Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-95845-763-8
1. Auflage 2014
www.mitp.de
E-Mail: mitp-verlag@sigloch.de
Telefon: +49 7953 / 7189 – 079
Telefax: +49 7953 / 7189 – 082
© 2014 mitp-Verlags GmbH & Co. KG, Frechen
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Übersetzung der englischen Originalausgabe:
Michael Freeman: The Photographer’s Eye: A Graphic Guide
© 2013 The Ilex Press Limited
First published in the USA 2013 by Focal Press 210 High Street
Lewes
East Sussex BN7 2NS
Übersetzung: Claudia Koch
Lektorat: Katja Völpel
Sprachkorrektorat: Petra Heubach-Erdmann
Covergestaltung: Christian Kalkert
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
Dieses Ebook verwendet das ePub-Format und ist optimiert für die Nutzung mit dem iBooks-Reader auf dem iPad von Apple. Bei der Verwendung von anderen Readern kann es zu Darstellungsproblemen kommen.
Der Verlag räumt Ihnen mit dem Kauf des Ebooks das Recht ein, die Inhalte im Rahmen des geltenden Urheberrechts zu nutzen. Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Der Verlag schützt seine Ebooks vor Missbrauch des Urheberrechts durch ein digitales Rechtemanagement. Bei Kauf im Webshop des Verlages werden die Ebooks mit einem nicht sichtbaren digitalen Wasserzeichen individuell pro Nutzer signiert. Bei Kauf in anderen Ebook-Webshops erfolgt die Signatur durch die Shopbetreiber. Angaben zu diesem DRM finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Anbieter.
EINFÜHRUNG
I. BILDAUSSCHNITT
Exakt
Kanten ausrichten
Lose
Einpassen
Rahmen aufbrechen
Hoch
Quadrat
Breit
Panorama
Hinter den Kulissen
II. PLATZIERUNG
Abseits der Mitte
Mittig
Extrem
Gerahmt
Gerade so
Mensch in einer Landschaft
Aufdecken
Two-shot
III. TRENNEN
Klassisch
Symmetrisch
Exzentrisch
Spalten
Winklig
Geradlinig
IV. GRAFIK
Horizontale Linien
Vertikale Linien
Diagonalen
Kurven
Dreiecke
Kreise
Rhythmus
Muster & Feld
V. STANDORT
Geradezu
Hoch
Luftbild
Tief
Hindurchsehen
Tunnel
Präzision
Nah
Distanz
VI. OPTIK
Tief
Unmöglich tief
Selektiv
Farbschleier im Hintergrund
Farbschleier im Vordergrund
Neigung
Kontrafokus
Shift
Weitwinkel und rein
Cooles Tele
VII. BEWEGUNG
Einfrieren
In der Luft
Schlieren
Reingehen
Rausgehen
Moment
Blickrichtung
VIII. FARBE
Reichhaltig
Pastell
Gedämpft
Thema
Palette
Schmuckfarbe
Kontrast
IX. GEGENÜBER
Unwissend
Nah-Fern
Kompression
Stapeln
Ebenen
Tableau
Silhouette
Zufällige Aktionen
X. KOMBINIEREN
Collage
Schritte
Bildmischung – Composite
Grafische Montage
Praktische Montage
Sequenz
Installation
Index
Dieses Buch beginnt da, wo mein »Der fotografische Blick« aufgehört hat. Damals ging es vor allem darum, wie die Kamera funktioniert. Was mir bei diesem Buch und seinen Nachauflagen auffiel, ist, dass es häufiger einfacher gewesen wäre, sich auf ein Detail der Komposition oder von Farbe zu konzentrieren, indem man statt Worten lieber Bilder sprechen lässt. Das ist nun hier die Prämisse. Hier finden Sie nur den Minimaltext, der zum Verständnis nötig ist, die eigentliche Botschaft wird von den Bildern vermittelt. Dadurch konnte ich mich ganz meiner Leidenschaft für Illustrationen hingeben, allerdings werden Sie sich fragen, wieso ein Fotograf etwas illustrieren muss, wenn er doch die Kamera zur Hand hat. Diese Frage kann ich leider nicht wirklich beantworten, aber irgendwie gehört beides für mich zusammen. Jedenfalls dachte ich, dass Text und Bilder vom Gehirn auf so verschiedene Weise verarbeitet werden, dass bei jedem illustrierten Buch ziemliche Gedankensprünge erforderlich sind, wenn das Auge des Betrachters von Bild zu Bild schweift.Hier können Sie Ihr Hirn mal etwas in Ruhe lassen. Die meisten Informationen sind rein visueller Natur oder spielen sich auf grafischer Ebene ab. Die Fotografie selbst ist eine rein optische Erfahrung; all das, was vom Moment der Aufnahme also an den Betrachter kommuniziert werden soll, muss später umständlich rekonstruiert werden, wenn man dazu Wörter verwendet.
