RAUMSCHIFF RUBIKON 11

Der steinerne Himmel

von Marc Tannous

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Am Morgen einer neuen Zeit.

Copyright

Prolog

1. Kapitel | Aufbruch

2. Kapitel | Ankunft

3. Kapitel | Die andere Seite

4. Kapitel | Götterdämmerung | Metrop Washington | im Jahre Null | Ankunft der Stummen Götter

Metrop Washington | 14 Stunden danach

5. Kapitel | Freund oder Feind | unweit der ehemaligen Metrop Washington | im Jahr 22 ZSG (Zeitalter der Stummen Götter)

6. Kapitel | Gefangen!

7. Kapitel | Das Tribunal – | aus den Aufzeichnungen des Reuben Cronenberg

8. Kapitel | Erste Veränderungen | nahe der ehemaligen Metrop Moskau | im Jahre 836 ZSG

Aus den Aufzeichnungen des Reuben Cronenberg.

9. Kapitel | Die Nokturnen

Östlich der ehemaligen Metrop Paris | im Jahr 9267 ZSG

Östlich der ehemaligen Metrop Peking | im Jahr 12476 ZSG

10. Kapitel | Die Schläfer | Brasilianisches Tiefland | im Jahr 15146 ZSG

11. Kapitel | Die Vaku-Farmer

An der japanischen Küste – | im Jahr 7379 ZGS

Am Ende der Welt – | im Jahr 20112 ZSG

Epilog | Heute – | am Ende der Welt

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About the Publisher

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Am Morgen einer neuen Zeit.

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Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden ...

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© Cover: Nach Motiven von Pixabay, Adelind, Steve Mayer

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Du hast ... was getan ...?“

Die Fassungslosigkeit in Ayleas Stimme und der anklagende Blick aus ihren teichgroßen Augen versetzten Cloud einen stechenden Schmerz in seiner ohnehin schon eng gewordenen Brust.

„Du hast SESHA befohlen, Darnok zu töten ...?“

John Cloud wollte antworten, doch die Worte schienen auf halbem Wege in seiner Kehle stecken zu bleiben. Er räusperte sich, startete dann einen zweiten Versuch.

„Ich habe die KI aufgefordert, alle lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen, ja.“ Er zwang eine Härte in seine Stimme, die seinem eigentlichen Wesen widersprach und die Fassungslosigkeit bei den Anwesenden noch verstärkte.

Die Wut, die ihn beim Anblick von Darnoks Werk, beim Verstehen des ganzen Ausmaßes seines furchtbaren Racheplans, erfasst hatte und die noch immer in ihm glomm, half ihm dabei.

Die Erde existierte nicht mehr. Und die Milchstraße war zu einem Ort des Todes geworden!

Diese Erkenntnis wog schwerer als alles andere. Sie sorgte für eine entsetzliche Leere und Taubheit und dafür, dass Hass alle anderen Gefühle verdrängt hatte.

„Ich musste es tun“, fügte er mit eisigem Blick hinzu. „Wenn jemand den Tod verdient hat, dann er.“

Cloud bemühte sich, jene Autorität auszustrahlen, die ihm von Sekunde zu Sekunde abhanden zu kommen drohte.

Nicht nur Aylea, auch Jarvis, sein ältester Freund, musterten ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und ... Abscheu?

Vor allem bei Jarvis war dies ein ungewohnter Anblick. Lange Zeit war es dem ehemaligen GenTec nicht möglich gewesen, wahre Gefühle zu zeigen, nur sie zu imitieren. Erst der geheimnisvolle Kristall, den er vor kurzem von dem ERBAUER Kargor verliehen bekommen hatte, gab seinem Nanokörper ein menschliches Antlitz.

„Du hast Recht.“

Ayleas Blick wechselte ruckartig von Cloud zu Jarvis, ohne dass sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte.

Sie wollte einen Einwand erheben, doch eine kaum merkliche Geste von Jarvis ließ sie verstummen.

„Wer verdient den Tod mehr als ein Wesen, das wissentlich den Tod von Millionen von Menschen herbeigeführt hat ? Aber was sage ich? Der eine ganze Galaxie zugrunde gerichtet hat!“

Cloud räusperte sich erneut.

Seltsamerweise führten gerade Jarvis Worte dazu, dass er sich in seiner Rolle als eiskalter Vollstrecker zunehmend unbehaglicher fühlte.

Was habe ich getan?, blitzte es in ihm auf. Nur kurz, dann drängte er den Gedanken zurück.

„Du sagst es“, erwiderte er stattdessen mit belegter Stimme.

Sein Blick wanderte in eine Richtung, die er bisher zu vermeiden versucht hatte. Zu dem Tank in der Medostation, in das der Keelon, jenes molluskenartige Wesen, das die Zeit beeinflussen konnte, zum Zwecke seiner Genesung verbracht worden war – bevor Cloud seinen grausamen Befehl ausgesprochen hatte ...

