Handbuch
Ius Publicum Europaeum

Band VIII
Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa:
Institutionen und Verfahren

 

Herausgegeben von

Armin von Bogdandy

Peter M. Huber

Lena Marcusson

 

Unter Mitwirkung von

Michael Guttner

 

Mit Beiträgen von

Christian Behrendt • Anoeska Buijze • Silvia Díez Sastre

Cristina Fraenkel-Haeberle • Diana-Urania Galetta • Michael Guttner

Peter M. Huber • Herbert Küpper • Philip Langbroek • Piotr Lissoń

Lena Marcusson • Franz C. Mayer • Thomas Olechowski • Bożena Popowska

Benjamin Schindler • Robert Thomas • Paulien Willemsen • Jacques Ziller

 

 

kein Alternativtext verfügbar

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

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ISBN 978-3-8114-4752-3

 

E-Mail: kundenservice@cfmueller.de

Telefon: +49 89 2183 7923
Telefax: +49 89 2183 7620

 

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Vorwort

Mit den Bänden VIII und IX wendet sich das Ius Publicum Europaeum-Projekt nach den materiellen Grundlagen und Grundzügen des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum, denen die Bände III–V gewidmet sind, der Verwaltungsgerichtsbarkeit in einem weiteren Sinne zu. Praktisch wird das Ius Publicum Europaeum für den Einzelnen wie für die Allgemeinheit erst dann, wenn es auf den konkreten Fall heruntergebrochen und seine ordnende und steuernde Kraft im Alltag erfahrbar wird. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, verstanden als die Gerichtsbarkeit, der die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten mit oder unter Beteiligung der öffentlichen Verwaltung aufgegeben ist, ist daher die Institution, die maßgeblich für die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates bzw. der rule of law verantwortlich ist, der Verwaltungsrechtsschutz das Vehikel zu ihrer Entfaltung.

Schon die bisherigen Bände waren bestrebt, das Verfassungs- und Verwaltungsrecht im europäischen Rechtsraum nicht nur in statischer Hinsicht zu präsentieren, sondern auch über Dynamiken im europäischen öffentlichen Recht und seinen verschiedenen Rechtssystemen zu informieren. Hier lassen sich – trotz der sehr unterschiedlichen Ausgangspunkte und Pfadabhängigkeiten – unter dem Einfluss von Europäisierung und Internationalisierung sowie einem im Entstehen begriffenen gemeineuropäischen Verständnis von der Funktion des Verwaltungsrechtsschutzes Konvergenztendenzen ausmachen, die hinter der Fülle der prozessualen Detailregelungen auf den ersten Blick nicht ins Auge springen mögen, mit ein bisschen Abstand auf den zweiten Blick jedoch unverkennbar sind. Dazu tragen nicht zuletzt die Verwaltungsgerichte bei, die sich durchaus als selbständige Akteure im europäischen Rechtsraum empfinden und ihn durch ihre Entscheidungen mitgestalten.

Vor diesem Hintergrund erhalten Kenntnisse über die verschiedenen Institutionen und ihr Vergleich eine immer größere Bedeutung, wie insbesondere die in Band IX versammelten Querschnittsbeiträge zeigen.

Das Ius Publicum Europaeum-Projekt ist weiterhin der Fritz Thyssen Stiftung zutiefst verpflichtet. Sie hat die aufwändige und kostenträchtige Zusammenarbeit durch die Finanzierung von Tagungen und Übersetzungen nachdrücklich gefördert. Ohne ihre ebenso unbürokratische wie substanzielle Hilfe hätten wir diese Bände nicht in dieser Form verwirklichen können.

Hervorzuheben ist der Beitrag von Michael Guttner und Sebastian Waldmann, in deren Händen die Gesamtredaktion lag. Es ist ihrer Bearbeitung zu verdanken, dass die Texte an rechtswissenschaftliche Diskurse aus dem deutschen Sprachraum anknüpfen. Hier liegt nicht nur eine große redaktionelle, sondern auch eine wissenschaftliche Leistung für die weitere Entwicklung des Ius Publicum Europaeum. Sie erhielten bei dieser Arbeit wichtige Unterstützung durch Louisa Endrös, Lisa Gänsheimer, Valentin L. Grießer, Lukas Löhr, Dominik Schwab, Thomas Dziwis, Wenjing Feng, Leonie Fritz, Florentine Hamann und Tobias Wedemeyer. Tiefster Dank und Verbundenheit gelten schließlich Dr. Daniel Fröhlich, der das Projekt über ein Jahrzehnt begleitet hat, die weitere Mitwirkung am Ius Publicum Europaeum jedoch aufgrund seiner schweren Erkrankung aufgeben musste.

 

Heidelberg, München und Uppsala, im September 2018

Armin von Bogdandy Peter M. Huber Lena Marcusson

Inhalt Band VIII

 Vorwort

 Verfasser

§ 127Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum
Peter M. Huber/Michael Guttner

§ 128Verwaltungsgerichtsbarkeit in Belgien
Christian Behrendt

§ 129Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland
Franz C. Mayer

§ 130Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich
Jacques Ziller

§ 131Verwaltungsgerichtsbarkeit in Italien
Cristina Fraenkel-Haeberle/Diana-Urania Galetta

§ 132Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Niederlanden
Philip Langbroek/Anoeska Buijze/Paulien Willemsen

§ 133Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich
Thomas Olechowski

§ 134Verwaltungsgerichtsbarkeit in Polen
Bożena Popowska/Piotr Lissoń

§ 135Verwaltungsgerichtsbarkeit in Schweden
Lena Marcusson

§ 136Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Schweiz
Benjamin Schindler