Dies entspricht ziemlich genau meiner Vorstellung dessen, was beim Fotografieren wichtig ist. Ich lasse also bewusst Dinge weg, das nehme ich auf meine eigene Kappe. Für mich spricht die Fotografie drei Arten von Fähigkeiten an, ich bezeichne sie als technische, visuelle und konzeptionelle. Sie unterscheiden sich; alle sind wichtig, und als umfassend fähiger Fotograf müssen Sie nicht nur alle drei haben, sondern auch noch in der Balance halten. Technische Fähigkeiten haben mit dem Umgang mit der Kamera zu tun, sich mit Belichtung, Schärfentiefe und Bildverarbeitung am Computer auszukennen. Darauf konzentrieren sich fast alle Bücher und Websites zum Thema, und sie sind ja auch entscheidend – aber sie sind eben auch nur der Anfang. Visuelle Fähigkeiten haben mit Sehen, Verstehen, Bildausschnitte wählen und Bildkomposition zu tun. Hier ist die Fotografie nicht mehr nur etwas für Nerds, sondern wird zur Faszination. Die dritte Art von Fähigkeiten hat mit dem Konzept zu tun. Das muss Sie nicht erschrecken, im Grunde geht es lediglich darum, genau zu wissen, was man fotografieren und darstellen will. Sind Sie auf Schönheit, Dramatik oder ein Spektakel aus? Oder wollen Sie Ihr Publikum zu etwas überreden? Oder mit der Kamera eine Geschichte erzählen?
Da sich die meisten Texte über die Fotografie vor allem auf die Technik stützen, habe ich immer versucht, die anderen beiden Seiten in den Mittelpunkt zu rücken, denn sie verdienen mehr Aufmerksamkeit, als sie bisher bekommen. In diesem Buch konzentriere ich mich vor allem auf visuelle Fertigkeiten, die sich allerdings ohne technische Kenntnisse nicht umsetzen lassen, zum Beispiel müssen Sie wissen, wie Sie die richtige Schärfentiefe für ein bestimmtes Motiv wählen und welche Belichtungszeit Ihnen dazu die gewünschte Bewegung oder deren Stillstand im Bild liefert. Auch kann man sie nicht komplett vom Konzept loslösen, zum Beispiel indem man durch die Gegenüberstellung zweier Motive eine Botschaft kommuniziert.
Darauf folgt eine kurze Erklärung, wie und warum diese Bilder funktionieren, denn ich brauche nicht viele Worte. Um diesem riesigen Thema etwas mehr Struktur zu geben, finden Sie in diesem Buch zehn Kapitel, von denen sich jedes auf ein Kernthema der Fotografie konzentriert, von der grundlegenden Wahl des Bildausschnitts bis zur Arbeit mit Ideen und Vorstellungen bei der Kombination und Gegenüberstellung von Bildelementen.
Zwischen der Wahl des Bildausschnitts und der Bildkomposition besteht ein kleiner, dennoch feiner Unterschied. Komposition (oder Design, wenn Sie wollen) deckt den gesamten Bereich der Bildorganisation ab, während sich die Wahl des Bildausschnitts darauf beschränkt, die Szene abzugrenzen, bevor man sich überhaupt Gedanken um die Beziehung zwischen den Elementen des Bildes macht. Nicht zufällig stammt der Begriff aus der Filmbranche, wo eine Szene gewählt wird, in der sich die Action abspielt. In der Fotografie ist die Abgrenzung vielleicht nicht ganz so extrem, schließlich handelt es sich hier um Einzelbilder, aber wo man eine Landschaft, eine Person oder ein Objekt anschneidet bzw. was man aus dem Bild herauslässt bzw. mit hineinnimmt, entscheidet sehr wohl über die Wirkung des Bildes.