„Und dennoch“, fiel Jarvis ihm ins Wort, „sollte es dich nicht dazu verleiten, die Konsequenzen deines eigenen Handelns aus den Augen zu verlieren.“

Cloud verengte die Augen zu Schlitzen. Seine Wangenknochen mahlten. Es ärgerte ihn, dass Jarvis anfänglicher Beistand doch nur eine Strategie gewesen war, um damit einen weiteren Dolchstoß vorzubereiten.

„Die Konsequenzen liegen klar auf der Hand“, entgegnete er deshalb mit unverhohlenem Trotz. „Dieser Wahnsinnige wird nie wieder in der Lage sein, seine Fähigkeiten auf solch schändliche Art und Weise zu missbrauchen.“

„Ich habe nicht die Konsequenzen in Bezug auf Darnok gemeint“, entgegnete Jarvis. In seiner Stimme schwang eine Ruhe, die nicht zu der Dringlichkeit seines Anliegens passte. Darnok lag im Sterben. Mehr als ein paar Minuten würden ihm ohne die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht bleiben.

„Ich habe von den Konsequenzen für dich gesprochen. Davon, was es aus dir macht, wenn du beschließt, das Leben eines einstigen Weggefährten einfach so auszulöschen. Jetzt erscheint es dir als gerecht. Aber denkst du, du kannst auch noch damit leben, wenn erst der Zorn verraucht ist?“

Cloud ballte die Fäuste, atmete tief ein und aus. Trotz seiner Aufgebrachtheit wollte er vermeiden, irgendetwas zu sagen, das ihm später leid tun würde. Er versuchte, seinen Ärger hinunterzuschlucken, spürte jedoch, wie er erneut in ihm aufwallte und die Oberhand über sein Denken gewann.

„Wir reden hier doch nicht von einem Strafzettel, Herrgott! Hier geht es um millionenfachen Genozid! Wie kann sich ein Mensch mit solch einem Wahnsinn konfrontiert sehen und glauben, jemals darüber hinwegzukommen? Aber vielleicht habe ich mich ja doch in dir getäuscht und du bist gar kein –“

Cloud stoppte, doch der Vorwurf hing bereits unausgesprochen im Raum. Schwer und drückend, wie eine Gewitterwolke.

Cloud bemerkte ein Zucken, das Jarvis vorgegaukelte Gesichtsmuskulatur erfasste. Eine Wellenbewegung, wie Tausende kleiner, sich schnell hintereinander öffnender Lamellen, die für den Bruchteil einer Sekunde offenbarten, was dem Auge des Betrachters normalerweise verborgen blieb.

Cloud atmete tief durch und fuhr sich in einer hilflos anmutenden Geste durch sein nass geschwitztes Haar. „Jarvis. Ich ...“ Er rang förmlich nach den passenden Worten. „Du weißt, was ich meine.“

„Ich weiß John“, erwiderte der Angesprochene nur. „Und ich weiß auch, was in dir vorgeht. Dasselbe, was auch ich empfinde. Du fühlst dich entwurzelt, heimatlos, weißt nicht, wo du noch hin gehörst. Und du hast das Gefühl, dass du den Schuldigen zur Verantwortung ziehen musst. Aber was ist danach? Ändert sich deine eigene Situation dadurch in irgendeiner Art zum Besseren? Oder die seiner Opfer?“

Clouds Blick fiel erneut auf das Geschöpf im Tank. Es sah bereits aus wie tot. Vor wenigen Minuten hätte er es nicht für möglich gehalten, aber der Anblick und der Gedanke, Darnok könne nicht mehr sein, rührte ihn fast zu Tränen.

„Sesha, wie ist sein Zustand?“, wandte er sich an die Schiffs-KI. Seine Stimme war ruhig und fest, doch sein Herz hämmerte wie eine Faust gegen die Innenseite seines Brustkorbs.

„Der Keelon-Organismus hat seine lebenserhaltenden Funktionen eingestellt“, hallte es emotionslos zurück.

„Heißt das, er ist tot?“, rief Aylea ungläubig aus.

„Positiv. Der klinische Exitus ist vor 32 Sekunden eingetreten.“

Die Augen der Zwölfjährigen schimmerten feucht, als sie Cloud mit einem Blick musterte, der ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ.

Er wandte sich ab. Ein wenig zu schnell, wie er selbst fand.

„Kannst du noch irgendetwas tun, um ihm zu helfen?“, wandte er sich erneut an die Schiffsinstanz.

„Ich verstehe den Zweck deiner Frage nicht“, gab diese unmittelbar zurück. „Sie steht im direkten Gegensatz zu deinem vorherigen Befehl.“

„Vergiss den Befehl! Hier ist ein neuer: Tu, was du kannst, um das Leben des Keelon zu retten!“

Der ohnmächtige Zorn wich aus Ayleas tränenverschleiertem Blick, doch die Anspannung blieb.

