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Verlag Das Neue Berlin – eine Marke der
Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book: 978-3-360-50160-8

ISBN Buch: 978-3-360-01346-0

2., korrigierte, Auflage 2019

© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
unter Verwendung eines Fotos von mauritius images/
Bjorn Svensson/Alamy

www.eulenspiegel.com

Über dieses Buch

Niemandem werde es schlechter gehen, hatte weiland Bundeskanzler Kohl den Ostdeutschen beim Eintritt in das politisch vereinigte Deutschland versprochen. Unzählige Filme und Doku­mentationen endeten seither mit dem Jubel auf der Mauer. Es ist, als wäre eine Selbstbestätigung nötig: Was da 1989 begann und sich seither fortsetzte, war richtig, richtig, richtig. Dieses Buch fragt ausnahmsweise mal nicht nach dem, was sich für den Ostdeutschen verbessert, sondern – messbar – verschlechtert hat.

Über den Autor

Matthias Krauß, geboren 1960 in Hennigsdorf, volontierte bei der »Märkischen Volksstimme« Potsdam, studierte Journalistik an der Karl-Marx-Universität und arbeitete bis 1989 als Redakteur der »Märkischen Volksstimme«, Bereich Jugendpolitik. Seit 1990 ist er als freier Journalist in Potsdam tätig, vor allem im Bereich Landespolitik Brandenburg. Er war Gründungsmitglied der Landes­pressekonferenz Brandenburg, schreibt für diverse Blätter und Agenturen und veröffentlichte mehrere Bücher.

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»Die große Freiheit ist es nicht geworden.
Es hat beim besten Willen nicht gereicht.
Aus Traum und Sehnsucht ist Verzicht geworden.
Aus Sternenglanz ist Neonlicht geworden.
Die Angst ist erste Bürgerpflicht geworden.
Die große Freiheit ist es nicht geworden,
die kleine Freiheit – vielleicht!«

Mit dem Gedicht »Die kleine Freiheit« blickte der ­Dichter Erich Kästner
auf die ersten Jahre der deutschen Bundesrepublik zurück.
Diese Zeilen sind inzwischen auch Ostdeutschland wie auf den Leib geschrieben.

Inhaltsverzeichnis

In eigener Sache

Mehr vereinigt – weniger vereint

»Missionen«, »Einsätze« – aber kein Krieg

Ein altes Lied, ein schlechteres Lied

Entleert, überfüllt, gespalten und prüde

Mit Stalins freundlicher Genehmigung

Von der Wiege bis zur Bahre

Standort Ostdeutschland

Die kapitalistische Lektion

Nicht nur die Wiesen und Felder …

Bauboom und Wohnungsnot

Verschuldet bis über beide Ohren

Schlechte Noten

Rechtsstaat und Recht

Um Epochen voraus

Klassen per Gesetz

Wieder eine Art Agnes

Rentenlüge neuen Typs

Von der Vielfalt zur Einfalt

Die Phase im Rausch

Das Kind und das Über-Kind

Im Gleichschritt und im Laufschritt

Hexe, Jude, Stasi-IM

Zeitgeschichte als Problemfall

Wenn am 13. August 1961 die Wende stattgefunden hätte

Ach, die Geschichte wird stets länger
und kürzer das Brot.

Friedrich Schiller

In eigener Sache

Männer, Frauen, deutsche Jugend …

Zugegeben, diese Anrede ist zu bombastisch, um im gegebenen Rahmen ernst genommen zu werden. Als diese Zeile tatsächlich als Überschrift in der Zeitung stand, war sie aber ernst gemeint. Das war der Auftakt des Aufrufs der Kommunistischen Partei im Juni 1945 »Wir bauen Deutschland wieder auf«. So umfassend ist mein Anliegen heute natürlich nicht. Also – nun ein paar Nummern tiefer: An meine Leserinnen und Leser. Hier klingt der schöne Stil an, mit dem sich Kaiser Franz Josef I. an die Öffentlichkeit wandte: »An meine Völker …« Auf diese Weise brachte seine Majestät seinen Untertanen schonend die Tatsache bei, das Österreich nun im Kriege stehen würde. Wenn ich mich aber »an meine Leserinnen und Leser« wende, dann will ich das Gegenteil tun. Dies ist die Verkündung eines Kriegsendes. Hiermit wird mein dreißigjähriger Privatkrieg abgebrochen. Ich unterzeichne feierlich einen einseitigen Waffenstillstand.

Dass man Toten nichts Schlechtes nachsagt, gilt offenbar als Norm nur im individuell-menschlichen Bereich. Staaten können das nicht für sich reklamieren und ganz besonders nicht die 1990 verblichene DDR, die angesichts des seit dreißig Jahren gegen sie durchgezogenen agitatorischen Programms eine einzige Schreckenskammer gewesen sein muss. Seit dreißig Jahren kämpfe ich um den postumen Ruf der DDR. Dabei ging es mir nicht darum, dunkle Seiten zu bestreiten und bedenkliche oder fragwürdige Dinge zu verharmlosen. Es geht mir allein darum, dem einseitigen Mainstream etwas entgegenzusetzen.

