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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2019 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-99064-510-9

ISBN e-book: 978-3-99064-511-6

Lektorat: Marie Schulz-Jungkenn

Umschlagfoto: Ölgemälde „Sonnenaufgang“ von Martin Herzig

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

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In der letzten Ferienwoche bereitete ich alles vor für den Schulanfang. Ich schrieb die Lehrpläne für jedes Fach fertig, legte die Bücher und Schulwandbilder bereit und richtete mein Klassenzimmer wohnlich ein. Vorher fragte ich den Vorsteher telefonisch, ob ich das Klassenzimmer nach meinem Geschmack einrichten könne. Er erlaubte es. Die Abwartin Frau Gruner, im Dorf hieß sie einfach Rosa, hatte mir einen Schlüssel gegeben und erlaubt, jederzeit das Schulhaus zu betreten. „Das mache ich sonst nicht, aber eure Familie kennt man ja“, knurrte sie freundlich. Es hieß, sie beherrsche außer den Schülern auch die Lehrer und habe Haare auf den Zähnen. Sichtbar waren jedoch nur einige Borsten am Kinn. Unerbittlich sorgte sie für Ordnung. Jüngere Schüler, die rauften oder in den Gängen rannten, donnerte sie an: „Heit Ornig, dir Lus-Cheibe!“ Waren es Größere, fuhr sie mit einem Besenstiel ins Getümmel und schrie: „Weit dir ächt höre, süsch gits uf e Gring!“ Daneben sorgte sie wie eine Mutter für die Kinder, die hoch am Berg wohnten. In ihrer Küche gab sie ihnen Suppe und Tee. Als dem Verdingbub des reichen Rainbauern die große Zehe durch ein Loch in den durchgelaufenen Holzbodenschuhen guckte, schenkte sie ihm die Winterschuhe, die ihr Sohn als Kind getragen hatte. Als sie dem Bauer auf dem Jahrmarkt begegnete, sagte sie ihm, ohne die Lautstärke zu drosseln, im Märitstand von Schuhmacher Reber gebe es günstig Schuhe, sogar für Verdingkinder. Einmal traf sie im Schulhausgang den mageren Maxli vom Muserhöfli. Er weinte. Sie fragte, warum er weine, und er berichtete schluchzend, der Lehrer habe ihm einen Chlapf gegeben und ihn vor die Tür gejagt, weil unter seinem Sitzplatz Kuhmist sei. „Ich musste vor der Schule noch den Kühen misten und hatte keine Zeit mehr, die Schuhe zu putzen“, stotterte er. Frau Gruner nahm ihn an der Hand: „Chum ine!“, befahl sie. Ohne zu klopfen, trat sie ins Zimmer. Erstaunt starrten sie alle an. Bevor der Lehrer etwas sagen konnte, rief sie: „Der Dreck ist von mir. Ich muss ihn beim Wischen hineingeschleppt haben.“ Damit zog sie einen Lappen aus der Schürzentasche, ging zum Tatort und machte sauber. Ohne ein Wort verließ sie das Zimmer, einen glücklichen Jungen und einen sprachlosen Lehrer zurücklassend.

Frau Gruner half mir, das Lehrerpult vom Podium zu ziehen und schräg seitwärts zu stellen. „Genau wie dein Vater, der hat auch gesagt, er wolle mit den Kindern auf Augenhöhe sein“, sagte sie. Ich fragte die Abwartin, ob es im Schulhaus eine große Vase gebe. „Komm’ mit“, brummte sie. Wir stiegen auf den Estrich. „Suchen musst du selbst“, sie wies in den langen Raum mit dem Skelett von Dachbalken, „nimm, was du brauchst.“ Im Dämmerlicht von verstreuten Glasziegeln begann ich zu stöbern. Da gab es Stapel von altertümlichen Pulten, Haufen zerbrochener Stühle, rissige Wandtafeln, Kartonkulissen, Haufen von ausgedienten Büchern, schön aufgesägte, geknebelte Bretter, Beigen von Kacheln und Fliesen. Und in der Dachschräge stand eine riesige Vase. Ich schleifte sie hervor, den Kopf mit Spinnweben geschmückt. Der schönste Fund aber war der Apfelbaum vom Theater aus meiner Schulzeit. Er lag mit zerknitterten Ästen ganz hinten und wartete auf einen neuen Frühling. Seine Blüten, Blätter und Früchte bildeten daneben einen wirren Haufen. Ich schob sie auseinander und suchte die Blüten heraus, legte sie in eine Schachtel und nahm sie mit nach Hause. Gritli gab mir weißen Faden. Das eine Ende band ich an die Öse und das andere an einen Reißnagel. Frau Gruner erlaubte mir, die Blüten in meinem Zimmer an die Decke zu hängen. Weil meine neuen Schüler aus drei verschiedenen Klassen kamen, aus dem Unterdorf, aus dem Oberdorf, dazu Schüler von der anderen Seite des Waldes, aus Bannwil, plante ich eine Vorstellungsrunde für den Schulanfang. Ich stellte die Stühle in einen Halbkreis. Aus einer Schuhschachtel schnitt ich siebenundzwanzig Schildchen und schrieb auf jedes einen Vornamen und darunter den Familiennamen. Innerhalb der oberen Ecken stanzte ich Löcher, zog eine dünne Schnur durch und verknüpfte die Enden in einer Länge, dass bequem ein Kopf durchschlüpfen konnte. Auch den Klassenrodel bereitete ich vor mit dem Schülerverzeichnis, Geburtstag, Adresse, Telefon und leeren Tabellen für die zukünftigen Noten. Einige Seiten sah ich vor für Bemerkungen. Hier würden lustige oder weise Antworten stehen, kleine Streiche, Meinungen über den Klassenlehrer, wichtige Ereignisse im Leben des Kindes. Diese Eintragungen dienten mir viele Jahre später an den Klassentreffen als Grundlagen für ernste oder lustige Sketches. Die Wochenpläne bis zu den Sommerferien hatte ich an vielen Wochenenden, bewacht von einer Büchermauer, bereits geschrieben. Den Stoff aus dem Kantonalen Lehrplan zerlegte ich in 38 Teile für die 39 Schulwochen. Im Fach Deutsch folgte neben dem vorgesehenen Inhalt Platz für „Sprechen, Lesen, Verstehen“, dann kam die Lücke für „Schreiben“, daneben „Rechtschreibung“, weiter „Grammatik“ und zuletzt „Verbindung zu anderen Fächern“. Der Rodel hatte für jede Woche eine Doppelseite mit Feldern für die einzelnen Lektionen bereit. Nun musste ich den Wocheninhalt in Häppchen den vorgesehenen Vierecken zuteilen. Diese Arbeit machte ich immer am Samstag oder Sonntag vor der neuen Woche. Die oberste Zeile jeder Lektion blieb leer. Hier schrieb ich mit Grün ein, wie ich die Stunde beginnen wollte. Es sollte sich zeigen, dass mir diese Planung viel Arbeit während der Woche ersparte, und ich behielt sie bis zu meinem letzten Schuljahr bei. Sie ließ auch keinen Leerlauf oder ein übermäßiges Ausdehnen eines Inhalts zu. Und sie verhinderte die Angst, mit dem Stoff nicht durchzukommen. Kamen Stellvertretungen wegen des Militärdienstes, erlaubte die Vorarbeit eine raschere Instruktion des Stellvertreters und nachträglich auch eine gute Kontrolle. Unerwartete Schwierigkeiten brachte nur die Rubrik „Verbindung zu anderen Fächern“. Für Zeichnen, Geografie und Religion, die ich an meiner Deutschklasse unterrichtete, boten die Hinweise nur Vorteile. Ein Thema ließ sich so aus verschiedenen Sichten bearbeiten und vertiefen. Als wir in der Geografie im Sandkasten die Stadt Bern mit der Aareschlaufe und mit echtem Wasser darstellten, fragte ich den Kollegen Grau, Geschichtslehrer der Klasse, ob er die Gründung der Stadt schon behandelt habe, ich hätte gerade die Hauptstadt unseres Kantons auf dem Programm. Grimmig schaute er mich an: „Ich habe meinen Plan und lasse mir nicht dreinreden.“ Leider erwähnte ich die Sage mit dem Bären, was an der nächsten Sitzung der Schulkommission eine bissige Klage des Geschichtslehrers zur Folge hatte. Er verwehre sich gegen das ungerechtfertigte Einmischen von Kollegen. Das erste Wochenprogramm im Deutsch stand ganz im Zeichen des Frühlings, mit Gedichten von Ludwig Uhland und Emil Schibli. Uhlands „Lob des Frühlings“ beginnt mit der Aufzählung: Saatengrün, Veilchenduft, Lerchenwirbel, Amselschlag, Sonnenregen, linde Luft. Hier durften die Schüler weitere Zeichen des Frühlings suchen. Mein neuer Kollege Marcel Hug, Dirigent der Dorfchöre, hatte bei der Zuteilung der Fächer darauf beharrt, mir keine Klasse im Singen zu überlassen. Das wusste ich vom Präsidenten. Weil für mich das Singen zum Tagesbeginn gehörte, fragte ich den Kollegen telefonisch, ob ich mit meiner Klasse ein Frühlingslied singen dürfe und welches er empfehle. „Gut, ausnahmsweise“, sagte er, ‚Es tönen die Lieder‘ können sie auswendig.“ Dass damit der Musikkrieg von Waldkirchen begann, ahnte ich nicht. Der Stundenplan war mir zugesandt worden und ich sah, dass ich meine Klasse am Montag erst in der zweiten Stunde empfangen konnte. Vorher hielt Kollege Grau seine Geschichtslektion. Deshalb trug ich die Stühle aus dem Kreis zurück an die Pulte, als ich am Sonntagabend meine Kirschbaumäste mit den aufbrechenden Knospen in die Vase stellte. Das Lehrerpult ließ ich am neuen Platz. Am ersten Schultag jedoch, als ich erwartungsvoll aufgeregt ins Zimmer trat, thronte das Möbel wieder auf dem Podium. Herr Grau hatte erklärt, sonst könne er nicht Schule halten, und die Knaben mussten es wieder an den alten Platz tragen. So entbrannte der langwierige Podiumskrieg. Schließlich wurde er vom Inspektor entschieden. „Man kann auch Chef sein, ohne höher zu sitzen, und es passt auch besser in einen zeitgemäßen Unterricht“, entschied er. In den folgenden Wochen erarbeiteten Grau und sein getreuer Kollege Hug ein Reglement über das Einrichten der Schulzimmer. Es musste überarbeitet werden, als während des Militärdienstes von Marcel ein Stellvertreter kam, der das Lehrerpult hinten wollte. So habe er die Bengel und Lausemädchen immer im Auge, sagte er.