„Befehl ausgeführt. Maßnahmen zur Reanimation eingeleitet.“

Cloud atmete erleichtert aus. Jetzt hieß es abwarten. Er konnte seinen Blick nicht von dem molluskenartigen, herzförmigen Wesen nehmen, dessen Tod er sich noch vor wenigen Minuten herbeigesehnt, und für dessen Rettung er jetzt fast alles getan hätte.

Kaum zu glauben, dass dieses unscheinbare, so harmlos aussehende Geschöpf im Alleingang die gesamte Galaxie in einen Zustand ungebremster Entropie gestürzt hatte.

Das, dachte Cloud bei allem Bangen und Hoffen, vergebe ich dir nie. Aber ebenso wenig kann ich es zulassen, dass dein Blut an meinen Händen klebt und dein Geist mich für immer verfolgt. Du wirst büßen, für alles was du getan hast. Aber nicht so. Nicht auf diese Weise ...

„Erster Reanimationsversuch gescheitert“, meldete die KI, als wollte sie seinen Gedanken Hohn sprechen.

Clouds entsetzter Blick begegnete dem seiner Gefährten.

„Nein ...“ Er las das Wort mehr von Ayleas Lippen ab, als dass er es akustisch auffing.

Was habe ich getan?

„Versuch es weiter!“, befahl er sofort. „So lange, bis du einen Erfolg vermelden kannst!“

Stille kehrte ein. Cloud vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, als die KI sich endlich wieder meldete.

„Reanimation erfolgreich. Die lebenserhaltenden Maßnahmen wurden wieder aufgenommen.“

Die Anspannung fiel spürbar von den Anwesenden ab.

Doch trotz der guten Nachricht brach keiner von ihnen das Schweigen. Keinem wollte es so recht gelingen, seiner Erleichterung Ausdruck zu verleihen.

Doch zumindest in Cloud festigte sich in diesem Moment die Erkenntnis, dass es erst dann vorbei war, wenn auch der letzte Funken Hoffnung verglüht war.

„Kommt!“, meinte er einsilbig und ging auf den Ausgang der Medostation zu. „Es gibt viel zu tun.“

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1. Kapitel

Aufbruch

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CLOUD HÖRTE DIE SCHRITTE lange bevor er die Stimme vernahm.

Jarvis gab sich keine Mühe, leise zu sein, während er den Raum gemessenen Schrittes durchquerte.

„Was hast du jetzt vor?“, fragte er, als er nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war.

Cloud sah, ohne sich umzudrehen, über seine Schulter.

Er stand in der Zentrale. Vor der Holosäule, die eine 3D-Ansicht jenes gigantischen Felsbrockens zeigte, der anstelle der Erde auf deren früherer Umlaufbahn kreiste.

Jarvis Frage ignorierend fuhr er sich über sich Kinn und wandte sich wieder dem absonderlichen Himmelskörper zu.

„Etwas stimmt nicht“, murmelte er gedankenverloren und mehr zu sich selbst.

„Wäre mir gar nicht aufgefallen“, gab der ehemalige GenTec mit gequältem Grinsen zurück. „Aber schön, dass du deinen Humor wiedergefunden hast.“

„Nein, ich meine, es kann nicht sein! Selbst wenn wir den beschleunigten Zeitfluss mit einbeziehen, ist es unmöglich, dass sich innerhalb so relativ kurzer Zeit, erdgeschichtlich betrachtet, solch bedeutende Veränderungen vollzogen haben. Ein Planet verschwindet nicht einfach spurlos. Und dann dieser ... Riesenbrocken da, der seinen Platz eingenommen hat ....“

Cloud schüttelte den Kopf um seiner Ratlosigkeit Ausdruck zu verleihen.

Jarvis verstand. Mit allem hatte sie gerechnet. Mit einer gänzlich veränderten Menschheit. Mit neuen Machtverhältnissen. Einer in Zehntausenden von Jahren bizarr veränderten Menschheit. Aber das ...

„Eine natürliche Ursache für dieses Phänomen können wir mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. Allerdings kann ich auch nicht vorstellen, welche Macht in der Lage sein sollte, ein solches Vorhaben zu stemmen. Und weshalb ...? Was wäre der Sinn einer solchen Aktion?“

Cloud nickte gedankenverloren.

„Ich habe schon die ganze Zeit das Gefühl, dass wir nur einen Teil der Wahrheit zu sehen bekommen.“

Jarvis verstand, worauf Cloud hinauswollte

„Du denkst an einen neuen, abgewandelten ‚Schattenschirm’?“, fragte Jarvis.

„Möglich ...“, meinte Cloud gedehnt.

„Das würde bedeuten, dass dieser öde Gigant zusätzlich in gleichem Abstand und in exakt gleicher Eklipse die Sonne umläuft?“

Cloud dachte darüber nach.