Enfant perdu

Ich versichere hiermit: Wäre wirklich eingetreten, was der deutschen Aufarbeitung das Lebenselixier ist, wäre die DDR nach der Wende wirklich nur pausenlos verherrlicht und verklärt worden, wenn wirklich ihre »dunklen« Seiten verschwiegen worden wären – ich hätte die Korrektur dann sozusagen von der anderen Seite aus vorgenommen. Diese Annahme aber ist obsolet. Wir haben nicht das Problem der Idealisierung der DDR, sondern das ihrer einseitigen Verteuflung.

Die DDR war weder so gut, wie sie sich selbst dargestellt hat, noch war sie so schlecht, wie sie nach der Wende in der offiziellen und öffentlichen Darstellung notorisch gemacht wird. Es schickt sich nicht, sie auf eine dieser beiden Seiten zu reduzieren. Da dies aber geschieht und eine ganze Aufarbeitungsindustrie sich auf Kosten des Steuerzahlers gebildet hat, um dieses Bild dem Publikum einzubrennen, habe ich in Büchern und Zeitungsbeiträgen dagegen angekämpft. Mit dem hier vorliegenden Werk schließe ich dieses Kapitel für mich ab. Diesen Pfeil schieße ich noch ab, und dann ist Schluss. Zum einen, weil ich den Kreis thematisch ausgeschritten bin, zum anderen, weil möglicherweise in Kürze Dinge eintreten, welche die deutsch-deutsche Debatte, die »Vergangenheitsbewältigung«, völlig überwalzen und gegenstandslos machen werden. Wer die DDR richtig, richtiger, am allerrichtigsten sieht, wird dann nicht mehr wichtig sein.

Was meine ich mit »geistig ausgeschritten«? Mit dem vorliegenden Werk beende ich einen privaten Zyklus meiner Buchpublikationen. Er begann mit dem Buch »Der Wunderstaat«, in dem ich am eigenen Schicksal darlegte, wie ein Leben in der fest umrissenen DDR-Murkelei in Ereignisse fernster Welten einbezogen hat und wie man als DDR-Bürger in weltweite Kabalen verwickelt und verstrickt werden konnte. Ich füge hinzu: Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der einstige DDR-Bürger an der Welt und ihren Fragestellungen viel stärker interessiert als der heutige Ostdeutsche.

Es folgte das Buch »Die Partei hatte manchmal Recht« – womit ich darstellte, was an der DDR nicht allein vertretbar, sondern achtbar und vorbildlich war – so vorbildlich, dass die Bundesrepublik in vielen Bereichen sich der DDR-Position angeschlossen hatte, und warum es auch einen Anteil der DDR an der Tatsache gab, dass 1990 das weltweite Bild vom Deutschen niemals in der Geschichte so gut war wie zu diesem Zeitpunkt. Mit »Völkermord statt Holocaust, Jude und Judenbild im Literaturunterricht der DDR« habe ich mich mit den Vorurteilen in einem Spartenbereich auseinandergesetzt, um auch hier Weltbilder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

In »Wem nützt die Aufarbeitung?« widmete ich mich analytisch der Aufarbeitung oder richtiger: einem Vorgang, der in Deutschland »Aufarbeitung« genannt wird. Darin weise ich nach, dass dieser Vorgang nicht die ­Kriterien von Aufarbeitung erfüllt, sondern die der Propaganda.

Das Buch »Die Kommission, Enquete in Brandenburg – ein Zeitalter wird besichtigt« hat mir ein Gericht aus der Hand geschlagen (ich hatte an einer Stelle die Quelle für ein Gutachten verwechselt). Darin beschrieb ich den Übergang des brandenburgischen Landtags von einer Versöhnungshaltung gegenüber der jüngsten Vergangenheit zum Stil der endlosen Abrechnung.

Quod esset demonstrandum

Im hier nun vorliegenden Buch behaupte ich: Es sind keineswegs nur Vorteile, welche die Ostdeutschen durch die Demokratisierung 1989 und die staatliche Vereinigung 1990 erfahren haben. In unserer so offenen und frei­mütigen deutschen Debatte mag – nach dreißig Jahren Wühlarbeit gegen das Ansehen der DDR – die Annahme, ihre Bürger könnten durch die Wende Verluste erlitten haben, als unvorstellbar, abartig und geradezu obszön gelten. Um ihre faktische Nachprüfung geht es mir in diesem Buch.

