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Nr. 3042

 

Gucky und der Sternenkonsul

 

Der Ilt in geheimer Mission – unterwegs im Sternöstlichen Konsulat

 

Uwe Anton

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. THORA: Onojassystem

2. THORA: Die zweite Warnung

3. THORA: Utchosystem

4. Poltumno: Im Dannial

5. Poltumno: Tefrodische Städtereisen

6. Im Dannial: Das Bankett

7. Poltumno: Geheimnisse ...

8. Poltumno: ... und Enthüllungen

9. THORA: Im Orbit um Poltumno

10. Im Dannial: Die Wahrheit

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine sogenannte Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher seines Raumschiffes RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Weil er mehr über die aktuelle Situation wissen will, ist Rhodan mit der RAS TSCHUBAI in das sogenannte Galaxien-Geviert, die Heimat der Cairaner, aufgebrochen. Atlan reist in der Zwischenzeit zum Kugelsternhaufen M 13, um mehr über die Arkoniden als politische Macht der Milchstraße zu erfahren.

Auch der Mausbiber Gucky ist in diplomatischer Mission unterwegs. Er versucht, eine Brücke zu den Cairanern zu schlagen und einen Dialog zu führen. Und so begegnen einander GUCKY UND DER STERNENKONSUL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Gucky – Der Mausbiber schließt Freundschaft mit einem cairanischen Mädchen.

Holger Bendisson – Der Raumschiffskommandant warnt Gucky vor einer Fehleinschätzung.

Taorto Gaazkin – Der Sternenkonsul ist offenbar als Einziger bereit, mit Gucky zu sprechen.

Neseese Gaazkin – Die Tochter des Sternenkonsuls darf über das Schicksal und ihre Mysterien selbst entscheiden.

Olynd Pesevon – Der tefrodische Diplomat schützt seine Geheimnisse in geschickter Weise.

1.

THORA: Onojassystem

20. März 2046 NGZ

 

»Du läufst in eine Falle, Gucky!«, warnte Dalglish Karuh leise. »Mit hochgestellten Lauschern und offenen Augen! Du begibst dich in die Hand des Feindes! Kannst du die möglichen Auswirkungen deines Vorgehens überhaupt abschätzen?«

Der Ilt lehnte sich in der Sitzlandschaft zurück. Er saß im Konferenzraum direkt neben der Zentrale der THORA und musterte sein Gegenüber. Karuh war ein Verbindungsoffizier, den Kommandant Holger Bendisson ihm an die Seite gestellt hatte. Er war ein 75-jähriger Rudyner mit krausem dunkelbraunem Haar und einem rundlichen Gesicht. Er sprach bedächtig und langsam, wirkte aber trotzdem nervös.

Kein Wunder, in der Gegenwart einer lebenden Legende! Der Mausbiber drückte telekinetisch den Rücken um ein paar Zentimeter durch, sodass er völlig gerade saß.

»Du sprichst mit dem Retter des Universums, Dalglish!«, erwiderte er selbstbewusst.

»Ja, natürlich, aber ...« Karuh wandte den Blick ab. »Es ist schon ein paar Jährchen her, seit du zum letzten Mal das Universum gerettet hast.«

»Keine fünfhundert! Was sind die schon für Perry oder mich!«

Karuh wand sich sichtlich. »Genau meine Meinung, aber ich muss mich ans Protokoll halten. Der Kommandant hat mir ausdrücklich aufgetragen, deine Mission genau zu dokumentieren. Und dich vielleicht zur Vernunft zu bringen, falls es mir möglich ist.«

Guckys Stimme überschlug sich fast. »Mich? Zur Vernunft bringen?«

Der Rudyner tippte auf sein Multifunktionsarmband. »Ich nehme unser Gespräch von jetzt an auf. Bist du damit einverstanden, Gucky?«

Der Mausbiber verdrehte die Augen. »Die Bordpositronik zeichnet doch sowieso alles auf, was wir hier von uns geben. Warum bist du so förmlich?«

»Du bist für uns eine unbekannte Größe«, sagte Karuh. »Fünfhundert Jahre lang warst du verschwunden. Der Führungsspitze der THORA bietet sich nun überraschend die Gelegenheit, dich eingehend zu studieren.«

»Ich ... ich bin ein Versuchskaninchen für euch?« Der Mausbiber seufzte.