Es klang abenteuerlich, doch angesichts der Alternativen war es eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden musste. Zuviel hatten sie auf ihren bisherigen Reisen gesehen und erlebt, um irgendeine Theorie, und sei sie auch noch so absonderlich, von vorneherein auszuschließen.

Er gab Sesha den Befehl, weitere Ortungen durchzuführen und daraus den Wahrscheinlichkeitsgrad einer solchen Option zu berechnen.

„Lass uns das Ergebnis noch abwarten“, beschloss Cloud. „Und danach unsere weitere Strategie ausrichten.“

Jarvis war einverstanden.

Gemäß der an Bord geltenden irdischen Zeitrechnung dauerte es erstaunlicherweise fast einen Tag, bis Seshas Berechnungen vorlagen. Die KI teilte sie ihm mit, nachdem sie ihn – wie zuvor ausdrücklich von ihm verlangt – in seiner Kabine aus dem Tiefschlaf gerissen hatte, in den er nach stundenlangem An-die-Decke-starren schließlich gefallen war.

„Den Ortungsergebnissen zufolge tendiert die Wahrscheinlichkeit der Existenz eines Schattenschirms gegen Null.“

„Demnach“, meinte Cloud, auf einmal hellwach, „existiert die Erde tatsächlich nicht mehr?“

„Exakt. An ihrer Stelle kreist nun ein anderer Himmelskörper.“

„Verflucht ... danke.“

Cloud wälzte sich stöhnend aus seiner perfekt an seine Physis angepassten Schlafstätte. Dann stellte er eine Sprechverbindung zu Jarvis her, den er ohne große Umschweife über das Ortungsergebnis informierte.

„Tja, dann müssen wir wohl ran“, gab der GenTec zurück. Er und Cloud hatten bereits über ihre weitere Vorgehensweise im Falle der von beiden insgeheim erwarteten Widerlegung ihrer Theorie gesprochen und waren dabei zu einem übereinstimmenden Ergebnis gelangt.

„Ich mach mich bereit“, kündigte Jarvis an. „Sagst du unserem Flattermann Bescheid?“

„Ich habe Sesha gebeten, ihn zu kontaktieren. Er ... befindet sich gerade auf einem Erkundungsflug ...“

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JIIM BREITETE DIE SCHWINGEN aus und ließ sich minutenlang ohne einen Schlag durch die Lüfte tragen.

Unter ihm lag Kalser mitsamt dem Schrund. Seine Heimat, in der der Narge zur Welt gekommen war und einen Großteil seines Lebens verbracht hatte.

Auf seinem Rücken kauerte ein Geschöpf, das nur ein Fünftel so groß war wie er selbst. Yael, Jiims Junges, das er in einem anstrengend verlaufenen Geburtsprozess zur Welt gebracht hatte.

Und dessen Elter erst jetzt war.

Seinetwegen hatte Jiim seinen Freund, Guma Tschonk, darum ersucht, ihm einen Ort an Bord des Rochenraumers zur Verfügung zu stellen, den die KI nach seinen Vorgaben umgestalten konnte. Einen Ort, an dem er ungestört brüten und später sein Junges aufziehen konnte, so wie die Natur es für beide vorgesehen hatte.

Die Illusion war perfekt. So weit das Auge reichte sah Jiim nur weites, felsiges oder eisüberzogenes Nargenland.

Im Prinzip konnte er mehrere Tagesflüge reisen, ohne an eine seiner Grenzen zu stoßen. Doch das wäre zu weit gewesen. Noch.

Yael, den er zur Vorsicht mit einer speziellen Halterung an seinem Nabiss befestigt hatte, klammerte sich noch immer etwas unsicher an ihn, auch wenn sie bereits die ersten Flugversuche unternommen hatten.

Er würde noch etwas Zeit benötigen.

Jiim steuerte eine besonders hohe Felsenspitze an, die sich weit über die anderen in ihrer Umgebung erhob, und die an ihrem Ende nach vorne hin wegknickte, als säße dort eine gewaltige Hakennase.

Jiim ging in den Anflug, setzte dann so weich und federnd wie möglich auf dem harten Untergrund auf.

Sofort nahm er Yael von seinem Rücken.

Der Kleine warf einen mulmigen Blick in die Tiefe, die um sie herum klaffte und sie von drei Seiten umgab.

Jiim beugte sich zu ihm hinab und sah ihn aufmunternd an.

„Du musst keine Angst haben. Ich bin immer bei dir.“

Yael schien nun etwas beruhigt. Er näherte sich dem Abgrund, warf kurz davor einen weiteren Blick über seine Schulter.

Dann stieß er sich ab und begann gleichzeitig, heftig mit den Flügeln zu flattern.

