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Titelbild: Thommy Mardo

Satz & Gestaltung: Verena Kessel

ISBN Taschenbuch

978-3-86476-125-6

ISBN E-Book EPUB

978-3-86476-626-8

ISBN E-Book PDF

978-3-86476-627-5

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Seit 1542

Verlag Waldkirch KG

Schützenstraße 18

68259 Mannheim

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© Verlag Waldkirch Mannheim, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags.

Mara Laue

RUSSEN
Liebe

Tod im Mannheimer Hafen

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Anmerkung der Autorin

Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden, ebenso die erwähnten Etablissements sowie konkrete Hausnummern, die aus rechtlichen Gründen ebenfalls fiktiv sind. Lediglich das Gasthaus/Hotel Goldene Gans ist real, das ich mit freundlicher Genehmigung der Inhaberin als Nebenschauplatz verwenden durfte. Ebenso entsprechen alle geschilderten Orte und Sehenswürdigkeiten der Realität.

Inhalt

Kapitel 1

Freitag, 11. März

Kapitel 2

Montag, 21. März

Kapitel 3

Dienstag, 22. März

Kapitel 4

Donnerstag, 24. März

Kapitel 5

Freitag, 25. März

Kapitel 6

Kapitel 7

Samstag, 26. März

Kapitel 8

Sonntag, 27. März

Kapitel 9

Montag, 28. März

Kapitel 10

Dienstag, 29. März

Kapitel 11

Kapitel 12

Mittwoch, 30. März

Kapitel 13

Donnerstag, 31. März

Kapitel 14

Mittwoch, 5. April

Kapitel 15

Mittwoch, 3. Mai

Wissenswertes

Der Waldkirch-Verlag

Das Gasthaus Goldene Gans

Der Industriehafen

Ich kam, ich sah, und Mannheim siegte

Soko, Moko, MK, BAO, KDD, KK, FK, Dezernat, EG Was Sie schon immer darüber wissen wollten

Danksagungen

1.

Freitag, 11. März

Er hatte einen Fehler gemacht; so viel war ihm klar. Aber welchen? So oft er auch den Abend Revue passieren ließ, er fand keinen Grund, der ihn als Zielperson auf das Radar der Typen hätte bringen können, die ihn verfolgten. Hatte die Vergangenheit ihn eingeholt? Nach so langer Zeit? Ausgeschlossen war das nicht. Schließlich hatte er jeden Tag damit gerechnet, denn seine Feinde waren von dem Kaliber, das nichts vergisst und ein Ziel bis in alle Ewigkeit verfolgte, wenn es sein musste. Doch das spielte im Moment keine Rolle. Für ihn ging es nur noch darum, am Leben zu bleiben.

Wussten seine Verfolger, wohin er wollte? Falls ja, dann würden sie ihm dort auflauern. Falls nicht, war das seine einzige sichere Zuflucht. So oder so, er hatte nur diese eine Chance. Leider kannte er sich in dieser Stadt nicht aus; sonst hätte er vielleicht eine Abkürzug oder überhaupt einen Weg abseits der Straßen gekannt, um an sein Ziel zu kommen. Dem war aber nicht so, also musste er improvisieren.

Er rannte die Straße hinunter bis zur nächsten Kreuzung und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Araltankstelle, an der er am Abend vorbeigekommen war. Rechts daneben befand sich ein Fußweg zu einer Brücke. Hieß sie nicht „Teufelsbrücke“? Das passte zu seiner Situation. Immerhin führte der Weg zum Wasser. Wenn er alles richtig in Erinnerung hatte, musste er vor der Brücke nach links laufen und immer am Wasser bleiben, um an sein Ziel zu kommen. Am Ende des Hafenbeckens rechts über einen Haufen Gleise, auf denen so spät am Abend zum Glück keine Züge fuhren.

Er rannte weiter. Ein Auto brauste heran und bremste quietschend vor den Pollern, die den Fußweg von der Straße abgrenzten. Er warf einen Blick über die Schulter. Der Wagen setzte zurück und raste links die Straße hinauf. Seine Verfolger, ohne jeden Zweifel. Offenbar wollten sie ihm den Weg abschneiden. Mit etwas Glück glaubten sie, er wolle über die Brücke auf die andere Seite des Kanals gelangen. Wollte er, aber nicht über die Brücke.

Er lief weiter und war einmal mehr dankbar dafür, dass er sich ständig fit hielt. Bis zu seinem Ziel mussten es noch etwa anderthalb Kilometer sein, vielleicht weniger. Die schaffte er locker.

Als er das Ende des Hafenbeckens erreicht, die Gleise überquert hatte und über die Leitplanke auf den Seitenstreifen einer Straße geklettert war, blieb er stehen, um sich zu orientieren und Atem zu schöpfen. Er erkannte die Ecke wieder, obwohl es dunkel war und nur die Straßenlaternen Licht spendeten. Seine Fähigkeit, genau zu beobachten und sich Wege zu merken, die er benutzt oder auf einem Stadtplan gesehen hatte, zahlte sich immer wieder aus. Ein Stück nach links laufen, dann schräg geradeaus. Noch ungefähr dreihundert Meter, dann hätte er es geschafft.

Ein Auto näherte sich von rechts. Als die Scheinwerfer ihn erfassten, beschleunigte es. Scheiße, sie hatten ihn entdeckt! Nirgends gab es Deckung, die er rechtzeitig hätte erreichen können, bevor der Wagen heran gewesen wäre. Und vor einem fahrenden Auto auf einer Straße wegzulaufen, die keinerlei Deckung bot, war der sicherste Weg in den Tod.

Er sprang zur Seite, als der Wagen Anstalten machte, ihn zu rammen, und zog sich auf ein unbebautes Gelände neben der Straße zurück. Hier hatte er genug Bewegungsfreiheit, wenn auch leider keine Deckung. Noch bevor das Fahrzeug zum Stehen kam, sprangen die ersten Insassen heraus, die anderen folgten Sekunden später. Fünf Gegner. Bewaffnet. Mit zwei Pistolen, zwei Messern und einem Baseballschläger. Zu viele, um lebend davonzukommen. Aber er würde sich nicht kampflos abknallen lassen. Zu schade, dass er keine Pistole mehr besaß. Aber in diesem Land mit seinen extrem strengen Waffengesetzen war der Besitz von Schusswaffen für normale Menschen ohne berechtigtes Interesse und entsprechender Erlaubnis illegal. Und sein Beruf gab ihm leider kein „berechtigtes Interesse“ dafür. Tschjort pabjerí!

„Was wollen Sie?“, versuchte er Zeit zu gewinnen, während er seine Optionen abwog. Hätte nur einer von den Kerlen eine Pistole, hätte er eine Chance. Aber die Umstände standen nicht zu seinen Gunsten.

„Dass du stirbst, Arschloch.“

„Warum?“

„Blöde Frage, Idiot.“

Er warf sich zur Seite, als der linke Mann seine Pistole hob, und hechtete auf den rechten Kerl zu, der die andere Waffe in der Hand hielt. Wenn es ihm gelänge dessen Pistole in die Finger zu bekommen … Ein Schuss krachte, verfehlte aber sein Ziel. Er schaffte es, dem zweiten Mann die Pistole zu entreißen, da dieser nicht mit seinem Angriff gerechnet hatte. Ohne zu zögern schoss er auf den Mann, den er entwaffnet hatte. Er wartete das Ergebnis nicht ab, sondern fuhr zu dem Kerl herum, der den Schuss abgegeben hatte, weil er der Gefährlichste der verbliebenen Gegner war.

