cover
image
image
image
image

ISBN 978-3-95845-763-8

www.mitp.de

© 2014 mitp-Verlags GmbH & Co. KG, Frechen

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Übersetzung der englischen Originalausgabe:

Übersetzung: Claudia Koch

Dieses Ebook verwendet das ePub-Format und ist optimiert für die Nutzung mit dem iBooks-Reader auf dem iPad von Apple. Bei der Verwendung von anderen Readern kann es zu Darstellungsproblemen kommen.

Der Verlag räumt Ihnen mit dem Kauf des Ebooks das Recht ein, die Inhalte im Rahmen des geltenden Urheberrechts zu nutzen. Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Verlag schützt seine Ebooks vor Missbrauch des Urheberrechts durch ein digitales Rechtemanagement. Bei Kauf im Webshop des Verlages werden die Ebooks mit einem nicht sichtbaren digitalen Wasserzeichen individuell pro Nutzer signiert. Bei Kauf in anderen Ebook-Webshops erfolgt die Signatur durch die Shopbetreiber. Angaben zu diesem DRM finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Anbieter.

INHALT

EINFÜHRUNG

I. BILDAUSSCHNITT

Exakt

Kanten ausrichten

Lose

Einpassen

Rahmen aufbrechen

Hoch

Quadrat

Breit

Panorama

Hinter den Kulissen

II. PLATZIERUNG

Abseits der Mitte

Mittig

Extrem

Gerahmt

Gerade so

Mensch in einer Landschaft

Aufdecken

Two-shot

III. TRENNEN

Klassisch

Symmetrisch

Exzentrisch

Spalten

Winklig

Geradlinig

IV. GRAFIK

Horizontale Linien

Vertikale Linien

Diagonalen

Kurven

Dreiecke

Kreise

Rhythmus

Muster & Feld

V. STANDORT

Geradezu

Hoch

Luftbild

Tief

Hindurchsehen

Tunnel

Präzision

Nah

Distanz

VI. OPTIK

Tief

Unmöglich tief

Selektiv

Farbschleier im Hintergrund

Farbschleier im Vordergrund

Neigung

Kontrafokus

Shift

Weitwinkel und rein

Cooles Tele

VII. BEWEGUNG

Einfrieren

In der Luft

Schlieren

Reingehen

Rausgehen

Moment

Blickrichtung

VIII. FARBE

Reichhaltig

Pastell

Gedämpft

Thema

Palette

Schmuckfarbe

Kontrast

IX. GEGENÜBER

Unwissend

Nah-Fern

Kompression

Stapeln

Ebenen

Tableau

Silhouette

Zufällige Aktionen

X. KOMBINIEREN

Collage

Schritte

Bildmischung – Composite

Grafische Montage

Praktische Montage

Sequenz

Installation

Index

images

EINFÜHRUNG

Dieses Buch beginnt da, wo mein »Der fotografische Blick« aufgehört hat. Damals ging es vor allem darum, wie die Kamera funktioniert. Was mir bei diesem Buch und seinen Nachauflagen auffiel, ist, dass es häufiger einfacher gewesen wäre, sich auf ein Detail der Komposition oder von Farbe zu konzentrieren, indem man statt Worten lieber Bilder sprechen lässt. Das ist nun hier die Prämisse. Hier finden Sie nur den Minimaltext, der zum Verständnis nötig ist, die eigentliche Botschaft wird von den Bildern vermittelt. Dadurch konnte ich mich ganz meiner Leidenschaft für Illustrationen hingeben, allerdings werden Sie sich fragen, wieso ein Fotograf etwas illustrieren muss, wenn er doch die Kamera zur Hand hat. Diese Frage kann ich leider nicht wirklich beantworten, aber irgendwie gehört beides für mich zusammen. Jedenfalls dachte ich, dass Text und Bilder vom Gehirn auf so verschiedene Weise verarbeitet werden, dass bei jedem illustrierten Buch ziemliche Gedankensprünge erforderlich sind, wenn das Auge des Betrachters von Bild zu Bild schweift.Hier können Sie Ihr Hirn mal etwas in Ruhe lassen. Die meisten Informationen sind rein visueller Natur oder spielen sich auf grafischer Ebene ab. Die Fotografie selbst ist eine rein optische Erfahrung; all das, was vom Moment der Aufnahme also an den Betrachter kommuniziert werden soll, muss später umständlich rekonstruiert werden, wenn man dazu Wörter verwendet.