Es klappte eigentlich schon ganz gut. Zunächst geriet er ein wenig ins Trudeln und bekam einen leichten Linksdrall, als eine stärkere Böe ihn erfasste. Doch schon kurz darauf hatte er wieder die Kontrolle erlangt, ohne dass Jiim auch nur ansatzweise gezwungen gewesen war, einzugreifen und die Übung zu beenden.

Yael flog eine kleine Schleife, die ihn sogleich zurück zum Felsen führte, wo er purzelnd und sich mehrmals überschlagend direkt vor Jiims Füßen landete.

Jiim musste lächeln. Die Landung war mit das Schwerste. Es würde noch eine Weile dauern, bis Yael diese so mühelos beherrschte wie er selbst.

Dennoch war es hervorragend für den Anfang.

Er wollte gerade ein Lob aussprechen, als sich völlig unvermittelt die Bord-KI zu Wort meldet.

„Verzeih die Störung. Der Commander hat mir aufgetragen, dir Bescheid zu geben. Du wirst für eine wichtige Mission benötigt.“

Die KI musste ihm nicht erklären, was es mit dieser Mission auf sich hatte. Es konnte nur mit dem Felsriesen zusammenhängen, der auf seltsame, für alle unverständliche Weise den Platz von John Clouds Heimatplaneten eingenommen hatte.

Plötzlich hatte Jiim das Gefühl, als würde etwas in seinem Innern absacken. Gerade hatte er damit begonnen, es sich mit seinem Jungen im Pseudo-Schrund gemütlich einzurichten, da sollte er schon wieder von Bord? Auf eine Mission mit ungewissem Ausgang? Eine Mission, auf der wahrscheinlich unzählige Gefahren auf ihn lauerten?

Jiim erkannte sich selbst nicht wieder. Früher hätte er nie so gedacht. Im Gegenteil. Er war kaum einer Gefahr aus dem Wege gegangen, hatte sich im Gegenteil mit regelrechter Begeisterung in jedes Abenteuer gestürzt. Und er war immer dankbar gewesen, wenn John es ihm ermöglicht hatte, sein Talent und seine Fähigkeiten im Außeneinsatz unter Beweis zu stellen.

Wie oft war ihm an Bord des Schiffes die Decke auf den Kopf gefallen? Nicht zuletzt deshalb, weil es keine Möglichkeit gegeben hatte, die Schwingen auszubreiten und sich im freien Flug einfach dahintreiben zu lassen.

Doch jetzt war vieles anders. Jetzt war er ein Elter. Sein Handeln betraf nicht mehr nur ihn allein. Er hatte die Verantwortung für ein kleines Geschöpf übernommen. Yael brauchte ihn. Nur er konnte ihm all das beibringen, was ihn zu einen guten und überlebensfähigen Nargen machen würde. Er ...

„Yael!“

Jiim rief den Namen noch im selben Moment, in dem er bemerkte, dass der Kleine nicht mehr auf der Klippe stand!

Seine Herzen setzten für einen kurzen Moment aus.

Der Dialog mit der KI und seine eigenen düsteren Gedanken, hatten ihn nur für einen winzigen Moment unachtsam werden lassen! Wenn Yael deshalb etwas passiert war, würde er sich das niemals im Leben verzeihen können.

Einen Atemzug später stand Jiim bereits am Rande der Klippe und ließ seinen Blick hastig schweifen.

Zunächst ohne Erfolg. Von Yael fehlte jede Spur.

Doch dann entdeckte Jiim weit unter sich einen winzigen schwarzen Punkt – der mit irrsinniger Geschwindigkeit dem Abgrund entgegenraste ...!

Yael musste, durch sein vorheriges Erfolgserlebnis übermütig geworden, zu einem weiteren Flugmanöver angesetzt haben, ohne dass Jiim es gemerkt hatte. Dabei war er ins Trudeln geraten und versuchte nun vergeblich, die Kontrolle wiederzuerlangen.

Jiim zögerte keine Sekunde, sondern stürzte sich mit dem Kopf voran in den Abgrund.

Kaum in der Luft, legte er seine Schwingen dicht an seinen Körper, machte sich so windschnittig wie möglich und versuchte, so schnell es irgend ging, Geschwindigkeit aufzunehmen.

Tatsächlich wurde Yael in seinem Blickfeld rasend schnell größer. Bald war er nur noch halb so weit entfernt, wie Sekunden zuvor.

Doch auch der Abgrund kam immer näher. Nicht mehr lange, dann würde er ihn erreicht haben.

Und Yael war noch ein ganzes Stück entfernt.

Jetzt hörte Jiim auch seine aufgeregten Rufe, die zuvor, oben auf dem Felsen, der Wind verweht haben musste.

Sie klangen schrill und angsterfüllt.

Auch im Flug konnte Jiim erkennen, dass Yael immer wieder versuchte, sich umzudrehen und den Wind unter seine kleinen Schwingen zu bekommen.