Er spürte den Einschlag der Kugel in die Brust, bevor er den Knall des Schusses hörte. Vorbei! Doch er fühlte weder Schmerz noch Angst. Asjenka … Dann wurde es finster um ihn.

2.

Montag, 21. März

Hauptkommissar Duran Oktay blickte auf den Stapel von Fallakten auf seinem Schreibtisch. Er hätte schwören können, dass die sich seit gestern auf wundersame Weise vermehrt hatten. Natürlich war das eine Illusion, denn sein Schreibtisch sah genauso aus, wie er ihn gestern Abend verlassen hatte. Er hatte über Nacht nur verdrängt, wie hoch der Aktenstapel war, den er abzuarbeiten hatte. Mord verjährte nicht, und aus diesem Grund lagen Akten von offenen Mordfällen regelmäßig auf dem Tisch, um zu prüfen, ob es Dinge gab, in denen die Ermittlungstechniken genug Fortschritte gemacht hatten, um einen alten Fall vielleicht endlich zu lösen.

Allerdings galt Durans Priorität einem neuen Fall, für den er zum Ersten Sachbearbeiter und somit Fallverantwortlichen ernannt worden war. Deshalb gab es für ihn und sein Team kein freies Wochenende.

Eine männliche Leiche war vergangenen Dienstag im Hafen gefunden worden. Der Mann hatte keinen Ausweis oder andere Identifikationsmöglichkeiten in den Taschen gehabt, auch kein Geld, dafür aber dreihundert Gramm unverschnittenes Kokain bester Qualität im Wert von mehreren Tausend Euro. Doch die scheinbar heiße Spur ins Drogenmilieu hatte bisher kein Ergebnis gebracht. Weder die Fingerabdrücke noch das DNA-Profil des Toten waren registriert. Eine Vermisstenanzeige, die auf die Leiche passte, gab es ebenfalls nicht. Und die Analyse des Kokains stand noch aus.

Was alles nichts heißen wollte, denn bei den unzähligen Frachtschiffen, die täglich den Hafen frequentierten, konnte es durchaus sein, dass der Mann mit einem Schiff gekommen und noch nicht vermisst worden war. Auf Großcontainerschiffen herrschte beim Be- und Entladen rege Betriebsamkeit und es gab mehr als einen Grund, warum in dem Trubel das Fehlen eines Besatzungsmitglieds nicht sofort bemerkt wurde. Und wenn dessen Fehlen später auffiel, wurde die Vermisstenmeldung als Erstes dem Kapitän gegeben, der sie an die Reederei weiterleitete, die wiederum die Angehörigen informierte und nachfragte, ob der Vermisste sich bei ihnen gemeldet hatte. Bis eine offizielle Vermisstenanzeige die Mannheimer Polizei erreichte, verging in so einem Fall mehr als nur eine Woche.

Falls sie überhaupt hier landete, denn wenn man nicht wusste, in welchem Hafen der Vermisste verschwunden war, gab es auch keinen Anhaltspunkt, in welcher Stadt man gezielt nach ihm suchen sollte. Über die Nationalität gab es ohne Papiere keinen Anhaltaltspunkt. Immerhin war seit Samstag in allen regionalen und überregionalen Zeitungen sowie im Fernsehen ein Foto des Toten veröffentlicht worden, mit der Bitte an die Bevölkerung sich zu melden, falls jemand ihn erkannte. Mit etwas Glück konnte seine Identität auf diesem Weg festgestellt werden.

Duran schaltete den Computer ein, bevor er seine Jacke auszog und sich setzte, sein Passwort eingab und als Erstes überprüfte, ob es im Fall „Hafenmord“ seit gestern neue Einträge in der entsprechende Datenbank gab. Er gähnte unterdrückt. Früh aufzustehen war nicht sein Ding. Und um halb sechs aus dem Bett zu robben, damit er um sieben im Präsidium sein konnte, war die Hölle. Er war ein ausgesprochener Nachtmensch und lief erst abends um zehn, wenn andere Leute zu Bett gingen, zur Höchstform auf.

Zum Glück musste er nicht immer so früh aufstehen. Wenn es keinen akuten Fall gab, konnte er auch schon mal um acht oder halb neun anfangen. Trotzdem zählte er die Jahre bis zur Pensionierung, um endlich auch außerhalb seines Urlaubs seinem natürlichen Schlafrhythmus frönen zu können. Leider hatte er bis dahin noch achtzehn Jahre vor sich. Er liebte seinen Beruf, keine Frage, aber die Nachteile wäre er lieber heute als morgen los.

Erleichtert sah er, dass der Obduktionsbericht endlich vorlag. Die Rechtsmedizin in Heidelberg arbeitete normalerweise relativ schnell; schließlich gab es in deren „Einzugsgebiet“ allen Kriminalromanen und einschlägigen Filmen zum Trotz nicht allzu viele Todesfälle und Tötungsdelikte, die eine Obduktion erforderten. Doch letzten Montag hatte sich eine durchreisende Bikergang mit ein paar Einheimischen einen Kampf mit Messern, Knüppeln und Schlagringen geliefert, der für etliche Beteiligten tödlich geendet hatte. Jeder der Toten musste obduziert werden, deshalb hatte die Obduktion der Wasserleiche warten müssen. Deren Ergebnis brachte aber nichts, was nicht schon bei ihrem Auffinden offensichtlich gewesen wäre.

Duran setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin, als er den Bericht der Kriminaltechnik über die beiden Kugeln las, die das Opfer getötet hatten, ein Schuss in die Brust, einen zweiten in den Kopf. Endlich gab es einen Anhaltspunkt, der ihnen hoffentlich weiterhelfen konnte. Er druckte die Berichte aus und machte sich auf den Weg zur Frühbesprechung im großen Besprechungsraum.

Die Uhr zeigte Punkt halb acht, als er den Raum betrat. Fast alle Mitglieder der „Soko Hafen“ waren bereits anwesend und wirkten, bis auf einige wenige Frühmenschen, genauso müde wie Duran. Tanja Michaelsen, mit der er schon oft zusammengearbeitet hatte, demonstrierte ihre Morgenmuffeligkeit mit Humor in Form eines quietschgelben Kaffeebechers von gigantischem Fassungsvermögen, auf dem eine cartoonartige Krähe mit einem extrem missmutigen Gesichtsausdruck und halb geschlossenen Augen abgebildet war. Darum herum stand der Spruch: „Der führe Vogel kann mich mal!“ Jedes Mal, wenn Duran den Becher sah, musste er lächeln, denn der Spruch passte zu Tanja. Ihre Augen waren halb geschlossen wie die der Krähe und auch ihr Gesichtsausdruck war dem des Vogels verblüffend ähnlich.