Die Beispiele dafür, die der Leserin und dem Leser begegnen, stammen größtenteils aus Brandenburg. Potsdam war seit 1986 der Ort meiner journalistischen Tätigkeit, ich habe dieses Bundesland gleichsam als politischer Beobachter von seiner Geburtssekunde an begleitet. Dies vorweg: Es war nicht wichtig, dass dieses Bundesland dreißig Jahre lang eine SPD-Regierung hatte, genauso wenig wie es wichtig war, dass der Freistaat Sachsen dreißig Jahre lang CDU-regiert war. Wenn es zwischen diesen beiden Ländern Unterschiede gab, so hingen sie nicht mit diesen Parteiwimpeln zusammen.

Was bleibt von der DDR? Das negative Bild, das die »Aufarbeiter« beständig von ihr zeichnen? Die notorische Reduktion auf ihre problematischen Seiten? Oder ein Bild der Ausgewogenheit, zu dem ich meinen Beitrag leisten will? Was das betrifft, bin ich optimistisch; was die Zukunft in Deutschland betrifft, bin ich es nicht. Und die Vorkämpfer der Entwicklung, wie sie 1989 eingesetzt hat, sollten sich ihres Bildes in der Geschichte nicht so sicher sein, wie es die DDR letztlich wird sein können. Denn ob sie als strahlende Helden verehrt oder verflucht sein werden angesichts der Zustände, wie sie sich entwickeln, kann als durchaus offene Frage gelten.

Es blühte in der Vergangenheit
So manche schöne Erscheinung
Des Glaubens und der Gemütlichkeit –
Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung …

Heinrich Heine

Mehr vereinigt – weniger vereint

Dreißig Jahre nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des westdeutschen Grundgesetzes bietet Ostdeutschland ein unklares, verworrenes, verstörendes, zum Teil beängstigendes Bild. Das Bild einer Gesellschaft, die nicht mit sich im Reinen ist. Aus einer demokratiebegeisterten Einwohnerschaft, wie es die Ostdeutschen 1990 waren, ist eine geworden, die immer stärker auf Abstand zu einer Demokratie geht, die vor drei Jahrzehnten erkämpft worden ist. In den traditionellen Parteien sind kaum noch politische Kandidaten auf lokaler Ebene aufzutreiben. Rassismus und Ausländerhass haben die Marktplätze wieder erreicht.

Immer weniger Menschen projizieren Hoffnungen in die traditionellen Parteien, das trifft auch für DIE LINKE zu. Wenn der Trend zum Nichtwählertum in den vergangenen Jahren partiell gestoppt und umgedreht werden konnte, so nicht, weil Ostdeutsche LINKE wählen, sondern die von rechts antretende AfD.

Wie konnte es dazu kommen, weshalb dieser Ausbruch im Osten und vor allem – wie kann das wieder korrigiert werden? Warum wählen so viele Unzufriedene und Enttäuschte nicht mehr links, sondern rechts? Für eine Partei wie die LINKE, deren historische Wurzeln in Ostdeutschland liegen, deren Selbstverständnis als Partei der »sozialen Gerechtigkeit« besteht, muss die Antwort auf die Frage zutiefst von Belang sein. Es ist für sie eine Frage der Existenz. Zu stellen hat sie sich auch die Sammlungsbewegung »Aufstehen«, die sich – unklar genug – ebenfalls als »links« versteht und präsentiert.

Dabei sind stabile Umfragewerte und ein partiell steigendes Ansehen der LINKEN in den alten Bundesländern anzuerkennen. Sie spielen aber nur bedingt in die ostdeutschen Gegebenheiten hinein. Es erscheint – vorerst jedenfalls – nicht das politische Projekt der ­LINKEN als solches gefährdet. Das gilt nicht mehr uneingeschränkt in ihrem Heimatland sozusagen, in den neuen Ländern.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die PDS, später DIE LINKE, ist das Einzige, was von der DDR politisch übrig geblieben ist. Man mag es gut finden oder schlecht, man mag sich dazu gleichgültig verhalten oder nicht. So und nicht anders ist es. Ihre Herkunft aus der DDR macht sie besonders, auch nach so vielen Jahren.

Inwieweit berührt das eine Analyse der heutigen, bedrohlichen Gegebenheiten?

Ein beliebtes Mittel ist es, die besondere Lage im Osten mit den DDR-Gegebenheiten, mit »Diktaturerfahrung« und ähnlichem zu verbinden und zu begründen. Also quasi der DDR die Schuld daran zu geben, dass viele Menschen sich innerlich vom ­politischen System verabschiedet haben oder der Demokratie in ihrer herkömmlichen Form sogar ablehnend gegenüberstehen und sich in eine Feindschaft gegenüber Geflüchteten selbst flüchten. Nur eines darf diesen Quellen zufolge der Grund nicht sein: Die zum Teil depri­mierenden Erfahrungen mit der Demokratie, welche die Ostdeutschen in den vergangenen dreißig Jahren gesammelt haben. Damit leisten sie ihren Beitrag zur Verworrenheit der Lage und sind, um es klar zu sagen, auf dem Holzweg.

