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Er stellte das leere Glas auf die Bar und ging Richtung Tür. Der lebhafte Vorbote aus Südwest, der ihn die Kearny hinauf begleitet hatte, löste jetzt sein Versprechen auf Regen ein. Klinger schlug den Kragen hoch, bahnte
sich seinen Weg durch die Raucher, die sich am Eingang zusammendrängten, und trat auf den Bürgersteig.
An der Stockton ging er nach links und eilte, Wind und Regen zwischen den Zähnen, nach Süden. Abgesehen von abgedunkelten Restaurants, wo Angestellte in den hinteren
Bereichen rund um große Tische saßen, waren alle Ladenfronten in Chinatown verrammelt. Ohne ersichtlichen Grund
fiel Klinger ein, dass 94133 die Postleitzahl von Chinatown war.
Um einem ansonsten unvermeidlichen Durchnässen zuvorzukommen und in der Hoffnung, der Regen werde nachlassen, harrte er am
südlichen Ende des Stockton Tunnels aus, bis ein vorbeifahrender Gelenkbus – drei Elemente, die beiden hinteren mit jeweils zwei Paar Doppelreifen – ihn nach allen Regeln der Kunst durchnässte. So viel zu dieser spontan gefällten Entscheidung. Er trat hinaus in den strömenden Regen und schleppte sich die restlichen elf Blocks hoch zum Hawse Hole.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Es wäre Klinger nie in den Sinn gekommen, den Bus zu nehmen. Oder in eine andere Bar
zu gehen. Oder einen Fußgänger wegen eines Regenschirms zu überfallen.
Die Bar war noch offen. Klinger bat um ein Handtuch. Der Barkeeper warf ihm eins
zu, das bereits feucht war, aber noch immer wesentlich trockener als Klinger.
Er wischte sich über das Gesicht, legte das Handtuch über einen Hocker, setzte sich darauf und bestellte einen Becher heißes Wasser mit Zucker, Limette und einem doppelten Jameson.
»Oho«, sagte der Barkeeper und machte sich an den Drink. »Wohl Kasse gemacht, was?«
Klinger besann sich auf Größe in Form von Zurückhaltung. »Die Lungenentzündung lässt mich von besseren Zeiten träumen. Nimm den Whiskey aus dem Spender. Alles andere wie gehabt. Was kann man
einem Mann für heißes Wasser schon in Rechnung stellen?«
»Vier Dollar und fünfzig Cent«, bekannte der Barkeeper schlagfertig. »Und das ist immer noch billiger als eine Krankenversicherung.«
»Verstehe.« Der Drink schmeckte auch nach Krankenversicherung.
Noch bevor fünf Minuten vergangen waren, bestellte Klinger bereits den nächsten Drink.
Hinten, am Knick der Bar, spielten zwei Typen das Messerspiel – eins, zwei, drei, vier. Vier, drei, zwei, eins.
Schnapsgläser und Messerklingen schimmerten im düsteren Licht.
Der Barkeeper hatte Tequila in sechs Fingerhüte gefüllt und servierte sie auf einem Tablett am Knick der Bar. Die dicken Böden der Schnapsgläser erzeugten im Dunkeln kleine Lichtbögen. Der Barkeeper kam mit einem Aschenbecher voll ausgedrückter Limettenviertel zurück an die Registrierkasse und tippte achtundvierzig Dollar ein. Als die Kasse
aufsprang, stopfte er drei Zwanziger in die Lade, nahm einen Zehner und zwei
Eindollarscheine heraus, schloss die Kasse und versenkte das Trinkgeld in einem
Steinkrug neben der Kasse.
Eins, zwei, drei, vier, vier, drei, zwei, eins.
