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In dieser Reihe erschienen:

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eISBN: 978-3-649-63094-4

eISBN: 978-3-649-63237-5

© 2019 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,

Hafenweg 30, 48155 Münster

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise

Text: Berit Bach

Illustrationen: Heike Vogel

Lektorat: Sara Mehring

Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim

www.coppenrath.de

Das Buch erscheint unter der ISBN 978-3-649-67076-6

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Mit Illustrationen von Heike Vogel

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Inhalt

1. So wird das nichts!

2. Ausritt mit Folgen

3. Ein riesiger Fleck

4. Wenn es schiefgeht, kommt es besser

5. Eine böse Überraschung

6. Schreck in der Morgenstunde!

7. In letzter Sekunde

8. Eine richtige Kirschentalerin!

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1. So wird das nichts!

»Treib ihn, treib ihn!« Nele rannte auf dem Springplatz mit der Gerte hinter Lümmel her, der gemütlich auf den kleinen Oxer zutrabte. Mit hochrotem Kopf klopfte Emma ihre Fersen in Lümmels Flanken. Aber der spitzte nur die Ohren, machte einen Bocksprung und warf sich in letzter Sekunde vor dem Hindernis zur Seite. Mit Mühe und Not konnte Emma sich im Sattel halten und Lümmel hinter Paul mit Flöckchen zum Stehen bringen.

»So wird das nichts, Emma!«, rief Nele verärgert. »Du musst dich viel mehr durchsetzen! Am Samstag ist das Turnier! In vier Tagen, und Lümmel macht mit dir, was er will! So holen wir den Pokal nie zurück!«

Emma biss sich auf die Lippen. Sie sah zu ihrer Freundin Mia hinüber, die zusammen mit Sofie, Leonie und Reitlehrer Jan an der Bande stand und wie die anderen ein ratloses Gesicht machte. Alina saß auf einem Campingstuhl und hatte ihren eingegipsten Fuß auf die Bande gelegt. Neben ihr schob die kleine braun-weiß gescheckte Ziege Nelly ihren Kopf durch ein Loch in der Begrenzung. Nelly war die beste Freundin von Emmas Lieblingsstute Flöckchen, und Jan hatte extra das Loch in die Bande gesägt, damit sie Flöckchen immer sehen konnte und ihr nicht dauernd sehnsüchtig hinterhermeckern musste.

Vorm Reitplatz, im großen Schlosshof, stand Johanna von Kirschental, die Direktorin des Internats, die die Kinder nur Joki nannten. Heftig gestikulierend sprach sie mit einem Mann, der dann in sein schwarzes Auto stieg. Hoffentlich hatte Joki nicht mitgekriegt, dass es mit Lümmel heute wieder überhaupt nicht klappte, dachte Emma. Johanna von Kirschental legte nämlich Wert darauf, dass nur talentierte Reitschüler auf das Pony-Internat Schloss Kirschental kamen. Emma hatte sich durch die Aufnahmeprüfung gekämpft.

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Aber sie konnte immer noch nicht ganz glauben, dass sie und Alina beide aufgenommen worden waren.

Jetzt war es Spätsommer, die Septembersonne schien warm auf den Springplatz und ließ die herrliche Natur um das Schloss in den schönsten Farben erstrahlen. Alles hätte ganz wunderbar sein können. War es aber nicht. Denn obwohl Emma nun schon mehrere Wochen auf dem Internat war, fühlte sie sich überhaupt nicht als Kirschentalerin. Die anderen kannten sich schon lange und waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Nicht dass sie es Emma hätten merken lassen. Aber sie war eben bei fast allem, was die anderen schon miteinander erlebt hatten und worüber sie gemeinsam lachten, nicht dabei gewesen.

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Vor allem aber ritten die Kirschentaler supergut. Emma hatte das Gefühl, dass die ehrgeizige Nele und ihre Freundinnen Lisa und Alina ihr übelnahmen, dass sie es noch nicht so gut konnte. In den normalen Reitstunden kam sie zwar meistens prima zurecht, aber das Springen mit ihrem Pflegepony Lümmel machte Emma schwer zu schaffen. Ausgerechnet Nele gab dabei das Training – weil sie die beste Reiterin des Internats war und auch das Turnierteam leitete. Nele hatte nur noch eines im Kopf: beim diesjährigen Turnier gegen die Jungen von Gut Falkenhorst zu siegen. Und weil Alina sich den Fuß gebrochen hatte, war Emma nun im Turnierteam. Und hatte es schwer. Sehnsüchtig sah Emma zu Flöckchen, die gerade mit dem schweren Paul leicht wie eine Feder über das Hindernis flog.

»Im Vergleich zu Flöckchen ist unser Lümmel natürlich eine Dampfwalze«, rief Jan von der Bande her, »aber wenn er mal warm ist und merkt, dass von oben ordentlich Treibstoff kommt, dann geht er auch. Du musst ihn dafür aber aktiver reiten und viel energischer treiben, Emma!«

»He – ich gebe hier heute den Springunterricht!«, rief Nele gereizt in seine Richtung.

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»Stimmt«, rief Jan zurück. »Aber Erklärungen und Tipps bringen Emma weiter als Schimpfen.«

Nele warf Jan einen wütenden Blick zu. Emma staunte. Was Nele sich Jan gegenüber herausnahm!