Denn sind es überhaupt Erfahrungen mit »Diktatur« oder »Demokratie«, die hier bestimmend sind? Oder ist den Menschen nicht viel wichtiger, materielle Lebensziele zu erreichen, eine Grundbestätigung des Gerechtigkeitssinns zu erleben, das Gefühl zu haben, gebraucht und anerkannt zu sein und mit ihren Erfahrungen ernst genommen zu werden?

Hier gilt es, in den »Diskurs« einzugreifen. Denn man kann durchaus davon ausgehen, dass die DDR-Erfahrungen in die gegenwärtige Situation hineinspielen – aber in einem ganz anderen Sinne, als die offizielle Politik oder die maßgeblichen Medien dies zugestehen möchten. Wer ehrlich Antworten darauf sucht, warum Ostdeutschland das beschriebene Bild bietet, der wird in diesem Buch fündig werden. Mit der Phrase von der angeblich ersehnten »Anerkennung der Lebensleistung« hat das übrigens nichts zu tun, da gibt es Wichtigeres.

Statt Lohnangleich gibt es den stabilen Lohnabstand (wenn man vom öffentlichen Dienst absieht). Statt wachsender Massenkaufkraft gibt es eine rückläufige. Statt Selbstbestimmung haben wir die wirtschaftliche Fremdbestimmung. Statt gestoppter Abwanderung und Perspektive in der Heimat die schrittweise Entleerung und damit einhergehende sinkende Lebensqualität. Statt ausgeglichener kommunaler Haushalte allein 2010 ein Defizit von 12 Milliarden. Statt verbesserter Umweltbedingungen einen Rückgang bei Tier- und Pflanzenvielfalt. Statt sich zu verringern, sind die deutschen West-Ost-Unterschiede größer als regionale Differenzen in jedem anderen Land Europas.

Die Wende liegt jetzt fast dreißig Jahre zurück, und es steht zu vermuten, dass die Litanei »Es war richtig, richtig, richtig« anlässlich des bevorstehenden Jubiläums immer lauter wird. Hier ist eine sachliche Analyse am Platze, in der die seit der Wende eingetretenen Verbesserungen für die Ostdeutschen nicht erneut breit dargelegt werden, dennoch ihren Platz haben müssen. Aber nichts auf dieser Welt hat nur eine Seite. Und diese Verbesserungen hatten ihren Preis, der von einem zu zahlen war, vom anderen weniger. Damit stand Ostdeutschland nicht allein, der polnische Bürgerrechtler und Historiker Jacek Kuroń sagte einmal, die Entwicklung nach Beseitigung des Sozialismus habe für die Hälfte der Polen eine Verschlechterung gebracht. Kuroń war bis Oktober 1993 Arbeitsminister in den Regierungen von Tadeusz Mazowiecki.

Was wäre der Maßstab einer solchen Analyse aber in Ostdeutschland, was müsste ihr Maßstab sein? Der Einigungsvertrag, wie er 1990 zwischen der DDR und der BRD geschlossen wurde, kann es nur bedingt sein. Denn in ihm werden keine gesellschaftspolitischen Ziele festgelegt beziehungsweise nur in allgemeinster Form. Es handelt sich um ein Regelwerk, das umfassend und detailliert bestimmte, zu welchen Bedingungen Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik sein durfte. Wer also aus dem Begriff Einigungsvertrag ableitet, dass damit eine gütliche Einigung, ein Ausgleich bei Streitfragen, ein Interessenausgleich gemeint war, der irrt. In diesem umfangreichen Vertragswerk ist festgehalten, in welcher Form, nach welchen Regeln der Osten sich anzuschließen hatte. Das reale Kräfteverhältnis der Verhandlungspartner, die historische Situation, die keinen anderen Ausweg zuließ, verliehen ihm von Anfang an den Charakter eines Diktats. Zu untersuchen wäre aber, wie selbst wohlmeinende oder gut klingende Vertragsbestimmungen (Anerkennung der DDR-Berufsabschlüsse zum Beispiel) in der Praxis unterlaufen oder entwertet werden.

Also nicht allein, dass die westliche Übermacht des Kapitals, die Geldmacht, ohnehin schon eine enorme Nachteilslage des Ostdeutschen erzeugen und seine Hoffnung, »Herr im Haus« zu bleiben, stark relativieren musste – er war zudem mit der Inkraftsetzung dieses Vertrags über Nacht einer ihm unbekannten, fremden Gesetzlichkeit, einem Rechtssystem unterworfen, das im Osten in bedeutenden Teilen keine Tradition, keine organische Herkunft hatte und einfach übergestülpt wurde. In der nun einziehenden Welt, in der die Reichen, Verbeamteten, Juristen und die Wendigen das Spiel bestimmen, hatte er die schlechtesten Karten.