Doch es war aussichtslos. Er hatte schon zuviel Fahrt aufgenommen. Die Kräfte, die auf ihn einwirkten, waren zu gewaltig für den kleinen, noch viel zu leichten Körper.

Jiim hatte das Gefühl, in diesen Minuten über sich hinauszuwachsen. Er sammelte noch einmal alle Kräfte, war trotz seiner Angst hoch konzentriert.

Und dann hatte er Yael erreicht.

Die Distanz zum Erdboden betrug jetzt nur noch wenige Meter.

Doch auch davon ließ Jiim sich nicht aus der Ruhe bringen.

Er streckte seine Schwingen aus, bekam Yael im Flug zu fassen und pflückte ihn regelrecht aus der Luft.

Kaum hatte er das getan, steuerte er gegen die Schwerkraft an, um wieder in die Höhe zu steigen.

Nur knapp schrammte er am felsigen Boden vorbei, schoss dann, schnell wie ein Pfeil wieder gen Himmel.

Es war geschafft!

Jiim entspannte sich, hielt nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau und ging dort zu Boden.

Erschöpft kamen Elter und Junges auf der von dünnem Gras bewachsenen Talsohle zur Ruhe.

Yael wollte ihn gar nicht mehr loslassen, klammerte sich an ihn, als wolle er den Rest seines Lebens an seinen Elter geschmiegt verbringen.

Für Jiim trübte sich die Erleichterung über die geglückte Rettungsaktion sofort, als er daran dachte, dass es Zeit für ihn war, aufzubrechen. Die anderen warteten bestimmt schon auf ihn.

Für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken, sich gegen den Gemeinschaftswillen aufzulehnen. Die Bitte einfach abzulehnen. Sollte ein anderer an seiner Stelle gehen.

Doch dann fiel ihm ein, dass er und Jarvis die Einzigen waren, die durch ihre spezielle Konstitution vor den größten Gefahren geschützt waren. Er durch sein vom Körper auf rätselhafte Weise absorbiertes Nabiss, Jarvis durch seinen Nanokörper.

Wenn er es zuließ, dass ein anderer an seiner Stelle an der Mission teilnahm und diesem etwas zustieß, würde er sich das nicht verzeihen.

Dann lieber für einige Stunden von Yael getrennt sein.

Viel länger, so dachte er, würde es ohnehin nicht dauern.

Sein Entschluss stand damit fest. Jetzt musste er sich nur noch überlegen, wie er ihn Yael verklickern sollte, der glucksend und noch immer zitternd an seiner Brust hing.

Keiner machte ihm einen Vorwurf, als er deutlich später als angefordert in der Zentrale erschien.

Im Gegenteil.

Er hatte vielmehr den Eindruck, als seien John und Jarvis diejenigen, die von einem schlechten Gewissen geplagt wurden.

Besorgt sahen sie ihn an, während er den Türtransmitter hinter sich ließ und auf die Kameraden zutrat.

„Entschuldigt“, meinte er, als er neben den beiden stehen blieb. „Es gab ... nun ja ... Komplikationen.“

Der Schreck, der ihm noch immer in den Knochen saß, musste sich wohl deutlich auf dem Gesicht des Nargen abzeichnen, denn John sagte: „Ist mit Yael alles in Ordnung?“

„Alles bestens.“

Jiim war gerührt von der Anteilnahme, die Guma Tschonk ihm entgegenbrachte, obwohl er wahrlich mit eigenen Problemen zu kämpfen hatte.

Fast schämte Jiim sich dafür, dass er zuvor mit dem Gedanken gespielt hatte, ihn im Stich zu lassen. Schon deshalb vermied er es, dem Freund einen zusätzlichen Schrecken zu bereiten, indem er ihm von dem außer Kontrolle geratenen Flugtraining erzählte.

Außerdem war Yael jetzt gut versorgt. Sesha und ein paar Spinnenroboter, auf die Yael mit regelrechter Begeisterung reagierte, kümmerten sich um ihn – außerdem gab es ja noch die holographischen Gestalten seiner Freunde von Kalser, die lebensecht den Schrund bevölkerten.

John nickte, doch die Sorge wich nicht aus seinem Blick.

„Du weißt, dass du das hier nicht tun musst. Wenn du willst, entsende ich einen anderen. Oder gehe selbst ...“

Jiim lächelte dankbar und legte dem Freund die Schwinge auf die Schulter.

„Du weißt, dass das nicht möglich ist. Sesha hört nur auf dich. Deine Anwesenheit ist daher dringend erforderlich. Außerdem habe ich es mir gut überlegt. Wer sonst außer mir sollte gehen? Ich bringe nun mal die besten Voraussetzungen mit.“

John spürte, dass Jiims Worte ernst gemeint waren und kein nur dahergesagter Spruch, der ihn von seinem schlechten Gewissen befreien sollte.