§ 137Verwaltungsgerichtsbarkeit in Spanien
Silvia Díez Sastre

§ 138Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ungarn
Herbert Küpper

§ 139Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland
Robert Thomas

 Personenregister

 Sachregister

Verfasser

Christian Behrendt, Dr. iur., Professor, Faculté de Droit, Université de Liège;

Anoeska Buijze, Dr. iur., Ass. Professorin, Afdeling Staatsrecht, Bestuursrecht en Rechtstheorie, Universiteit Utrecht;

Silvia Díez Sastre, Dr. iur., Professorin, Facultad de Derecho, Área de Derecho Administrativo, Universidad Autónoma de Madrid;

Cristina Fraenkel-Haeberle, Dr. iur., Professorin, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer;

Diana-Urania Galetta, Dr. iur., Professorin, Cattedra di Diritto Amministrativo, Dipartimento di Diritto pubblico, internazionale ed europeo, Università degli Studi di Milano;

Michael Guttner, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Juristische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München;

Peter M. Huber, Dr. iur., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie und Forschungsstelle für das Recht der Europäischen Integration, Juristische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, Minister a.D., Richter des Bundesverfassungsgerichts;

Herbert Küpper, Dr. iur., Dr. h.c., Professor, Geschäftsführer des Instituts für Ostrecht München im Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa Regensburg;

Philip Langbroek, Dr. iur., Professor, Leerstoel voor Rechtspleging en Rechterlijke Organisatie, Afdeling Staatsrecht, Bestuursrecht en Rechtstheorie, Universiteit Utrecht;

Piotr Lissoń, Dr. iur., Katedra Publicznego Prawa Gospodarczego, Wydział Prawa i Administracji, Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu;

Lena Marcusson, Dr. iur., Professorin, vormals Lehrstuhl für Verwaltungsrecht, Universität Uppsala;

Franz C. Mayer, Dr. iur., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht, Rechtsvergleichung und Rechtspolitik, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld;

Thomas Olechowski, Dr. iur., Professor, Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte, Universität Wien;

Bożena Popowska, Dr. iur., Professorin, Katedra Publicznego Prawa Gospodarczego, Wydział Prawa i Administracji, Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu;

Benjamin Schindler, Dr. iur., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit besonderer Berücksichtigung des Verwaltungsrechts und des Verfahrensrechts, Universität St. Gallen;

Robert Thomas, Ph. D., Professor, Manchester Centre for Regulation and Governance and Public Law, University of Manchester;

Paulien Willemsen, Dr. iur., Ass. Professorin, Afdeling Staatsrecht, Bestuursrecht en Rechtstheorie, Universiteit Utrecht;

Jacques Ziller, Dr. iur., Professor, Dipartimento di Scienze Politiche e Sociali, Università di Pavia.

Peter M. Huber/Michael Guttner

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im
europäischen Rechtsraum

I.Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum1 – 13

 1.Konstitutionalisierung und Europäisierung2 – 7

  a)Konstitutionalisierung3, 4

  b)Europäisierung5

  c)Funktionsverschiebungen6, 7

 2.Typen der Verwaltungsgerichtsbarkeit8 – 11

  a)Konzentration auf den Verwaltungsrechtsschutz8 – 10

  b)Verwaltungsgerichtliche Zweckmäßigkeitskontrolle11

 3.Richter als Quelle des Verwaltungsrechts12, 13

II.Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz14 – 23

 1.Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien15 – 17

 2.Rechtsstaatlichkeit und Rule of Law als Grundlage des Verwaltungsrechtsschutzes18 – 20

  a)Ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundlagen18

  b)Zur Bedeutung der allgemeinen Justizgewährungspflicht in Deutschland19, 20

 3.Verwaltungsrechtsschutz als Teil materieller (Grund-)Rechtsgarantien21 – 23

III.Verfassungsrechtliche Vorgaben für die organisatorische Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes24 – 27

IV.Verfassungsrechtliche Anforderungen an den „Rechtsweg“ und seine Ausgestaltung28 – 50

 1.Individualrechtsschutz und objektive Rechtmäßigkeitskontrolle28 – 34

  a)Zum Stellenwert des Individualrechtsschutzes29 – 31

  b)Individualrechtsschutz und Legalitätsprinzip32

  c)Angleichung der Rechtsschutzsysteme durch Ausweitung subjektiver Rechte und einer bereichsspezifischen objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle33, 34

 2.Gewährleistungsgehalt der Rechtsschutzgarantie35 – 46

  a)Verwaltungsrechtsschutz als Gerichtsschutz35

  b)Verwaltungsinterner Rechtsschutz36 – 39

  c)Alternative Formen der Streitbeilegung40 – 46

 3.Primär- und Sekundärrechtsschutz47 – 50

  a)Vorrang des Primärrechtsschutzes47 – 49

  b)Sekundärrechtsschutz als „Minus“50

V.Praktische Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes51 – 74

 1.Statthafte Klagearten52 – 54

 2.Klagebefugnis55

 3.Rechtsschutzbedürfnis56

 4.Fristen57

 5.Rechtzeitiger Rechtsschutz58, 59

 6.Vorläufiger Rechtsschutz60 – 63

 7.Gerichtlicher Kontrollauftrag und Kontrolldichte64 – 70

  a)Rechtmäßigkeitskontrolle66 – 68

  b)Ermessen, unbestimmte Rechtsbegriffe, Zweckmäßigkeitskontrolle69, 70

 8.Ausschluss und Beschränkung des Rechtswegs71 – 74

VI.Verwaltungsrechtsschutz zwischen Rechtsstaats- und Demokratieprinzip in gemeineuropäischer Perspektive75 – 80

 Bibliographie 

Anhang:Der Fragebogen 

Allgemeine Hinweise

Abgekürzt zitierte Rechtsquellen:

Aarhus-Konvention

UNECE Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-making and Access to Justice in Environmental Matters (UNECE Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten)

BauGB

(Deutsches) Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.2004, BGBl. I S. 2414

BayVerf.

