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Was dem Lektorat auffällt

Hans Peter Roentgen

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© 2019 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

ISBN-Taschenbuch: 9783864438752

www.sieben-verlag.de

Vorwort

Immer wieder fragen mich Autorinnen und Autoren, wann man Absätze setzt oder Leerzeilen; was der Unterschied zwischen Perspektive und Kameraeinstellung ist; haben Angst vor dem Lektorat, das ihre Texte zur Unkenntlichkeit verändern würde. Und in den Autorenforen und Selfpublishergruppen wiederholen sich ebenfalls diese Fragen.

Deshalb diskutiere ich seit drei Jahren in meinem Blog darüber und behandele auch die weniger bekannten Details. Zum Beispiel, wie viele Varianten es beim Lektorat gibt und dass man auch für wenig Geld dort einiges lernen kann. Hinzu kommen Beiträge über Mischformen der Perspektive, die in vielen Schreibratgebern gar nicht behandelt werden; über Exposés und Klappentext, wie Bestsellerautorinnen und -autoren Rückblenden einsetzen und, und, und …

In diesem Ratgeber finden Sie all diese Artikel zum Schreibhandwerk in einem Buch versammelt. Sie müssen sich nicht mehr durch die Blogs klicken.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und noch mehr beim Schreiben. Wie immer: Wenn das Buch Ihnen gefällt, erzählen Sie es anderen, wenn nicht oder wenn Sie Kommentare dazu haben, mailen Sie mir.

lektorat@textkraft.de

Inhaltsverzeichnis

Was dem Lektorat auffällt

Hans Peter Roentgen

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Zehn Dinge, die jeder Autor über Schreibregeln wissen sollte

Lesbarkeit und Ordnung

Stil ist keine Geschmacksfrage

Sieben Dinge, die Autoren über Wiederholungen wissen

Sieben Vampir-Verben, die Texten die Kraft rauben

Die wundersame Vermehrung der Partizipien

Struktur und Aufbau

Grundlagen Perspektiven

Rückblenden

Subtext, die Kunst, zwischen den Zeilen zu schreiben

Plot und Exposé

Der Pitch bringt die Geschichte auf den Punkt

Was jeder Autor zum Überarbeiten wissen muss

Lektorat, Überarbeitung und Korrektorat

Wie erkennt man einen guten Lektor?

Sieben Irrtümer über Lektorat

Die Verlagsbewerbung

Exposé

Literaturagent oder Verlag

Zwölf Dinge, die jeder Autor über Exposés wissen muss

Buchmarkt

Nachwort

Danksagung

Literatur & Links

Über den Autor

Lektorate & Kurse

Zehn Dinge, die jeder Autor über Schreibregeln wissen sollte

»Wenn Sie ein Adjektiv treffen, bringen Sie es um«, meinte Mark Twain und begründete damit eine der bekanntesten Schreibregeln. Der Verleger Clemenceau stimmte ihm zu: »Bevor Sie ein Adjektiv verwenden, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es wirklich nötig ist«.

Dagegen schrieb Rudyard Kipling in Puck: »Was für ein dicker, bunter, glucksender Tropf doch ein Fasan ist«. Gleich drei Adjektive hintereinander. Und keins würde ich streichen.

Also alles Unsinn? Besser nicht auf Schreibregeln hören, wenn sich Nobelpreisträger auch nicht danach richten?

Was Schreibregeln sind (und was nicht), das möchte ich in diesem Kapitel darstellen.

Schreibregeln sind keine Gesetze

Keine Schreibpolizei kommt, wenn Sie sich nicht an die Schreibregeln halten. Sie erhalten auch keinen Bußgeldbescheid des Kultusministers. Für jede Schreibregel, die mir bekannt ist, kenne ich Beispiele grandioser Literatur, die sie übertreten hat. In Deutschland versteht man unter Regel gern etwas, das auf jeden Fall eingehalten werden muss. Wenn das nicht der Fall ist, gehört die Regel auf den Abfallhaufen.