Die Primarlehrerin Priska überbrachte mir Notizen, die sie während der letzten zwei Jahre über die Schüler gemacht hatte, die jetzt in die Sekundarschule kamen. Da stand zum Beispiel: Martin hat zwölf Geschwister. Sie wohnen zu dritt und viert im gleichen Zimmer. Er hat Mühe mit den Hausaufgaben, weil dauernd etwas los ist. Oder: Heidi lernt gern und rasch. Sie braucht schwierige Aufgaben. Sie will Lehrerin werden. Ein langes Kapitel gab Auskunft über Ruedi: Er war bereits ein halbes Jahr in der Sek und wurde zurückversetz in die neue Klasse. Die Noten waren schlecht und der Ruf miserabel. „Bei mir fiel er jedoch nicht unliebsam auf“, sagte Priska. Sie senkte den Kopf und ihr langes, blondes Haar verdeckte das Gesicht: „Eigentlich ist er ein guter Bub, praktisch, freundlich und hilfsbereit. Doch wenn der Druck kommt mit den Noten, beginnt er zu bocken. Er treibt Unfug und stiftet andere zu Streichen an. Aber wenn er in der Primarschule bleibt, wird er zu wenig gefordert. Vielleicht hast du mehr Glück als deine neuen Kollegen. Leider scheint es, du seist nicht bei allen willkommen. Mehr sage ich nicht. Versuche, unbefangen anzutreten und bleib’, wie du bist.“ Fast liebevoll ruhten ihre grauen Augen auf mir: „Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchen kannst.“ Wir unterstützten uns in den nächsten Jahren gegenseitig. Wenn Priska eine freie Stunde hatte, besuchte sie ohne Anmeldung meine Klasse. Sie setzte sich hinten ins Zimmer und verfolgte den Unterricht. Dazu notierte sie, was sie gut oder schlecht fand. Dazu gehörten auch Unarten. „Du kratzest dir immer das Kinn, bevor du etwas erklärst“, schrieb sie. Und ich las ihr nach einem Gegenbesuch vor: „Du beginnst hin und her zu schwanken wie eine Eisbärenmutter, wenn du auf eine Antwort wartest.“ Die Auswertung unserer pädagogischen und menschlichen Beobachtungen machten wir bei ihr zu Hause und manchmal wurde es früher Morgen, bis alles bereinigt war. Weil ich wusste, dass ein einziger Schüler die frohe, ruhige Stimmung, die ich fördern wollte, sehr stören könnte, nahm ich mir vor, diesen Störenfried Ruedi schon vor Schulbeginn kennenzulernen. So radelte ich denn eines Samstags zu seiner Familie. Der Vater reparierte am Abend Fahrräder, um seinen Lohn als Fabrikarbeiter bei Sulzer etwas aufzubessern. Ich hatte Glück: Ein Bub hob gerade ein Damenfahrrad hoch und befestigte es in einem Schraubstock. „Der Vater kommt gleich“, sagte er. Auf meine Frage, wie er denn heiße, sagte er: „Rüedu! Was wollen Sie?“ „Etwas mit den Bremsen stimmt nicht“, sagte ich, „was machst du jetzt mit diesem Rad?“ Ruedi zeigte auf die Naben: „Ich öle die Lager und montiere neue Bremsklötze. Die Kette muss ich auch ersetzen und dem Dynamo traue ich auch nicht. Aber da kommt der Vater.“ Ein hagerer Mann mit ölverschmierter Schürze trug ein glänzendes, blaues Fahrrad in die Werkstatt. Er grüßte und ich stellte mich vor. Nach einer Stunde fuhr ich mit neuen Bremsen frohgemut dem Berg zu. Ruedi würde in der ersten Woche als Erster einen Vortrag halten mit dem Thema: „Wie flicke ich einen Fahrradschlauch.“