Schlagartig wurde ihm klar, dass man ihn tatsächlich als Relikt einer längst vergangenen Zeit betrachtete. Kein einziges Besatzungsmitglied der THORA konnte sich vorstellen, wie es gewesen war, als er Perry Rhodan begegnete und ins Mutantenkorps aufgenommen wurde.

Das lag immerhin rund 3760 Jahre zurück!

Im Jahr 1976 alter terranischer Zeitrechnung hatte Gucky seine Heimatwelt Tramp verlassen und sich an Bord von Perrys damaligem Raumschiff, der STARDUST II, geschlichen. Er hatte sich in einem Kühlraum der Bordküche versteckt und gefrorenes Obst gemümmelt, was ihn mit nur einem Zahn nicht gerade leichtgefallen war.

Was war seither nicht alles geschehen ... Tramp war keine 70 Jahre nach Guckys Verschwinden explodiert, und er hatte nur 28 junge Ilts retten können, darunter seine spätere Frau Iltu. Doch sie und selbst ihre Nachkommen waren mittlerweile längst tot, Gucky war dank des Zellschwingungsaktivators der Letzte seiner Art.

Solche Gedanken waren nicht gut für ihn. Er spürte, wie seine Augen feucht zu werden drohten, und war froh, als Dalglish Karuhs Stimme ihn aus den Erinnerungen riss. »Kaninchen trifft es ja nicht so ganz, bei deinen Ohren ... Du willst dich allein in die Hände der Cairaner begeben. Glaubst du, dass sie dich einfach so wieder ziehen lassen werden?«

Gucky konzentrierte sich dankbar auf die Frage und winkte ab. »Atlan hat energisch protestiert, und ich habe ihm ganz gelassen und ruhig erklärt, dass er keinen Grund zur Besorgnis hat. Damit wäre das ein für alle Mal geklärt.« Er lehnte sich wieder zurück und sah seinen Verbindungsoffizier auf der THORA durchdringend an. Warum hat Bendisson mir diesen Typ auf den Hals geschickt?, fragte er sich.

Er hatte versucht es herauszufinden, indem er Karuh esperte, doch das war verlorene Liebesmüh gewesen. Der Mann war mentalstabilisiert.

»Wann war das?«, fragte Dalglish Karuh.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, maulte Gucky. »Wie oft soll ich das erzählen? Holger wurde doch informiert!«

»Fürs offizielle Protokoll.«

»Vor gut zwei Tagen haben wir eine kleine Konferenz auf Rudyn abgehalten. Ich hatte vorgeschlagen, den Cairanern ein Angebot zu machen. Mein Vorschlag war, ein offenes Gespräch zu führen und zu sehen, ob eine offizielle Zusammenarbeit möglich ist.«

»Die Liga hat den Cairanern also allgemein Hilfe angeboten?«

»So ungefähr.«

»Könntest du das präzisieren?«

Guckys Stimme wurde ungehalten. »Ich habe vorgeschlagen, einfach mal mit offenen Karten zu spielen, einen der Konsuln zu kontaktieren und ihm eine Kooperation anzubieten.«

»Was für eine?«

»Hilfe bei dem Projekt der Cairaner! Was immer es sein mag ...«

»Aber das war ein Vorwand?«

»Nein. Der Hintergrund meiner Idee war, dass wir auf diese Weise vielleicht Informationen sammeln können. Und dann abschätzen, ob eine Zusammenarbeit tatsächlich möglich ist. Es darf keine Tabus geben.«

»Und dann?«

»Dann hat sich der diplomatische Dienst der Liga darum bemüht, ein Gespräch zwischen mir und einem der Konsuln zu ermöglichen.«

Dalglish Karuh rief ein Datenholo auf, das nur von seiner Seite aus einzusehen war. Darum konnte Gucky nicht erkennen, welche Fakten es präsentierte.

»Der diplomatische Dienst der Liga hat umgehend Kontakt zu den cairanischen Konsulaten aufgenommen«, gab er die Informationen wieder, die er vor sich sah, »aber geantwortet hat nur ein Konsul, der des Sternöstlichen Konsulats, Taorto Gaazkin. Die Konsuln der näher liegenden Konsulate im Halo, der Northside und der Westside haben nicht reagiert. Gaazkin hingegen ist bereit, dich zu empfangen.«

»Und deshalb sind wir zu Taorto Gaazkin unterwegs«, bestätigte der Mausbiber.