Was für ein Unsinn. Höflichkeitsregeln sind nützlich, sie erleichtern das Zusammenleben. Aber manchmal muss man sie übertreten und Tacheles reden. Sind die Höflichkeitsregeln deshalb Unfug?

Nicht anders verhält es sich mit den Schreibregeln. Sie sind Empfehlungen, sie beruhen (wenn sinnvoll) auf den Erfahrungen unzähliger Autoren und Lektoren. Aber sie sind kein Zwangskorsett, sondern Empfehlungen.

Auf die Wirkung kommt es an

Geschichten sollen die Leser berühren, fesseln, sie die Welt aus anderen Perspektiven erleben lassen. Können sie das, ist es gut. Können sie es nicht, ist es schlecht.

Wenn ich einen Text lese, prüfe ich nicht, ob er die Schreibregeln erfüllt. Ich prüfe, ob er mich packt. Tut er das, darf er alle Regeln brechen. Tut er das nicht, ist es Zeit, die Werkzeugkiste aufzuklappen und die Schreibregeln herauszuholen. Denn dafür sind Schreibregeln da.

Schreibregeln sind Werkzeuge

In Deutschland muss man Gesetze befolgen, Regeln einhalten und danach wird die Arbeit beurteilt. Wir haben eine Vergangenheit als Obrigkeitsstaat. Doch es gibt keine Obrigkeit mehr, die beurteilt, was man schreiben darf und was nicht. Zum Glück.

Schreibregeln sind Werkzeuge. Eigentlich wäre Schreibwerkzeug der bessere Begriff, aber ich möchte nicht die babylonische Sprachverwirrung im Schreiben vermehren. Der Begriff Schreibregel hat sich durchgesetzt.

Die Schreibregeln sind die Rohrzange der Autoren. Funktioniert der Wasserhahn, lässt man die Zange im Werkzeugkoffer und der Koffer bleibt zu. Tropft er, dann wird es Zeit, die Werkzeuge herauszuholen.

Wenn eine Geschichte durchhängt, ist es Zeit, den Werkzeugkasten mit den Schreibregeln auszupacken. Um die Spannungsschrauben anzuziehen. Andreas Eschbach hat sie beschrieben.

Jeder Autor sollte die wichtigsten Schreibregeln kennen

Auch beim Schreiben gibt es typische Anfängerfehler. Infodump, Personen von außen betrachten, Überfülle von nichtssagenden Adjektiven, Dialoge, die grammatikalisch korrekt sind und genau deshalb holpern, Rückblenden, die erzählen, wann der Held entwöhnt wurde, und, und …

Die meisten Schreibregeln befassen sich mit diesen Anfängerfehlern. Sie benennen die üblichen Probleme, die dazu führen können, dass ein Text nicht packt.

Schreibregeln gehören in die Überarbeitung

Es gibt nichts Schlimmeres, als während der Erstfassung an die Schreibregeln zu denken. Schreibregeln gehören zur Vernunft, und Geschichten benötigen Fantasie und Intuition. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, ob sie alle Schreibregeln einhalten, wenn Sie die Erstfassung schreiben. Überlassen Sie beim Schreiben Ihrem inneren Kind die Führung.

Dann kommt die Überarbeitung. Jetzt ist der innere Zensor gefragt, die Vernunft übernimmt die Herrschaft. Und die klappt den Werkzeugkasten auf, wenn was nicht stimmt.

Schreibregeln hemmen nicht die künstlerische Freiheit

Das ist der häufigste Vorwurf gegen Schreibregeln. Sie würden die künstlerische Freiheit behindern und immer gleiche Romane hervorrufen.

Meist kommt der Vorwurf von Leuten, deren Kunst noch sehr am Anfang steht. Nein, wer die Schreibregeln missachtet, weil er sie nicht kennt und es nicht besser kann, ist deshalb noch kein großer Künstler.

