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Wer in Wien aufwächst, braucht Humor. Ganz viel Humor. Immerhin lebt man in einer Stadt, in der jede Generation für sich der Überzeugung ist, dass die Welt – oder vielmehr Wien, was aber für die Wiener auf dasselbe rauskommt – unweigerlich zu den eigenen Lebzeiten untergehen wird. Nicht umsonst sang Johann Nepomuk Nestroy schon vor annähernd 200 Jahren »Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang«. Wir maulen schrecklich gerne herum, wir Wiener, und wir kennen – angesichts unseres unausweichlichen Schicksals – gefühlt einhundert Synonyme für das Wort »sterben«, von denen einige so perfide-hinterhältig verklausuliert sind (»Er hat die Straßenbahnlinie 71 genommen«), dass ein »Piefke« nie im Leben auf die Idee käme, eben dem Tod ins Auge geblickt zu haben. Diesen düsteren Perspektiven kann man nur durch Alkohol (»Ein Viertel!« – »Weiß oder rot?« – »Slibowitz!«) entkommen – oder aber eben durch Humor, im gegebenen Fall durch schwarzen Humor.

Die Pythons Anfang der 1970er Jahre. Von links nach rechts: Eric Idle (er verdeckt Graham Chapman), Michael Palin, John Cleese, Terry Jones und Terry Gilliam.

An dem herrscht freilich in der Wiener Kunst kein Mangel. Man muss sich nur einmal die Gedichte von H. C. Artmann zu Gemüte führen, um zu wissen, was ich meine. Doch im Winter 1979/80 war ich gerade einmal 15 Jahre alt. und hätte

Ich war mit 15 gleich in mehrfacher Hinsicht unterdrückt – und zweifelsohne nirgendwo integriert –, weshalb mein Bedarf an schwarzem Humor vielleicht noch größer war als bei anderen. Und so saß ich eines Abends vor der Glotze und zappte die österreichischen TV-Kanäle durch. Alle beide, denn mehr hatten wir damals nicht. Auf ORF 2 zeigten sie eine Sendung namens Kunststücke. Oh Gott, dachte ich. Schon wieder so ein peinlicher Versuch zum Thema »Wie verbräme ich meine eigene Larmoyanz«. Doch plötzlich sah man da eine Landschaft mit Büschen, Hecken und ein paar Bäumen, anhand derer einem erklärt wurde, wie wichtig es sei, nicht gesehen zu werden – wurde man doch, einmal erblickt, gleich umgenietet. Nun, das passte ganz gut zu meiner eigenen Existenz, und so merkte ich auf. Nur 20 Minuten später war ich mir sicher: die Briten hatten dieselben Sorgen wie wir Wiener – und dieselbe Antwort darauf: Monty Python war in mein Leben getreten. Ohne sie hätte ich die Pubertät nicht überlebt.

England unmittelbar vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg: Winston Churchill zerquetscht seine Zigarre in Downing Street Nummer 10, dann nicht mehr und anschließend doch wieder. Die royalen Beamten tragen noch Melone, das Pfund ist noch das Pfund, und Wembley das Mekka des Fußballsports – nun, zumindest für die Engländer.

Man trinkt jeden Tag Punkt 17 Uhr – 5 p. m. – Tee, selbst wenn just gerade dann das ganze Empire untergehen sollte. Eine Gefahr freilich, die Ende der 1950er Jahre nicht mehr bestand. Es war bereits unwiderruflich abgesoffen. Auch sonst hatte man auf der Insel wenig zu lachen. Besonders, wenn man in der Provinz aufwuchs. In Northumberland beispielsweise. Vom wilden Wales ganz zu schweigen.