»Resident Bull hat dir die THORA zur Verfügung gestellt. Dir ist klar, was das bedeutet?«

Gucky überlegte kurz, ob er den Verbindungsoffizier telekinetisch ergreifen und auf einen Rundflug durch den Konferenzraum schicken sollte. Selbstverständlich wusste er, dass es seiner Mission eine gewaltige Bedeutung verlieh, wenn Bully ihm sein Flaggschiff zur Verfügung stellte.

Aber solch ein Kreisen unter der Kabinendecke war so ziemlich die letzte Möglichkeit, um darauf hinzuweisen, dass er sich nicht ganz ernst genommen fühlte. Vielleicht sollte er das grausame Spiel einfach beenden, indem er Karuh telekinetisch hinausbeförderte.

»Deine Mission wurde als geheim eingestuft und nur einem dafür zuständigen Ausschuss des Parlaments bekannt gegeben«, fuhr der Verbindungsoffizier unbeeindruckt fort. »Der Umstand, dass du mit der THORA anreist, soll dem Konsul ein Signal geben. Du bist in diplomatischer Mission für die Liga unterwegs. Man hat dich offiziell beauftragt, mit dem Konsulat Sondierungsgespräche über eine Neuverhandlung der Beziehungen zwischen der Liga und dem Friedensbund zum Vorteil aller zu führen.«

Der Mausbiber versuchte, ruhig zu bleiben. Das machte Leute, die ihn kannten, normalerweise nervös. »Du hast es perfekt zusammengefasst. Und?«

»Und wenn du dich nun in die Hände der Cairaner begibst, lieferst du dich gewissermaßen selbst aus. Du lieferst dich ans Messer!«

Gucky beugte sich feixend vor, als sich ein Holo vor ihm bildete.

Die dreidimensionale Darstellung zeigte Kommandant Holger Bendisson. »Komm bitte in die Zentrale, Gucky! Sofort!«

Der Mausbiber nickte. »Klar. Ich komme. Schneller, als du eine Mohrrübe annagen kannst.«

»Aber ...« Karuh sah ihn betroffen an. »Ich war noch nicht fertig!«

»Du wirst es nicht verstehen, geschätzter Verbindungsoffizier, aber du weißt gar nicht, was du für ein Glück gehabt hast. Wir sprechen uns später, Dalglish.« Der Mausbiber rutschte von der Sitzlandschaft und teleportierte.

 

*

 

Gucky orientierte sich kurz. Die runde Hauptzentrale der THORA war mit Arbeitsstationen ausgestattet, die jeweils als Verbindung für alle Nebenzentralen dienten. So waren zum Beispiel die Feuerleitzentrale und die Abteilung Funk und Ortung ausgelagert, aber durch die Verbindungsstationen ohne Zeitverlust in kritischen Situationen in den Ablauf integriert. Das galt auch für die wissenschaftliche und die medizinische Abteilung.

Der Schiffskommandant hatte seine eigene Station, ebenso wie der Erste, Zweite und Dritte Offizier, der Pilot und der LPV-Interpreter sowie gegebenenfalls das Flotten- oder Expeditionskommando, falls es denn eines gab.

Gucky sah Kommandant Holger Bendisson an der Arbeitsstation der Abteilung Funk und Ortung stehen. Das Schmunzeln, das sonst eigentlich immer auf dessen Gesicht lag, war einem Ausdruck der Besorgnis und der Empörung gewichen.

Der Kommandant der THORA bemerkte den Mausbiber und bedeutete ihm mit einer Geste, außerhalb des Aufnahmebereichs einer aktivierten Holokamera zu warten.

Der Mausbiber reckte den Hals, um Bendissons Gesprächspartner besser sehen zu können. Das Holo zeigte einen hochrangigen tefrodischen Offizier mit allen nötigen Befugnissen, keinen kleinen Verwaltungsbeamten, der sich nur wichtigmachen wollte und vielleicht mit Drohungen oder Schmeicheleien zur Räson gebracht werden konnte.

»Es tut mir leid«, sagte der Tefroder. »Meine Vorschriften kommen von ganz oben und sind eindeutig.«

Der Mausbiber runzelte die Stirn. Von ganz oben? Bedeutete das etwa – Vetris-Molaud, den Tamaron des Tamaniums?

»Was also sollen wir tun?«, fragte Bendisson.

»Wartet auf weitere Anweisungen!«, beschied ihm der Tefroder und beendete die Verbindung. Das Holo fiel in sich zusammen.