Einhundertvierzehn Dollar plus elf Dollar neunundsechzig macht einhundertfünfundzwanzig Dollar und neunundsechzig Cent, dachte Klinger. Abzüglich der neun Dollar, die ich hier gerade ausgegeben habe (plus einen Dollar
Trinkgeld macht das zehn Dollar), bleiben einhundertfünfzehn Dollar neunundsechzig, minus zwölf Dollar plus ein Trinkgeld von drei Dollar für den doppelten Jameson in North Beach bleiben dem streunenden Kater noch
einhundert Dollar neunundsechzig Cent. Nach einem langen Arbeitstag, aber nicht
schlecht. Es sei denn, Frankie Geeze zählte dazu, auf dem Bürgersteig k.o. geschlagen, keine anderthalb Meter entfernt von einem in gleicher
Weise ausgeknocktem Ziel, und wie würde sich das noch entwickeln?
Klinger drehte den dampfenden Becher zwischen den Fingern beider Hände, während er darüber nachdachte. Sollte das Ziel noch am Leben sein, steckte Frankie in einer
Zwickmühle. War das Ziel tot, könnte Frankie behaupten, man habe ihn fertiggemacht bei seinem Versuch, dem Opfer
zu Hilfe zu kommen, als es überfallen wurde. Das könnte so lange funktionieren, bis die Cops Frankies Jackett filzten, was etwa fünf Minuten dauern würde, und danach würde es eng werden für Frankie.
Eins, zwei, drei, vier, vier, drei, zwei, eins.
Das eben war blöd, dem Typ hinterm Tresen zu signalisieren, dass ich mehr Kohle habe als sonst,
sagte sich Klinger. Wenn ich mit diesem kriminellen Leben weitermache, sollte
ich anfangen, solchen Mist im Auge zu behalten. Sich einen Doppelten der
Spitzensorte in einem gerammelt vollen Laden zu gönnen, wo alle drüber sind und niemand einen kennt, ist das eine. Was anderes ist es, dort mit
Geld um sich zu werfen, wo man Stammgast ist und bekannt dafür, chronisch blank zu sein. Das riecht nach einem Riesentreffer. Das spricht
sich rum. Und als Nächstes ...
Riesentreffer. Pass mal auf. Hundert Dollar und obendrein ein Riesendilemma.
Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken ... zwei Riesendilemmas und dafür grade mal ’nen Hunderter. Ein Wunder, dass ich nicht tot bin oder im Knast oder beides.
Aber in Wirklichkeit hatte Klinger keinen Grund, sich zu beklagen. Als die
Sonne vor zwei Tagen für ihn aufgegangen war, hatte er nichts gehabt.
Oder war diese spezielle Sonne erst gestern aufgegangen?
Klinger überlegte. Die letzte Nacht hatte er im Hotel verbracht. Die Nacht zuvor hatte er
in einem Bett aus Strauchigem Salbei im Buena Vista Park geschlafen.
Mary Fiducione hatte ihm zu einem heißen Bad, einer Mahlzeit und einem Hunderter verholfen. Also war es erst seit
gestern Morgen, dass er ... Dass er was?
Klinger bestellte einen dritten Drink.
Jetzt sind’s nur noch sechsundneunzig Dollar und neunzehn Cent.
Er hatte noch zwei Nächte im Hotel. Moment. Er warf einen Blick auf die chinesische Uhr an der Wand über der Registrierkasse. Null Uhr dreißig. Die Uhr in der Bar ging immer eine Viertelstunde vor, aber, immerhin, er
hatte den Rest der heutigen und die morgige Nacht im Hotel. Schlau wäre es, sich eine Flasche zu kaufen, wenn er die Absicht hätte, sich in den Schlaf zu trinken, und drei oder vier weitere Nächte im Hotel im Voraus zu bezahlen, womit ihm immer noch ein paar Dollar fürs Essen blieben.
Setz auf das, was kommt, wie sein Vater zu sagen pflegte. Was in etwa alles war,
was er von seinem Vater in Erinnerung hatte.