Aber das Schicksal meinte es noch einmal gut mit dem alten Albion. Wenn schon der Heilige Gral verschollen blieb, so wurde wenigstens eine geniale Komikertruppe gefunden. Der erste der »Glorreichen Sechs« (auf den siebenten musste man aus Copyrightgründen verzichten) fand sich in dem Südküstenkaff Weston-super-Mare. Sein Name: John Cheese. Cheese? Nun ja, glücklicherweise hatte sich sein Vater bereits 1915 dazu entschlossen, diesen Namen in Cleese zu ändern,

Cleese wurde am 27. Oktober 1939 geboren. Keine günstige Zeit für eine sorglose Jugend, denn England befand sich im Krieg, unter dem auch die anderen Pythons zu leiden haben sollten. Graham Chapman etwa, der am 8. Januar 1941 in Leicester zur Welt kam. Da tobte die Luftschlacht um England, und auch wenn die Stukas und Messerschmitt-Jäger schon ein wenig zurückhaltender auftraten, so sorgten sie immer noch für Nächte der Verdunkelung, für heulende Sirenen und unbequeme Klausur in stickigen Luftschutzkellern. Da hatte es Terry Jones, der am 1. Februar 1942 in Colwyn Bay in Wales geboren wurde, schon etwas besser. Bis dorthin reichte der Sprit der deutschen Flieger nicht. Als schließlich Eric Idle am 29. März 1943 in South Shields und Michael Palin am 5. Mai 1943 in Sheffield das Licht der Welt erblickten, da saßen ihrerseits die Berliner in stickigen Kellern, hörten jaulende Sirenen und machten auf Verdunkelung. Terry Gilliam freilich, der sechste im Bunde, ging auf Nummer sicher: Um gar nicht erst in die Nähe von Bomben und Pulverdampf zu gelangen, wählte er am 22. November 1940 das US-amerikanische Minneapolis als Ort für seine Geburt.

Die Heroen waren also geboren, was folgte, war ihr ganz individueller Weg ins humoristische Camelot. Cleese etwa ging nach Cambridge, wo er nicht nur seinen Abschluss in Jura machte, sondern auch erste Erfahrungen als Komödiant. Er schloss sich der »Footlight Dramatic Society« an, einer Kaderschmiede britischer Schauspielzunft. Seine ersten Sketche wurden in der Presse als »sadistisch« und »die schlechtesten von allen« verrissen, was das zahlende Publikum freilich ganz anders sah. Cleese erntete neben seinem Diplom auch ersten

Chapman studierte ebenfalls in Cambridge und promovierte zum Mediziner, ein Beruf, den er anfangs auch tatsächlich ausübte – während Cleese lediglich später in A Fish Called Wanda (Ein Fisch namens Wanda) als Anwalt praktizieren sollte. Chapman erkannte bald, dass er den Menschen eher half, wenn er sie zum Lachen brachte, und so hängte er den Arztkittel an den Haken und schloss sich den »Footlights« auf einer ihrer Auslandstourneen an. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war er wie sein Kumpel Cleese hauptberuflicher Comedian.

Auch Eric Idle verdiente seine ersten künstlerischen Sporen bei den »Footlights«, die ihn 1964 sogar zu ihrem Präsidenten wählten. Da war es für Idle keine schwierige Entscheidung mehr, nach seinem Studienabschluss in Anglistik der Welt der Wissenschaft zu entsagen und diese gegen die der Bühne einzutauschen. Er trat als Stand-up-Comedian auf und schrieb nebenher Texte für TV-Shows, ehe er 1967 das Angebot bekam, selbst für die BBC eine Show zu kreieren. Bei dieser Gelegenheit lernte er Michael Palin und Terry Jones kennen, die anders als Idle, Cleese und Chapman in Oxford studiert hatten.

Palin konnte von sich behaupten, als allererster der Pythons auf der Bühne gestanden zu haben, war er doch schon im Schultheater dadurch aufgefallen, dass er in einer Aufführung von Charles Dickens’ Weihnachtsklassiker A Christmas Carol im zarten Alter von fünf Jahren einen wahrhaft umwerfenden Auftritt hinlegte – er schaffte es, von der Bühne zu fallen. Dies hinterließ glücklicherweise ebenso wenig bleibende Spuren

Auch der sechste der Truppe machte sein Diplom: Terry Gilliam war seit 1962 ausgebildeter Politikwissenschaftler, was ihn aber ebenso wenig ausfüllte wie sein anschließender Job in einer Werbeagentur. So kehrte er Amerika den Rücken und ging nach London, wo er sich als Illustrator für die Sunday Times und andere Zeitungen verdingte. Wieder einmal brotlos geworden, wandte sich Gilliam an John Cleese, den er in New York anlässlich der »Footlight«-Tour kennengelernt hatte, und Cleese vermittelte Gilliam an die BBC. Damit standen alle sechs Pythons in einem Arbeitsverhältnis zu Großbritanniens Rundfunk, und so konnte es entsprechend nicht lange ausbleiben, dass der Sender mit dem ganzen halben Dutzend etwas Eigenes auf die Beine stellen wollte.