„Nun gut“, sagte er, wandte sich jetzt abwechselnd Jarvis und Jiim zu. „Die KI hat ihre Messungen inzwischen abgeschlossen. Die Erkundungsdrohnen sind zwar noch unterwegs, doch es sieht wohl so aus, als wüssten wir alles, was es zu wissen gibt.“

John deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung der Holosäule, in der sich der Planet in einer dreidimensionalen Darstellung um die eigene Achse drehte – wie ein zu groß geratener runder, atmosphäreloser Stein.

„Viel ist das allerdings nicht. Der Gigant weist äußerlich keine nennenswerten Besonderheiten auf. Die Oberfläche ist karg und setzt sich aus verschiedenen Gesteinsarten zusammen. Anzeichen auf irgendeine Art von Leben gibt es nicht. Allerdings hat die KI an einem bestimmten Punkt auf der Nordhalbkugel eine hochkonzentrierte, eigenartige Strahlung gemessen. Eine Analyse derselben schlug bislang fehl. Deshalb möchte ich euch bitten, in der Nähe zu landen und die Region in Augenschein zu nehmen. Nehmt einige Gesteinsproben und bringt sie mit an Bord! Und vielleicht fällt euch ja sonst noch irgendetwas auf, das den Augen der Drohnen aus irgendeinem Grunde entgangen ist. Ich kalkuliere für die gesamte Mission etwa einen Erdentag.“

Der letzte Satz war an Jiim gerichtet. John wollte ihm die Zuversicht geben, schon bald wieder zurück an Bord zu sein, sich bald selbst weiter um Yael kümmern zu können. Er hoffte, dass ihm dies dabei half, seine Sorgen zurückzulassen und sich ganz auf die Mission zu konzentrieren.

Von ihrem Ausgang hing sehr viel ab. Genau genommen waren die beiden Kundschafter der letzte Strohhalm, an den John sich noch klammern konnte. Alle anderen Versuche, etwas über den Verbleib der Erde in Erfahrung zu bringen, waren gescheitert.

Sollte diese Mission auch noch in die Hose gehen, waren ihre Möglichkeiten erschöpft.

John versuchte, diesen Gedanken nicht zuzulassen. Denn das, so glaubte er, hätte ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Wahnsinn getrieben.

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2. Kapitel

Ankunft

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SIE LANDETEN DEN GLEITER nahe einer kleineren Senke, die aus der Vogelperspektive an die Nase in einem lustigen Clownsgesicht erinnerte.

Bereits beim Anflug bestätigte sich, was Sesha ihnen im Vorfeld über den atmosphärelosen Riesen mitgeteilt hatte.

Die Oberfläche war trauriges Ödland, bestehend aus nichts anderem als Stein und Staub. Zahlreiche Krater von Meteoriteneinschlägen vernarbten die Oberfläche und waren die einzigen Anhaltspunkte, anhand derer eine Orientierung möglich war.

In vielfacher Hinsicht erinnerte der Planet an den einstigen irdischen Mond, aufgebläht zu vielfacher Größe und auf wundersame Weise in die ehemalige Position der Erde verpflanzt.

Bereits vor und auch während des Fluges hatte Jarvis sich die Frage gestellt, was sie sich eigentlich von dieser Mission erhofften. Jetzt, da sie gelandet waren. den Gleiter verlassen hatten und über das Antlitz des steinernen Riesen schritten, drängte sie sich ihm umso mehr auf.

Sie würden Gesteinsproben entnehmen, an Ort und Stelle Messungen durchführen, die die Berechnungen der Bord-KI vermutlich bis ins Detail bestätigen würden.

Und dann?

„Ein geisterhafter Ort“, bemerkte Jiim, der sich mithilfe seines immer mysteriöser werdenden Nabiss kurz zuvor in die Lüfte geschwungen hatte und jetzt am Rand der Senke zum Landemanöver ansetzte.

Spielerisch sah es aus, wie der Narge in elegantem Gleitflug nach unten ging, kurz über dem Boden wie auf Luftkissen gebettet abbremste und dann sanft zur Landung kam.

Jarvis war nicht entgangen, dass er während des Fluges kaum gesprochen hatte. Seine Gedanken waren zurückgeblieben. Im imitierten Schrund. Bei Yael, dessen Aufzucht für die nächste Zeit seine vornehmliche Aufgabe sein würde.

Es war vielleicht falsch, ihn mitzunehmen, dachte Jarvis, während er den Nargen dabei beobachtete, wie er sich um die eigene Achse drehte, seine Umgebung dabei mit verlorenem Blicken analysierte.

Er hatte nun eine Aufgabe, die ihm seine genetische Programmierung aufbürdete. Sich ihr zu widersetzen hieß, der Natur ein Schnippchen zu schlagen. Das konnte nicht gut sein. Nicht für Jiim und auch nicht für Yael.

Andererseits waren der Narge, mit dem ihn auch jetzt – obwohl teilabsorbierten – schützenden Nabiss, und der GenTec, mit seinem Nanokörper, der jederzeit jede nur erdenkliche Form annehmen konnte, für eine derartige Mission prädestiniert.

