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Band 12

 

Alexander Knörr

 

 

Gefangen auf Tilmun Prime

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Twilight-Line Medien GbR
Obertor 4
D-98634 Wasungen

www.twilightline.com
www.chroniken-von-tilmun.de

1. Auflage, Juni 2019
ISBN: 978-3-944315-86-7
eBook-Edition

© 2019 Twilight-Line Medien GbR
Alle Rechte vorbehalten.

Beatenberg, Schweiz

 

Die kleine Gruppe saß vergnüglich im Gastraum des „Stübli“, einem der Restaurants im malerisch gelegenen Alpenhotel „Blüemlisalp“ in Beatenberg. Ganz am Ende des längsten Dorfes Europas, das sich unterhalb des Niederhorns an den Berg schmiegt. Sie hatten gerade ein original Schweizer Fondue gegessen und rieben sich die vom Käse geschwollenen Bäuche. Ein paar Gläser Wein und der ein oder andere Enzian machten die wohltuenden Qualen der Völlerei erträglicher und verliehen dem Abend eine Ausgelassenheit, die sie schon lange nicht mehr genossen hatten.

Nach ihrer Rettung war die Terra 1 Crew immer noch etwas lädiert. Man sah den einzelnen Mitgliedern noch die Qualen an, die sie in den letzten Wochen auf sich nehmen mussten. Die Strapazen der Folter in den Fängen der Nukarib waren sowohl körperlich als auch seelisch nicht spurlos an ihnen vorüber gegangen. Die körperlichen Strapazen sah man ihnen an. Doch tief in ihrem Inneren sah es auch wüst aus. Auch wenn dieser Abend und nicht zuletzt die Drinks ihnen eine gewisse Heiterkeit verliehen. Tief in ihren Herzen saßen die Verletzungen noch tief. Auch vermissten sie zwei Freunde. Francis, der die Folter der Nukarib nicht überlebt hatte, und Mrmpfdat der Pelasger und Mitglied des Ordens der Zwölf, der ebenso wie Terra 1 von den Nukarib während der Kämpfe um den Planeten Geradpoor gefangen und entführt worden war, war bisher noch nicht gefunden. Es gab keine deutliche Spur vom Ordensmitglied. Nur einen Hinweis eines Doppelagenten, dass Mrmpfdat mit einem zweiten Schiff direkt nach Tilmun Prime gebracht worden sei. Die Quelle war jedoch alles andere als zuverlässig und so wusste man nicht, wo das Ordensmitglied abgekommen war. Die Trauer war groß, denn man hatte zwei wichtige Mitstreiter verloren. Doch heute konnten sie all diese Strapazen und Verletzungen das erste Mal seit Wochen wieder vergessen. Für ein paar Stunden wieder ausgelassen sein und alles Schlechte hinter sich lassen.

Nachdem sie zum Essen Weißwein genossen hatten, brachte der Ober nun drei Flaschen Rotwein. An einer dieser Flaschen prangte ein metallenes Umhängeschild, reich verziert mit allerlei verschnörkelten Linien und mit einer metallenen Kette, die das Schild um den Flaschenhals fixierte. Auf diesem kleinen, metallenen Schildchen prangte die Aufschrift „Erich“.

„Was schaut ihr mich so fragend an? Wir sind doch sechs Leute. Da sind drei Flaschen doch in Ordnung“, reagierte Erich von Beatenberg etwas empört zu den fragenden Gesichtern, ohne dass die Anwesenden je eine Frage formuliert hätten.

Julian lachte nur noch und konnte sich kaum mehr beruhigen.

„Der Junge verträgt eindeutig keinen Alkohol“, rügte Erich von Beatenberg und lachte. Dann schnipste er dem Ober mit den Fingern zu und der kam in Windeseile an seine Seite.

„Bring das bitte runter mit dem üblichen Gedeck“, forderte er von dem Ober, der sofort wusste, was gemeint war, die drei Flaschen samt der neuen Gläser auf sein Tablett bugsierte und den Raum verließ.

„So war das nicht gemeint“, jammerte Armin, „wir hätten das schon noch getrunken.“

„Ja, ja, kommt mit. Wir machen es uns jetzt gemütlicher“ winkte Erich ab und wackelte vom Tisch. Alle anderen schauten sich nur fragend an, folgten ihm aber auf treuem Fuße. Aus dem Gastraum heraus ging es eine breite Treppe hinunter. Unten angekommen bog die kleine Gruppe rechts in einen großen Raum, dessen Wände mit Holztafeln verkleidet waren und in dem gemütliche Eckbänke um ebenso einladend wirkende runde Holztische standen, auf denen kleine, rot-weiß-karierte Deckchen drapiert waren. Der Raum wurde nur schwach von altertümlich wirkenden Wandlampen, die vor sich hinflackerten, erleuchtet. Bis auf die Tischdecken waren die Tische nicht dekoriert. Allerdings thronte auf einem der Tische ein schwerer Glasaschenbecher. Neben ihm standen die Weinflaschen und Gläser, die sie aus dem Restaurant kannten.

„Hier ist mein Reich!“ wies ihnen Erich den Weg mit der Hand und deutete im Rund durch den Raum.