Am Sonntagmorgen ritt ich die vielen Windungen aufwärts der Schwängimatt zu. Der Bergwald empfing mich mit feinem Buchenflor. Er verblasste nach jeder Kehre und machte dem kahlen Braun der Kronen Platz. Nur die Haselbüsche begleiteten uns mit ihren gelben Zotteln noch weiter als Verkünder des Frühlings. Im Zollboden vor dem steilen letzten Aufstieg lag Schnee. Sergent begann vor Freude zu galoppieren. Plötzlich steilte er auf und vor uns fuhr ein dunkler Wildkörper über den Weg und prasselte hinab in den Jungwuchs. „Eine Gämse“, fuhr es mir durch den Kopf. Ich hatte gehört, dass diese Wildart die Jurahöhen nach Hunderten von Jahren wieder zu besiedeln begann. Dort, wo die Saustiege in unser Sträßchen bog, stutzte das Pferd. Vor uns lag jetzt eine Hufspur. Sie führte der Höhe zu. Die Tritte waren kleiner als Sergents klobige Abdrücke. Wir folgten der Fährte und erreichten die Passhöhe. Unter uns breitete sich die Schwängimatt aus. Rauch stieg aus dem Kamin des Berghofs. Ich stieg vom Pferd und führte es am Zaum abwärts zum Gehöft. Laut kläffend begrüßte uns der Dürrbächler Sennenhund Bläss. Unter der Stalltür erschien Ernst Lehmann, der Bauer und Wirt. Er winkte uns heran und rief: „Endlich kehrt der Herr Leutnant bei uns ein, sei willkommen, sattle ab und bringe das Pferd in den Stall!“ Wir begrüßten uns und ich folgte ihm in den Stall. Vorbei an drei neugierig zurückblickenden Pferden führte er uns zu den zwei Boxen am Ende des Stalles. Aus der ersten schaute uns ein Kopf mit zweiteiliger Blesse entgegen. Es war Regina von der Schönegg. Sergent trottete in die zweite und freudig streckten sich die zwei Pferde die Köpfe entgegen. Wir gingen in die Gaststube. Am runden Stammtisch saßen die Wirtin und Rahel. Das Mädchen sprang auf. Ich grüßte Frau Lehmann und trat zur Reiterin, die mich mit leicht geöffnetem Mund und leuchtenden Augen erwartete. Wir drückten uns die Hand und setzten uns. Ernst brachte vier Gläser und eine Flasche Wein. Er schenkte ein und sagte: „Jetzt stoßen wir an, auf den frischgebackenen Offizier und Sekundarlehrer und auf die zukünftige Lehrerin!“ Fragend schaute ich das Mädchen an. „Ja, es stimmt“, sagteRahel, „heute Abend reise ich nach Bern. Morgen beginnt mein erstes Seminarjahr in der Neuen Mädchenschule am Waisenhausplatz. Und ausnahmsweise trinke ich mit euch ein Glas.“ Wir stießen an und das Wirtepaar wünschte uns einen guten Anfang. Ich schaute Rahel an: „Auch ich wünsche dir einen guten Anfang und vier erfüllte Jahre im Seminar. Und wenn ich dir irgendwo helfen kann, bin ich immer dazu bereit. Nur nicht in Mathematik.“ Sie lachte: „Dort habe ich keine Angst, schon eher im Deutsch und später in Pädagogik. Ich kann mir auch nicht vorstellen, mutig vor eine Klasse zu treten.“ Die Wirtin beruhigte sie: „Das lernst du. Es ist besser, bescheiden eine Aufgabe zu beginnen, als zu glauben, man wisse schon alles. Besuche uns, so oft du kannst. Wir werden uns immer freuen.“ Gegen Mittag sattelten wir und brachen auf. Der Bauer und seine Frau schauten uns nach, bis wir die Höhe erreichten. Wir hielten an, winkten und sie winkten zurück. Als der steile Abstieg begann, saßen wir ab und führten die Pferde am Zügel. Rahel erzählte von ihren letzten Schuljahren und der Aufnahmeprüfung ins Seminar. „Unser Oberlehrer Fritz Nyffeler gab mir Gratisunterricht in Deutsch und Französisch. Sonst hätte ich es nicht geschafft. Dann suchten wir ein günstiges Zimmer in Bern. Meine Mutter fragte bei Familie Kissling nach Adressen. Sie hat dort zwei Jahre im Haushalt gearbeitet. Die ehemalige Meisterin sagte, sie hätte Platz genug, ich könne bei ihnen wohnen. Fast ängstlich fragte die Mutter nach dem Pensionspreis. Frau Kissling lachte und meinte, wenn die Tochter sei wie die Mutter, wolle sie nichts. Ich könne ja in meiner freien Zeit ein wenig helfen. Wir machten dann an einem Sonntag einen Besuch bei der Familie, Mutter, Vater und ich. Ehrfürchtig standen wir vor dem schmiedeeisernen Tor und sahen dahinter eine kleine Allee, die zur Patriziervilla führte. Die Mutter drückte auf einen silberglänzenden Knopf und nach kurzem Warten erschien in einem offenen Fenster der Kopf der Hausherrin. Die Frau winkte uns zu, ein Summen ertönte und lautlos öffnete sich das schwere Tor. Wir traten ein und gingen auf dem gekiesten Weg dem Haus zu. Frau Kissling kam uns entgegen, grüßte und führte uns hinein. Herr Kissling, ein stattlicher, vornehm gekleideter Mann, begrüßte uns in einem wunderschönen Salon mit glänzenden Stilmöbeln. Er lud den Vater zu einem Trunk ein. Seine Frau solle uns unterdessen alles zeigen. So betrat ich zum ersten Mal mein Zimmer mit der hohen Decke und der wundervollen Sicht in den Park. Während wir alles besprachen, hat der Vater versucht, einen angemessenen Preis auszuhandeln. Doch der Hausherr meinte nur, das sei Sache seiner Frau, wenn wir unbedingt etwas zahlen möchten, würden sie ein paar Äpfel und Kartoffeln gerne annehmen. Es blieb dann nicht bei den paar Früchten. Im Herbst schickte Herr Kissling seinen Gärtner und Chauffeur zu uns auf die Schönegg. Schwer beladen fuhr er zurück und füllte den herrschaftlichen Keller mit Kartoffeln, Äpfeln und Birnen.“ Rahel aber nahm jeden Sonntagabend ein Körbchen mit Saisonfrüchten mit zu ihrer gütigen Pensionsmutter. Im Winter, wenn ein Schwein geschlachtet wurde, überbrachte sie dem Hausherrn, der solche Kost liebte, einen Kessel mit Blut- und Leberwürsten. Auch aus der Rauchkammer wanderten regelmäßig Würste und Hamme in Frau Kisslings Küche.