Sie schlurfte zu ihrem Platz, den Becher in der Hand, und nickte Duran zu. „Du hast nicht zufällig zwei Streichhölzer? Pro Auge, versteht sich.“

Diese Frage war ein alter Scherz, aber immer wieder aktuell, weil Tanja morgens grundsätzlich die Augen auf Halbmast flaggte, als seien die Lider zu schwer, um sie ohne „Stützen“ wie dazwischen geklemmte Streichhölzer offen zu halten. Zumindest so lange, bis sie ihren Jumbobecher ausgetrunken hatte oder etwas ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchte. Dann war sie von einem Moment auf den andern hellwach.

„Sorry, Tanja, ich kann nur mit einem Feuerzug dienen.“ Ebenfalls ein Scherz, denn Duran rauchte nicht und hatte deshalb auch kein Feuerzeug bei sich.

Sie winkte ab, setzte sich, starrte in ihren Becher und erweckte den Eindruck, als würde sie jeden Moment wieder einschlafen. Mick Behrens eilte herein, ebenfalls einen Kaffeebecher in der Hand, und setzte sich auf den nächsten freien Platz. Damit war die „Soko Hafen“ vollzählig.

„Morgen, Leute“, grüßte Duran in die Runde. „Es gibt Neuigkeiten. Der Obduktionsbericht liegt endlich vor, ebenso eine Nachricht von der Kriminaltechnik. Unser Opfer hat, wie wir wissen, zwei Schüsse abbekommen. Der in die Brust war tödlich. Der Kopfschuss wurde ihm post mortem verpasst, aber unmittelbar nach dem Herzschuss.“

„Eine Hinrichtung“, vermutete Tanja.

Duran zuckte mit den Schultern. „Oder der Mörder wollte einfach nur sichergehen, dass sein Opfer wirklich tot ist.“ Er nickte. „Aber die Hinrichtung ist nicht von der Hand zu weisen, denn die KT hat die Kugeln einer Waffe zuordnen können, die 1989 bei der Ermordung von Gabriele Koloschka verwendet wurde. Eine Walther PPK.“

„Wer ist Gabriele Koloschka?“, wollte Mick wissen.

„Das war vor deiner Zeit“, stellte Paul Gruber vom Drogendezernat fest, mit dreiundsechzig Jahren der Dienstälteste der Soko. „Gabi Koloschka, auch Schneewittchen genannt, war in den Achtzigerjahren die ungekrönte Königin der Drogenszene und dealte ausschließlich mit Kokain bester Qualität – Schnee, daher ‚Schneewittchen’. 1988 – oder schon 87? – tauchte ein Konkurrent auf, dessen Identität wir nie haben ermitteln können. Der setzte alles dran, Schneewittchen das Wasser abzugraben. Aber sie war zu gut aufgestellt, als dass ihm das gelungen wäre. Die Königin der Szene eben. Also griff er zum ultimativen Mittel und ließ sie hinrichten.“

Mick zog die Augenbrauen hoch. „Ließ?“

Paul nickte. „Nach allem, was wir damals ermitteln konnten, hat der Große Unbekannte das nicht selbst erledigt. Unsere Informanten aus der Szene waren sich jedenfalls in dem Punkt zu hundert Prozent einig. Der neue Mann hat wohl einen Unbekannten von auswärts geholt, den niemand in der Stadt kannte.“

„Ein Auftragskiller?“ Tanjas Augen waren zwar immer noch halb geschlossen, aber ihre Stimme klang munterer als noch vor ein paar Minuten.

Paul schüttelte den Kopf. „Nicht im herkömmlichen Sinn. Wie gesagt, unsere damaligen Ermittlungen haben uns leider nicht allzu weit gebracht, weil der Große Unbekannte mit allen Wassern gewaschen war. Aber es deutete viel darauf hin, dass er der Kopf einer Gang nach amerikanischem Vorbild war. Vermutlich hat er einen seiner Nachwuchsjünger beauftragt, Schneewittchen zu töten, um durch die Tat seine Loyalität zu beweisen und in der Gang aufzusteigen oder in sie aufgenommen zu werden. Aber das sind nur unbewiesene Theorien. Schneewittchen war vorsichtig. Wenn sie geglaubt hätte, dass ihr Mörder mit ihrem Konkurrenten was zu tun hatte, hätte sie ihn nie so nah an sich rangelassen. Schon gar nicht ohne ihre Bodyguards. Aber der Typ hat sie in ihrem Schlafzimmer erschossen, wo sie mehr oder weniger nackt im Bett lag.“

„Wenigstens hatte sie vorher noch Spaß“, witzelte Mick.

Duran warf ihm einen verweisenden Blick zu. Zwar hatte jeder seine eigene Methode, um mit der Belastung bei Todesermittlungen umzugehen, und Galgenhumor war weit verbreitet. Aber er persönlich hielt den für unangebracht, weil er, wie in diesem Fall, das Opfer zur Witzfigur machte, wenn auch nur für einen Moment.

Auch Paul blickte Mick strafend an. „Eben wegen dieser Situation waren wir uns damals sicher, dass der Mörder kein herkömmlicher Killer war. Auftragsmörder bauen keine Beziehung zum Opfer auf, sondern töten es bei der ersten sich bietenden und für sie sicheren Gelegenheit. Sorgfältig geplant, in der Regel, aber ohne vorherige Beziehung.“

„Wer war denn Schneewittchens Nachfolger?“, wollte Tanja wissen.

Paul winkte ab. „Die Idee kam uns selbstverständlich auch, dass der Nachfolger der Auftraggeber war, wenn schon nicht der Täter. Aber der Große Unbekannte war auch in dem Punkt ziemlich schlau. Er setzte eine Art Statthalter ein, den wir später einkassiert haben. Doch der entpuppte sich nur als Strohmann für jemanden, der im Hintergrund die Fäden zieht. Falls er den Großen Unbekannten kannte, hat er dessen Identität eisern verschwiegen. Später konnte er sowieso nichts mehr sagen, weil er rein zufällig“, Pauls Tonfall drückte aus, dass er an diesen Zufall nicht glaubte, „noch vor seiner Gerichtsverhandlung im Knast erstochen wurde.“ Er winkte ab. „Jedenfalls ist die Tatwaffe im Schneewittchen-Mord seit damals nicht mehr aufgetaucht. Bis heute.“

„Das heißt aber nicht, dass der Mörder unserer Leiche mit dem Fall von damals zu tun hat“, betonte Mick. „Halte ich für eher unwahrscheinlich. Wer weiß, wie oft diese Waffe seitdem den Besitzer gewechselt hat.“

Paul nickte. „Der Große Unbekannte wird seinen Mann garantiert angewiesen haben, die Waffe nach dem Mord an Schneewittchen loszuwerden. Dass der Mörder sie behalten hat, wäre extrem leichtsinnig. Oder er fühlte sich so sicher, dass er darin keine Gefahr sah. Wenn wir den Mörder unserer Wasserleiche finden, kann der uns bestimmt sagen, woher er die Waffe hat. Mit etwas Glück können wir sie zu ihrem ursprünglichen Besitzer zurückverfolgen.“

Duran hoffte das zwar auch, hielt es aber für eher unwahrscheinlich. Die Pistole konnte in den vergangenen achtundzwanzig Jahren ein Dutzend Mal oder öfter den Besitzer gewechselt haben.