„Jeder, der mich besucht, wird früher oder später hier landen und mit mir plaudern. Das Hotel ist so frei und hält mir den Raum immer frei.“

„Das sieht wunderschön aus“, stammelte Kapturi, „so … ländlich.“

„Ja, ländlich passt wohl am besten“, gluckste Julian und schlug dabei mit der flachen Hand auf die Schulter von Maurizio, um dann in schallendes Gelächter auszubrechen. Alle schauten auf ihn und mussten mitlachen. Julian Angerer hatte wirklich nicht im Geringsten die Standhaftigkeit bei Alkohol wie die anderen in der Truppe. Am Ende lachten alle laut und klopften sich auf die Schenkel. Minuten vergingen, bis sich die sechs beruhigt hatten und an dem gedeckten Tisch platznahmen. Dort stand schon neben den Rotwein-Flaschen nebst Gläsern auch eine Flasche Whiskey bereit. Daneben befand sich ein Krug mit eiskaltem Quellwasser. So kalt, dass es die Wände des Glaskruges von außen kalt anlaufen ließ.

Erich schenkte jedem einen Whiskey ein, schnappte sich dann den Krug und fragte in die Runde „Wollt ihr auch einen Schluck Quellwasser in euren Whiskey? Wir haben hier das Glück direkt von der Quelle zu trinken. Glasklar und weich wie die Lippen einer jungen Frau.“

Maurizio holte gerade tief Luft und wollte loslegen, als ihm Armin von der Seite die Hand auf die Schulter legte und ganz langsam mit dem Kopf schüttelte.

„Lass es bitte sein, wir wissen alle wie toll du bei jungen Frauen ankommst“ lächelte er ihm zu.

Eingeschnappt lehnte der sich an die Eckbank und verschränkte die Arme aus Protest, dass er den Mund verboten bekommen hatte, vor seiner Brust.

 

Es vergingen Stunden der Ausgelassenheit in denen man über alle möglichen Themen plapperte, nur nicht über das tägliche Brot beim Widerstand oder den Verlust der Teammitglieder. Sie alle genossen es sichtlich, einfach mal zu entspannen.

„Lieber Erich, das war eine wunderbare Idee, uns hierher einzuladen“, lobte Kapturi den leicht untersetzten Mann, der ausnahmsweise mal sein blaues Jackett an die Stuhllehne gehängt hatte, anstatt es anzuziehen. Allein das war schon ein Zeichen der Lockerheit, das man von ihm so nicht kannte.

„Ich bin so froh euch alle wieder hier zu haben, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Dank euch hat unsere Widerstandsbewegung neue Freunde und Verbündete in der Galaxis erhalten und wir sind unserem Schritt, die Menschheit aus den Klauen der Nukarib zu retten, einen Schritt nähergekommen“, lobte Erich von Beatenberg die Truppe, hob sein Glas zum Prost und stieß mit ihnen an.

„Auf den Widerstand! Auf diejenigen, die wir vermissen und verloren haben! Für die Erde!“

„Für die Erde!“ riefen alle gemeinsam.

Nachdem sie getrunken hatten, setzten sich alle wieder hin und Erich fuhr fort: „Und aus diesem Grund möchten wir euch auch eine kleine Ruhepause gönnen.“

Ein Raunen ging durch die Runde.

„Wir brauchen keine Pause“, lallte Julian und schaute in das Rund seiner Freunde, um Bestätigung von diesen einzufordern.

„Wir sehen zwar noch ein bisschen angeschlagen aus, aber wir sind voll einsatzbereit“, wandte Maurizio ein und stand seinem Chef zur Seite. Ein lautes „Autsch!“ kam wie zur Bestätigung der eben angeordneten Einsatzbereitschaft aus dem Munde von Armin, gefolgt von einem „Entschuldigung“ mit einem schmerzverzerrten Gesicht, als er sich an die gebrochene Rippe fasste.

„Keine Angst, ihr sollt nicht auf Hawaii die Beine hochlegen, ihr bekommt schon einen Einsatz. Aber einen einfachen und unkomplizierten. Wir haben in den Dateien der Atlantischen Schulen die Koordinaten eines Planeten gefunden, der uns bisher unbekannt war“, holte Erich aus.

Schon war ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden sicher.

„In den Aufzeichnungen heißt es, dass dort sogenannte Schattenwelten vorherrschen – was immer das auch ist – und diese von den Nukarib gemieden werden. Diese Schattenwelten interessieren uns. Es ist nirgends vermerkt was das wirklich ist. Vielleicht eine Waffe, die von den Atlantern gegen die Nukarib gerichtet wurde? Vielleicht ein Naturphänomen, das wir uns zu Nutze machen können? Um das herauszufinden müssen wir ein Terra Team dorthin schicken. Und wir denken, dass diese Mission die Richtige für euch ist, nachdem ihr die letzten Monate so viel durchlebt habt.“

„Schattenwelten…“ sinnierte Kapturi laut. „Ich erinnere mich an Geschichten um Wesen, die sich von den Nukarib abgewendet haben und in die Schattenwelten abgetaucht sind. Da diese sehr mächtig sind, machen die Nukarib einen großen Bogen um diese Gegend. Aber wo genau das liegt, weiß ich auch nicht. Ist eigentlich nur eine Legende.“

„Und wie es aussieht ist mehr an der Legende dran, als man meinen sollte“, kommentierte Armin.