Immerhin war Jan ein supernetter Reitlehrer und ließ Nele die Extra-Springstunden nur machen, weil sie der Meinung war, dass das normale Training für Emma und Paul nicht ausreichte. Damit hatte sie ja auch recht. Emma hatte erst mit dem Springen begonnen, als sie nach Kirschental zog. Aber bis auf Mia und Paul, ihre besten Freunde auf Kirschental, wusste das niemand. Leider holte man nicht mal so eben nach, was die anderen sich in jahrelangem Unterricht erarbeitet hatten.

»Gib ihm einfach mehr Zunder«, schaltete sich nun auch Paul ein, »dann fliegt ihr genauso schön wie wir.«

»Das musst du gerade sagen«, giftete Nele ihn an.

»Dein Springstil ist immer noch die reinste Katastrophe.«

»Aber es ist schon viel besser geworden«, rief Mia herüber. »Paul hängt nicht mehr ständig wie ein Zementsack auf Flöckchens Rücken!«

»Wenn ihr es alle besser wisst, dann macht ihr doch einfach das Springtraining!«, fauchte Nele und schmiss die Gerte auf den Boden. Just in dem Moment heulte ein Motor auf und das schwarze Auto jagte mit quietschenden Reifen vom Hof. Lümmel und Flöckchen erschraken, rannten los, und Emma war so überrascht, dass sie in hohem Bogen in den Sand flog. Paul, der ebenfalls völlig entspannt auf Flöckchen gesessen hatte, landete neben ihr.

»Ist euch etwas passiert?«, rief Johanna von Kirschental erschrocken und eilte zur Reitbahn, wo Leonie, Mia und Sofie schon die Ponys einfingen.

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Emma schüttelte den Kopf. »Nö, alles okay«, sagte sie und klopfte sich den Sand von der Hose.

»Geht schon«, presste Paul zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und rieb sich sein Hinterteil.

Joki sah dem schwarzen Auto hinterher, das auf der langen Schlossallee davonbrauste. »Der wird noch von mir hören. Es reicht jetzt«, sagte sie entschieden. »Jan, kommst du mit? Wir müssen etwas besprechen.«

Jan nickte und gemeinsam gingen sie mit großen Schritten Richtung Schlossportal.

»Dass der von Kirschental mit seinem Jaguar aber auch immer so angeben muss«, brummte Paul.

»Ihr kennt ihn?«, wunderte sich Emma und saß wieder auf Lümmel auf.

Mia nickte. »Das ist Waldemar von Kirschental, der Bürgermeister von Waldbrohl und Bruder von Joki.«

»Und der Vater von diesem blöden Hubdus«, ergänzte Paul.

»Hubdus?« Emma sah Paul fragend an. »Wer ist denn das?«

»Der heißt eigentlich Hubertus, aber alle nennen ihn Hubdus. Er geht auf Gut Falkenhorst zur Schule.«

»Gegen die wir im Turnier antreten?«

»Erraten«, sagte Nele. »Und gegen die wir gewinnen wollen. Eine echte Vollkatastrophe, dass wir das seit drei Jahren nicht mehr geschafft haben. Die können doch überhaupt nicht reiten!«

»Ist Falkenhorst denn auch ein Pony-Internat?«, wollte Emma wissen.

Paul schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist eine ganz normale Jungenschule. Beim Sport können die aber zwischen Reiten und Fußball wählen.«

»Und Hubdus, Leon und Justus verwechseln ihre Ponys wohl mit einem Fußball«, sagte Sofie. »So wie die denen in die Seite treten.«

Die anderen nickten eifrig, nur Mia legte nachdenklich den Kopf schief. »Ich frag mich, was Hubdus’ Vater jetzt dauernd hier macht«, sagte sie. »Und warum Joki, wenn er weg ist, immer so wütend ist.«

Paul hatte inzwischen Flöckchens Sattelgurt gelockert. »Ist sie das? Na, mir auch egal. Ich mach jedenfalls Schluss für heute.« Er zeigte auf seinen Hintern.

»Akuter Notfall. Bis später.«

»Du kannst doch nicht einfach aus der Stunde abhauen, Pummel!« Nele sah Paul fassungslos an. »Wir sind noch längst nicht fertig!«

Doch Paul winkte nur ab und führte Flöckchen vom Springplatz Richtung Stall.

Emma gab sich einen Ruck. »Dann spring ich jetzt noch mal«, rief sie. »Aber können wir die Hürde vielleicht doch ein wenig niedriger machen?«

Nele bückte sich, hob ihre Gerte auf und motzte dann genervt los: »Nein, können wir nicht! Am Samstag springst du ja auch nicht über niedliche kleine Bodenstangen.« Dann blickte sie in Richtung Stall, wo Paul gerade mit Flöckchen verschwand. »Ich möchte nur gern wissen«, seufzte sie, »wie ich mit euch den Pokal gewinnen soll.«

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2. Ausritt mit Folgen

Am nächsten Tag bimmelte Johanna von Kirschental beim Mittagessen mit der Glocke auf ihrem Tisch.

Schlagartig verstummte das lebhafte Geschnatter im Rittersaal und alle Kinder standen von ihren Stühlen auf.