«

Mirka grinste, verabschiedete sich mit einem Wangenküsschen von der Callas, reichte mir die Hand und verließ das Lokal.

Ich kümmerte mich wieder um die Arbeit. Doch ich kehrte in Gedanken immer wieder zu dem sonderbaren Prediger zurück. Nach Mirkas Erzählungen wirkte er auf mich wie ein aus der Zeit gefallenes Geschöpf, das hier nichts zu suchen hatte.

Ich mochte das nicht, ganz und gar nicht.

 

Friedrich erledigte sein Tagwerk, gewissenhaft und unaufgeregt wie immer. Sein Schreibtisch blieb stets sauber, die Akten akkurat aufeinandergestapelt. Dieses neumodische Computerzeugs verwendete er kaum. Es war das Symbol einer neuen, schlechteren Zeit, in der selbst die niedrigsten Plebs Zugriff auf das Wissen der Welt hatten. Das war falsch, das gehörte sich nicht.

Und dann all die vielfältigen pornographischen Darstellungen, die im Internet gezeigt wurden … Gab es wirklich Menschen, die darauf reagierten? Schämten sie sich nicht, ihren voyeuristischen Trieben bei Zurschaustellungen von weiblichen wie männlichen Geschlechtsteilen nachzugeben?

Nun gut, den bizarren Seiten im Darknet vermochte er durchaus etwas abzugewinnen. Ab und zu holte er sich Anregungen, wenn Magda wieder einmal zur Bußfertigkeit gezwungen werden musste. Dennoch war das übelster, billigster Schund.

Friedrich bürstete seinen Schreibtisch ab und packte das Vesperbrot aus. In den nächsten zwanzig Minuten würde es seine Sekretärin nicht wagen, jemanden zu ihm vorzulassen. Nicht einmal seinen Chef.

Als Ministerialrat besaß er im Hause mehr Macht als einer dieser Politiker, die meinten, das Land zu regieren. Friedrich hatte bereits eine ganze Reihe von ihnen kommen und gehen sehen. Manche von ihnen hatten es auf einen Machtkampf mit ihm ankommen lassen – und verloren. Schließlich war er das Bindeglied zu all den Beamten auf unteren Ebenen. Wenn er sich querlegte, war das Ministerium wochenlang blockiert – und damit die Republik.

Sein jetziger Chef, der Ohrwaschelbub, hatte es nicht riskiert, ihn herauszufordern.

Friedrich verschluckte sich beinahe. Ohrwaschelbub – was für ein passender Spitzname! Alle hier im Ministerium nannten ihn hinter vorgehaltener Hand so. Es gab keinen passenderen Begriff für das Jungchen.

Er beendete die Vesper und nahm einen Schluck vom Eierlikör, der im Ordner ordnungsgemäß unter ›E‹ abgestellt war, und kümmerte sich wieder um seine Agenden. Es galt, einige Unterschriften zu leisten und anschließend jenes Kreuzworträtsel zu beenden, bei dem ihn vor einer Stunde Sektionschef Vrbala unterbrochen hatte.

Pünktlich um vier Uhr am Nachmittag beendete er die Arbeit, schloss seine Sachen weg und verabschiedete sich fröhlich pfeifend im Sekretariat. Die anwesenden Damen grüßten ordnungsgemäß. Diese Olga Irgendwas erhob sich viel zu langsam von ihrem Platz. Sie gab vor, sich mit ihrem dicken, aufgeschwemmten Bauch nicht mehr richtig bewegen zu können.

Warum hatte sie ihr Kind unbedingt behalten wollen? Alle anderen Damen des Sekretariats, die er gefickt hatte, waren schlau genug gewesen und hatten Vorkehrungen gegen eine Schwangerschaft getroffen. Olga hingegen hatte sich glücklich gegeben, als sie erfahren hatte, dass sie Mutter werden würde. Und sie hatte gemeint, ihm die Vaterschaft anhängen zu können.

Nun, Friedrich hatte vordergründig nachgegeben. Er duldete sie weiterhin in seiner Umgebung und überreichte ihr dann und wann Bargeld in einem Kuvert. Sie wirkte glücklich, die liebe Olga. Sie strahlte richtiggehend von innen heraus.

Sie wusste nichts über die Gajdusiks. Gajdusiks ließen sich nicht erpressen. Unter keinen Umständen.

Irgendwann in den nächsten Wochen würde ein gut bezahlter und skrupelloser Handlanger in Olgas Wohnung auftauchen und eine äußerst schmerzhafte Abtreibung vornehmen. Es gab da einige Leute, die ihm einen Gefallen schuldeten und diesen Handlanger zur Verfügung stellen würden. Der Mann würde die Angelegenheit diskret erledigen und dafür sorgen, dass Olga niemals mehr wieder die Füße auf den Boden bekam.

Es war schön, Olga um sich zu haben. Ihre Ahnungslosigkeit bereitete ihm Freude. Diese lästerliche Hure meinte, ein schönes Leben als Mutter vor sich zu haben.

Wie sehr sie sich doch irrte.

 

Friedrich kehrte nach Hause zurück. Sein Chauffeur setzte ihn wie gewohnt in der Penzinger Straße ab. Er ging die letzten paar Schritte zu Fuß, betrat sein Haus, stellte den Aktenkoffer ab, klopfte im Durchgang mit dem bereitstehenden Stecken gegen die Decke und ließ damit seine Schwester wissen, dass er von der Arbeit zurück war. Sie würde es hören, eilfertig aufspringen und alles für die Abendmahlzeit vorbereiten. Indes hatte er Zeit, um der Kirche »Bei den sieben Eichen im Heiligen Tal« einen Besuch abzustatten. Der Pfarrhof grenzte unmittelbar an sein Grundstück, es waren also bloß ein paar Schritte.

Der kalte Wind pfiff durch die Straße. Friedrich musste seinen Hut festhalten und den Mantelkragen aufstellen. Er fror nur selten, denn in ihm brannte das Feuer des aufrechten Bürgers.