Monty Python’s Flying Circus – Die 1. Staffel

Die Zeugungsstunde von Monty Python schlug mithin am 23. Mai 1969, als sich John Howard Davies, der Repräsentant der BBC, mit den sechs Komödianten und Ian MacNaughton, der beim Fliegenden Zirkus (Monty Python’s Flying Circus) die Regie übernehmen sollte, zusammensetzte, um eine vollkommen neue TV-Show ins Leben zu rufen. Es gelang ihnen, einen Termin beim zuständigen Abteilungsleiter für Komödien und Unterhaltung zu bekommen, dem sie ihre Ideen vortrugen. Der hörte eine Weile mehr oder minder gelangweilt zu, ehe er

Den Pythons war also völlig freie Hand gelassen worden, wie sie die Shows gestalten wollten. Sie begaben sich in Schreibklausur, um entsprechend witziges Material zu schaffen. Dabei wurde auf die bereits zuvor bewährten Teams zurückgegriffen: Cleese schrieb mit Chapman, Palin mit Jones und Idle mit sich selbst. Gilliam war die meiste Zeit auf Tauchstation, und niemand wusste, ob – und falls ja, woran – er arbeitete. In sporadischen Abständen tauchte er aber doch auf und knallte dann den Übrigen seine gesammelten Werke auf den Tisch – diese damit durchaus beeindruckend.

So konnten am 30. August 1969 die Dreharbeiten beginnen. Allerdings zeigte sich rasch, dass man am Detail doch noch feilen musste. So brauchte es verbindende Elemente, welche die einzelnen Sketche zusammenhalten konnten. Es galt, einige Standards zu schaffen, die leitmotivisch immer wiederkehrten.

Eines davon war der »It’s-Mann«, den Michael Palin verkörperte. Es handelt sich um eine Art Schiffbrüchigen, der, verwahrlost und zerzaust, dem Meer endlich entronnen, unter Aufbietung seiner allerletzten Kräfte an Land torkelt und auf die Kamera zuhält, um dort lediglich dieses »It’s« zuwege zu bringen, ehe er ohnmächtig zusammenbricht. Mit diesem Kunstgriff zeigten die Pythons erstmals auf, wie man herkömmliche TV-Formate intelligent gegen den Strich bürsten konnte. Denn jede konventionelle Show hat ihren Ansager, der das folgende Programm ankündigt – meist eine flotte Dame oder einen eleganten Herrn, die sich in Floskeln à la »Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir präsentieren Ihnen nun …« oder »Wir wünschen gute Unterhaltung bei«

Wie dieser »Präsentator« wurde auch die Titelmusik als Leitmotiv verwendet und mauserte sich schnell zum Erkennungszeichen. Eines, das eher zufällig ins Programm rutschte. Aus finanziellen Gründen waren die Pythons auf der Suche nach einem rechtefreien Stück und stießen bei ihrer Suche in den Archiven der BBC auf den »Liberty Bell«-Marsch von John Philip Sousa, der, Zauber des Augenblicks, sofort ihre Begeisterung erweckte.

So nach und nach kamen weitere fixe Bestandteile mit dementsprechendem Wiedererkennungswert dazu, die »Gumbys« zum Beispiel, ziemlich einfältig dreinschauende Gestalten in Gummistiefeln und viel zu enger Gewandung, die ein verknotetes Taschentuch auf dem Kopf trugen und feststellten, dass ihnen das Gehirn wehtue – das andere wohlgemerkt, nicht jenes im Kopf, damit nahelegend, es gäbe deren zwei.