Vereinheitlicht hat sich das geltende Recht insofern, als sich die Ostdeutschen 1990 in ihrem Rechtssystem dem bundesdeutschen angleichen beziehungsweise unterwerfen mussten. Das daraus resultierende Problem ist alt: Gleiches Recht auf ungleiche Bedingungen angewendet, muss Unrecht erzeugen. Oder um die hier gültige Formel von Anatole France zu zitieren, der von der majestätischen Gleichheit des Gesetzes schrieb, das Reichen wie Armen verbiete, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.

Was nach Inkraftsetzung des Einigungsvertrages mit Notwendigkeit folgte, war eine Katastrophe für Millionen Ostdeutsche. Auf die wirtschaftliche Verwahrlosung folgte die moralische. Der Osten wurde zum Armenhaus Deutschlands, das bis heute alimentiert werden muss, das als Absatzmarkt und Arbeitskräftereservoir fungierte, hoch verschuldet ist und selbst nach der Konjunktur der vergangenen zehn Jahre wenig mehr als die Hälfte dessen erwirtschaftet, was er verbraucht. In den zehn Jahren vor der Wende wurden in Ostdeutschland mehr als eine Million Kinder mehr geboren als in den zehn Jahren danach. Der Familienzusammenhalt geriet stark unter Druck. Das und der Wegzug der Jugend versetzte der Sozialstruktur Ostdeutschlands Schläge, von denen sie sich bis heute nicht erholt hat. Der Nachteil des »Ossis« vererbt sich auf seine Kinder, sie haben erwiesenermaßen geringere Chancen im Berufsleben als Gleichaltrige aus den alten Ländern. Die ausgezahlte Durchschnittsrente liegt unterhalb der gültigen Armutsgrenze. Die bedeutenden Massenmedien reagieren auf all dies – wenn überhaupt – relativierend, abstrakt oder formelhaft. Zweifelhafte Umfragen, die suggestiv den Optimismus trimmen, tragen zur Verdrossenheit bei.

Begleitet wird das mit dem Erlebnis der Ostdeutschen, dass es keineswegs kleine Gruppen in der Gesellschaft gibt, für die das harte Brot nicht gebacken ist. Das Gefühl der Ungleichheit, der Ungerechtigkeit verfestigt sich und entlädt sich – fatal genug – im Hass auf Migranten.

Der beschriebenen Fehlbeurteilung gilt es, argumentativ entgegenzutreten. Das bedeutet, sich ausnahmsweise nicht die Frage zu stellen, was sich für den Ostdeutschen nach 1990 verbessert hat – natürlich gab es Verbesserungen –, sondern was sich für ihn messbar verschlechtert hat (beziehungsweise für viele im Osten). Wir beziehen dabei ein, dass Leid auch eine Sache der Seele sein kann.

Nur eines fürchte ich noch mehr
als die deutsche Niederlage,
und das ist der deutsche Sieg.

Thomas Mann

»Missionen«, »Einsätze« –
aber kein Krieg

Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 endete die Nachkriegszeit und begann die Vorkriegszeit

Bei Staatsinsignien wie Flagge und Emblem, auch mit der Nationalhymne ging die DDR sehr eigenwillige, weltweit beinahe einmalige Wege. Obwohl die Sowjets zunächst Bedenken hatten, setzte die SED-Führung die Kombination Schwarz-Rot-Gold bei den Landesfarben durch. Das bedeutete, beide deutsche Staaten schwenkten zunächst eine identische Fahne. Dieser merkwürdige Zustand wurde 1959 beendet, als das DDR-Emblem auf die ostdeutsche Fahne geriet, was sie von der BRD-Fahne unterscheidbar machte und was von dort bis 1990 nicht mehr wegzuwischen war.

Hammer, Zirkel, Ährenkranz – die friedlichen Insignien der Arbeit standen dreißig Jahre lang dem Raubtier der Lüfte entgegen, das sich als stilisierter Adler im bundesdeutschen Wappen spreizt. Herrscher in barbarischen Epochen hatten solche Wappentiere gewählt. Das Adler-Zeichen diente schon Goten und Römern als Stärkungsmittel. Es galt, Feinde einzuschüchtern und sich selbst Mut zu machen. Und der Adler eignet sich dafür glänzend, er ernährt sich von Lebendigem. Sein Opfer muss noch zucken, wenn er schon frisst. Ist das wirklich ein treffendes Symbol für unser heutiges Land? Vielleicht ist es ja so schlecht nun auch wieder nicht.