Ein Typ betrat die Bar, sah sich um und erweckte den Eindruck, als wäre der Hocker neben den Messerspielern ein veritabler Hochsitz, auf dem er es
sich bequem machen konnte. Er nickte dem Barkeeper zu, der Barkeeper ließ einen Bierdeckel kreiseln. Sie wechselten ein paar Worte miteinander. Der
Barkeeper kam wieder nach vorn, stellte zwei Schnapsgläser und ein Whiskeyglas hin und sagte zu Klinger: »Du hast einen Freund im Schnapsgeschäft.« Er deutete mit dem Kopf auf den Knick der Bar. »Stehst du immer noch auf Jameson?« Klinger sah den Tresen entlang, aber sein Gönner war völlig in dem Spiel versunken und beachtete ihn nicht. »Hab nichts dagegen einzuwenden.«
»Und noch mal dasselbe?«
Klinger nickte.
Der Barkeeper stellte einen Kaffeebecher zu seinen anderen Utensilien und machte
sich an die Arbeit. Klinger atmete wieder den Dampf ein, der dem Rest seines
Grogs entströmte, hielt sich den Becher mit beiden Händen unter die Nase, starrte auf die Bar vor sich, unterdrückte das gelegentliche Frösteln, das seinen gesamten Körper erfasste. Die Zukunft zog sich zu einer quälenden Zeitspanne von zwei, vielleicht drei Tagen zusammen, inmitten der
Flaschen und der Bierwerbung hinter der Registrierkasse, unterhalb der
chinesischen Uhr, auf einem ordentlich verschmutzten Proszenium, im neunzehnten
Jahrhundert von Hand geschnitzt – wobei sich der Schauplatz in der Mitte des saftlosen Röhrenmonitors von Klingers Vorahnung zu einem letzten Bildpunkt verengte.
Vier, drei, zwei, eins, eins, zwei, »Au! Scheiße!«, kam der Aufschrei vom anderen Ende der Bar. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Seine Hand im Mund, hüpfte einer der Spieler im Kreis, während der andere und der neue Freund der beiden ihn auslachten.
Der Barkeeper stellte für Klinger einen frischen Grog und einen doppelten Jameson auf saubere Bierdeckel
und brachte die restlichen Drinks ans andere Ende des Tresens.
Alle hoben die Gläser beziehungsweise den Becher, prosteten einander zu, tranken. Für die Messerspieler war es wie üblich ein Spitzentequila, und weg damit.
Der Barkeeper ging über den Lattenrost zur Kasse, tippte die Summe ein, legte einige Zwanziger in
die Lade, nahm einen Fünfer heraus, ein paar Vierteldollarmünzen und tat alles in den Krug fürs Trinkgeld.
So kommt man über die Runden, sagte sich Klinger. Er atmete den Dampf seines frischen Grogs
ein. Es duftete nach Qualität.
Und Klinger? Klingers Situation war die von neun Zehnteln der Menschheit, was
bedeutet: Wenn du kein Geld ausgibst, ruft niemand zurück.
So ist sie, die kleine Weggabelung, die mir bleibt, dachte Klinger bei sich, ein
oder zwei Weggabelungen später, vom Pfad der Rechtschaffenheit auf den Pfad der etwas größeren Rechtschaffenheit. Ich habe nicht mal mehr einen Führerschein. Weshalb sollte man mich berücksichtigen? Kommst du zu einer Weggabelung, soll Yogi Berra gesagt haben, geh
sie entlang. Aber Klingers Lesart des Szenarios lautete: Kommst du zu einer
Weggabelung, geh zur Pfandleihe.
Guter Whiskey, schlechter Whiskey, wenn ich nicht bald aus diesen Klamotten
rauskomme, dann –
»Hallo« Der Barkeeper wieder. »Jemand zu Hause?«
Klinger besann sich auf die Gegenwart und blinzelte. Der Becher befand sich noch
immer vor seinem Gesicht, die Ausgewogenheit seines Inhalts wärmte ihn von innen. Die chinesische Uhr sagte ihm, dass es fünf Minuten nach ein Uhr morgens war.