Vor der Burgerhütte tränkten wir im hölzernen Trog die Pferde und banden sie ans Geländer des Sitzplatzes. Wir setzten uns auf die klobige Bank. Vor uns waren die Buchen gefällt worden und durch die Lücke grüßten die Berner Alpen. „Zum Glück sehe ich die Berge auch von Bern aus. Vielleicht habe ich dann weniger Heimweh“, sagte Rahel. „Warum wolltest du nicht ins staatliche Seminar“, fragte ich, „das wäre billiger gewesen.“ Sie nickte: „Ja, aber der Vater wollte, dass ich ins freie, evangelische Seminar gehe. Er ist Kirchgemeinderat und hält viel von dieser Schule. Und heuer gibt es zum ersten Mal Beiträge vom Staat. Vorher mussten sie hundert Jahre lang ohne Hilfe auskommen. Ich erhalte ein Stipendium.“ „Sie halten viel von Friedrich Fröbel“, erklärte ich, „dieser Erzieher sah im Menschen das Göttliche. Er hat auch den Kindergarten erfunden. Spielen, sagte er, sei die höchste Stufe der Menschenentwicklung. Du bist sicher in der richtigen Schule. Ich freue mich sehr, dass du Lehrerin wirst.“ Sie schaute mich ernst an: „Ich hatte Glück, dass ich zu Ihnen in die Schule ging. Von da an wollte ich Lehrerin werden. Mir gefiel, wie wir willig und zuverlässig arbeiteten und gut miteinander auskamen. Und wie wir lernten, anderen zu helfen. Ich habe mich noch gar nie bedankt. Und es tut mir noch immer leid, dass Sie unser Pferd nicht reiten durften.“ „Das ging halt damals nicht“, sagte ich, „aber jetzt wollen wir aufbrechen. Wir können aufsitzen und bis zur steilen Kurve reiten. Wollen wir die Pferde tauschen?“ Ihre Augen leuchteten: „Ja, gerne, aber wir müssen die Bügel richten, Sie haben viel längere Beine.“ Wir traten zu den Pferden, tätschelten dem anderen Tier den Hals, richteten die Bügel und stiegen auf. „Kontrolliere deinen Sitz, bevor du anreitest, die Schultern etwas zurück, das Gesäß und die Absätze in einer geraden Linie darunter“, sagte ich, „gut so. Jetzt bewegst du dich ganz wenig nach vorn, so, wie du eine Schaukel anschwingst. Siehst du, er gehorcht dir und geht. Regina wartet auf einen Schenkeldruck.“ Ich trieb sie neben den großen Kameraden und beobachtete das Pferd mit der neuen Reiterin. „Halte die Beine locker und lasse sie dem Pferdeleib folgen, das ist für beide angenehmer“, sagte ich, „hörst du den Viertakt der Hufe?“ Sie zählte leise mit: „Ja, es sind zwei, der von Regina ist schneller.“ Ich wies nach vorn: „Dort bei den Buchenstämmen kannst du antraben. Nimm die Zügel ganz wenig kürzer und gib einen sanften Schenkeldruck.“ Neben dem hohen Stapel verwandelte sich der Viertakt in einen Zweitakt. Rahel wechselte zum Leichtraben. Anmutig erhob sie sich bei jedem zweiten Schritt aus dem Sattel. Sie lachte freudig und rief: „Mit Sergent reite ich viel ruhiger und leichter.“ „Ja, das macht sein langer Schritt, sitze jetzt einmal aus und passe die Bewegung ganz dem Pferd an.“ Sie ließ sich auf den Sattel sinken und schwang mit jedem Schritt mit. „Auch das geht viel besser. Und dabei hatte ich Angst vor dem großen Pferd. Entschuldige, Sergent, dass ich an dir gezweifelt habe“, sagte sie. Vor der steilen Kurve stiegen wir ab. Ich schaute hinunter in den Buchenwald und erzählte, wie unsere Knechte einmal einen Wagen mit Buchenstämmen überladen hatten und damit zu schnell in die Kurve kamen. „Der Traktor kippte hier hinunter“, ich zeigte auf die Stützmauer, „der Wagen wurde von Stämmen aufgehalten. Werner wurde als Meldeläufer nach Hause geschickt. Nach einer Stunde kam Frei Emil mit seinem Traktor und mit dem Großvater als Passagier. Ruhig wies er die Männer an, wie die Ketten zu befestigen waren, und rief beim Hinaufziehen die nötigen Befehle. Den Knechten gab er kein böses Wort. Am Abend klopfte es an die Stubentür. Die drei Knechte standen im Gang und baten um ein Gespräch. Bevor sie sich setzten, beichteten sie, zu viel geladen zu haben und zu schnell gefahren zu sein. Ob sie den Schaden abverdienen könnten. Der Großvater sagte, das sei nicht nötig, er sehe, sie hätten aus dem Unglück etwas gelernt, und gottlob sei niemand verunfallt. Er hieß sie Platz zu nehmen und schickte Trudi in den Weinkeller.“ Rahel schaute mich sinnend an und sagte dann: „Ich denke, Sie hätten gleich gehandelt wie der Großvater.“ Wir trennten uns am Gatter der Waldenalp. Ich sah sie erst drei Jahre später wieder. Auf meinen Ritten über die Waldenalp und auf die Schwängimatt war ich der Stute mit ihrer Reiterin nie begegnet. Ob sie mir ihre Deutscharbeit zeigen dürfe, schrieb sie. Sie müsse unbedingt eine gute Note machen, weil sie bis jetzt nie auf einen Fünfer gekommen sei und auch im Französisch näher am Vierer stehe. Ich schrieb zurück, ich helfe ihr gerne und es wäre am besten, wenn sie mir ihre Arbeit vor der Besprechung schicken würde. So erhielt ich ein dickes, gelbes Couvert, das mich an meine Bewerbungen erinnerte. Staunend las ich den Titel ihrer Arbeit:

„Spiel, die Stufe der Kindheit – Gedanken zum Werk Friedrich Fröbels“. Im ersten Teil beschrieb sie das Leben des Pädagogen, vor allem sein Wirken in der Schweiz. Es war mir neu, dass er mit Pestalozzi in Yverdon gearbeitet hatte und dass im Schloss Wartensee, in Willisau und Burgdorf von ihm Schulen und Heime gegründet worden waren. Rahel erzählte dann, wie sie in ihrer Kindheit eine Puppe geliebt hatte. Sie bettete sie zum Schlafen dicht neben sich, trug sie sorgsam in den Stall, um sie den Kühen und Kälbern zu zeigen, und nahm sie mit in den Wald, damit sie die Vögel hörte. Immer stärker wünschte sie sich, zu ergründen, warum ihre Puppe so lieb sei. Um das herauszufinden, schnitt sie mit der Schere ein Loch in den Bauch und zupfte neugierig die Wollklumpen heraus. Die Mutter kam dazu, riss sie an den Haaren und versohlte ihr den Hintern. Dazu schrie sie, sie sei ein böses Mädchen und würde nie mehr eine Puppe erhalten. Bei Fröbel entdeckte sie, dass Kinder das innere Wesen ihrer stummen Spielgefährten kennenlernen möchten. Später würden sie versuchen, in der Natur und ihren Lebewesen Gottes Werke zu entdecken. Mit weiteren Erlebnissen aus der Kindheit erklärte sie Fröbels Ansichten über den Wert des Spielens. Am Schluss der Arbeit stand: „Bitte überall hineinschreiben, was ich ändern muss. Dies ist nur ein Entwurf. Danke!“ Das machte ich denn auch. Mit Rot, sonst die Farbe für die Fehler, markierte ich am Rand gute Gedanken und alles, was mir gefiel. Blau galt notwendigen Änderungen im Satzbau und die grüne Farbe zielte auf Fehler in Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Die Autorin kam am nächsten Sonntag hoch zu Pferd. Sie war eine hübsche Frau geworden und ohne ihren Vierbeiner hätte ich sie vielleicht nicht gleich erkannt. Wir stellten Regina zum begeistert wiehernden Sergent in den Stall. In der Stube wurde sie von der Großmutter und Gritli mit einer Herzlichkeit begrüßt, als hätten sie einander schon lange gekannt. Wir tranken Tee und Rahel erzählte von der Schule und ihrer Gastfamilie. „Jetzt lassen wir euch arbeiten“, sagte dann die Großmutter und die zwei Frauen verschwanden mit dem Geschirr in der Küche. Gritli kam noch einmal zurück. „Du bleibst natürlich zum Mittagessen!“, sagte sie und schloss die Tür. Ich legte die Blätter auf den Tisch. Rahel erschrak: „So viel rot, war ich so schlecht?“ Ich beruhigte sie: „Nein. Ich habe rot angestrichen, was besonders gut ist!“ „Sie haben auch uns gelehrt, immer zuerst auf das Gute zu achten, das werde ich auch versuchen. Danke!“, sagte sie. Ich strich über ihre Hand, die den Bleistift zum Start zückte: „Ja, bald sind wir Kollegen. Sage mir bitte du!“ Zwei Wochen darauf erhielt ich ihren Brief. Für die Arbeit hatte sie eine Fünfeinhalb bekommen und durfte nun getrost das letzte Jahr beginnen. Den Brief schloss sie mit den Worten: „Lieber Michael, ich danke dir für alles!“

Am Sonntagmorgen vor meinem ersten Schultag radelte ich ins Dorf. Beim Gasthof Bären stellte ich das Rad ab, gerade als die Kirchenglocken zu läuten begannen. Zu Fuß ging ich weiter. Aus den Seitenstraßen kamen dunkel gekleidete Leute. Mit ernsten Gesichtern grüßte man und mir schien, dieser Gang gehöre schon zum Gottesdienst. Als Kind hatte ich die Großeltern oft zur Kirche begleitet. Die Großmutter und ich setzten uns immer in eine der langen Reihen. Der Großvater aber trennte sich vor dem Eingang von uns und schritt würdevoll in den Chor. Dort saßen nur Männer. Der Großvater setzte sich immer auf den ersten Platz neben der Treppe zur Kanzel. Ohne etwas zu denken, schritt ich diesem Sitz zu, beobachtet von den Gemeindevätern. Ich blieb vor dem Sitz stehen, beugte den Kopf und dachte an die Verstorbenen. Dann setzte ich mich und nickte den Nachbarn zu. An die Predigt erinnere ich mich nicht. Aber vor dem Segen bat der Pfarrer Gott, dass er die Schüler und ihre Lehrer begleite, wenn sie morgen das neue Schuljahr begannen. Dann brauste die Orgel auf, die Leute erhoben sich und strebten dem Ausgang zu. Ich blieb stehen und wartete wie mein Großvater auf den Pfarrer. Würdevoll stieg er herunter, öffnete die Flügeltür und gab mir die Hand: „Das freut mich, dass du da beginnst, wo dein Großvater aufgehört hat.“ Ich dankte für seine Worte zum Schulbeginn. „Ich habe sie vor allem auch für dich gesagt. Du beginnst morgen eine schwierige Arbeit. Aber du wirst es schaffen. Einige Kollegen fürchten, du würdest alles auf den Kopf stellen. Gehe behutsam vor, aber bleibe dir treu. Gottes Segen sei mit dir.“ Mit der Großmutter ging ich dann zu Großvaters Grab. Sie zupfte welke Blätter vom Rosenstrauch. „Es ist die Souvenir de la Malmaison“, flüsterte sie, „den ersten Rosenstock hat er mir zur Verlobung geschenkt, bald werde ich auch hier sein. Ihr müsst mich kremieren lassen und die Urne zwischen dem Grabstein und dem Rosenstock begraben. Und du, wenn du einmal nicht mehr weißt, wo ein und aus, besuche unser Grab und du wirst den Weg finden. Jetzt wollen wir noch zu den anderen Gräbern gehen.“ Sie stützte sich auf meinen Arm und wir gingen zum Grab meiner Eltern. Der Vater war zuerst da gewesen, in seinem Sarg. Die Mutter kam später dazu, in einer Urne. Aus der Manteltasche zog die Großmutter die kleine, abgewetzte Rosenschere, bückte sich mühsam und knipste ein paar dürre Ästchen weg. „Die Reine de la Neige, die Lieblingsrose deiner Mutter“, seufzte sie, „Gritli wird sie gut pflegen.“ Bei Onkel Paul schaute sie nach der Belle Isis. „Er behauptete immer, sie passe am besten zu seinen Pferden“, sagte sie und lächelte. Auf Onkel Walters Grab breitete sich ein dichter Teppich der Jenny Duval aus. Die Großmutter schaute in die Ferne: „Walter sagte einmal, wenn er ein Haus baue, wolle er ringsum nur diese Buschrose. Gritli muss auf den Seiten immer wegschneiden, sonst würden die Rosen alle Gräber ringsum überwachsen. Jetzt wollen wir heim, ich bin müde.“

Den Gang zum Friedhof habe ich oft gemacht und jedes Mal gefühlt, wie die Toten mich gern hatten und begleiteten. Getrost schritt ich dann hinaus, drehte mich beim eisernen Portal unter der Blutbuche um, winkte ihnen zu und ging mit neuem Mut meinen Aufgaben entgegen. Auch damals, als ich mit der Großmutter den ruhigen Ort verließ, blieb meine Angst vor dem Schulanfang und den unheilvollen Ahnungen zurück. Und als ich am Abend nach einem Ritt durch den Wald über die Felder dem Berg zu trabte, mitten in einen feingelben Abendschein, dankte ich für alles und gelobte mir, ein guter Lehrer zu sein. Der Gottesdienst aber vor dem Schulanfang ist heute eine besinnliche Feier mit allen Schülern und ihren Eltern.