„Nachdem wir am Freitag die Daten über die Wasserströmung vom Schifffahrtsamt bekommen hatten“, übernahm Bettina Thomas das Wort, „konnten wir anhand der Fließgeschwindigkeit ungefähr eingrenzen, wo der Tote möglicherweise im Wasser gelandet ist. Wir haben die Ufer zu beiden Seiten abgesucht, sogar noch ein gutes Stück weiter, aber nirgends einen Hinweis auf einen möglichen Tatort gefunden.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Erschwerend kommt hinzu, dass es letzte Woche kräftig geregnet hat und alle möglichen Spuren dadurch zerstört wurden. Immer vorausgesetzt, der Tote wurde an Land ermordet und nicht auf einem Schiff.“

Genau das befürchtete nicht nur Duran, was die Ermittlungen möglicherweise enorm erschweren würde. Besonders wenn es sich um ein Schiff handelte, das unter ausländischer Flagge fuhr. Der Tote war äußerlich zwar das, was man gemeinhin einen „Weißen“ nannte, aber durch die Globalisierung konnte man aus dem Äußeren schon längst keine Schlüsse mehr auf die Nationalität eines Menschen ziehen.

Durans Handy klingelte. Die im Display angezeigte Nummer gehörte zur Zentrale. „Oktay.“

„Ackermann“, meldete sich eine weibliche Stimme. „Wir haben gerade einen Anruf auf der Hotline bekommen. Jemand glaubt, den unbekannten Toten zu kennen.“

Duran fühlte einen Adrenalinschub. Ein Durchbruch? „Wer ist es?“

„Fenno Harmsen. Er ist der Kapitän eines Containerschiffes, die LÜTTE DEERN. Er war vorletzten Freitag in Monnem und glaubt, dass der Tote einer seiner Leute ist.“

„Ich meine, wer seiner Meinung nach der Tote ist“, präzisierte Duran.

„Sein Funker. Der Kapitän hat sein Bild in der Zeitung gesehen. Er legt heute Nachmittag wieder im Hafen an, wenn ich ihn richtig verstanden habe.“

„Hat der Funker auch einen Namen?“ Auch Sigrid Ackermann war am Morgen noch nicht allzu munter, was sich auf ihre Reaktionsfähigkeit auswirkte.

„Ja, er heißt angeblich Semion Morrossoff oder so ähnlich. Ich konnte den Mann kaum verstehen.“ Sie buchstabierte, was sie sich notiert hatte, und Duran schrieb das in sein immer griffbereites Notizbuch.

„Ein Russe? Der Funker“, fügte Duran hinzu, nur für den Fall, dass Sigrid die Frage auf den Kapitän bezog.

„Laut dem Kapitän, ja. Zumindest stammt er wohl ursprünglich aus Russland.“

„Danke.“ Er unterbrach die Verbindung und teile dem Team die Neuigkeit mit. Sobald er wieder an seinem Platz war, würde er die Personalien von Semion Morrossoff überprüfen, denn der Mann hatte garantiert einen Führerschein. „Wichtig ist noch“, nahm er den Faden von vorhin wieder auf, „dass der Mann bereits am Freitagabend gestorben ist. Beziehungsweise um Mitternacht herum, also eventuell auch am frühen Samstagmorgen. Er hat also ungefähr vier Tage im Wasser gelegen.“

Weshalb die Leiche entsprechend ausgesehen hatte. Natürlich hatte das Wasser alle Fremd-DNA zerstört, die sich möglicherweise an seiner Kleidung befunden hatte. Deshalb war die Kugel aus der Waffe vom Schneewittchen-Fall die gegenwärtig einzige Spur.

„Das Schiff, auf dem er wahrscheinlich gefahren ist, legt heute Nachmittag im Hafen an. Tanja und ich reden mit dem Kapitän. Paul, du hörst dich in der Szene um, ob irgendjemand was weiß hinsichtlich der Tatwaffe.“

Allerdings machte Duran sich in dem Punkt keine Illusion, was einen möglichen Erfolg betraf. Der Täter war bestimmt nicht mit dem Mord hausieren gegangen. Vielleicht hatte er sich auch schon eine neue Waffe besorgt. Das war im Zeitalter von Darknet und Bitcoin sehr viel einfacher als früher. Bedauerlicherweise. Andererseits glaubten allzu viele Verbrecher, dass man sie nie im Leben erwischen würde, besonders wenn sie schon mit mehreren Verbrechen straflos davongekommen waren. Deshalb legten sie eine gewisse Sorglosigkeit an den Tag. Und da auch illegale Waffen nicht auf Bäumen wuchsen, bestand durchaus die Möglichkeit, dass der Täter die Pistole immer noch besaß.

Duran verteilte die weiteren Aufgaben und kehrte anschließend in sein Büro zurück. Seine Internet-Suche nach einem Semion Morrossoff ergab allerdings keinen Treffer; vermutlich war die Schreibweise falsch. Und solange er nicht wusste, in welcher Stadt der Mann gemeldet war, konnte er auch nicht die dortige Polizei um Amtshilfe bitte, damit die ihnen ein Vergleichsfoto aus dem Melderegister zur Verfügung stellten.

Dies war einer der Momente, wo Duran sich halbherzig wünschte, die Realität wäre so einfach, wie diese Dinge in den fiktiven Krimis immer dargestellt wurden. Dort ging alles und innerhalb kürzester Zeit. Und notfalls kam immer im richtigen Moment „Kommissar Zufall“ zu Hilfe, um zu richten, was anders nicht zu retten gewesen wäre. Aber dies war die Realität. Heute Nachmittag, wenn er mit dem Kapitän gesprochen hatte, der den Toten erkannt haben wollte, wusste er hoffentlich mehr.

Ein Klopfen am Rahmen der Tür, die er offengelassen hatte, ließ ihn aufblicken. „Lena, komm rein. Guten Morgen.“

Erste Kriminalhauptkommissarin Lena Seydlitz trat ein. „Morgen, Duran. Hast du einen Moment?“

„Für dich immer.“ Er deutete auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. „Was kann ich für dich tun?“

Sie setzte sich. „Vielleicht nichts. Oder vielleicht kann ich was für dich, vielmehr die Soko, tun. Wie weit seid ihr mit dem Hafenmord?“

Er schüttelte den Kopf. „Wir haben eine mögliche Identifizierung des Opfers, die aber noch bestätigt werden muss. Warum fragst du?“

„Wisst ihr schon den Todeszeitpunkt?“

Er nickte. „Seit vorhin. Freitag oder Samstag vor einer Woche um Mitternacht herum.“ Auffordernd sah er sie an, wiederholte aber seine Frage nach dem Grund für ihr Interesse nicht.