»Ich bin hier«, erklärte Klinger. »Wo soll ich sonst sein?«
Der Barkeeper nickte. »Der Typ, der dir die Drinks ausgegeben hat ... «
Klinger wartete.
»Er würde gern mit dir reden.«
Klingers Blick glitt den Tresen entlang. Das Spiel lag quasi auf Eis, die beiden
Messerspieler lehnten am Tresen, unterhielten sich. Der dritte Typ hielt
Klinger den Rücken zugewandt.
»Klar doch«, sagte Klinger. »Und worüber?«
Der Barkeeper lächelte. »Keine Ahnung.« Und er machte sich daran, die kleine Spülmaschine unterhalb des Tresens mit benutzten Schnapsgläsern zu bestücken.
Klinger raffte sich auf, hinüberzurufen. »Hey.« Die drei Männer sahen in seine Richtung. »Danke.« Klinger hob seinen Drink. »Was liegt an?«
Der Typ auf dem Barhocker gestikulierte.
Klinger nahm seinen Drink mit hinüber.
Der Typ war größer, als es vom anderen Ende des Tresens den Anschein gehabt hatte. Das galt auch
für seine Freunde.
»Klinger«, sagte er zu dem Typ, den man für großzügig hätte halten können.
»Tommy«, sagte der Typ. Tommy und Klinger gaben einander die Hand. Die Messerspieler
wurden nicht vorgestellt.
»Ich muss mal pissen«, sagte einer der beiden. »Ich auch«, schloss sich der andere an. Sie verzogen sich.
Klinger beobachtete ihren Abgang.
»Du bist ein Freund von Frankie Geeze«, sagte Tommy.
Klinger versteinerte nicht völlig, aber er wappnete sich mit Vorsicht.
»Stimmt«, bestätigte er. »Habe zufällig heute Vormittag etwas Zeit mit ihm verbracht«, fügte er hinzu. »Wir waren frühstücken.«
»Hab euch gesehen«, sagte Tommy. »Deshalb habe ich Bruce da gebeten«, er zeigte auf den Barkeeper, »dich anzusprechen. Ich hätte einen kleinen Job. Wirklich nur ’nen kleinen.« Tommy kniff die Augen zusammen. »Brauchst du einen kleinen Job?«
»Kommt drauf an«, log Klinger ausweichend. »Ich mag’s klein. Große Sachen stressen mich.«
»Ja«, Tommy lächelte, »Stress ist Scheiße.«
Klinger bekam ein Lächeln hin. »Wie klein?«
Tommy zuckte mit den Achseln. »Kleine Fahrt mit dem Taxi, kleine Lieferung, noch ’ne kleine Fahrt mit dem Taxi, kleine Aufwandsentschädigung. So in etwa.«
Klinger nickte.
»Das Taxi zahl ich schon mal.« Tommy holte eine Brieftasche hervor, derart prall gefüllt, dass er einen Moment lang unbeholfen wirkte, als er sie aus der
Seitentasche seiner Lederjacke zog. Er löste drei Zwanziger heraus, legte sie auf den Tresen und daneben legte er noch
einen Hundertdollarschein. »Wenn du zurückkommst, gehört der Hunderter dir.«
Klinger warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist ... «
»Keine Sorge«, klärte Tommy ihn auf. »Das Licht ist aus, aber die Tür wird offen sein. Einfach nur klopfen.« Er pochte mit den Knöcheln seiner mit der Brieftasche befrachteten Faust auf den Tresen – eins-zwei, eins-zwei, eins. »Bruce trinkt nach Feierabend gern noch ’n paar Bier.« Er klopfte Klinger mit denselben Knöcheln leicht auf die Schulter. »Er hat auch gern Gesellschaft.«
»Berufsrisiko«, meinte Klinger mit einem Nicken.
»Bock, was reinzuziehen?«, fragte Tommy.