Dies entspricht ziemlich genau meiner Vorstellung dessen, was beim Fotografieren wichtig ist. Ich lasse also bewusst Dinge weg, das nehme ich auf meine eigene Kappe. Für mich spricht die Fotografie drei Arten von Fähigkeiten an, ich bezeichne sie als technische, visuelle und konzeptionelle. Sie unterscheiden sich; alle sind wichtig, und als umfassend fähiger Fotograf müssen Sie nicht nur alle drei haben, sondern auch noch in der Balance halten. Technische Fähigkeiten haben mit dem Umgang mit der Kamera zu tun, sich mit Belichtung, Schärfentiefe und Bildverarbeitung am Computer auszukennen. Darauf konzentrieren sich fast alle Bücher und Websites zum Thema, und sie sind ja auch entscheidend – aber sie sind eben auch nur der Anfang. Visuelle Fähigkeiten haben mit Sehen, Verstehen, Bildausschnitte wählen und Bildkomposition zu tun. Hier ist die Fotografie nicht mehr nur etwas für Nerds, sondern wird zur Faszination. Die dritte Art von Fähigkeiten hat mit dem Konzept zu tun. Das muss Sie nicht erschrecken, im Grunde geht es lediglich darum, genau zu wissen, was man fotografieren und darstellen will. Sind Sie auf Schönheit, Dramatik oder ein Spektakel aus? Oder wollen Sie Ihr Publikum zu etwas überreden? Oder mit der Kamera eine Geschichte erzählen?

Da sich die meisten Texte über die Fotografie vor allem auf die Technik stützen, habe ich immer versucht, die anderen beiden Seiten in den Mittelpunkt zu rücken, denn sie verdienen mehr Aufmerksamkeit, als sie bisher bekommen. In diesem Buch konzentriere ich mich vor allem auf visuelle Fertigkeiten, die sich allerdings ohne technische Kenntnisse nicht umsetzen lassen, zum Beispiel müssen Sie wissen, wie Sie die richtige Schärfentiefe für ein bestimmtes Motiv wählen und welche Belichtungszeit Ihnen dazu die gewünschte Bewegung oder deren Stillstand im Bild liefert. Auch kann man sie nicht komplett vom Konzept loslösen, zum Beispiel indem man durch die Gegenüberstellung zweier Motive eine Botschaft kommuniziert.

Darauf folgt eine kurze Erklärung, wie und warum diese Bilder funktionieren, denn ich brauche nicht viele Worte. Um diesem riesigen Thema etwas mehr Struktur zu geben, finden Sie in diesem Buch zehn Kapitel, von denen sich jedes auf ein Kernthema der Fotografie konzentriert, von der grundlegenden Wahl des Bildausschnitts bis zur Arbeit mit Ideen und Vorstellungen bei der Kombination und Gegenüberstellung von Bildelementen.

image

Zwischen der Wahl des Bildausschnitts und der Bildkomposition besteht ein kleiner, dennoch feiner Unterschied. Komposition (oder Design, wenn Sie wollen) deckt den gesamten Bereich der Bildorganisation ab, während sich die Wahl des Bildausschnitts darauf beschränkt, die Szene abzugrenzen, bevor man sich überhaupt Gedanken um die Beziehung zwischen den Elementen des Bildes macht. Nicht zufällig stammt der Begriff aus der Filmbranche, wo eine Szene gewählt wird, in der sich die Action abspielt. In der Fotografie ist die Abgrenzung vielleicht nicht ganz so extrem, schließlich handelt es sich hier um Einzelbilder, aber wo man eine Landschaft, eine Person oder ein Objekt anschneidet bzw. was man aus dem Bild herauslässt bzw. mit hineinnimmt, entscheidet sehr wohl über die Wirkung des Bildes.

EXAKT

In die Wahl des Bildausschnitts können Sie jede Menge Zeit und Energie investieren. Das Extrem ist vermutlich die Stilllebenfotografie im Studio, denn dort haben Sie volle Kontrolle über alles und müssen sich deswegen auch um alles kümmern. Hier geht es um eine weiße Kaurimuschel. Es könnte einfacher nicht sein? Auch Set und Beleuchtung sind denkbar simpel: schwarzes Acryl als Oberfläche und eine große Softbox von oben. Das sind keine kurz entschlossenen 08/15-Entscheidungen, sondern das ist die beste Möglichkeit, Volumen und Form darzustellen. Ich bin nah ans Motiv herangegangen, weil ich mit den eleganten Formen spielen wollte und weil Details eine ganz andere Wahrnehmung auslösen können. Aber wie viel von der Muschel soll ins Bild? Wie nah soll die gebogene Linie an die Kanten des Bildes heranreichen? Wie teile ich die Proportionen zwischen schwarzem Hintergrund und roter Innenseite der Muschel auf? Die Öffnungen und Lücken waren zu dem Winkel proportional, in dem die Kurven der Muschel mit den Bildkanten interagieren.

images

Kaurimuschel, 1981

images

Vor schwarzem Acryl mit weichem Licht von oben

images

Der Bildausschnitt bei einer 4x5-Zoll-Sucherkamera

images

Der Winkel der Kurven, die den Bildausschnitt teilen, beeinflusste die Größe der Unterteilungen.

images

Auch die Proportionen der drei Farben wurden berücksichtigt.