Gucky watschelte zu Bendisson. Obwohl ihn brennend interessierte, was der Kommandant mit dem Tefroder besprochen hatte, beschloss er, erst einmal seiner Verärgerung Luft zu machen. »Warum hast du mir diesen Aufpasser auf den Hals gehetzt?«

»Karuh? Den Sprachwissenschaftler und Historiker? Hat er dir die Mission ausreden können?«

»Ich kann auf mich selbst aufpassen. Das hat mittlerweile sogar der alte Häuptling Silberlocke kapiert. Sorg du lieber dafür, dass wir endlich unser Ziel erreichen, wie es deine Aufgabe ist.«

»Lenk nicht ab!«, sagte Bendisson. »Und mäßige deine Ausdrucksweise! Ja, es hat eine Verzögerung gegeben, aber das haben wir im Griff.«

»Was ist passiert?«

»Konsul Gaazkin hat uns ins Utchosystem eingeladen, auf den Planeten Poltumno. Das System liegt in der Eastside, zwischen dem Tamanium und dem Sternenreich der Weddonen, und ist politisch unabhängig ...«

»Schon klar«, sagte Gucky ungeduldig. »Und um auf kürzestem Weg nach Poltumno zu gelangen, hätten wir das Gebiet der Weddonen durchqueren müssen. Da mit diesem Zweigvolk der Blues aber nicht gut Mohrrüben essen ist und wir uns überflüssige Querelen ersparen wollten, bist du auf den genialen Gedanken gekommen, stattdessen das Territorium des Tamaniums zu durchfliegen. Das bedeutet zwar einen kleinen Umweg, aber so können wir vermeiden, mit den Weddonen Kontakt aufzunehmen und um Durchflugerlaubnis zu bitten.«

»Der guten Beziehungen halber haben wir auf der Grenzwelt Jastor Zwischenstation gemacht und unsere Absicht angekündigt ...«

Gucky stützte sich auf dem Schwanz ab. »Und?«

»Und jetzt haben wir den Planeten Jastor im Onojassystem erreicht, und wider Erwarten gibt es nun eine Komplikation! Eigentlich sollte es reine Routine sein, die Grenze zum Territorium des Tamaniums zu durchqueren, aber die Tefroder haben uns die Einflugerlaubnis verweigert. Eine unerwartete Komplikation ...«

»Ach was.« Gucky rümpfte die spitze Nase. »Aber du hast das im Griff, Holger?«

»Na ja«, gestand der Kommandant ein, »die Anordnung hat mich zwar überrascht, aber sie klingt nicht endgültig. Genau genommen haben die Tefroder uns nur gebeten, noch eine Weile zu warten. Es wird sich bald jemand melden ...« Er klang ziemlich ratlos.

»Vermutest du Tamaron Vetris-Molaud höchstpersönlich hinter dieser Schikane?«

»Das lassen die Worte des Tefroders jedenfalls vermuten. Ich habe mich natürlich nach dem Grund erkundigt, wurde aber hingehalten. Ich konnte dem Offizier nur entlocken, dass er auf Anweisung von höchster Stelle handelt. Aber das hast du ja mitbekommen.«

»Ich bekomme alles mit. Aber was steckt dahinter? Könnten die Cairaner interveniert haben? Was wissen wir über diesen Konsul?«

»Unser Geheimdienst hat über Gaazkin ebenso viele oder wenige Informationen wie über die anderen Konsuln. All diese cairanischen Würdenträger leben abgeschirmt und umgeben sich überwiegend mit Cairanern. Kontakte zu anderen Milchstraßenbewohnern sind selten. Den Gerüchten zufolge gilt Taorto Gaazkin eher als bunter Vogel, eine beinahe barocke Figur, aber eben doch unzugänglich, unergründlich.«

Bunte Vögel sind mit Vorsicht zu genießen, dachte der Mausbiber. Das haben schon viele feststellen müssen, die Roi Danton unterschätzt haben, als er noch König der Freihändler war.

»Kannst du das spezifizieren?«, hakte er ruhig nach.

Bevor Holger Bendisson antworten konnte, bildete sich wieder das Holo des tefrodischen Offiziers. »Wir möchten diese Angelegenheit so schnell wie möglich und auf direktem Dienstweg klären. Bereitet euch darauf vor, ein Kurierschiff an Bord zu nehmen.«

Das Holo löste sich wieder auf.

Bendisson sah Gucky an. Der Ilt hob nur ratlos seine Schultern an. Auch so eine Geste, die er sich im Verlauf der vergangenen Jahrtausende bei den Terranern abgeschaut hatte.