Klinger schüttelte den Kopf. »Ich komm nicht klar mit Speed«, sagte er, »das Scheißzeug brennt zu sehr.«
»Wer hat denn was von Scheißspeed gesagt?« Tommy hörte sich an, als hätte man seine Gefühle verletzt.
»Ja, nun«, sagte Klinger. »Wenn das so ist ... «
»Warte, bis die Jungs zurück sind.«
»Und was soll ich liefern?«
»Nichts Besonderes.« Tommy lächelte. Seine eng stehenden Zähne waren gelb, das Zahnfleisch war rosa und zurückgebildet.
Er deutete auf Klingers Jacke. »Steckt bereits in deiner Tasche.«
»Hey.« Klinger lächelte dünn. »Schätze mal, du bist ein Freund von Frankie.«
»Hat mir alles beigebracht, was ich weiß, und das meiste von dem, was ich vergessen habe«, erwiderte Tommy. »Ich habe großen Respekt vor Frankie.«
Klinger nickte schwach. »Frankie ist der Beste.«
Die beiden Messerspieler kamen zurück. Auf ein Zeichen von Tommy gab jeder der beiden Klinger die Hand. »Alles klar?«, sagte jeder der beiden, »Alles klar?« Der zweite Handschlag ließ ein flaches Etwas in den gekrümmten Fingern von Klingers Rechter zurück.
»Geh lieber noch mal pissen, bevor du losgehst«, sagte Tommy zu Klinger. »Könntest in ’nen Stau geraten oder so.«
Klinger stattete der Herrentoilette einen Besuch ab und zog sich pro Nasenloch
eine Line rein. Als er zurückkam, machte er Anstalten, jedem der drei die Hand zu schütteln, so, als wolle er das Tütchen wieder zurückgeben, aber sie winkten ab.
Das Telefon klingelte und Bruce nahm ab. »Hat jemand ein Taxi bestellt?«, fragte er in den Raum.
»Cathedral Hill Apartments«, sagte Tommy zu Klinger. »Gegenüber von St. Mary’s. Sag dem Portier, er soll Apartment 1426 anrufen, und warte dann.« Er drehte sich zum Tresen.
»Brucie. Noch ’ne Runde.«
Klinger war im Taxi und bereits vier Blocks entfernt, als ihm aufging, dass die
Substanz in seinen Nebenhöhlen möglicherweise nur zur Hälfte aus Kokain bestand und die andere Hälfte vermutlich Heroin war. Er hätte es sich denken können. Zumindest nahm er an, dass es sich um Heroin handelte. Als das Taxi an der
Geary und Van Ness anlangte, war sich Klinger ziemlich sicher, dass er über seine Nasennebenhöhlen Speedball verstoffwechselte, und das begeisterte ihn. Mannomann – er staunte nicht schlecht, während das Taxi den Anstieg erklomm –, das ist mal ’ne echte Erholung. Ist lange her, dass ich durchgefroren war, nass, und nichts
gespürt habe. Geschweige denn dass es mir scheißegal war. Er tastete nach dem Tütchen in seiner Tasche. Vielleicht hol ich mir nicht mal eine Lungenentzündung.
Die Ampel an der Gough zeigte Rot.
»Kann nicht links abbiegen«, sprach der Taxifahrer in den Rückspiegel. »Muss außen rumfahren.« Er beschrieb mit dem Zeigefinger einen Kreis. »Loop De Loop.«
»Ja, ja«, gab Klinger vergnügt zurück. »Schon in Ordnung«, fügte er hinzu; was er jedoch dachte, war: »Mach mal locker.«
Der Fahrer gab »Hydrogen« und sein Taxi summte hügelabwärts zur Laguna, wo er rechts in die Post Street einbog, wieder rechts hügelaufwärts in die Gough, nach rechts zurück in die Geary, um schließlich schräg über die Kreuzung mit ihren vier ausgestorbenen Fahrspuren in den Kreisverkehr
vor den Cathedral Hill Apartments zu fahren.