Weil sie bei der Überarbeitung so nützlich sind, sollte jeder Autor sie kennen und wissen, wie man sie anwendet. Das bedeutet nicht, dass er sie immer und überall anwenden muss. Wenn ich weiß, wie ich eine Rohrzange verwende, heißt das noch lange nicht, dass ich alle Arbeiten mit der Rohrzange erledigen muss. Schließlich gibt es auch einen Hammer. Der ist für Nägel geeigneter. Und wenn alles in Ordnung ist, brauche ich weder Hammer noch Rohrzange.

Schreibregeln haben Gründe und Autoren sollten sie kennen

Schreibregeln sind gewonnene Erfahrung von Autoren. Dass Mark Twain vor Adjektiven warnte, hatte Gründe. Ein Übermaß von Adjektiven (vor allem von nichtssagenden) bremst Texte, lässt die Spannung erlahmen.

Auch eine zweite Regel von Mark Twain hat seinen Grund: »Verwende das genau passende Wort und nicht seinen Cousin«. Der Grund dürfte jedem einleuchten.

Nur wenn Sie die Gründe der Schreibregeln kennen, können Sie richtigen Gebrauch von ihnen machen.

Schreibregeln legen nicht fest, wie gut ein Text ist

Nein, die Qualität eines Textes hängt nicht davon ab, ob er alle Schreibregeln befolgt. Auch nicht, ob er den Regeln gehorcht, nach denen manche Kulturredakteure entscheiden, ob ein Text literarisch wertvoll ist.

Wer die Qualität eines Textes danach beurteilt, wie viele Adjektive er pro Seite enthält, ist auf dem Holzweg. Deshalb hat ein guter Lektor auch keine Tabelle bei der Arbeit neben sich liegen, auf der er ankreuzt, ob die Regeln befolgt werden. Weniger als drei Adjektive pro Seite: toller Text. Mehr als zehn: grottig.

Was aber jeder Lektor nutzt: Die Kenntnis darüber, mit welchen Regeln man korrekturbedürftige Stellen verbessern kann.

Schreibregeln gehen guten Autoren in Fleisch und Blut über

Amerikanische Schreibcoaches sagen: Erst muss man den Autoren die Regeln beibringen. Dann, sie zu vergessen. Je öfter Sie bei der Überarbeitung bestimmte Schreibregeln benutzen, desto schneller werden Sie Ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Alte Hasen müssen nicht lange überlegen, wenn sie Dialoge schreiben. Sie bauen automatisch einen Konflikt auf, halten die Dialoge kurz. Anfänger lernen das bei der Überarbeitung.

Grammatikregeln sind ebenfalls keine Gesetze

Auch wenn mich jetzt Deutschlehrer und mancher Kulturredakteur am liebsten kreuzigen würden: Auch Grammatikregeln dürfen übertreten werden. In Dialogen ist die buchstabengetreue Befolgung aller Grammatikregeln meist hinderlich. Auch sonst gibt es Gründe, warum ein Autor an bestimmten Stellen die Grammatik Grammatik sein lassen sollte.

Das heißt natürlich nicht, dass er die Grammatik nicht kennen müsste. Aber er muss wissen, wann sie zu befolgen ist – und wann nicht.

Das ist nicht anders als bei den Schreibregeln. Manchmal gilt das sogar bei der Rechtschreibung. Ze do Rock hat das in Fom Winde verfeelt bewiesen. Auch hier gilt allerdings: Schreibfehler aus Unkenntnis sind kein Zeichen hoher Kunst.

Sol Stein, der Autor des Standardwerks Über das Schreiben, hat es kurz und treffend formuliert:

Jeder Autor muss irgendwann lernen, wann er die Regeln einhalten sollte und wann er sie brechen muss.