Auch wenn Jarvis sich selbst nicht gerne als unverwundbar bezeichnete. Ihm war klar, dass dieser Terminus in seiner Absolutheit nicht aufrecht zu erhalten war.

Es hatte Gefahrensituationen gegeben, in denen ihm die Eigenschaften seines Kunstkörpers nicht besonders hilfreich gewesen waren. Zu wenig wusste er selbst über diese amorphe Masse, die einst dem Foronen Mont als Rüstung gedient hatte und die seit dessen Tod seinen Geist beherbergte.

Auch wenn er mit der Zeit gelernt hatte, damit umzugehen, ihn zu steuern und ihm seinen Willen aufzuzwingen. gab es doch noch viele offene Fragen, und Jarvis hoffte, dass er nicht irgendwann eine böse Überraschung erleben würde.

Jarvis, der seine Blicke in den letzten Minuten hatte schweifen lassen, hielt plötzlich verwundert inne, als er in die Richtung sah, in der eben noch Jiim gestanden hatte. Zumindest war er sich vollkommen sicher, dass er genau dort gestanden hatte.

Oder täuschte er sich doch? In dieser Umgebung sah alles so verflucht gleich aus.

Er drehte sich um die eigene Achse. In einer Entfernung von knapp hundert Metern stand der Gleiter und wartete auf ihre Rückkehr.

Wenn er sich in einem 90-Grad-Winkel nach rechts drehte, konnte er eine Erhebung sehen, die sich wie ein spitzer Finger in den nachtschwarzen Himmel reckte. Und links davon hatte bis eben noch der Narge gestanden ...

Jarvis drehte sich weiter um sich selbst, immer schneller.

Schließlich suchte er den Himmel mit seinen körpereigenen Modulen ab. Doch auch dort war nichts von dem Vogelartigen zu erkennen.

Jiim war und blieb ... verschwunden!

Kurz zuvor ...

Federnd setzte Jiim auf dem harten Boden auf und sah in Jarvis’ Richtung.

Der GenTec machte einen ähnlich verlorenen Eindruck wie er selbst. Zwei hilflose Gestalten in der Weite einer lebensfeindlichen Ödnis.

Was mache ich hier?, ging es dem Nargen kurz durch den Kopf. Im nächsten Moment schalt er sich dafür, dass er diesen Gedanken überhaupt zugelassen hatte.

Ihm selbst wurde es zunehmend zur Last, dass es ihm dieser Tage kaum gelang, sich auf etwas anderes als auf sein eigenes Schicksal zu konzentrieren.

Und das im Angesicht der unglaublichen, kaum in Worte zu fassenden Tragödie, die, das hatte er trotz allem gespürt, den menschlichen Teil der RUBIKON-Besatzung für eine Weile fast gelähmt und zur Tatenlosigkeit verdammt hatte.

Sieh ihn dir an, dachte Jiim, während er beobachtete wie Jarvis den Blick von ihm abwandte und, sich langsam um sich selbst drehend, den Horizont sondierte.

Er fühlte sich entwurzelt. Heimatlos. So wie er selbst lange Zeit. Doch er hatte jetzt zumindest den Schrund. Auch wenn dieser nur eine perfekte Nachbildung an Bord der RUBIKON war, so bot er doch eine nahezu perfekte Illusion, die Jiims Leben in der Fremde erträglicher machte.

Der Narge wandte sich von Jarvis ab und der Senke zu, an deren Rand er soeben gelandet war.

Sie rührte wohl von einem Meteoriteneinschlag her und beinhaltete ebenfalls nichts als nackten Fels, Geröll und ...

Jiims Gedankenfluss stoppte abrupt, als er einen seltsamen Lichtreflex inmitten des steinigen Bodens bemerkte.

Es war nicht weit von ihm entfernt, knapp unterhalb vom Rand der Senke. Erst glaubte er an Täuschung seiner Sinne, doch als er die Stelle fixierte, blitzte es erneut für den Bruchteil einer Sekunde auf.

Kein Zweifel. Da war etwas. Etwas, das nicht dorthin gehörte.

Er sah sich nach Jarvis um, doch dieser blickte immer noch gedankenverloren in die andere Richtung.

Jiim wandte sich von ihm ab, trat einige Schritte vor und machte sich behutsam an den Abstieg. Als er glaubte, die betreffende Stelle erreicht zu haben, sank er davor in die Knie, um sie genauer inspizieren zu können.

Doch da war nichts. Nichts als steiniger Boden. Jiim begann, das Geröll, das den Boden bedeckte, beiseite zu schieben, in der Hoffnung, auf etwas zu stoßen, das sich darunter verbarg.

Als auch dies ergebnislos blieb, erhob Jiim sich wieder, sah sich verwirrt und unschlüssig um.