Der DDR-Bürger lebte in einem Land, das Frieden hielt und dessen Politik Friedenspolitik war. Inzwischen ist er Bürger eines deutschen Staates, der Kriege führt. Seit vierzehn Jahren beispielsweise beteiligt sich Deutschland an dem törichten und aussichtslosen Krieg in Afghanistan. Es mag Menschen geben, denen das gleichgültig ist. Es gibt aber auch Menschen, für die ist das die Frage aller Fragen.

Mit Erfolg befolgte die DDR einen uralten römischen Staats- und Verteidigungsgrundsatz: Si vis pacem para bellum. Wenn du den Frieden willst, sei kriegsbereit. Die Waffen der Nationalen Volksarmee der DDR standen bereit und mussten glücklicherweise nicht eingesetzt werden. Nach dem politischen Sieg des Westens und dem Übergang der osteuropäischen Staaten auf den Boden der »westlichen Werte« wurden diese Waffen wenn nicht verschrottet, so in verschiedene Weltgegenden verkauft oder verschenkt. Sie dienten später dazu, dass sich Menschen gegenseitig umbrachten, das heißt, im Unterschied zur DDR-Zeit wurden diese Waffen am Ende dann auch wirklich eingesetzt. Es gibt in Ostdeutschland immer noch Kreise, für die ist eine solche Vorstellung grauenhaft.

Ein entscheidender Umstand darf nicht unerwähnt bleiben. Die friedliche Revolution in Ostdeutschland, die – sachlich betrachtet – eher eine Gegenrevolution, vielleicht auch Restauration oder ein Roll Back gewesen ist, blieb nur aus einem einzigen Grund friedlich: Weil diejenigen, die über die Waffen verfügten, diese nicht eingesetzt haben. Das ist um so höher zu bewerten, als sie keineswegs rosige Aussichten für die danach einsetzende Entwicklung hatten. Der Weg, den manche Angehörige dieser »Organe« nach 1989 in kürzester Frist zurücklegen mussten, war ein sehr weiter. Dass sich Deutschlands Aufarbeitungsindustrie diesem simplen Gedankengang völlig verschließt, beweist einmal mehr, dass sie an einer ausgewogenen Darstellung des Vorgangs kein Interesse hat.

Der Fall der Berliner Mauer markierte das Ende der längsten Friedensphase, die Europa in seiner Geschichte erlebt hatte. Wenige Monate danach ist der Krieg auf einen Kontinent zurückgekehrt, den er seit 1945 nicht mehr heimsuchen konnte. Die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten war zwar gefallen, aber das war die Ausnahmeerscheinung einer Entwicklung, wie sie 1989 einsetzte. Denn dieser Siegeszug der bürgerlichen Demokratie hat in erster Linie neue Grenzen geschaffen, Grenzen, die zuvor nicht bestanden. Zwischen den Tschechen und Slowaken, zwischen den Völkern des früheren Jugoslawiens – ganz zu schweigen von den Grenzen, die heute das Gebiet der einstigen Sowjetunion durchziehen. Jede Menge kriegerische Konflikte, Zehntausende Tote waren die Folge dieser neuen Grenzziehungen. 1990 endete für den Ostdeutschen die Nachkriegszeit. Es begann die neue Vorkriegszeit.

Als Mitglied der UNO hat die DDR jene Fraktion unterstützt, die auf Abrüstung und gerechte Weltwirtschaftsordnung drängte. Der heutige Ostdeutsche ist Bürger eines Staates, der drittgrößter Waffenexporteur der Welt ist und sich in weltweite kriegerische Abenteuer verwickeln lässt. Der Höhe- oder besser Tiefpunkt war der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf Jugoslawien, womit auch Deutschland einen fatalen Präzedenzfall geschaffen und dem weltweiten Streben nach Atomwaffen unglaublichen Schwung gegeben hatte. Alle Welt hatte erkennen müssen – nur Atomwaffen allein schützen noch vor einem Westen, der sich an das Völkerrecht nur noch dann gebunden fühlt, wenn dies seinen Aneignungs- und Machtinteressen nützt.

Gegen des Kaisers Soldaten – der Kosovo-Krieg

Als die Türken im 18. Jahrhundert von großen Teilen ihrer Balkan-Kolonien wieder vertrieben worden waren, siedelte der österreichische Kaiser das Volk der Serben an der damaligen Grenze zum Osmanischen Reich an. Er übertrug ihm damit die strategische Aufgabe, die erste Verteidigungsstaffel des Christentums gegen die moslemische Bedrohung zu bilden. Diese, dem orthodoxen Glauben anhängenden Serben litten weder unter Fürsten noch Grafen, sie waren freie Bauern und nannten sich stolz »des Kaisers Soldaten«. Mit ihrem Land war ein seither niemals wieder ernsthaft durchbrochener Wall des Abendlandes entstanden.