Lesbarkeit und Ordnung

Niemand liebt Formalien. Aber sie entscheiden darüber, ob ein Buch gelesen wird. Das gilt vor allem für den Aufbau des Textes. Ist es eine Bleiwüste ohne Absätze? Oder wurden Leerzeilen und Auslassungszeichen mit der Streusandbüchse verteilt? Sie richtig zu setzen ist nicht schwer und Leser sind daran gewöhnt. Wenn das Textformat mehr Aufmerksamkeit verlangt als der Inhalt, macht man es Lesern unnötig schwer.

Auslassungspunkte kann man auslassen, wenn …

In vielen Texten, die ich erhalte, fällt es auf: eine Vielzahl von Auslassungspunkten. Das sind die drei Pünktchen, die Sie in der Überschrift sehen.

Wozu dienen Auslassungspunkte?

Sie werden verwendet, wenn der Autor anzeigen möchte, dass etwas ausgelassen wurde. Wenn ein Sprecher im Dialog zum Beispiel seinen Satz nicht vollendet:

»Verdammte Scheiße, was machst …«

Da sagt der Sprecher seinen Satz (Was machst du da) nicht zu Ende, sondern bricht ihn ab. Eine weitere Möglichkeit sind ausgelassene Buchstaben, vor allem bei Worten, die man auslässt, aus Höflichkeit oder um kein Problem mit dem Jugendschutz zu bekommen:

»Du verf… Idiot«

Hier wird »verfickter« nicht ausgeschrieben. Konsequenterweise zeigt man das durch die Auslassungspunkte an.

Außerdem können Auslassungspunkte im Dialog Stottern oder Zögern anzeigen:

»Also ich … also ich finde das nicht gut.«

ACHTUNG: Werden Worte ausgelassen, also ein Satz nicht zu Ende geführt, kommt ein Leerzeichen vor die drei Auslassungspunkte. Wird ein Wort nicht ausgeschrieben, also Buchstaben ausgelassen, dann setzt man die Auslassungspunkte direkt ohne Leerzeichen dazwischen ein.

Aber was ist mit den Auslassungspunkten in folgendem Fall?

Sie betrachtete wütend die zugeschlagene Tür. … Später öffnete sie sich und Gerd kam herein.

Da wird gar nichts ausgelassen. Die Auslassungszeichen sollen hier andeuten, dass einige Zeit vergeht. Leider wirken Auslassungspunkte dort, wo nichts ausgelassen wird, unprofessionell. Und es gibt bessere Möglichkeiten, mit denen man vergangene Zeit oder Ähnliches verdeutlichen kann.

Mein Tipp deshalb: Tun sie das nicht! Auslassungszeichen dienen der Auslassung, wie der Name schon sagt.

Und was, wenn Sie andeuten wollen, dass etwas Zeit vergeht oder etwas Neues geschieht?

Dafür gibt es Absätze. Wenn Sie einen Absatz einsetzen, weiß der Leser: Da kommt etwas Neues. Oder es vergeht Zeit. Oder …

Obiges Beispiel lässt sich so schreiben:

Sie betrachtete wütend die zugeschlagene Tür.

Später öffnete sie sich und Gerd kam herein.

Das sind Leser gewohnt. Die Auslassungspunkte an dieser Stelle führen bei den meisten dazu, dass sie vermuten: Die Autorin kennt sich mit dem Schreiben nicht richtig aus. Das kann schnell dazu führen, dass Ihr Buch weggelegt wird. Dabei ist es egal, ob der Lektor eines Verlags es weglegt und der Autor einen Ablehnungsformbrief bekommt. Oder ob der Leser nach der Leseprobe eines Selfpublishers das Buch nicht kauft.

Denken Sie daran: Je professioneller Ihr Manuskript aussieht, desto eher wird es ein Verlag annehmen oder ein Leser es kaufen.

Und so schwer ist es doch nicht: Auslassungspunkte verwenden Sie dort, wo Sie etwas auslassen.

In allen anderen Fällen ist ein neuer Absatz die beste Wahl. Und eine Formulierung des Textes, die das dem Leser vermittelt.