Und auch der berühmte Satz »And now for something completely different« (»Kommen wir nun zu etwas völlig anderem«) war in der ursprünglichen TV-Serie kein kennzeichnendes Merkmal. Der fiel so angelegentlich – und wurde erst durch den Kinofilm And Now for Something Completely Different (Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft) zum geflügelten Wort.

Am 5. Oktober 1969 war es dann soweit. Die erste Folge des Fliegenden Zirkus ging auf Sendung. Und die wartete gleich mit ein paar Sequenzen auf, die es zu Klassikern brachten. Der tödliche Witz war ebenso enthalten wie das Radrennen der Maler und das legendäre Interview mit dem Komponisten Arthur Jackson, an dem wesentlich mehr zu interessieren schien,

In der zweiten Folge eine Woche später konnte man sich darüber Gedanken machen, wie man Schafe für die Luftfahrt nützen kann. Dass dieses Konzept dabei von zwei Franzosen vorgestellt wird, die sich extra vor jedem Einsatz einen falschen Schnurrbart unter die Nase klatschen, mag vor allem für die Engländer einen zusätzlichen Reiz gehabt haben. Dabei freilich sollte nicht vergessen werden, dass ein cleveres Schaf das gefährlichste aller Tiere ist. Nun, zumindest teilweise, denn später wird man erfahren, dass auch ein verwundeter Moskito nicht zu unterschätzen ist.

In der dritten Folge nahmen Python die schon damals sehr populären Superhelden satirisch aufs Korn. Ihre Antwort auf Bat-, Super- und Spiderman war »Bicycle Repairman«, ein an sich stiller Charakter, der ausrückt, nun, nicht um die Welt zu retten, sondern um Fahrräder zu reparieren. Kein Wunder, dass er bescheiden bleibt und um sein großartiges Tun kein sonderliches Aufsehen gemacht wissen will. Ebenfalls in Folge drei wurde der Sketch um die verführten und so ins Unglück gestürzten Milchmänner integriert, ein Scherz, der uns heute anachronistisch anmutet, da die jüngere Generation vermutlich gar nicht mehr weiß, dass es einmal eine Zeit gab, in der die Milch vor die Haustür geliefert wurde. Aber auch ein Sketch, der Python vor Augen führte, dass sie die Mithilfe echter Frauen benötigten. Denn wenn sie auch selbst skurrile

In Folge 5 findet sich das »Silly Job Interview«. Ein Arbeitsuchender sieht sich unendlichen Demütigungen gegenüber und versucht angesichts des geballten Schwachsinns, der ihm entgegengebracht wird, verzweifelt Haltung zu bewahren, bloß um am Ende zu erfahren, dass der Job längst vergeben ist und man nur ein wenig Spaß mit ihm haben wollte. Ein Witz, den jeder Arbeitssuchende nur zu gut versteht, weil Posten durch Protektion und Filz allzu oft an irgendwelche Günstlinge gehen, während Qualifikation und Leistung genau gar nichts zählen.

In dieser Folge taucht eben auch der »Gumby« erstmals auf, der unter Pythonfans einen derartigen Stellenwert erlangte, dass nicht wenige in solcher Verkleidung bei den Liveshows der Truppe auftauchten. Die »alten Schachteln« hingegen, die im Laufe der Serie ebenfalls zu einem Running Gag werden, brachten es auf weit weniger Nachahmer unter den Anhängern der Gruppe.

Auch Folge 6 wartet mit einem Sketch auf, der später zu einem Klassiker bei den Liveshows wurde: »Crunchy Frog«, eine herrliche Persiflage auf die diversen Geschmacksverirrungen einer Gesellschaft, der plötzlich »normale« Schokolade allein nicht mehr gut genug war. Der Witz wirkt noch heute, wo sich der Konsument mit Schokoladen mit Hanf, Pfeffer oder Veilchengeschmack konfrontiert sieht. Und während sich der Constabler in der TV-Folge noch damit begnügt, schnell mal nach nebenan zu eilen, um sich angesichts dessen, was er offenkun