2.

THORA: Die zweite Warnung

20. März 2046 NGZ

 

Die tefrodische Flotte setzte, genau wie die terranische, hauptsächlich kugelförmige Raumschiffstypen ein. Und genau wie früher auf der Erde hatte auch bei den Beibooten eine technische Weiterentwicklung stattgefunden.

Moderne Space-Jets folgten dem Neudesign des letzten Jahrtausends und waren häufig nicht mehr symmetrisch diskusförmig wie die ROMULUS- und REMUS-Typen an Bord der RAS TSCHUBAI. Vielmehr hatten sie zwei nebeneinander liegende Transportfinnen, zwischen denen die Schleuse zum Laderaum angebracht war. Dort konnten Container oder Einsatzmodule verstaut werden, die für den Laderaum zu groß waren.

Die Space-Jet, die von Jastor startete und der THORA vom ersten Augenblick an eine diplomatische Kennung schickte, verfügte allerdings über keinen Laderaum, sondern über eine großzügig ausgebaute Passagierkabine. Dieser augenscheinliche Luxus deutete darauf hin, dass sie eine wichtige Person beförderte.

Warum bemüht sich der Passagier persönlich her und schickt nicht einfach einen Funkspruch? Gucky verfolgte mit zusammengekniffenen Augen, wie das tefrodische Kurierschiff in die THORA einschleuste.

Nachdem sich der Energieschirm über der Hangaröffnung gebildet hatte, wartete er einen Moment, bis der Hangar wieder mit Atemluft geflutet war, reichte Bendisson auffordernd die Hand und teleportierte mit ihm.

Sie materialisierten vor einem Tefroder, der gerade die Space-Jet verließ. Er war etwa 1,80 Meter groß, hager, mit scharf geschnittenem Gesicht, samtbrauner Haut und dunklem Haar. Er hielt sich kerzengerade und bewegte sich mit militärischer Präzision.

Er blieb kurz stehen, wirkte nicht überrascht und sog prüfend die Luft ein.

Sein Blick wanderte vom Kommandanten zum Mausbiber, wo er einen Moment haften blieb und wieder zurück. »Ich bin Olynd Pesevon, Diplomat des Tamaniums«, sagte er kühl.

Er machte keine Anstalten, zum Erstgruß anzusetzen, bei dem sich die Spitzen der gespreizten Finger beider Hände der Grüßenden kurz berührten.

»Angenehm.« Bendisson stellte zuerst den Mausbiber und dann sich selbst vor. »Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?«

»Der Tamaron ist sehr ungehalten«, kam Pesevon ohne jedes diplomatische Vorgeplänkel zur Sache. »Man hat ihn erst nachträglich informiert, und das verstößt nicht nur gegen das Protokoll, sondern ist angesichts des guten Verhältnisses zwischen dem Residenten und dem Tamaron geradezu ein Affront.«

»Worüber informiert?«, warf Gucky ein.

»Das muss Konsequenzen nach sich ziehen«, fuhr der Tefroder kalt und schneidend fort.

Der Mausbiber spitzte die Ohren. Die Rede des Diplomaten wirkte zwar professionell, klang aber irgendwie ... einstudiert. Und Pesevon gestikulierte mit dem ganzen Körper, was bei den Tefrodern als unschicklich galt.

Sollte ein solcher Fauxpas einem hochrangigen Abgesandten des Tamaniums tatsächlich unterlaufen?

Der Diplomat sah nun wieder den Mausbiber durchdringend an und kniff sich in den Nasenrücken.

Einmal, zweimal.

Nicht ungeschickt!, dachte Gucky. Tefroder kniffen sich in den Nasenrücken, wenn sie besonders ungeduldig waren.

Weshalb benahm Diplomat Pesevon sich derart auffällig? Weshalb spulte er seine einstudierte Rede einfach so herunter? Woran denkt er wirklich?

Gucky beschloss, ihn zu espern.

Ich bitte dich um eine private Unterredung ohne Zeugen, dachte der Tefroder. Ich bitte dich um eine private Unterredung ohne Zeugen. Ich bitte dich ...