„Es wurde eine weitere Leiche gefunden.“ Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Auf dem frei zugänglichen und unbewachten Gelände einer Baufirma an der Diffenéstraße entsorgt wie Abfall. Man hat den Toten unter Schutt eingebuddelt, sodass er nicht sofort entdeckt wurde. Ich leite die MK für den Fall. Auch dieser Mann hatte keine Papiere bei sich, womit ich eine Parallele zu eurem Toten sehe. Obendrein hat man ihm alle Fingerkuppen post mortem abgetrennt, woraus ich schließe, dass seine Fingerabdrücke im System sind und man uns dadurch die Identifikation erschweren wollte. Außerdem ist er ebenfalls erschossen worden. Und der mutmaßliche Todeszeitpunkt wurde auf Samstag vor einer Woche in der Frühe ermittelt.“ Lena sah ihn bedeutsam an. „Da Monnem nicht zu den Städten gehört, in denen besonders viele Tötungsdelikte durch Schusswaffen vorkommen, erst recht nicht um nahezu die gleiche Zeit, besteht die Möglichkeit, dass unser Fall und eurer zusammenhängen.“

Den Verdacht hatte Duran ebenfalls. „Wir haben vorhin erfahren, dass die Waffe, mit der unser Unbekannter erschossen wurde, dieselbe ist, die vor achtundzwanzig Jahren für den Mord an einer Drogenbaronin verwendet wurde. Der Schneewittchen-Fall. Du hast vielleicht von ihm gehört. Falls euer Toter mit derselben Waffe ermordet wurde, handelt es sich tatsächlich nicht um zwei getrennte Fälle, sondern um den gleichen.“ Sollte sich der Verdacht bestätigen, würde Lenas Mordkommission mit der Soko zusammengelegt werden.

Lena nickte. „Mein Gedanke. Aber das habe ich, vielmehr hat die Kriminaltechnik schon überprüft und keine Übereinstimmung des Projektils mit einer bereits bekannten Waffe gefunden. Ich checke aber die Schneewittchen-Akte sicherheitshalber. Doch auch ohne eine Übereinstimmung könnten die Fälle zusammenhängen. Zweit Tote im selben Zeitraum, die nichts miteinander zu tun haben, wäre ein verdammt riesiger Zufall, an den ich nicht glaube.“

Duran nickte ebenfalls. „Was wir aber bis zum Beweis des Gegenteils nicht ausschließen werden. Ich halte dich über alle unsere Ermittlungen auf dem Laufenden.“

„Gleichfalls.“ Lena stand auf.

„Falls euer Knabe tatsächlich im System ist, müsste es früher oder später einen Treffer bei der Gesichtserkennung geben“, meinte Duran.

Wieder verzog Lena das Gesicht. „Das wollte man offenbar auch ausschließen, denn das Gesicht wurde so verätzt, dass man es schon anhand des Schädelknochens rekonstruieren müsste.“

Was nicht ohne zwingenden Grund geschehen würde. Denn erstens war das eine sehr aufwendige und entsprechend teure Angelegenheit. Und zweitens gab es nur wenige Spezialistinnen und Spezialisten in Deutschland, die diese Kunst beherrschten. Erst wenn alle anderen Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft waren, konnte man diese Maßnahme in Erwägung ziehen.

„Aber die Zähne sind, wie es aussieht, vollständig erhalten“, ergänzte Lena. „Und da jeder Mensch irgendwann mal zum Zahnarzt geht, sind wir zuversichtlich, über sein Gebiss eine Identifizierung zu erreichen.“

Was aber Monate dauern könnte. Denn das bei einem Toten festgestellte Zahnschema wurde nicht, wie man das in Büchern und Filmen immer serviert bekam, an alle Zahnärzte gemailt, sondern im zahnärztlichen Fachblatt veröffentlicht, das nahezu alle Dentalpraxen abonniert hatten. Bis das aber gelesen wurde und man dann in einer Praxis die Zeit fand, alle Zahnschemata mit diesem abzugleichen – der Praxisbetrieb musste ja normal weiterlaufen –, dauerte es gefühlt ewig. Auch wenn, wie in diesem Fall, die Wahrscheinlichkeit groß war, dass der Tote in einer Mannheimer Praxis bekannt war und die lokalen Praxen tatsächlich das Gebissschema des Toten per Mail erhalten würden.

Lena hob salutierend die Hand und verließ Durans Büro. Der ergänzte die Akte im Computer über den möglichen Zusammenhang zu Lenas Fall. Anschließend suchte er die Akte „Schneewittchen“ und stellte fest, dass die ausgedruckte Version bereits in seinem Stapel mit den alten Fälle lag, da er immer noch ungeklärt war. Zufall? Er schüttelte den Kopf darüber, dass er wohl schon Gespenster sah, was garantiert daran lag, dass er sich immer noch müde fühlte. Selbstverständlich war das Zufall, denn die Akten hatte er schon vor dem Fund der Hafenleiche herausgesucht. Niemand hatte ahnen können, dass es einen neuen Mord geben würde, bei dem die Waffe von damals verwendet worden war.

Er las die Akte durch. Doch auf den ersten Blick fand er in den alten Berichten nichts, was ihm in diesem Fall weitergeholfen hätte. Anschließend informierte er sein Team über den Fund der zweiten Leiche.

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Die LÜTTE DEERN war alles andere als ein „kleines Mädchen“ was der Name vermuten ließ, denn das Schiff war für Durans Begriffe riesig. Er schätzte die Länge auf mindestens zweihundert Meter. Laut der Aufschrift am Heck war Hamburg der Heimathafen. Große Lastenkräne am Ufer hievten die Container auf die vorgesehenen Stapelplätze des Schiffes. Mit einem leicht mulmigen Gefühl wurde Duran bewusst, dass man keine Chance hatte zu überleben, sollte einer dieser Container auf jemanden herabstürzen. Selbst wenn er einen Menschen nicht voll erwischte, genügte ein Teil schon, um den Körper irreparabel zu zerstören. Der damit einhergehende abrupte Blutverlust und der Schock täten ein Übriges.

Er schüttelte die düsteren Gedanken ab und ging zur Gangway. Tanja hielt mit ihm Schritt.

„Ich möchte nicht unter so einer Kiste stehen, wenn sie runterkracht“, sagte sie mit einem Blick zu den in der Luft schwebenden Containern. Offenbar hatte sie dasselbe gedacht wie Duran.

„Wir sehen zu, dass wir das vermeiden“, stimmte er ihr zu.

Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit einer blauen Schirmmütze auf dem Kopf, auf deren Stirnseite „LÜTTE DEERN“ eingestickt war, erwartete sie und winkte sie auf die Gangway. Sie hatten ihr Kommen über die Handynummer angekündigt, die der Kapitän bei der Hotline hinterlassen hatte. „Jau, kamse ma“, hatte er gesagt. „Wa sinna hiern bis Moagn.“ Was immer das heißen sollte. Jedenfalls wusste Duran seit dem Gespräch, warum Sigrid Ackermann den Mann kaum verstanden hatte.

Duran reicht ihm die Hand, als er oben angekommen war. „Hauptkommissare Oktay und Michaelsen von der Mannheimer Kripo. Guten Tag, Herr …?“

„Harmsen, Fenno, de Keppen. ’n Gudn. Kam’ Se rop op’n Kaan.“

„Was hat er gesagt?“, raunte Tanja Duran zu.