Tipp: Es gibt ein Sonderzeichen für die Auslassungspunkte: Strg+Alt+Punkt ergibt: …

Sie sollten nicht manuell drei Punkte setzen, um ein Auslassungskennzeichen zu schreiben.

Leerzeilen richtig setzen

Leerzeilen strukturieren einen Text. Deshalb setzen viele Autoren gern Leerzeilen. Leider vergessen sie dabei, dass das normale Strukturierungselement der Absatz ist und der benötigt nicht noch eine weitere Leerzeile.

Wann setzt man also Leerzeilen ein? Wenn die normale Gliederung durch Absätze nicht ausreicht.

Wann Sie einen neuen Absatz machen sollten, erläutere ich im folgenden Kapitel.

Kommen wir also zu den Fällen, in denen der Absatz nicht ausreicht und Sie die Leerzeile einsetzen sollten.

Wenn Sie eine neue Szene beginnen, aber kein neues Kapitel anfangen wollen, dann setzen Sie eine Leerzeile. Das signalisiert dem Leser: Jetzt kommt etwas wirklich Neues, etwas, das über die normale Absatzgliederung hinausgeht.

Gleiches gilt für Rückblenden (Flashbacks). Auch hier können Sie mit Leerzeilen den Beginn der Rückblende und vor allem ihr Ende eindeutig markieren und erleichtern dem Leser die Orientierung. Vor allem am Ende, wenn Sie die Rückblende verlassen und wieder in die normale Erzählzeit wechseln, ist das sehr nützlich.

Daraus folgt aber auch, dass Sie Leerzeilen sparsam einsetzen sollten. Ein Text, der auf jeder Seite mehrere Leerzeilen hat, wirkt unruhig. Oft war sich der Autor dann nicht sicher, wann er eigentlich Leerzeilen setzen sollte, und setzte diese willkürlich. Was die Leser verwirrt und den Eindruck weckt, der Autor wisse nicht so recht Bescheid, wie er sein Werk am besten gliedern kann. Das erhöht nicht gerade das Vertrauen der Leser in den Autor.

Halten Sie sich an die Faustregel:

Absätze eher mehr als zu wenig

Immer wenn der Sprecher wechselt, die handelnde Person, oder sich Zeit oder Ort ändern. Und um Gedanken oder Beschreibungen zu gliedern und dem Leser das Verständnis zu erleichtern.

Leerzeilen

Leerzeilen nur wenige, wenn der Absatz als Gliederungselement nicht ausreicht, bei neuer Szene oder Rückblende.

Absätze

Die Hälfte der Texte, die ich zur Korrektur bekomme, hat zu wenige Absätze. Selbst viele Textprofis leiden oft unter dem, was Mediziner die chronische Absatzscheu nennen. Manche legen sogar Texte mit mehreren Seiten ohne jeden Absatz vor.

Die Begründung: Das ist doch der Job der Lektoren. So kann man es natürlich auch sehen. Nur darf man sich dann nicht wundern, dass niemand seine Texte zu Ende liest.

Auch in Stilratgebern und Schreibbüchern sucht man Rat zur Absatzgestaltung meistens vergeblich.

Dabei ist es gar nicht so schwierig. Denn es gibt ein paar Faustregeln. Natürlich sind die nicht in Stein gemeißelt und dienen, wie die Zeichensetzung auch, der einfacheren Lesbarkeit. Ja, ich weiß, die Zeichensetzung dient der Rechtschreibung, den Grammatikregeln, den Kultusministern, laut Günther Grass der deutschen Literatur und erst ganz zum Schluss der Lesbarkeit.

Die Faustregeln:

Absätze werden gemacht:

Wenn der Sprecher wechselt.

Wenn die Perspektive wechselt.

Vor und nach Flashbacks.

Wenn eine Beschreibung endet und die Handlung einsetzt.

Wenn eine neue Person die Bühne betritt.

Wozu Absätze?