Bayerische Verfassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998, GVBl. S. 991

BayVfGHG

(Bayerisches) Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 10.5.1990, GVBl. S. 122, 231

BGG

(Schweizerisches) Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17.6.2005, SR 173.110

BNatSchG

(Deutsches) Bundesnaturschutzgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I S. 2542

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999, SR 101

B-VG

(Österreichisches) Bundes-Verfassungsgesetz vom 2.1.1930, BGBl. 1/1930

CE

Constitución española de 27 de diciembre de 1978 (spanische Verfassung vom 27.12.1978)

CF

Constitution française (französische Verfassung)

Cost.

Costituzione della Repubblica italiana (italienische Verfassung)

CPA 1992

Código do Procedimento Administrativo (approvado pelo Decreto-Lei n.° 442/91, de 15 de Novembro, vom alterações) (portugiesisches Verwaltungsverfahrensgesetz [verabschiedet durch die Gesetzesverordnung Nr. 442/91 vom 15. November, mit Änderungen])

Dekret 163/2006

(Italienisches) Vergabegesetz

EnWG

(Deutsches) Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz) vom 7.7.2005, BGBl. I S. 1970, 3621

EPÜ

Europäisches Patentübereinkommen in der Fassung der Akte zur Revision des EPÜ vom 29.11.2000, BGBl. 2007 II S. 1082, 2008 II S. 179

Förvaltningslag 1971

(Schwedisches) Verwaltungsgesetz, SFS 1971:290

Gesetz 1034/1971

(Italienisches) Gesetz über die Errichtung der regionalen Verwaltungsgerichte

Gesetz 241/1990

(Italienisches) Verwaltungsverfahrensgesetz

Gesetz 2690/1999

(Griechisches) Gesetz über die Sanktionierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere Vorschriften (Verwaltungsverfahrensgesetz)

GG

(Deutsches) Grundgesetz vom 23.5.1949, BGBl. S. 1

GrundG

Ungarns Grundgesetz vom 25.4.2011

GVG

(Deutsches) Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.5.1975, BGBl. I S. 1077

GWB

(Deutsches) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.2013, BGBl. I S. 1750

LRJPAC 1992

(Spanische) Ley 30/1992, de 26 de noviembre, de Régimen Jurídico de las Administraciones Públicas y del Procedimiento Administrativo Común (Verwaltungsverfahrensgesetz a.F.)

PBefG

(Deutsches) Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.8.1990, BGBl. I S. 1690

PrALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5.2.1794

RF

(Schwedische) Regeringsform (Regierungsform)

RiL 2003/4/EG

Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates

RV 1849

Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.3.1849, RGBl. 1849, S. 101

UIG

(Deutsches) Umweltinformationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.10.2014, BGBl. I S. 1643

UmwRG

(Deutsches) Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.8.2017, BGBl. I S. 3290

Verf.

Verfassung der Republik Polen vom 2.4.1997 (Dz. U. von 1997, Nr. 78, Pos. 483 mit Änderungen)

Verf. 1975

Verfassung Griechenlands vom 11.6.1975

VGG

(Schweizerisches) Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 17.6.2005, SR 173.32

VwGO

(Deutsche) Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991, BGBl. I S. 686

VwVfG

(Deutsches) Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976, neugefasst durch Bekanntmachung vom 23.1.2003, BGBl. I S. 102

VwVfGB 1960

(Polnisches) Gesetz vom 14.6.1960 – Verwaltungsverfahrensgesetzbuch (Dz. U. von 2017, Pos. 1257)

VwVG 1968

(Schweizerisches) Bundesgesetz vom 20.12.1968 über das Verwaltungsverfahren, SR 172.021

Weitere Abkürzungen:

ABl. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (amtliche Sammlung)

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung)

BVerfGK

Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung)

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche Sammlung)

CMLRev.

Common Market Law Review

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DVBl.

Deutsche Verwaltungsblätter

ELRev.

European Law Review

EuR

Europarecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

GfU

Gesellschaft für Umweltrecht

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

JZ

Juristenzeitung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › I. Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum

I. Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes
im europäischen Rechtsraum

1

Auf den ersten Blick weisen die Verwaltungsrechtsordnungen im europäischen Rechtsraum eine bemerkenswerte Vielgestalt auf – nicht nur, was die Organisation der Verwaltung, ihre Handlungen, die demokratische Steuerung und den politischen Gestaltungsfreiraum angeht.[1] Auch und gerade mit Blick auf Art, Umfang und Ausgestaltung des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Verwaltung, dem nicht nur für den Schutz individueller Interessen, sondern auch für Stellung und Aktionsradius der Verwaltung im Gefüge der Gewalten entscheidende Bedeutung zukommt, unterscheiden sich die einzelnen (Teil-)Rechtsordnungen erheblich. Ob der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz bei den allgemeinen (ordentlichen) Gerichten oder einer spezialisierten Verwaltungsgerichtsbarkeit angesiedelt ist, ob die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung primär als objektive Gesetzmäßigkeitskontrolle oder als Instrument zur Durchsetzung subjektiver öffentlicher Rechte oder individueller Interessen der Bürger gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung konzipiert ist – in der Regel handelt es sich hierbei um Grundentscheidungen, die das Ergebnis kontingenter historischer Prozesse sind und häufig auch in den jeweiligen Verfassungen Niederschlag gefunden haben. Das gilt auch für die unterschiedlichen Formen verwaltungsinterner und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, die Frage der Kontrolldichte und die Vollstreckung sowie für andere Instrumente des Interessenschutzes. Soweit dies im Verwaltungsprozessrecht Niederschlag gefunden hat, lässt sich daher ohne weiteres von einer verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes sprechen.