Doch er hatte außer dem Namen des Mannes und „Kahn“, womit wohl das Schiff gemeint war, auch kein Wort verstanden und schüttelte den Kopf. „Herr Harmsen“, sagte er, da der Mann keine Anstalten machte, sie ins Schiffsinnere zu bringen, „Sie glauben, dass Sie auf dem Foto in der Presse eines Ihrer Besatzungsmitglieder erkannt haben.“

Harmsen nickte. „Mien Funka. Sem. Semion Morrossoff. Als wa letzen Freedach hiernt wahn, ischa nich an Boord geweesn, als wa abbeleecht ham. Ham wa aba erst S’tunne later gemarkt.“

Duran und Tanja sahen einander an.

„Ich bitte um Entschuldigung, Herr Harmsen, aber wir haben Sie nicht ganz verstanden. Und wäre es vielleicht möglich, dass wir uns irgendwo unterhalten, wo es weniger laut ist?“ Denn die Rollvorrichtungen der Kräne verursachten tatsächlich einen gewissen Lärm. Außerdem fegte der Wind über die Hafenbecken und pfiff nicht gerade leise sein Lied dazu.

Harmsen drehte sich um und bedeutete ihnen mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Er führte sie in eine glasverkleidete Kabine, die voller technischer Geräte und Monitore war. „Willkamen op de Brüch.“

Da Duran ahnte, dass dieser Raum die Brücke war, glaubte er, Harmsens Worte als Willkommensgruß verstanden zu haben. Harmsen bot ihnen mit einer Handbewegung Platz an einem Tisch an und setzte sich. Anschließend deutete er auf eine Station, die momentan nicht besetzt war. Duran glaubte, in dem Wust von dort installierten technischen Geräten Radio-Equipment zu erkennen, vor allem, weil auf einem am Tisch montierten kleinen Ständer ein Headset hing.

„Sems Plack“, erklärte Harmsen; was immer das heißen sollte. Vermutlich drückte er damit aus, dass das die Station war, an der der Funker gearbeitet hatte.

Beide setzten sich an den Tisch.

„’n Kaffee? Oda ’n Biea?“, bot Harmsen an.

Duran und Tanja lehnten dankend ab.

Tanja holte das Fahndungsfoto des Toten aus der mitgebrachten Mappe und legte es vor Harmsen hin. „Sind Sie sicher, dass das Ihr Funker ist?“

Kapitän Harmsen betrachtete das Bild, ehe er nickte. „Scheint so.“

„Sind Sie sich nicht sicher?“, vergewisserte sich Tanja.

Harmsen wiegte den Kopf. „Sieht nich richtich aus wieda Sem. Ijichens anners.“ Er nickte. „Aba ick gloob schon.“

Also keine eindeutige Identifizierung. Einerseits war das kein Wunder, denn die Leiche hatte mindestens vier Tage im Wasser gelegen, was ihr Aussehen verändert hatte, auch wenn die Gesichtszüge noch sehr gut zu erkennen waren. Die Rekonstruktion des Computers war zwar gut, sah aber nicht zwangsläufig wie das ursprüngliche Gesicht aus.

„Wahdet ma.“ Harmsen zog einen schmalen Folder heran, den er offenbar schon bereitgelegt hatte, schlug ihn auf und schob ihn Duran und Tanja so hin, dass sie den Inhalt lesen konnten. „Dascha Sem.“

Offenbar handelte es sich um den Ausdruck eines Personalbogens. Die Eintragung erklärte Duran, warum er den Namen des Toten nicht bei seiner Internetsuche gefunden hatte, denn der lautete Semjon Semjonowitsch Morosov. Das integrierte Foto zeigte einen dunkelhaarigen Mann, dessen starke Ähnlichkeit mit dem Toten zumindest für erfahren Ermittler wie Duran und Tanja offensichtlich war. Dieser Mann war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tote. Laut den Angaben war er zweiundvierzig. Duran machte mit dem Smartphone ein Foto von dem Bild.

„Hat er Familie?“, hakte er nach.

Wieder ein Nicken. „’ne Süster. Leifiche Fro.“

„Bitte?“

„Er hat ’ne Schwester. Nette Frau. De beeden sin ziemlich dicke miteenanda.“ Harmsen bemühte sich spürbar, verständlich zu sprechen. „Se hat scho ’n paarmal angerufen, weil se ihn nich erreichen konnte. Hat sich aber seit güstern nich mehr gemeldet.“

Seltsam. Oder auch nicht. „Haben Sie zufällig deren Adresse?“

Harmsen nickte wieder. „Selbe wie Sem. De beeden wohnen zusammen. In Hambuich.“

Das fand Duran ungewöhnlich. In Semjon Morosovs Alter lebte man normalerweise nicht mit seiner Schwester zusammen. Andererseits war das ein vorteilhafteres Arrangement, als wenn er eine mehr oder weniger hohe Miete für eine Wohnung hätte zahlen müssen, in der er sich selten aufhielt, weil er den größten Teil des Jahres auf dem Schiff lebte. Sich die Miete mit seiner Schwester zu teilen oder bei ihr als Untermieter ein Zimmer zu haben, war erheblich kostengünstiger.

Harmsen zog ein Smartphone aus der Tasche, scrollte durch das Menü und hielt das Display Duran und Tanja hin. Unter „Morosov, Sem“ standen Adresse, Telefonnummer und Handynummer und neben dem Stichwort „Nachricht“ der Eintrag „Asja Morosov, s.o.“ Das „s.o.“ bezog sich wohl auf dieselbe Adresse.

Tanja schrieb alles in ihr Notizbuch. Duran machte ein Foto von ihrer Notiz.

„Was können Sie uns über Herrn Morosov sagen?“, wollte er wissen. „Was war er für ein Mensch?“

„’n guuder.“ Harmsen nickte nachdrücklich. „Kompetent, ischa ech. Bessa Funka, dennich je hadde.“

Duran und Tanja sahen einander an. Tanja räusperte sich. „Ich bitte um Verzeihung, Herr Harmsen, aber unser Hamburgisch ist etwas eingerostet, weshalb wir nur die Hälfte von dem verstehen, was Sie uns sagen wollen.“ Sie lächelte entschuldigend.

Harmsen grinste flüchtig. „Tschuldijung. Also, der Sem ist der beste Funker, den ich je hatte. Freundlicher Mensch, aba zurückhaltend.“ Er zuckte mit den Schultern. „Hadde das Gefühl, dassa imma aufa Hut is. Beobachtend. Krichte alles mit. Hat aba nie viel gesacht nich.“

„Wie ist er mit den Kollegen ausgekommen?“, fragte Duran.

„Bestens.“ Harmsen schüttelte den Kopf. „Gab nie Probleme mit ihm. Die annan hahm sich scho mal bekebbelt – waren scho mal kiebich miteinanda, aber Sem hat sich aus allem rausgehalten. Oder geschlichtet.“ Harmsen machte ein nachdenkliches Gesicht. „Irgendwie war er eina, mit dem sich keina annelecht hat. Er s’trahlte was aus, da hasse dir dreimal übalecht, ob da dich mit ihm kloppst, und sei’s nur mit Worten.“

„Er war also nie in eine Schlägerei verwickelt?“, vergewisserte sich Tanja.

Harmsen schüttelte den Kopf. „Nie. Nich hier an Bord – dann wära gleich geflogen – und auf Landgang scho ma garnich. War imma korrekt. Imma!“

„Hat Herr Morosov Drogen genommen?“, fragte Tanja.