»Schon klar«, sagte der Ilt. »Ich habe verstanden. Die Botschaft ist angekommen.« Er legte eine kurze Kunstpause ein. »Vetris ist sauer auf uns und lässt uns schmoren.«

Schlagartig verlor Pesevon seine Ungeduld. »Der Tamaron wird euch seine Entscheidung, ob ihr ins Gebiet des Tamaniums einfliegen dürft, in Kürze mitteilen.« Er nickte dem Mausbiber und dem Kommandanten zu, drehte sich um und kehrte in sein Kurierschiff zurück.

»Was sollte das denn?«, murmelte Bendisson, als der Tefroder außer Hörweite war.

»Diplomatie. Davon verstehst du wahrscheinlich nichts.« Gucky grinste, ergriff die Hand des Kommandanten und teleportierte mit ihm zurück in die Zentrale.

 

*

 

»Ruf ein Holo des Kurierschiffs auf!«, bat Gucky den Ortungsoffizier hinter der Arbeitsstation.

Die dreidimensionale Darstellung bildete sich umgehend und zeigte das kleine Beiboot, das sich von der THORA entfernte.

»Es fliegt außergewöhnlich langsam«, stellte Bendisson fest.

»Und hat keinen höherwertigen Schutzschirm aktiviert«, sagte Gucky.

Verwundert sah der Kommandant den Mausbiber an. »Warum sollte es? Die THORA fliegt derzeit schließlich auch ohne fünfdimensionale Schirme. Wir befinden uns auf einer diplomatischen Mission in einem Grenzsystem des Tamaniums. Die Vorschriften besagen eindeutig ...«

»Schon gut, schon gut«, unterbrach Gucky den Redeschwall. »Sorg dafür, dass die Schirme hübsch unten bleiben, bis ich zurück bin.«

»Das heißt nicht unten...«, hörte er noch, ehe er teleportierte.

 

*

 

Gucky materialisierte in der luxuriösen Passagierkabine des Kurierschiffs.

Olynd Pesevon ging gerade angespannt vor einer Sitzecke auf und ab. Die andere Seite der Kabine wurde von Arbeitsstationen und Terminals vereinnahmt, vor denen einige kleine Datenholos leuchteten, doch der Diplomat ignorierte sie.

Als er den Mausbiber bemerkte, trat er sofort zu ihm. Seine Schritte waren nicht mehr militärisch präzise, sondern ganz normal. Auch seine Haltung war nicht mehr kerzengerade. Er gab sich nun ganz anders, natürlicher, nicht mehr so kalt.

»Es freut mich, dass du meine Hinweise richtig verstanden hast, Gucky«, sagte er und streckte beide Arme zum Erstgruß aus.

Gucky erwiderte ihn.

»Darf ich dir einen kleinen Imbiss anbieten?«, fragte der Diplomat. »Ein paar tefrodische Ringnudeln? Wenn man manchen historischen Quellen Glauben schenken kann, hat Perry Rhodan für dieses Gericht eine Leidenschaft gepflegt.«

Gucky lehnte dankend ab. »Jetzt haben wir unsere private Unterredung ohne Zeugen. Warum hast du mich an Bord der THORA nicht einfach darum gebeten?«

»Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wem ich vertrauen darf und wem nicht. Wir leben in unsicheren Zeiten. Diese Angelegenheit unterliegt strengster Geheimhaltung und muss auf Wunsch von Vetris-Molaud unter vier Augen besprochen werden. Der Tamaron ist sehr besorgt.«

Gucky runzelte die Stirn. Vetris-Molaud verband mit Reginald Bull mittlerweile so etwas wie eine Freundschaft; aus erbitterten Widersachern waren zumindest Verbündete gegen einen gemeinsamen Feind geworden. Aber er wusste nicht, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen war; Bully schwieg sich in dieser Hinsicht geflissentlich aus.

»Und was ist der Anlass seiner Besorgnis?«

»Kurz nach dem Andromeda-Desaster hat es einen Angriff auf die Mutantenschule Apashem auf Tefor gegeben«, offenbarte der Diplomat. »Wer die Angreifer waren, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Es ging ihnen hauptsächlich um den Diebstahl von Daten, und der ist ihnen gelungen.«

Der Mausbiber horchte auf. Über das Andromeda-Desaster wusste er nicht viel, die Datenlage war zu widersprüchlich. Selbst der Zeitzeuge Bull hatte nichts Hilfreiches darüber verlauten lassen. Es stand jedenfalls im Zusammenhang mit Vetris-Molauds gescheitertem Versuch, das Tamanium auf die Nachbargalaxis auszudehnen, um in Andromeda Zuflucht vor dem Weltenbrand zu finden.