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › I. Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › 1. Konstitutionalisierung und Europäisierung

1. Konstitutionalisierung und Europäisierung

2

Die verfassungsrechtliche Prägung im hier verstandenen Sinne meint aber mehr. Betrachtet man den Verwaltungsrechtsschutz im europäischen Rechtsraum, so lassen sich Konturen einer verfassungsrechtlichen Prägung erkennen, die auf ausdrücklichen oder konkludenten Garantien effektiven Rechtsschutzes in den nationalen Verfassungen beruhen,[2] auf den Vorgaben von Art. 6 und Art. 13 EMRK bzw. Art. 47 GRCh sowie weiteren allgemeinen Grundsätzen und bereichsspezifischen Gewährleistungen.[3]

a) Konstitutionalisierung

3

Ihr Ausgangspunkt liegt in Deutschland, wo nach dem Zweiten Weltkrieg der vom NS-Regime zerstörte Rechtsstaat nicht nur wieder aufgebaut, sondern in gewisser Weise perfektioniert werden sollte bzw. wurde.[4] Hier hat sie in der berühmt gewordenen Feststellung Fritz Werners von 1959 vom „Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht“ programmatischen Ausdruck gefunden.[5] Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts bedeutete in Deutschland der Sache nach vor allem eine „Vergrundrechtlichung“ und Subjektivierung der Rechtsordnung. Im Zusammenspiel mit den formellen Aspekten des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes, wurde das Verwaltungsrecht – sehr viel später erst das Zivil- und Strafrecht – konsequent auf Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen ausgerichtet, durchdrangen die Grundrechte nahezu jeden seiner Winkel. Konzeptionelle oder dogmatische Grundlage für diese Entwicklung waren die Festlegung des Bundesverfassungsgerichts auf einen weiten Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) im Elfes-Urteil von 1957,[6] die dem Einzelnen eine Freiheit vor gesetzlosem wie gesetzwidrigem Zwang garantierte,[7] das Lüth-Urteil von 1958,[8] das es gestattete, auch die Normen des von 1900 stammenden Zivilrechts im Lichte der Verfassung zu re-interpretieren, sowie die Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG, die bei jedem Eingriff in ein (grund-)rechtlich geschütztes Interesse den Rechtsweg verbürgte.[9]

4

Die Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts, und mit ihr des Verwaltungsrechtsschutzes, war freilich keineswegs auf Deutschland beschränkt.[10] Nahezu alle Verwaltungsrechtsordnungen Europas haben nach dem Zweiten Weltkrieg – wenn auch nicht gleichzeitig und mit unterschiedlichen inhaltlichen Akzenten – eine Konstitutionalisierung ihres Verwaltungsrechts erlebt, die dieses zwar nicht seines Selbstands beraubt, jedoch den (jeweiligen) verfassungsrechtlichen Anforderungen nachhaltig untergeordnet hat.[11] Kennzeichen dieser Entwicklung ist eine tendenzielle Verselbständigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und eine gewisse Konzentration auf die Durchsetzung rechtlich geschützter Interessen bzw. subjektiver öffentlicher Rechte.

b) Europäisierung

5

Die in manchen Staaten schon mit der Konstitutionalisierung begonnene Entwicklung zu einer tendenziellen Verselbständigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zu einer stärkeren Akzentuierung des Individualrechtsschutzes hat durch die Europäisierung des Verwaltungs-(prozess-)rechts weiteren Nachdruck erhalten. Insbesondere Art. 6 und 13 EMRK sowie später auch Art. 47 GRCh haben sich dabei als Motoren erwiesen.[12]

c) Funktionsverschiebungen

6

Konstitutionalisierung und Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes haben die überkommenen Konzepte des Verwaltungsrechtsschutzes und seine tradierten Funktionen in allen Mitgliedstaaten verändert. Sie haben das Gewicht der Dritten Gewalt im Verhältnis zur (nationalen) Exekutive, aber auch zur (nationalen) Legislative gestärkt, wovon die Factortame-Fälle in Großbritannien ein eindrucksvolles Beispiel ablegen, die britischen Gerichten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zum ersten Mal nicht nur gegen die Grundsätze des common law, das einstweilige Anordnungen gegen die Krone nicht kannte, ermöglicht haben, sondern ihnen auch ein De-facto-Verwerfungsrecht gegenüber dem Gesetzgeber zugestanden haben.[13] In anderen Mitgliedstaaten mag der Emanzipationsprozess der Gerichte nicht ganz so spektakulär verlaufen sein; es gab ihn aber auch dort.[14]

7

In Deutschland mit seiner traditionell besonders ausgeprägten Zentrierung des Verwaltungsrechtsschutzes auf den Individualrechtsschutz gibt es hingegen gegenläufige Anzeichen dafür, dass die Durchsetzung rechtlich geschützter Interessen und damit der Individualrechtsschutz nicht verabsolutiert werden darf, sondern dass die Dritte Gewalt auch die Aufgabe hat, für die Durchsetzung des Gesetzmäßigkeitsprinzips und die demokratische Legitimation exekutivischen Handelns zu sorgen.[15]

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › I. Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › 2. Typen der Verwaltungsgerichtsbarkeit