KANTEN AUSRICHTEN

Gerade Kanten im Motiv, die sich nah am Bildrand befinden, erfordern eine neue Beziehung zueinander. Je näher sie aneinander stehen, desto stärken wirken sie – da wird eine starke Anziehungskraft deutlich. Diese Ausrichtung von einem Irrawaddy-Boot in Burma ist äußerst geradlinig und kastig und ließ sich kaum vermeiden. Ich stand nämlich an einer der Fähranlegestellen am anderen Flussufer und wollte das Leben auf einem solchen Boot fotografieren. Die verschiedenen Öffnungen des Bootes rahmten das normale Leben einer burmesischen Familie ein, die zwei oder drei Tage flussaufwärts reiste. Ich konzentrierte mich auf die Frau, die ein Laken zum Trocknen in die Sonne hängte. Das Licht war frontal und intensiv, darum kam mir die Idee eines frontalen Bildausschnitts. So ließ sich diese Ausrichtung nicht vermeiden und des ohnehin starken Kontrasts wegen hielt ich den Abstand zwischen der Kante oben links und dem Bildrand auf einem Minimum.

images

Mandalay–Bhamo, öffentliches Verkehrsboot, 2009

images

Die Seite des Bootes schuf bereits den Rahmen, aber bei dieser Helligkeit musste er schmaler sein, damit er nicht das Motiv überstrahlte.

images

Die Bildsequenz

LOSE

Lose Bildausschnitte sind nicht gleichbedeutend mit unbedachten oder schlampigen Motivwahlen. Lose heißt hier, sich nicht unbedingt auf den einen Ausschnitt zu versteifen oder sich darauf festzulegen, wie Objekte mit den Kanten und Ecken des Bildes zu interagieren haben. Ebenso kann man tolerieren, wenn der Bildrand eine Person oder einen Gegenstand anschneidet. Das ist zum Teil Einstellungsfrage, aber sie passt zu Situationen, in denen die Aktion die Oberhand über die Details im Bild gewinnt. Dieses Foto stammt von der Ernte auf einer Teeplantage in Assam. Sie sehen eine Weitwinkelaufnahme (24 mm), weniger, um die Szene im Bild zusammenzuhalten, als sich mit dem Foto unter die Leute zu mischen und die Aktion aus der Nähe fotografieren zu können. Das Auge des Betrachters konzentriert sich auf die Handlungen und Gesten und wird kaum vom Rand abgelenkt. In einer geschäftigen Szene wie dieser sind Ränder und Kanten weniger prominent. Wichtig ist die Interaktion von drei Elementen: der Frau im Vordergrund, der dahinter, die ihr hilft, den Teeblättern, die ausgeschüttet werden. Alles andere ist zweitrangig.

images

Teeernte, Assam, 2009

images

Alle Aufnahmen, die innerhalb von weniger als einer Minute entstanden

images

Die Aufnahmesituation basiert auf drei Einheiten – den beiden Frauen und dem Tee – und deren Anordnung im Bild

EINPASSEN

Wenn Sie auf Präzision und Ausrichtung aus sind und die Form des Motivs dem Bildformat ähnelt – oder daran angepasst werden kann –, können Sie die Ecken und Kanten ganz clever so anlegen, dass alles zusammenpasst. Das klingt jedoch einfacher, als es ist. Eine Kleinigkeit, und alles fällt zusammen, wenn etwas Wichtiges die Kante berührt oder überschreitet. Natürlich können Sie das Bild später so beschneiden, dass es passt, aber darum geht es ja im Grunde nicht, oder? Damit Sie zufrieden sind und alles chic ist, muss das Motiv ins Bild passen. Mit jeder Menge an Positionswechseln und dem Ausprobieren verschiedener Objektive lässt sich sogar einige Zeit zubringen. Hier in Stykkisholmur, Island, fand ich eine eingezäunte Kirche, die sauber und ordentlich aussah – und eine Kameraposition, die funktionieren würde. Die kleine Lücke oben, über dem Kreuz, ist Absicht – alles andere würde zu gequetscht wirken. Entscheidend ist, alles ausgerichtet zu halten und ein wachsames Auge auf jede Ecke und Kante zu bewahren.

images