Klinger sagte ihm, er solle warten.
Ein Portier verschaffte Klinger mittels Summer Zutritt zur Lobby und
telefonierte dann. Fünf Minuten später trat eine kleine alte Dame aus dem Fahrstuhl und begrüßte Klinger wie einen lange verschollen geglaubten Neffen. »Meine Verordnung«, rief sie entzückt, und sie tauschte einen Umschlag, der, auf beiden Seiten von oben bis unten bedruckt, mehr wie
eine mit Gebrauchsinformationen versehene Arzneimittelpackung aussah, gegen den
Umschlag, den Klinger aus seiner Jackentasche gezogen hatte. »Bitte geben Sie Dr. Flagon mein neues Rezept, von dem ich mir wünsche, dass es bis allerspätestens morgen um diese Uhrzeit eingelöst wird«, sagte sie mit Nachdruck. »Erinnern Sie ihn unbedingt daran, und hier ist eine kleine Entschädigung für Ihre Mühe, mein lieber junger Mann.« Sie drückte Klinger einen gefalteten Zwanziger in die Hand. »Sie müssen so spät noch arbeiten«, sagte sie, schmückte das Ganze noch aus, »und dann der Regen.« Sie tätschelte ihm den Arm. »Ich bin Ihnen so dankbar. Sehen Sie zu, dass Sie etwas Trockenes anziehen.«
Während sich diese Farce abspielte, war der Portier in die intensive Lektüre einer Ausgabe des Wall Street Journal vertieft, die ausgebreitet über der Telefonanlage auf seinem Empfangstisch lag.
Binnen zwanzig Minuten nach seinem Aufbruch war Klinger wieder zurück im Hawse Hole. Der Preis für die Taxifahrt belief sich auf gerade mal sechzehn Dollar. Spendabel, gab
Klinger dem Fahrer einen Zwanziger. Die »Open«-Anzeige im Fenster war ausgeschaltet genau wie das Martiniglas aus grünem Neon über dem Eingang. Klinger klopfte, eins-zwei, eins-zwei, eins. Bruce ließ ihn herein. Tommy steckte den bedruckten Umschlag weg, ohne ihn zu öffnen. Als Klinger Tommy die beiden restlichen Zwanziger geben wollte, meinte der, Klinger solle sie behalten. Der
Hunderter war unter einem doppelten Jameson auf dem Tresen vor Anker gegangen.
Klinger nippte daran, bevor er sich für eine weitere Line in die Toilette zurückzog. Anschließend machten sie Party bis zum Morgengrauen.
So kam es, dass sich Klinger eine Stunde nach Sonnenaufgang angezogen auf dem
Bett des Hotels wiederfand und mit zweihundertsechsundfünfzig Dollar und neunzehn Cent auf der Habenseite seinem Herzen lauschte, das
unregelmäßig schlug und beinahe so laut wie der Regen gegen die blinden Fensterscheiben,
dabei jedoch ruhig atmete, weil das die Wirkung von Speedball auf Klinger
ausmachte. Von anderen Stoffwechselprozessen wusste er nichts. Nach einer Weile
setzte er sich auf, zog die Schuhe aus, klopfte das hoffnungslos dünne Kopfkissen zurecht und legte sich wieder hin, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, auch die restlichen Kleidungsstücke auszuziehen.
Er verschränkte die Hände hinterm Kopf. Na also, dachte Klinger mit einem zufriedenen Seufzen, wurde
auch Zeit, dass ein Job mal geschmeidig läuft.
So kam es, dass Klinger fast einen Herzinfarkt bekam, als nach etwa drei Minuten
Phillip Wongs Mobiltelefon in der Brusttasche seiner, Klingers, Jacke,
klingelte und die dünne Schicht aus Bindegewebe zwischen seinem klammen Hemd und seinem klopfenden
Herzen in Schwingungen versetzte.