2. Typen der Verwaltungsgerichtsbarkeit

a) Konzentration auf den Verwaltungsrechtsschutz

8

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Verwaltungsrechtsschutz im europäischen Rechtsraum durch den Streit darüber geprägt, ob er im Interesse der Bürger den allgemeinen – ordentlichen – Gerichten oder einer in der Verwaltung selbst angesiedelten oder doch mit ihr verbundenen und spezialisierten Verwaltungsgerichtsbarkeit anvertraut werden soll. Ein wichtiger Ausgangspunkt für diese Kontroverse war die zu Beginn der Französischen Revolution 1789 erhobene Forderung nach einer Unterwerfung der Verwaltung unter die allgemeine (ordentliche) – von der Exekutive unabhängige (!) – Gerichtsbarkeit. Zwar ist dieser Ruf in Frankreich mit der Errichtung des Conseil d’État bald in Vergessenheit geraten, wo die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch heute als besondere Form der Verwaltung begriffen wird;[16] in anderen Ländern hat er dagegen weniger als Vor- denn als Gegenbild gedient. Das gilt allerdings weniger für Deutschland, wo mit dem Scheitern der Revolution von 1848/49 auch in Vergessenheit geriet, dass die Paulskirchenverfassung bestimmt hatte: „Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte.“ (§ 182 RV 1849),[17] wohl aber für Großbritannien,[18] Schweden[19] und die Schweiz,[20] wo die Beibehaltung oder Etablierung einer allgemeinen (ordentlichen) Gerichtsbarkeit in einer mehr oder weniger reflektierten Abgrenzung zum französischen Modell erfolgte und typischerweise von einem Misstrauen gegen die (monarchische) Exekutive getragen war.

9

Vor diesem Hintergrund haben sich in Europa im Wesentlichen drei Modelle des Verwaltungsrechtsschutzes herausgebildet:

Staaten mit einer einheitlichen Gerichtsbarkeit mit umfassender Rechtsprechungszuständigkeit, wie man sie mehr oder weniger in Großbritannien,[21] Dänemark und Norwegen[22] findet.

Staaten, in denen der Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt zwischen der allgemeinen (ordentlichen) Gerichtsbarkeit und spezialisierten Verwaltungsgerichten aufgeteilt ist.[23] Das gilt für Belgien,[24] Deutschland,[25] Italien,[26] die Niederlande,[27] Österreich,[28] Polen,[29] Schweden[30] und Spanien.[31] Deutschland, Italien und Österreich kennen zwar eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Verwaltungsrechtsschutz ist hier jedoch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehr oder weniger systematisch aufgeteilt.

Staaten mit einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, die selbständig neben den allgemeinen (ordentlichen) Gerichten steht und eine weitgehend umfassende Zuständigkeit für den Verwaltungsrechtsschutz besitzt. Prototyp ist insoweit Frankreich,[32] dessen Conseil d’État seit dem 19. Jahrhundert für viele andere Staaten in Kontinentaleuropa Pate gestanden hat.[33] Auch Ungarn gehört neuerdings in diese Gruppe.[34]

10

Ein genauerer Blick zeigt freilich, dass die Prototypen nirgends vollständig verwirklicht oder kopiert worden sind. Das gilt in besonderem Maße für die Schweiz, wo sich auf kantonaler Ebene unterschiedliche Modelle für die Ansiedlung des Verwaltungsrechtsschutzes innerhalb oder außerhalb der allgemeinen Gerichtsbarkeit durchgesetzt haben (sog. „Berner Modell“, „Basel-städtisches Modell“ sowie ein Mischmodell),[35] auf Bundesebene 2007 ein (erstinstanzliches) Bundesverwaltungsgericht eingerichtet wurde[36] und sich die Verwaltungsgerichtsbarkeiten von Bund und Kantonen unter dem gemeinsamen Dach des Bundesgerichts als Beschwerdeinstanz befinden.[37] Blickt man auf die Systeme mit Einheitsgerichtsbarkeit, so finden sich – wie in Großbritannien mit den tribunals und dem Administrative Court – in jüngerer Zeit zumindest auf unterer Ebene organisatorisch verselbständigte Verwaltungsgerichte; auch haben die allgemeinen (ordentlichen) Gerichte – wie in Großbritannien,[38] den Niederlanden[39] oder Schweden[40] – in der Regel besondere, auf verwaltungsrechtliche Streitigkeiten spezialisierte Spruchkörper eingerichtet. Hingegen gibt es selbst in Frankreich, ungeachtet der dominierenden Rolle des Conseil d’État, auch einige begrenzte Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichte im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes.[41]

b) Verwaltungsgerichtliche Zweckmäßigkeitskontrolle

11

Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus der Verwaltung heraus hat in einer Reihe von Staaten nicht nur dazu geführt, dass diese wie in Frankreich (theoretisch) noch immer als Teil der Verwaltung begriffen wird.[42] In anderen Rechtsordnungen ist es insofern gar nicht zu einer vollständigen Trennung von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit gekommen, als die (Verwaltungs-)Gerichte teilweise auch dafür zuständig sind, die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu kontrollieren. Diese in Deutschland (§ 68 ff. VwGO) und anderen Staaten in verwaltungsrechtliche Vorverfahren[43] ausgelagerte Aufgabe wird in Polen,[44] Schweden,[45] aber auch durch die tribunals in Großbritannien[46] (auch) von Gerichten wahrgenommen. Um Verwaltungsrechtsschutz im engeren Sinne geht es dabei allerdings nicht, sondern um eine Funktionenverschränkung zwischen Zweiter und Dritter Gewalt.