Harmsen schüttelte heftig den Kopf. „Nee, nich Sem! Für den leggich, wat dat betrifft, de Hand ins Feuer. Beede Händ’! De Jung is sauba. Imma korrekt. Nee, mit Drogen un soich Schiet hadda nix am Hut. Nie un nimma.“

Das mochte stimmen oder auch nicht. Immerhin war eine Anstellung auf einem Schiff, das Häfen wie Amsterdam und Hongkong anlief, wo man vergleichsweise leicht an Drogen herankam, für einen Kurier oder Dealer günstig.

„Dürfen wir uns seine Kabine ansehen?“, bat Duran.

Harmsen nickte und verließ wortlos die Brücke. Duran und Tanja folgten ihm unaufgefordert. Duran hatte schon nach wenigen Minuten auf dem Gang ins Innere des Schiffes die Orientierung verloren. Das riesige Containerschiff war das reinste Labyrinth.

„Wie groß ist das Schiff eigentlich?“, fragte er Harmsen.

„Tweehunnert-tachentachentich …“ Harmsen räusperte sich. „Zweihundertachtundachtzig Komma vierundsiebzig Meter lang, dreiunddreißig Komma dreißig breit. Fasst dreitausendfuffzehn Zwanzig-Fuß-Container und macht dreiundzwanzig Knoten, wenn ick se uff de open See uutfahren kann.“

„Beeindruckend.“

„Jau.“ Das klang mehr als nur ein bisschen stolz.

Harmsen blieb in einem Gang vor einer schmalen Tür stehen und öffnete sie mit einem Schlüssel von einem riesigen Bund, das er aus der Hosentasche zog. Auf der Tür steckte in der dafür vorgesehenen Halterung ein Namensschild mit dem Aufdruck „MOROSOV“. Harmsen öffnete die Tür und ließ Tanja und Duran den Vortritt.

Schuhkarton, war Durans erster Eindruck, auch wenn dieser „Schuh“ allenfalls einem Riesen gepasst hätte. Ein Bett von den üblichen zwei Metern Länge und wahrscheinlich einem Meter Breite nahm knapp die Hälfte des Raums ein. Am Kopfende daneben stand ein Nachttisch unter einem Bullauge, durch das die Sonne schien. Neben der Tür gab es einen eintürigen schmalen Spind, der nicht viel Platz bot, neben diesem stand ein kurzer Schreibtisch mit einem Stuhl. Gegenüber der Eingangstür und neben dem Fußende des Bettes führte eine weitere Tür in ein winziges Badezimmer. An der linken Wand war ein Sideboard montiert, auf dem etliche Bücher standen und an dessen Boden eine Leselampe angebracht war. In der Ecke neben der Badezimmertür und unter der Leselampe thronte ein Sessel und ließ den „Schuhkarton“ noch enger wirken.

„Dürfen wir uns drinnen umsehen?“, fragte Duran. „Da wir keinen Durchsuchungsbeschluss haben und auch keine Gefahr im Verzug ist, brauchen wir dazu Ihre Genehmigung, Herr Harmsen.“

Der Kapitän nickte. „Macht ma. Falls Se mich nich brauchen?“ Fragend blickte er Duran und Tanja an. Beide schüttelten den Kopf. „Dann binnich wieda op de Brüch. Kamse hinne, wennse feddich sind.“

Bevor einer von beiden noch etwas sagen konnte, eilte Harmsen den Gang entlang und verschwand um eine Ecke.

„Du hast nicht zufällig Brotkrumen gestreut?“, fragte Tanja und spielte damit auf das Märchen von Hänsel und Gretel an, während sie sich Einweghandschuhe überzog.

„Hatte leider kein Brot dabei.“ Duran seufzte. „Und im Märchen hat die Taktik auch nicht funktioniert.“

„Ja, weil irgendwelche Tiere die Krümel gefressen haben. Hier gibt es aber keine Tiere.“

„Keine Sorge.“ Duran zog sich ebenfalls Handschuhe an. „Wir finden schon den Weg zurück. So riesig ist das Schiff nun auch wieder nicht.“

Er öffnete den Spind und fand darin dem engen Raum entsprechend nur wenig Kleidung. Im oberen Fach stapelten sich fünf unangebrochene blaue Packungen Zigarillos der Marke Domenico. Im Fußfach lag eine Art Seesack zusammengefaltet neben nur zwei Paar Schuhen. Duran nahm ihn heraus, legte ihn aufs sorgfältig gemachte Bett und untersuchte ihn, während Tanja die Taschen der Kleidung durchsuchte. Sie beide waren auch in diesem Punkt ein eingespieltes Team. Durans Hoffnung, ein Geheimfach zu finden oder etwas, das in einer unauffälligen Innentasche verborgen war, erfüllte sich nicht. Der Sack war komplett leer bis auf einen ebenfalls leeren Schuhbeutel. Auch Tanja fand außer einem in einer Jeanstasche vergessenen Taschentuch nichts.

Duran durchsuchte die Schubladen des Schreibtischs und des Nachttischs und entdeckte darin nur ein Tablet. Tanja widmete sich dem Badezimmer.

„Also, hier passt nur einer rein, der eine halbwegs normale Statur hat“, stellte sie fest. „Für Korpulente ist das nichts. Die kämen nicht mal durch die Tür.“

Was zeigte, dass die LÜTTE DEERN schon etwas älterer Bauart war, denn soweit Duran wusste, waren die Kabinen auf modernen Schiffen größer und auch die Türen breiter. Auf dem Nachttisch lag neben einer angebrochenen Packung Zigarillos, aus der ein schwacher Duft nach Vanille aufstieg, ein Buch – ein Fantasyroman: „The Black Gryphon“. Als er es aufschlug, stellte er fest, dass es in Englisch geschrieben war. Klar, ein Funker – Radio-Offizier – auf einem international verkehrenden Schiff musste perfekt Englisch sprechen.

Auf den zweiten Blick fiel ihm das Lesezeichen auf: das Foto einer blonden jungen Frau, das in eine Folie eingeschweißt war, die schon recht verknickt und stellenweise verkratzt war. Sie sah allerdings so jung aus, dass sie kaum die Freundin des Toten sein konnte. Falls doch, musste dies ein Jugendbild sein. Oder sie war Morosovs Tochter. Er drehte das Bild um, aber auf der Rückseite war nichts notiert, wie er gehofft hatte; kein Name, kein Stempel und auch kein Datum, wann das Foto gemacht worden war.