2

Es war mäuschenstill, als ich zum ersten Mal die Tür zu meiner neuen Klasse öffnete. Lautlos bewegten sich die Blüten an der Decke und siebenundzwanzig Gesichter richteten sich mir entgegen und begleiteten jede Bewegung bis zum Pult, das protzig am alten Platz auf dem Podium Wache hielt. Ich bemerkte auch, dass die Kirschbaumäste jetzt in der hinteren Ecke standen. Ich ließ mir nichts anmerken, grüßte, setzte die Geige an und spielte ein Vorspiel zu „Es tönen die Lieder“. Nach einer kurzen Pause und einem leichten Nicken begann ich die erste Strophe und die Klasse setzte ein, als hätten wir es geübt. Und doch hatten sie noch nie gemeinsam gesungen. Nach dem Lied forderte ich die Schüler auf, leise aufzustehen und mit dem Stuhl nach vorn zu kommen. Dazu formte ich mit den Händen einen Halbkreis. Ohne Lärm suchten sie die neuen Plätze und auf mein Zeichen setzten sie sich. Auch ich reihte mich mit meinem Stuhl ein und übergab dem Bub neben mir die Kärtchen mit den Namen. Ich nickte ihm zu und er las den ersten Namen: „Silvia!“ Ein Mädchen mit dunklen Zöpfen und einer langen Schürze erhob sich, holte den Karton, überlegte und streifte die Schnur über den Kopf. So ging es weiter. „Michael Freudiger!“, rief er jetzt und tat, als suche er diesen neuen Kameraden. Die Klasse belohnte den feinen Scherz mit herzlichem Lachen. Er guckte mich an, erhob sich und auf mein kaum sichtbares Nicken streifte er mir mein Schildchen über. Noch einmal gab es ein kurzes Gelächter, als der Bub rief: „Peter!“ und sich niemand erhob. Da tat er, als bemerke er erst jetzt, dass es der eigene Name war, und schlüpfte durch die Schlaufe. Nach dieser „Taufe“ gab es eine Fragerunde.

Erich fragte: „Karin, ist dir Hansueli verwandt?“

„Ja, er ist mein Bruder.“

„Dann wohnst du in der Brauerei!“

„Ja! Warum kennst du meinen Bruder?“

„Weil ich jede zweite Woche das Brot in die Gaststube bringe.“

„Heidi“, fragte Walter, „wo wohnst du?“

„Im Martinsacker, am Waldrand der zweite Hof.“

Walter wandte sich an mich: „Haben Sie auch ein Hobby?“

„Ja. Ich reite und beobachte das Leben der Vögel. Und du?“

„Ich spiele Fußball. Unser Nachbar Rudolf Arn spielt schon in der ersten Liga. Er will später zum FC Basel und in die Nationalmannschaft. Ich darf ihm zuschauen beim Jonglieren und er zeigt mir, wie er es macht. Sein Rekord ist 167 Mal.“ Rudolf erreichte tatsächlich sein Ziel und an einer Klassenzusammenkunft zeigte Walter stolz den Baslerdress mit dem Namen seines ehemaligen Trainers.

Nach einigen weiteren Fragen sagte ich: „Ihr geht jetzt dann an den Platz. Rosmarie teilt euch ein Heft aus. Es heißt ‚Das weiße Heft‘. Auf die erste Seite schreibt ihr das Datum und darunter noch ein paar Fragen an die Kameraden oder Kameradinnen. Um die Namen zu lernen, geht ihr leise herum und lest das Schildchen des Empfängers.“ Ein Nicken und nach einem flinken Hin und Her saßen alle an ihrem Pult und erwarteten das Heft. Eifrig schrieben sie und besuchten dazwischen ein neues Gesicht, das sie dann aus verschiedenen Winkeln betrachteten. Auch ich ging durch die Klasse und lernte Namen und ihre Träger auswendig. Christian kam und wies auf sein Heft. Er hatte schon eine ganze Seite vollgeschrieben. „Auf der nächsten Seite darfst du zeichnen“, sagte ich. Er blieb stehen und runzelte die Stirn: „Was soll man zeichnen?“ „Wir fragen die anderen“, sagte ich und schaute über die Klasse. Hände fuhren in die Höhe und ich wies auf die Wandtafel. Ein eifriges Schreiben begann und es entstand eine Liste von Vorschlägen: Unser Haus, mein Spielzeug, unser Hund, meine Adresse (nur schreiben), unser Telefon (auch nur schreiben), das Schulhaus, unser Lehrer. Dieser Vorschlag schien besonders zu gefallen, denn immer wieder standen Schüler vor meinem Pult und ich fühlte ihre forschenden Künstleraugen. Ich sehe die Klasse auch jetzt vor mir – auf dem Klassenfoto. Der Schulfotograf Wernli war am zweiten Tag gekommen und hatte dieses Erinnerungsbild geknipst. Die Kinder blickten voller Erwartung zum Gestell mit dem Apparat und lächelten, als Herr Wernlis Kopf unter einem schwarzen Tuch verschwand. Maria lacht nur mit den Augen, weil sie den etwas vorstehenden Unterkiefer verbergen will und Mark scheint zu sagen: „Hoffentlich ist das bald vorbei.“ Der Lehrer schaut als Einziger nicht nach vorn. Er beobachtet ernst seine neue Klasse. Lange verweile ich bei den Verstorbenen: Erich, der, ohne Witze zu erzählen oder Sprüche zu klopfen, ringsum eine gute Stimmung schaffte, in der Klasse, im Verein, am Arbeitsplatz, in der Familie. Mit der Welt und sich zufrieden, startete er zu einer Velofahrt. Wenig später war er tot, ermordet von einem Autofahrer. Oder Anna, die sich unerschrocken für Kameradinnen oder Kameraden einsetzte, wenn diese von einem Lehrer ungerecht behandelt wurden. Auch ihre Mitarbeitenden führte sie verständnisvoll, trotz ihres stetigen Aufstiegs bis zur Hoteldirektorin. Früh schon raffte sie die Krankheit dahin. Tragisch endete das junge Leben von Martin: Er wurde tot vor seiner Scheune aufgefunden – erschossen. Eine endgültige Aufklärung gab es nie. Und schließlich Urs, der Stille. Nach der Lehre zog er fort und kehrte nur noch zurück auf den Friedhof. Wäre ich ihnen anders begegnet, wenn ich gewusst hätte, wie früh ihr Leben enden würde? Lange grübelte ich dieser Frage nach. Ich hoffe, dass mich mein Gewissen damals richtig geführt hat.

Andere sehe ich regelmäßig und wir sind gute Freunde geworden: Ruedi, der Oberst, besucht jeden Sonntag mit einer Gruppe einen Frühschoppen und auch ich wurde eingeladen, mitzumachen. Walter ist ein Parteikollege und ich freute mich sehr, als der stille Schaffer zum Gemeindepräsidenten gewählt wurde. Karin bringt mir zu jedem Geburtstag ihren nach einem geheimen Rezept hergestellten Schokoladekuchen und Maria berichtet in ihren Briefen von ihrem Berufs- und Familienleben. Daniel, der malende Mathematiker, schickt mir Fotos von seinen neusten Werken und Stephan, der Professor, erscheint oft und unerwartet auf seinem Rennrad. Jedes Mal staune ich, denn als Schüler gehörte er im Turnen zu der Kategorie „Ferner liefen …“ Er läuft noch immer, aber jetzt als willensstarker Athlet im Marathon. Im Wald treffe ich Brigitte, die Ornithologin. Sie ruft mich an, wenn sie einen ungewöhnlichen gefiederten Besucher entdeckt hat. Einmal stotterte sie vor Aufregung: „Ha, ha, hasel, Haselhuhn!“ Im Bergwald über der Alp hatte sie das hohe „Tssissi-tsui“ des Haselhuhns vernommen und den seltenen Gast mit dem bunten Gesicht in einer zerzausten, niedrigen Bergföhre entdeckt. Im Fitnessklub treffe ich Res, den Einzelgänger, der freudig von der Schulzeit erzählt und sich überwinden musste, mir „du“ zu sagen, wie es im Sport üblich ist.