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › I. Grundzüge des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › 3. Richter als Quelle des Verwaltungsrechts

3. Richter als Quelle des Verwaltungsrechts

12

Verwaltungsrecht ist in nahezu allen (Teil-)Rechtsordnungen historisch und funktional zudem vor allem Richterrecht. Das lässt sich für Deutschland an der Rolle des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ebenso festmachen wie an jener des Bundesverwaltungsgerichts,[47] für Frankreich an der herausragenden Rolle des Conseil d’État,[48] für Griechenland an der Rolle des Staatsrats[49] und für die Europäische Union an der nicht minder prägenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Soweit es an normativen Vorgaben fehlte, waren bzw. sind die Gerichte jeweils dazu gezwungen, unter Rückgriff auf das Zivilrecht, das nationale Verfassungsrecht oder die Rechtsvergleichung allgemeine Rechtsgrundsätze zu entwickeln und weiter zu verfeinern.

13

Diese Pionierfunktion hat die Rolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit geprägt – im Verhältnis zur Exekutive wie zur Legislative. In den meisten Veraltungsrechtsordnungen Europas konnte der Gesetzgeber Kodifikationen grundlegender Bereiche oder allgemeiner Teile nur bewerkstelligen, indem er an die richterrechtliche Entfaltung allgemeiner (Verfassungs-)Grundsätze angeknüpft hat.[50] Es ist auch kein Zufall, dass er dabei äußert behutsam zu Werke geht und sich – aus nachvollziehbarem Respekt vor der Vielfältigkeit und Unüberschaubarkeit der Materie – in der Regel auf die Nachzeichnung der in der Praxis entwickelten und einigermaßen etablierten Institute beschränkt. In Frankreich ist der Respekt vor dem Richterrecht so groß, dass von einer Kodifizierung sogar eine Bedrohung der historisch gewachsenen und allgemein akzeptierten Rolle des Conseil d’État befürchtet wird.[51]

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz

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Rechte sind nur und erst dann effektiv, wenn sie im Konfliktfall auch durchgesetzt werden können.[52] Das gilt insbesondere gegenüber der öffentlichen Gewalt, d.h. dem Staat und seiner Verwaltung. Aus diesem Grunde haben eine Reihe von europäischen Verfassungen ausdrückliche Rechtsschutzgarantien verankert, die jedenfalls auch den Verwaltungsrechtsschutz abdecken (1.). Teilweise ergibt sich dieser aus allgemeinen Grundsätzen (2.), wobei eigentlich jedem (Grund-)Recht die Durchsetzbarkeit schon wesensmäßig innewohnt (3.).

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz › 1. Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien

1. Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien

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Was Deutschland angeht, so haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dieser Einsicht mit der ausdrücklichen Verankerung der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Rechnung getragen, wo es heißt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“ Mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes wollte man die Selbstherrlichkeit des Staates und seiner Verwaltung gegenüber dem Bürger beseitigen oder doch dämpfen[53] und ihm einen „substantiellen Anspruch auf eine auch tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle“ verleihen,[54] ohne den gerichtlichen Kontrollauftrag allerdings zu verabsolutieren.[55] Diese Garantie hat eine für das Staat-Bürger-Verhältnis prägende Bedeutung,[56] weil sie eine Wehrlosigkeit des Einzelnen gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung verhindert und beide dazu anhält, auf Augenhöhe über die Reichweite von Rechten und Befugnissen zu streiten. Zu Recht ist Art. 19 Abs. 4 GG denn auch schon früh als Eck- bzw. „Schlussstein der rechtsstaatlichen Ordnung“[57], als „Motor des Ganzen“ und als „Energiesammelpunkt“ der grundgesetzlichen Ordnung beschrieben worden.[58]

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Neben ihrer primären Funktion, effektiven Individualrechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt grundrechtlich zu verbürgen, ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG aber auch ein wesentlicher Baustein des gewaltenteiligen Staates (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Diese staatsorganisationsrechtliche Dimension ist deutlich älter. So gesehen ist sie vorläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, deren Wurzeln bis in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und zu den Anfängen des Rechtsstaats im 19. Jahrhundert zurückreichen,[59] und steht hier – im Zusammenspiel mit anderen Bestimmungen der Verfassung (Art. 20 Abs. 3, Art. 92 f., Art. 97 und Art. 100 GG) – für ein im europäischen Vergleich herausragendes institutionelles Gewicht der Dritten Gewalt.[60]

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Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien kennen aber auch die Verfassungen vieler anderer europäischer Staaten, so etwa Griechenland (Art. 20 Abs. 1 Verf. 1975),[61] Italien (Art. 24 Abs. 1 und 2 Cost.),[62] Polen (Art. 45 Abs. 1, Art. 77 Abs. 2 und Art. 78 Verf.),[63] die Schweiz (Art. 29a BV),[64] Spanien (Art. 24 Abs. 1, Art. 53 Abs. 2 und 3 CE)[65] oder Ungarn (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Art. XXVIII. Abs. 7 GrundG),[66] und neuerdings auch die Europäische Union (Art. 47 GRCh).[67] Für manche von ihnen – Art. 24 CE oder Art. 29a BV etwa – hat Art. 19 Abs. 4 GG Pate gestanden, auch wenn die „Nachbilder“ alles andere als Kopien sind. So geht etwa Art. 24 Abs. 1 CE über Art. 19 Abs. 4 GG insoweit hinaus, als er sich nicht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Staat-Bürger-Verhältnis beschränkt, sondern allgemeiner – d.h. auch mit Blick auf Privatrechtsverhältnisse – einen effektiven Rechtsweg verbürgt.[68]

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz › 2. Rechtsstaatlichkeit und Rule of Law als Grundlage des Verwaltungsrechtsschutzes