In die Wahl des Bildausschnitts können Sie jede Menge Zeit und Energie investieren. Das Extrem ist vermutlich die Stilllebenfotografie im Studio, denn dort haben Sie volle Kontrolle über alles und müssen sich deswegen auch um alles kümmern. Hier geht es um eine weiße Kaurimuschel. Es könnte einfacher nicht sein? Auch Set und Beleuchtung sind denkbar simpel: schwarzes Acryl als Oberfläche und eine große Softbox von oben. Das sind keine kurz entschlossenen 08/15-Entscheidungen, sondern das ist die beste Möglichkeit, Volumen und Form darzustellen. Ich bin nah ans Motiv herangegangen, weil ich mit den eleganten Formen spielen wollte und weil Details eine ganz andere Wahrnehmung auslösen können. Aber wie viel von der Muschel soll ins Bild? Wie nah soll die gebogene Linie an die Kanten des Bildes heranreichen? Wie teile ich die Proportionen zwischen schwarzem Hintergrund und roter Innenseite der Muschel auf? Die Öffnungen und Lücken waren zu dem Winkel proportional, in dem die Kurven der Muschel mit den Bildkanten interagieren.
Gerade Kanten im Motiv, die sich nah am Bildrand befinden, erfordern eine neue Beziehung zueinander. Je näher sie aneinander stehen, desto stärken wirken sie – da wird eine starke Anziehungskraft deutlich. Diese Ausrichtung von einem Irrawaddy-Boot in Burma ist äußerst geradlinig und kastig und ließ sich kaum vermeiden. Ich stand nämlich an einer der Fähranlegestellen am anderen Flussufer und wollte das Leben auf einem solchen Boot fotografieren. Die verschiedenen Öffnungen des Bootes rahmten das normale Leben einer burmesischen Familie ein, die zwei oder drei Tage flussaufwärts reiste. Ich konzentrierte mich auf die Frau, die ein Laken zum Trocknen in die Sonne hängte. Das Licht war frontal und intensiv, darum kam mir die Idee eines frontalen Bildausschnitts. So ließ sich diese Ausrichtung nicht vermeiden und des ohnehin starken Kontrasts wegen hielt ich den Abstand zwischen der Kante oben links und dem Bildrand auf einem Minimum.
Lose Bildausschnitte sind nicht gleichbedeutend mit unbedachten oder schlampigen Motivwahlen. Lose heißt hier, sich nicht unbedingt auf den einen Ausschnitt zu versteifen oder sich darauf festzulegen, wie Objekte mit den Kanten und Ecken des Bildes zu interagieren haben. Ebenso kann man tolerieren, wenn der Bildrand eine Person oder einen Gegenstand anschneidet. Das ist zum Teil Einstellungsfrage, aber sie passt zu Situationen, in denen die Aktion die Oberhand über die Details im Bild gewinnt. Dieses Foto stammt von der Ernte auf einer Teeplantage in Assam. Sie sehen eine Weitwinkelaufnahme (24 mm), weniger, um die Szene im Bild zusammenzuhalten, als sich mit dem Foto unter die Leute zu mischen und die Aktion aus der Nähe fotografieren zu können. Das Auge des Betrachters konzentriert sich auf die Handlungen und Gesten und wird kaum vom Rand abgelenkt. In einer geschäftigen Szene wie dieser sind Ränder und Kanten weniger prominent. Wichtig ist die Interaktion von drei Elementen: der Frau im Vordergrund, der dahinter, die ihr hilft, den Teeblättern, die ausgeschüttet werden. Alles andere ist zweitrangig.
Wenn Sie auf Präzision und Ausrichtung aus sind und die Form des Motivs dem Bildformat ähnelt – oder daran angepasst werden kann –, können Sie die Ecken und Kanten ganz clever so anlegen, dass alles zusammenpasst. Das klingt jedoch einfacher, als es ist. Eine Kleinigkeit, und alles fällt zusammen, wenn etwas Wichtiges die Kante berührt oder überschreitet. Natürlich können Sie das Bild später so beschneiden, dass es passt, aber darum geht es ja im Grunde nicht, oder? Damit Sie zufrieden sind und alles chic ist, muss das Motiv ins Bild passen. Mit jeder Menge an Positionswechseln und dem Ausprobieren verschiedener Objektive lässt sich sogar einige Zeit zubringen. Hier in Stykkisholmur, Island, fand ich eine eingezäunte Kirche, die sauber und ordentlich aussah – und eine Kameraposition, die funktionieren würde. Die kleine Lücke oben, über dem Kreuz, ist Absicht – alles andere würde zu gequetscht wirken. Entscheidend ist, alles ausgerichtet zu halten und ein wachsames Auge auf jede Ecke und Kante zu bewahren.