Vor der Pause erkundigte sich Bernhard, ob man in der Pause das Kärtchen am Hals hängen lassen dürfe, dann könnten die anderen vier Klassen die Neuen kennenlernen. Freudig nickten die anderen und so ließ ich sie gewähren. Das Resultat waren Tränen, abgerissene und fehlende Schildchen und rote Striemen in den Nacken. Die Großen, vor allem die Neuntklässler, hatten die Neuen verspottet und die Schildchen weggerissen. Die Flinkeren der Opfer hatten ihre Kartons selbst abgenommen und unter dem Pullover versteckt. Als die nächste Stunde begann, wollten alle etwas sagen. Ich deutete auf Doris. „D Nünteler hei…!“ Ich unterbrach sie: „ Die Neuntklässler haben …!“ Schon etwas ruhiger schilderte sie den Überfall. Andere meldeten sich und schließlich erklärte Marianne: „In vier Jahren kommen wir in die Neunte. Dann machen wir Kärtchen für die Neuen und in der Pause spazieren wir mit ihnen.“ Alle stimmten zu, und so kam es vier Jahre später in der großen Pause zu einem frohen Sich-Kennenlernen. Doch so weit waren wir noch nicht. Im Lehrerzimmer stieß die Idee mit den Namen auf Ablehnung. „Wir haben hier Schule, nicht Spielereien mit Namen“, sagte Kollege Grau. Und Marcel steckte einen Finger in die Nase, schaute sich um und nuschelte: „Bei uns wurden alle Fünfteler von den Großen gestreckt. Man packte sie an Händen und Füßen und streckte sie, so sechs, sieben Mal. Das hat keinem geschadet.“ Noch einmal störte die oberste Klasse. Für Fragen oder Mitteilungen, die nicht für alle gedacht waren, hängten wir einen Briefkasten auf. Die Briefe mussten adressiert werden mit einem oder mehreren Namen oder der Anschrift „An die ganze Klasse“. Ein Umschlag durfte nur vom Adressanten geöffnet werden. Posttag war die letzte Stunde am Samstag. Jolanda amtete als Postbotin. Es war mucksmäuschenstill, wenn sie den Schlüssel ins Türchen steckte und langsam öffnete. Sie ging dann durch die Klasse und verteilte die Post. Auch ich erhielt regelmäßig Briefe. Annemarie schrieb, der Vater schlage sie, wenn sie mit einer schlechten Note heimkomme. Doris teilte mir mit, dass Brigitte von vielen ausgelacht wurde, weil sie so altertümliche Röcke trug. Andreas fragte die Klasse an, ob ihm jemand die Diktate diktieren könnte. In seiner Familie helfe ihm niemand. Viele kleine und große Probleme konnten so aufgedeckt und meist auch gelöst werden.

Annemaries Vater traf ich per Zufall an der Kantonsstraße, wo er als Streckenwärter die Weichen der nebenan verlaufenden Schmalspurbahn kontrollierte. Ich bremste, grüßte und stieg vom Rad. Wir unterhielten uns eine Weile über die vorgesehene Aufhebung der Bahnlinie ins Nachbardorf. Dann fragte er, wie sich sein Meitli in der Schule stelle. „Sie ist freundlich, zuverlässig, gehorcht aufs Wort. Nur traut sie sich noch zu wenig zu. Ich glaube, sie hat Angst, zu versagen“, antwortete ich. Der schwere Mann mit dem zerfurchten Gesicht überlegte: „Kann man zu Hause auch etwas tun? Muss man die Aufgaben besser kontrollieren?“ Ich schüttelte den Kopf: „Nein. Sie ist sehr gewissenhaft und vergisst nie etwas. Was sie braucht, ist Vertrauen. Ich lobe sie, wenn ihr etwas gut gelungen ist. Das wirkt Wunder. Fragen Sie ihre Tochter nach den Noten?“ Er brummte: „Ja, natürlich, man möchte ja, dass sie einmal etwas Rechtes lernen kann, nicht so wie ich. Als ich aus der Schule kam, musste ich zu einem Bauern und dort schuften wie ein Knecht. Nicht dass ich die Arbeit scheue. Aber ich hätte gerne ein Handwerk gelernt, Schmied oder Wagner. Aber ich durfte nicht. Später arbeitete ich bei einem Metzger und dann als Gehilfe im Güterschuppen. Weil man mit mir zufrieden war, durfte ich auf die Strecke als Wärter.“ „Dann wissen Sie, was es heißt, unten durch zu müssen. Um die Noten brauchen Sie sich nicht zu kümmern, das machen wir Lehrer. Aber fragen Sie, wenn sie nach Hause kommt, was ihr heute in der Schule am besten gefallen habe oder was ihr gut gelungen sei“, sagte ich, „Sie werden staunen, was Ihr Kind alles weiß.“

Bei Brigitte war es schwieriger. Sich in Kleiderfragen ins Familienleben einzumischen, kam nicht infrage. Ich wandte mich an unsere Handarbeitslehrerin Marie Müller. Sie stand vor der Pensionierung und wirkte müde. Doch als ich mein Problem darlegte, straffte sich ihr Gesicht. „Ich kenne die Familie. Der Vater ist ein berüchtigter Wilderer. Das Geld braucht er für seine Gewehre. Die Familie kriegt nichts. Brigittes Kleider schneidert ihre Mutter aus den eigenen, ausgetragenen Röcken, alles in Grau und Schwarz. Als einmal die Feuerwehr ausrücken musste, weil ein angebauter Schuppen brannte, fanden sie eine ganze Waffensammlung. Das sei sein Hobby, sagte er, natürlich seien die Gewehre nur zum Anschauen. Da fällt mir etwas ein. Im nächsten Quartal stricken wir ein Halstuch. Statt Grau und Schwarz gebe ich den Mädchen nur bunte Garne zur Wahl. Ich fahre dann weiter mit einer farbigen Küchenschürze. Vielleicht sehen sie dann, wie gerne ihr Kind so etwas trägt.“ Ich besprach auch mit den Mädchen, wie man Brigitte helfen könnte, und sie beschlossen, nie zu spotten und sie bei allen Spielen und Pausengesprächen beizuziehen. Andere Fragen ließen sich leicht lösen. So erhielt Andreas seinen Hauslehrer, es war Stephan, aber unter der Bedingung, dass dieser nach dem Training für das Diktat mit seinem Schüler Fußball spielen würde.