2. Rechtsstaatlichkeit und Rule of Law als Grundlage des Verwaltungsrechtsschutzes

a) Ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundlagen

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Das Verfassungsrecht in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich oder Schweden[69] kennt hingegen keine spezifische Rechtsschutzgarantie. Gleichwohl lässt sich hier allgemeinen Grundsätzen wie der Rechtsstaatlichkeit oder der rule of law – häufig unter Einbeziehung von Art. 6 und 13 EMRK bzw. Art. 47 GRCh – eine allgemeine Justizgewährungspflicht entnehmen, die den Staat verpflichtet, auch gegenüber Rechtsverletzungen der Verwaltung einen effektiven Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte zu gewähren. So hat in Frankreich etwa der Conseil d’État unter dem Einfluss der EMRK ein „droit des personnes intéresées d’exercer un recours effectif“ als Grundrecht anerkannt,[70] während die Gerichte in Großbritannien dem common law und der rule of law als einem wesentlichen Teil derselben auch in Verwaltungsstreitsachen einen Anspruch auf Zugang zu Gericht entnehmen.[71] In den Niederlanden,[72] Österreich[73] und Schweden[74] haben dagegen Art. 6 und 13 EMRK bzw. Art. 47 GRCh die Rolle einer auch nationalen Rechtsschutzgarantie übernommen.

b) Zur Bedeutung der allgemeinen Justizgewährungspflicht in Deutschland

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In Deutschland lässt sich dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ebenfalls eine allgemeine Justizgewährungspflicht entnehmen. Als Konsequenz des staatlichen Gewaltmonopols, des Selbsthilfeverbots und der allgemeinen Friedenspflicht der Bürger[75] korrespondiert damit i.d.R. ein aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. spezielleren Grundrechten abgeleiteter Justizgewährungsanspruch.[76] Dieser garantiert einen Mindeststandard, der auch im Rahmen des Verwaltungsrechtsschutzes nicht unterschritten werden darf, aber optimierungsfähig ist.[77]

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Zu den wesentlichen Ausprägungen des in Art. 20 Abs. 3 GG angesprochenen Rechtsstaatsprinzips zählt auch die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.[78] Soweit ihr Anwendungsbereich reicht, verdrängt sie den allgemeinen Justizgewährungsanspruch jedoch als lex specialis.[79] Letzterer hat – wie auch der übergreifende Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit – für den Verwaltungsrechtsschutz daher nur eine lückenfüllende Funktion.

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz › 3. Verwaltungsrechtsschutz als Teil materieller (Grund-)Rechtsgarantien

3. Verwaltungsrechtsschutz als Teil materieller (Grund-)Rechtsgarantien

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Da Rechte nur wirksam sind, wenn sie im Konfliktfall auch durchgesetzt werden können, ist die effektive Durchsetzbarkeit der von den einzelnen (Grund-)Rechten geschützten Interessen ein integraler Bestandteil dieser (Grund-)Rechte selbst.[80] Einem (Grund-)Recht wohnt daher typischerweise ein umfassendes „Effektivitätsgebot“ inne, das nicht nur Grundlage der aus dem einzelnen (Grund-)Recht abgeleiteten Abwehr-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche ist, sondern auch eine Vorwirkung in das Verwaltungsverfahren hinein entfaltet (due process). Zugleich ist es Basis für die Zuerkennung von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen.[81] Da all dies zur Effektivität eines (grund-)rechtlich geschützten Interesses bzw. subjektiven öffentlichen Rechts gehört, beinhaltet die Zuerkennung eines Abwehr-, Leistungs- oder Teilhaberechts gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung daher stets auch ein – in der Regel vor Gericht einzulösendes – Durchsetzungsversprechen. Ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Verwaltung ergibt sich damit auch unmittelbar aus dem jeweils betroffenen (Grund-)Recht. Das mag vor allem in den Rechtsordnungen Bedeutung erlangen, die keine ausdrückliche Rechtsschutzgarantie kennen.

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In Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland hat sich daraus eine Debatte ergeben, die – soweit ersichtlich – in anderen Rechtsordnungen so nicht geführt wird, die aber dennoch von allgemeinerer Bedeutung werden kann: Kennt die Verfassung – wie Art. 19 Abs. 4 GG – eine formelle Rechtsschutzgarantie, schließt das eine flankierende Herleitung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus den materiellen Grundrechten zwar nicht aus. Das Nebeneinander beider Gewährleistungen wirft – wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt[82] – jedoch die Frage auf, ob die Garantie effektiven Rechtsschutzes damit nicht funktionslos wird.[83] Hinzu kommt, dass die Beschränkungsmöglichkeiten von materiellen Grundrechten und Rechtsschutzgarantie häufig variieren.

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Eine konsistente Lösung ergibt sich, wenn man erkennt, dass Art. 19 Abs. 4 GG als formelles Hauptgrundrecht[84] – anders als die materiellen Grundrechte – selbst keine originären Ansprüche gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung begründet, sondern auf die Durchsetzung und Effektivierung der anderweitig begründeten Rechte und Ansprüche zielt. Indem er das den materiellen Grundrechten innewohnende Effektivitätsgebot aufgreift und für der Verwaltung zurechenbare Rechtsverletzungen einen effektiven gerichtlichen Individualrechtsschutz anordnet, erscheint er insoweit zum einen als lex specialis gegenüber den materiellen Gewährleistungen.[85] Zum anderen erfasst er auch allein aufgrund einfach-gesetzlicher Dezision begründete Rechte, soziale Leistungsrechte etwa, oder die wachsende Zahl von (Teilhabe-)Rechten auf unionsrechtlicher Grundlage (z.B. Anspruch auf Umweltinformationen gem. RiL 2003/4/EG, § 3 Abs. 1 UIG),[86] soweit der Gesetzgeber ihre Geltendmachung – vorbehaltlich unionsrechtlicher Vorgaben (Art. 47 GRCh)[87] – nicht ausgeschlossen hat.