Tanja kam aus dem Toilettenraum zurück. „Auf den ersten Blick gibt es dort kein Versteck für Drogen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Andererseits wäre es ja ziemlich dämlich, wenn man schon Drogen schmuggelt, die in der eigenen Kabine aufzubewahren und damit auf Anhieb schuldig zu erscheinen, wenn sie entdeckt werden.“

Duran schüttelte den Kopf. „Hier hätte er sie unter Kontrolle gehabt. Ein Versteck außerhalb birgt immer die Gefahr, dass es versehentlich von jemandem entdeckt wird. Und bei dem Wert des Stoffes, den wir bei dem Toten gefunden haben, glaube ich nicht, dass er dieses Risiko eingegangen ist.“ Er blickte auf den Seesack, der immer noch auf dem Bett lag. „Wenn er sich sicher fühlte, hat er sie vermutlich in dem Sack aufbewahrt. Den Spind kann man abschließen.“

Tanja nickte. „Was meinst du, Duran? Hat der Typ den Kapitän und wohl auch alle anderen gründlich getäuscht, weil der so große Stücke auf ihn hält?“

Duran nickte. „Davon gehe ich bis zum Beweis des Gegenteils aus. Was Harmsen vorhin sagte, werte ich ebenfalls als Indiz dafür. Nämlich dass Morosov etwas ausgestrahlt hat, was die Leute es sich dreimal überlegen ließ, ob sie sich mit ihm anlegen. Und dass er immer auf der Hut und misstrauisch war, spricht auch dafür. So verhält sich niemand, der eine saubere Weste hat. Jedenfalls niemand, den ich kenne. Und damit schließe ich unsere Klientel ein.“

Tanja grinste flüchtig. „Er selbst hat vielleicht keine Drogen konsumiert. Das wäre wohl irgendwann aufgefallen. Hier leben und arbeiten die Leute auf engstem Raum zusammen. Wenn da einer zugedröhnt ist, und sei es nur ab und zu, das fällt irgendwem garantiert auf. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das ganze Schiff ihn decken würde.“

Das konnte sich Duran ebenfalls nicht vorstellen, selbst wenn er voraussetzte, dass ein paar Leute das vielleicht aus Freundschaft getan hätten. Niemand hatte nur Freunde, und mindestens einer von der Schiffscrew hätte früher oder später dem Kapitän oder der Reederei einen Tipp gegeben. Zwar bestand die Möglichkeit, dass Morosov den einen oder anderen Kameraden bestochen hatte, damit er den Mund hielt, aber dann wäre für ihn nicht allzu viel Gewinn aus dem Drogenverkauf übrig geblieben. Die Crew der LÜTTE DEERN bestand aus siebzehn Männern und Frauen; danach hatte Duran sich im Vorfeld erkundigt. Schon einige wenige von denen wären ein paar Mitwisser zu viel gewesen. Und dass die gesamte Besatzung in Drogenschmuggel involviert war, hielt Duran für extrem unwahrscheinlich.

Er und Tanja durchsuchten den Rest der Kabine und fanden tatsächlich kein Versteck, in dem sich Drogen hätten verbergen lassen. Aber das wollte wirklich nichts heißen. Etwas anderes fanden sie aber auch nicht: Morosovs Brieftasche und seinen Ausweis oder Pass. Das ließ darauf schließen, dass er die Sachen bei sich gehabt und man sie ihm abgenommen hatte, bevor man ihn ins Wasser geworfen hatte. Wenn der oder die Täter klug waren, hatten sie die Dinge verbrannt oder an einem Ort entsorgt, der meilenweit von ihrem Operationsgebiet entfernt lag, damit man ihnen nicht auf die Schliche kam. So oder so, die Kabine des Toten gab nichts weiter her. Duran nahm das Foto der jungen Frau und Morosovs Tablet mit und suchte sich mit Tanja den Weg zurück auf die Brücke. Das war tatsächlich nicht allzu schwierig, denn überall in den Gängen wiesen Schilder den Weg zum Ausgang an Deck. Und von da aus war es nur ein kurzer Weg zur Brücke.

Kapitän Harmsen saß dort am Tisch und schrieb etwas in eine dicke DIN-A4-Kladde. Duran oder Tanja mussten wohl fragend darauf gesehen haben, denn er erklärte unaufgefordert: „Min Logbuch. Muscha gefüat wern.“

Duran und Tanja setzten sich zu ihm.

„Ich hätte gedacht, dass das heutzutage per Computer gemacht wird“, meinte Tanja.

Harmsen schüttelte den Kopf. „Nee, Deern. Muscha dokumentenecht sinn. Und das is beim Komputah nich gewährleestet. Also Handarbeit. Ischa guhd so.“

„Dürfen wir die Eintragungen lesen?“, bat Duran. „Wie gesagt, das wäre absolut freiwillig, denn Sie werden keines Vergehens verdächtigt. Aber vielleicht geben uns ein paar Dinge Aufschluss, woher Herr Morosov die Drogen hatte, die wir bei ihm gefunden haben.“

Harmsen zögerte keine Sekunde, sondern schob ihnen das aufgeschlagene Buch hin und drehte es herum, dass Tanja und Duran es lesen konnten. Duran überließ es Tanja zum Tag des Verschwindens von Semjon Morosov zurückzublättern, während er ihr über die Schulter sah. Am Freitag, den 11. März, stand als letzte Tageseintragung: Morosov, Semjon, Landurlaub in Mannheim angetreten.

Duran sah Harmsen an. „Sie haben nicht erwähnt, dass Herr Morosov Landurlaub hatte.“

Harmsen wiegte den Kopf und war sichtbar verlegen. „Haddanich. Na ja, nur de paar S’tunnen, dia mit Fabio un Ebert unnaweechs war. Und ja, ich wetet, dass das Log wahrheitsjemäß zu führen is. Aba ich wollt dem Jung kenne Probleme machen. Dachte, er is nua afbuddelt – besoffen versackt – und taucht wieda auf.“ Er nahm seine Mütze ab, fuhr sich mit der Hand über den Kopf und setzte sie wieder auf. „Ischa nu kenn Widerspruch nich. Leider. Kannich so drehn, dassa aufm Landgang war und ihm da was passiat is. Ischa so. Leider.“

Duran sah keine Veranlassung, Harmsen daraus einen Strick zu drehen, denn das musste der mit seiner Reederei abmachen. Tanja hatte inzwischen weiter zurückgeblättert. Aber die LÜTTE DEERN hatte keinen der fraglichen Häfen angelaufen, von wo das Koks stammen könnte; zumindest keinen der Häfen, die für Drogenhandel bekannt waren. Morosov hatte es möglicherweise erst in Mannheim übernommen.

„Herr Harmsen, wir müssen die Kabine von Herrn Morosov kriminaltechnisch und mit einem Spürhund untersuchen. Bis wir damit fertig sind, müssten Sie im Hafen bleiben.“

Harmsen seufzte. „Macht hinne, bidde.“

Duran wertete das als Bitte, sich zu beeilen. Er rief im Präsidium an, damit die Kollegen kamen und für einen entsprechenden richterlichen Beschluss sorgten. Er machte sich keine Illusionen, dass sich der Durchsuchungsbeschluss auf etwas anderes als Morosovs Kabine beziehen könnte, denn es gab bis jetzt gegen kein weiteres Mitglied der Schiffsbesatzung einen konkreten Verdacht, der die Durchsuchung von dessen Kabine oder gar des gesamten Schiffes rechtfertigte. Aber mit etwas Glück war das auch nicht nötig, denn wenn der Tote die Drogen tatsächlich in seiner Kabine transportiert hatte, würde der Hund dort Restspuren davon wittern.

Er zeigte Harmsen das Foto der jungen Frau. „Kennen Sie diese Frau? Ist das Herrn Morosovs Schwester?“