Eines Morgens lag der Briefkasten geöffnet und zertreten auf dem Pausenplatz, mitten in vielen Papierfetzen. Eine Vorhut der Fünften erwartete mich vor dem Fahrradschuppen. Maria schluchzte: „Es waren die Neuntklässler, ich weiß es von meinem Bruder, der gehört auch dazu!“ Ich ließ mir das wüste Bild zeigen und ordnete an, alles aufzulesen und im Zimmer in den leeren Sandkasten zu legen. In den Pausen versuchten eifrige Hände, Fetzen zusammenzufügen und mit Kleister aufzukleben. Schwieriger war es, mit den Neuntklässler zu reden, denn ich war als junger, unerfahrener Kollege mit keinem Fach an unserer obersten Klasse bedacht worden. So wandte ich mich in der Pause an Kurt Steiner, den Deutschlehrer der Neunten. Der mächtige Mann mit dem roten Gesicht, bekannt durch seine Glanzresultate an Schützenfesten und den anschließenden Feiern, hörte sich meine Geschichte an. Dann haute er mir auf die Schulter und sagte mit der dröhnenden Stimme, die ihn berühmt gemacht hatte für die dramatische Deklamation von endlosen Balladen: „Sage ihnen ordentlich die Meinung, ich warte im Lehrerzimmer und nehme unterdessen einen Kaffee Avec.“ Während er seinem Kaffee und der in seinem Schrank wartenden Pflümliflasche zustrebte, lief ich ins leere Fünftklassezimmer und schrieb an die Tafel: Beginnt mit der Sprachübung Seite 17! Als die Neuntklässler ihr Zimmer betraten, wartete ich neben dem Eingang, grüßte freundlich und schloss nach dem Letzten die Tür. Mit wenigen Sätzen beschrieb ich, wie der Kasten der Klasse und dem Lehrer half, Ängste und Schwächen aufzuzeigen und Lösungen zu finden. Kurz erklärte ich auch den Wert des Postgeheimnisses und schloss mit den Worten. „Ich suche die Täter nicht, aber ich erwarte von euch fast erwachsenen Menschen einen Vorschlag, wie man den kleinen Postverkehr im Schulhaus weiterführen könnte.“ Am folgenden Montag erwartete mich meine Klasse vor der Zimmertür. Sie bildeten eine Gasse und was hing dort über den Kleiderhaken? Ein glänzender, gelber Briefkasten. Der Schlüssel steckte und ein zweiter baumelte an einem Schnürchen. „Kann ich öffnen?“, fragte Jürg. Ich nickte. Gespannt verfolgten alle, wie sich der Schlüssel drehte und das Türchen aufging. „Ein Brief!“ Fast einstimmig erschallte der Ruf. Jürg hielt ihn in die Höhe, dann las er vor: „An unsere Fünfteler.“ Ich bedeutete der Schar, einzutreten. Wieselflink huschten sie an ihre Plätze, setzten sich und warteten. Jürg stellte sich neben mein Pult und las: „Liebe Fünftklässler. Wir möchten uns entschuldigen für den dummen Streich mit dem Briefkasten. Und wir wünschen euch viele Post. Eure Neuntklässler. Darunter haben alle unterschrieben.“ Die Schüler klatschten in die Hände und der Vorschlag von Mark, den Brief im Kasten zu lassen, damit immer etwas drin sei, wurde gutgeheißen. Im zweiten Jahr brauchten wir den schriftlichen Verkehr nicht mehr. Man hatte Vertrauen gefasst und redete sich direkt an.

3

Eine strenge Zeit begann. Ich musste außer meinen Fünftelern noch drei andere Klassen kennenlernen. In der Sechsten fiel es mir leicht, denn ich unterrichtete sie in Geografie, damals noch mit ph geschrieben, Zeichnen und Religion und sah sie täglich. Sie ließen sich auch leicht begeistern, wenn man ihnen etwas zutraute. Als in der Geografie der Schweiz die Pässe auf dem Programm waren, nannte ich keinen Einzigen. Weil gerade die Tour de Suisse lief, lautete eine Frage: „Morgen radeln sie von Bellinzona nach Chur. Sucht auf der Karte die Pässe, die sie überwinden müssen!“ Ein eifriges Studium begann und schon bald fragte Roger: „Dürfen sie nur über einen Pass?“ Ich sagte, die Organisatoren wechselten mit langen und kürzeren Etappen ab, man könne also verschiedene Routen suchen. So erhielt der San Bernardino an der Tafel Gesellschaft von Lukmanier, Gotthard, Oberalp, Nufenen, Furka und nach der Frage, ob sie auch ein Stück weit durch Italien fahren dürften, von Splügen, Maloja, Julier, Albula und Flüela. In einer eigenen Tour durften die Schüler dann weitere Pässe suchen. Im Zeichnen malte die Klasse alle Kantonswappen. An der 1. Augustfeier vor dem Schulhaus hingen sie dann hinter dem Redner. Großrat Malermeister Meyer freute sich und benutzte die farbenfrohe Reihe als Einstieg. So vielfältig wie die Fahnen seien die Kulturen und es sei eine wichtige Aufgabe, diese zu pflegen und zu bewahren für die kommenden Geschlechter.

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Auch der Religionsunterricht bereicherte die Geografie. Eine Schweizerkarte zeigte mit blauem Hintergrund die protestantischen Kantone und mit Rot die katholischen. In der Klasse waren zwanzig Schüler protestantisch, fünf katholisch und eines mohammedanisch. In der Religionsstunde erzählten die Kinder, wie es in ihren Kirchen zuging und welche Feiertage es gab. Gespannt lauschte die Klasse den Worten von Aisha, der Iranerin. Bruno erkundigte sich nach der Kleidermode. Er habe in einem Buch Frauen gesehen, die ganz verschleiert waren. Aisha nickte: „Ja, meine Großmutter trägt immer ein Kopftuch, wenn sie das Haus verlässt. Aber ich kam mit fünf Jahren in die Schweiz und durfte unverschleiert ins Freie. Ich kann euch einige Schleier mitbringen.“ In der nächsten Stunde durften die Mädchen ausprobieren, wie man sein Gesicht verhüllt. Ihr Vater war Zahnarzt und die Familie fiel nicht auf durch die Kleidung. Aisha aber wurde später Ärztin. Der Schule blieb sie verbunden, denn nach einigen Jahren als Oberärztin im Inselspital zog es sie zurück ins Dorf. Sie eröffnete eine Praxis, und obwohl die Dorfältesten an ihren Stammtischen im Bären und in der Sonne beteuerten, sie würden nie einen Fuß in eine Weiberpraxis setzen, füllte sich das Wartzimmer rasch. Nach einigen Jahren wählte sie der Gemeinderat sogar zur Schulärztin. Das Verständnis für andere Religionen wurde auch mit eigenen kleinen Aktionen geübt. Eines Morgens warteten Angela und Marlies vor der Tür. Sie teilten mir stolz mit, sie seien zusammen an einer Messe gewesen und an einem Gottesdienst. Marlies war protestantisch und Angela katholisch.

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