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › III. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die organisatorische Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes

III. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die organisatorische Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes

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Konkrete Vorgaben organisatorischer Art für den Verwaltungsrechtsschutz finden sich in den einzelnen Rechtsordnungen in höchst unterschiedlichem Maße. Während die CF den Verwaltungsrechtsschutz nur beiläufig erwähnt,[88] finden sich in anderen Verfassungen vergleichsweise detaillierte Bestimmungen über Organisation und Verfahren der mit dem Verwaltungsrechtsschutz befassten Gerichte – in Polen[89] etwa oder in Österreich, wo das B-VG der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Abschnitt A des Siebenten Hauptstücks unzählige Detailregelungen widmet.[90]

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In Deutschland kann von einer Monopolisierung des Verwaltungsrechtsschutzes in den Händen der Verwaltungsgerichtsbarkeit(en) nicht die Rede sein. Das GG weist – im Wesentlichen aus historischen Gründen – bestimmte Streitigkeiten vielmehr den ordentlichen Gerichten zu (Art. 14 Abs. 3 Satz 4, Art. 34 Satz 3 GG),[91] ordnet eine Auffangzuständigkeit der ordentlichen Gerichte an (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG) und begnügt sich im Übrigen mit der Auflistung der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes, zu denen u.a. drei in der Sache dem Verwaltungsrechtsschutz dienende Gerichtshöfe gehören – das Bundesverwaltungsgericht, das Bundessozialgericht und der Bundesfinanzhof (Art. 95 Abs. 1 GG). Das GG geht damit zumindest von der Existenz von fünf Fachgerichtsbarkeiten mit den genannten Gerichtshöfen an ihrer Spitze aus. Dies steht einer Zusammenfassung der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit[92] zu einer einzigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie sie immer wieder diskutiert wird, zwar nicht im Wege; eine Mehrheit hat sich dafür in den letzten 70 Jahren jedoch nicht gefunden. Existenz und Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind damit zwar nicht rechtlich,[93] wohl aber faktisch abgesichert. Von der funktionalen Gleichwertigkeit aller fachgerichtlichen Rechtswege ausgehend,[94] verbürgt das GG zwar einen gerichtlichen Verwaltungsrechtsschutz, nicht aber auch einen Verwaltungsgerichtsschutz. Ob Verwaltungsrechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte oder die ordentlichen Gerichte gewährt wird, ist vielmehr eine Frage der (rechts-)politischen Zweckmäßigkeit. Kraft gesetzlicher Anordnung sind die ordentlichen Gerichte so auch jenseits des Bereichs von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 bzw. Art. 34 Satz 3 GG für Aufopferungsansprüche und Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung zuständig (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO), für Baulandsachen (§ 217 Abs. 1 Satz 4 BauGB), das Kartell-[95] und das Vergaberecht (§§ 97 ff. GWB)[96] sowie mittlerweile auch für weite Bereiche des Regulierungsrechts.[97] Aus alldem lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass der Verwaltungsrechtsschutz vorrangig der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen wäre. Der Verwaltungsrechtsschutz liegt vielmehr in den Händen von drei verwaltungsrechtlichen sowie der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Bei der Zuständigkeitsabgrenzung ist der Gesetzgeber relativ frei. Entsprechend unsystematisch, von tagespolitischen Kompromissen und den Interessen von Fachbruderschaften und Lobbyisten geprägt, fällt diese denn auch aus, wobei ein gewisses Ressentiment des Gesetzgebers gegen die als zu übergriffig empfundene Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht von der Hand zu weisen ist.

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In Italien hat die Cost. die seit dem 19. Jahrhundert historisch gewachsene Rechtswegabgrenzung zwischen ordentlichen und Verwaltungsgerichten anhand der Unterscheidung von diritti soggetivi und interessi legittimi[98] in Art. 24, Art. 103 und Art. 113 Cost. rezipiert und das Nebeneinander der beiden Gerichtszweige im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes verfassungskräftig festgeschrieben, dem Gesetzgeber allerdings auch hier Raum zur näheren Zuständigkeitsabgrenzung gelassen.[99] Eine vollständige Zuweisung aller Verwaltungsrechtsstreitigkeiten an die Verwaltungsgerichtsbarkeit erlaubt die Cost. aber nicht.[100]

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Hervorzuheben ist ferner der jüngst vollzogene – in seinen praktischen Auswirkungen freilich noch nicht klar abzuschätzende – Systemwechsel in Ungarn: Hatte man in Fortführung des sozialistischen Erbes zunächst an der Vorstellung einer einheitlichen Gerichtsbarkeit festgehalten und die für Verwaltungssachen zuständigen Spruchkörper organisatorisch bei den ordentlichen („Einheits“-)Gerichten angesiedelt, was neben anderen Schwierigkeiten einer Spezialisierung der Richter im Wege stand,[101] so hat die 7. Änderung des GrundG vom 28. Juni 2018 den die Gerichtsverfassung regelnden Art. 25 GrundG umfassend novelliert und eine institutionelle Trennung zwischen ordentlicher und (neu zu errichtender) Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt.[102] Während die ordentlichen Gerichte nunmehr exklusiv für die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit zuständig sind (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 GrundG), weist Art. 25 Abs. 3 Satz 1 GrundG der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Zuständigkeit für die „Verwaltungsrechtsstreitigkeiten und sonstige in einem Gesetz bestimmte Sachen“ zu. Hat der Gesetzgeber bei der Zuordnung von arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten noch Spielraum, sind die Verwaltungsstreitigkeiten den neuen Verwaltungsgerichten nunmehr ausschließlich und unentziehbar zugewiesen.