Serbien bildete nach dem Ersten Weltkrieg den Kern des neuen Vielvölker-Kunststaates Jugoslawien (Südslavien). Dessen Existenz wurde durch die Aggression Hitlerdeutschlands zeitweilig beendet, Deutschland zerschlug Jugoslawien und nutzte die Konkurrenz und die völkisch-religiöse Vielfalt in diesem Land aus, um es auf extrem grausame Weise zu beherrschen. Hitler bevorzugte die katholischen Kroaten, und seine Verfolgungs- und Vernichtungswut galt vor allem den orthodoxen Serben. Als besondere Opfergruppe waren sie im westdeutschen Nachkriegsbewusstsein praktisch nicht präsent.

Aus heutiger deutscher Perspektive weist Jugoslawien zwei Besonderheiten auf: Es war erstens das einzige Land auf dem Balkan, das sich 1944/45 selbst befreite und die direkte Hilfe der Alliierten dabei nicht nötig hatte. Und es demütigte zweitens einmal die Bundesrepublik Deutschland nachhaltig und vor den Augen der ganzen Welt. Denn 1968 waren die zuvor schwer beeinträchtigten Beziehungen zur DDR so weit repariert, dass Belgrad und Ostberlin die diplomatischen Beziehungen wieder installierten. Damit zwang Jugoslawien die Bundesrepublik zur Anwendung der sich selbst auferlegten Hallstein-Doktrin, die besagte, dass Bonn keine diplomatischen Beziehungen zu Staaten unterhalten könne, die ihrerseits solche Beziehungen zur DDR pflegten. Es erfolgte der Abbruch der Beziehungen zu Jugoslawien.

Fast scheint es, als seien hier noch ein paar Rechnungen offen geblieben. Natürlich ist die Rolle, die Deutschland bei der Zerstörung Jugoslawiens 1940 spielte, nicht mit der gleichzusetzen, die es 1992 und in den darauffolgenden Jahren bei der Zerstörung Jugoslawiens spielte. Aber beim zweiten Mal war es kaum weniger wirkungsvoll, und nachweisbar ist, dass Deutschland in beiden Fällen ausschließlich jene Kräfte unterstützte, die ihrerseits die Beseitigung dieses Staates betrieben hatten. Und auf Krieg lief es am Ende in beiden Fällen hinaus. Durch eine mit den West-Verbündeten nicht abgestimmte und verantwortungslose Anerkennungs-Politik gegenüber jedem Kirchturm, der eine eigene Fahne hisste, hat Deutschland eine Rette-sich-wer-kann-Psychose in Jugoslawien wenn nicht ausgelöst so doch mindestens befördert. Diese Psychose trug mit dazu bei, dass Völker, die vierzig Jahre friedlich in einem Staat zusammenlebten, der der bewunderte Sprecher der Weltbewegung nichtpaktgebundener Staaten gewesen war, über Nacht einander an die Kehle sprangen. Dieser erste europäische Krieg nach dem Zweiten Weltkrieg forderte Hunderttausende Opfer. Die Rolle des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) dabei fügte seinem gerade in Ostdeutschland bis dato kaum verbesserbarem Bild großen Schaden zu.

1998 kam es zum Äußersten. Deutschland griff gemeinsam mit anderen Nato-Staaten Serbien an, dem es eine Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik gegenüber den Albanern im Kosovo vorwarf. Ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, der einzigen Institution auf der Welt, die dazu berechtigt wäre, gab es nicht. Die politische Auseinandersetzung um diese mörderische Politik, um Krieg und Leid im Kosovo, nahm auch im Land Brandenburg extrem an Schärfe zu. Der Landtag teilte sich in die Kriegsbefürworter SPD und CDU und die Gegner, die Abgeordnete der PDS waren. Die CDU warf der PDS daraufhin vor, Kriegsverbrechern Unterstützung zu gewähren. Je länger die Luftschläge anhielten, umso enger rückten SPD und CDU zusammen. Wenige Monate später bildeten sie ihre erste gemeinsame Landesregierung.

Eine einsame Stimme in der brandenburgischen SPD erhobt sich wider die Fortsetzung des Krieges: Es war die des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Er mahnte die Akteure, »alles zu versuchen, damit das militärische Agieren durch politisches Handeln abgelöst wird«, nachdem die Auswirkungen »des unglücklichen Krieges unsere Haustür erreicht haben«.

Aus der brandenburgischen CDU heraus wurde sogar die Entsendung von Bodentruppen gefordert, was die »Glaubwürdigkeit der Nato« verlangen würde. Die Nato könne nur gewinnen, »wenn sie die Luftangriffe über einen längeren Zeitraum fortsetzt«. Die Junge Union warf der damaligen PDS vor, »sich zum Komplizen der serbischen Vertreibungspolitik zu machen«.

Als kompromissloser Gegner des Nato-Bombardements gab sich Peter-Michael Diestel zu erkennen, der letzte Innenminister der DDR und erste CDU-Fraktionschef im Potsdamer Landtag. Diestel damals sarkastisch: »Na das ist doch wunderbar, dass endlich Deutsche wieder bomben dürfen. Ich finde es Klasse, dass Diederich Heßling, der Anti-Held aus dem ›Untertan‹ von Heinrich Mann, endlich wieder marschieren darf. Aber jetzt im Ernst: Ich lehne diesen Krieg ganz entschieden ab. Es macht mich traurig, erleben zu müssen, dass Tag für Tag Bomben und Raketen abgeladen werden. Und ich kann nicht gutheißen, wie hier am dritten Weltkrieg gezündelt wird, genausowenig wie ich die Vertreibungspolitik der serbischen Führung billige. Aber diese Angriffe aus sicherer Distanz ändern nichts – abgesehen davon, dass sie alles verschlimmern.« Vor allem kritisierte der CDU-Politiker die »Gleichschaltung der deutschen Medien«. »Man stelle sich vor: Da wird ein Fernsehsender bombardiert, zwanzig Journalisten und Mitarbeiter sterben, und es gibt keinen Aufschrei unter den deutschen Kollegen.« Auf die Frage, ob er dieser Haltung wegen Ärger in der eigenen Partei habe, sagte Diestel: »Das frage ich mich nicht. Ich bin Christ und ich bin Christdemokrat. Und ich äußere mich als eine Privatperson, die dabei bleibt, dass der Krieg das falsche Mittel ist.«

Einzig die PDS des Bundeslandes hatte sich als Partei entschieden gegen die Fortsetzung des Krieges durch die Nato gewandt. In einem Brief an Manfred Stolpe erinnerte Bundes- und Fraktionschef Lothar Bisky an den 2-plus-4-Vertrag, in dem sich Deutschland verpflichtet hatte, »keine seiner Waffen jemals einzusetzen, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen«. Die rot-grüne Bundesregierung begründe den Kriegseinsatz mit moralischen Erwägungen, so Bisky. Doch habe sich die Lage der Kosovo-Albaner durch den Krieg nur verschlechtert. »Abgesehen davon rechtfertigen solche Erwägungen in keinem Fall die Verletzung von Recht und Gesetz.«

Der zweite Krieg

Die Wahrnehmung ist richtig, dass Deutschland in den Jahren danach – alles in allem – eher zur Zurückhaltung neigte und nicht unbedingt als Scharfmacher auftrat. Doch können sich seine angriffslustigen Verbündeten am Ende immer auch auf die Hilfe Deutschlands verlassen.

Dass die Frage Krieg oder Frieden keineswegs nur eine des politischen Oberstübchens ist, wurde den Brandenburgern klar, als im Februar 2003 im Schatten des Irak-Kriegs der »Koalition der Willigen« die CDU-Landtagsfraktion einen Brief an den Präsidenten der USA George W. Bush sandte. Darin wurde die SPD beschuldigt, »unser Land in viereinhalb Jahren wirtschaftlich ruiniert« zu haben. Und die Sozialdemokraten wurden bezeichnet als Leute, die unter dem »Deckmantel der Erhaltung des Friedens letztendlich ihre antiamerikanischen Grundeinstellungen ausleben«.

Den Brief, in dem sich die CDU-Mitglieder »beschämt« darüber geben, »wie sich die Bundesregierung im Irak-Konflikt im UN-Sicherheitsrat, aber auch in der Nato verhält«, hat CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger nicht unterzeichnet und mit ihr drei weitere Abgeordnete.

Die Kriege des Westens haben Tradition

Die DDR gehörte der Militärkoalition Warschauer Vertrag an, die sich keinerlei Aggression zuschulden kommen ließ. Auch der Einmarsch in die ČSSR 1968 – so bedrückend er tatsächlich war – konnte glücklicherweise unterhalb der Schwelle zu einem Krieg gehalten werden. Der Philosoph Ernst Bloch schrieb seinerzeit dem zeternden Westen ins Stammbuch: »Wer die Massenverbrechen der USA in Vietnam billigt, der sollte sich über die Aktionen der Sowjetunion in Prag nicht beschweren.« Auch wenn – als könnte so die Verbrechens- und Aggressionsgeschichte der Westens erklärt oder gar gerechtfertigt werden (gleichsam als Rettung des Rufes der westlichen Welt) – an dieser Stelle immer wieder reflexartig auf den Afghanistan-Einmarsch der Sowjetunion verwiesen wird, so bleibt es eben doch ein wichtiger Unterschied, dass es eine Regierung in Kabul war, welche die UdSSR zu Hilfe rief. Mit dem verbrecherischen Stil der USA, in andere Länder einzufallen, um dann dort ihre Marionetten zu installieren, ist das nicht gleichzusetzen.