Absätze sind wie Sätze, Szenen und Kapitel Gliederungsmöglichkeiten. In der Regel enthält ein Absatz mehrere Sätze und eine Szene mehrere Absätze. Eigentlich ist das selbstverständlich, aber wenn Sie wüssten, was ich schon alles in Texten erlebt habe!

Dabei ist der Absatz als Gliederungselement noch viel wichtiger als der Satz und bietet auch weit mehr Möglichkeiten, als nur die Lesbarkeit sicherzustellen. Denn Absätze bestimmen Rhythmus und Tempo eines Textes. Sie sind ein ganz wesentliches Element, das den Stil festlegt.

Nehmen Sie sich einfach mal verschiedene Bücher aus Ihrem Regal, schlagen Sie sie an beliebiger Stelle auf und schauen Sie sich an, wie auf diesen beiden Seiten die Absätze verteilt sind.

Wann soll man Absätze machen?

Auf jeden Fall, wenn der Sprecher wechselt.

Kurz bevor sie bei Thomas ankamen, hörte Josef eine Stimme. »Sei vorsichtig, Thomas will dich reinlegen!« Erschrocken drehte Josef sich um. Es war niemand zu sehen. »Wer hat das gesagt?«, fragte er. »Ich war das«, antwortete der Esel.

Das ist sehr schwierig zu lesen und noch schwieriger zu verstehen. Mit einem Absatz hinter dem jeweiligen Sprecherwechsel ist es viel klarer:

Kurz bevor sie bei Thomas ankamen, hörte Josef eine Stimme. »Sei vorsichtig, Thomas will dich reinlegen!«

Erschrocken drehte Josef sich um. Es war niemand zu sehen. »Wer hat das gesagt?«, fragte er.

»Ich war das«, antwortete der Esel.

Wohlgemerkt, hier steht kein Absatz nach Es war niemand zu sehen. Denn das, was folgt, sagt immer noch Josef. Ein Absatz ist hier nicht nötig. Machen Sie einmal das Experiment, den Text mit und ohne Absatz zu lesen. Was ändert sich dann am Rhythmus, an der Stimmung des Textes? Welche Fassung würden Sie vorziehen?

Wie beim Sprecherwechsel gehört ein Absatz natürlich immer dorthin, wo die Perspektive oder Handlung wechselt und insbesondere, wenn der Text von einer Beschreibung zur Handlung übergeht.

Die Burg glänzte schwarz, als wäre sie frisch lackiert worden. Der Burgfried ragte so hoch, dass er die Wolken am Bauch kitzeln konnte. Das Tor war verschlossen und verriegelt, die Zugbrücke hochgezogen.

Plötzlich öffnete sich ein Fenster und ein hölzerner Kuckuck schnellte heraus.

Was wäre, wenn man das alles in einem Absatz schreiben würde?

Dann würde der Kuckuck längst nicht so überraschend kommen. Mit Absätzen nimmt man auch eine Betonung vor. Generell sollte ein Absatz natürlich überall erfolgen, wo etwas Neues im Text erscheint. Absätze gliedern einen Text und damit die Gedanken, die Erzählung der Autoren.

Wirkung von Absätzen

Je mehr Absätze ein Text hat, desto aktiver, einfacher und temporeicher wirkt er. Deshalb haben Actionszenen und Dialoge meist sehr viele Absätze, im Extremfall sogar mit nur einem Satz.

Er rammte den Rückwärtsgang rein.

Stieß zurück, erster Gang, Vollgas.

Die Reifen drehten durch. Fassten endlich.

Das Tor zersplitterte und sie waren durch.

Umgekehrt wirken Texte mit wenigen Absätzen eher ruhig oder schwierig. Logischerweise haben Beschreibungen, philosophische Erörterungen etc. auch durchaus mal Absätze von einer halben Seite. Mehr würde ich einem Leser nur in begründeten Ausnahmefällen zumuten.

Warnung:

Bei vielen Wettbewerben gibt es eine Seitenbegrenzung. Bei Überschreitung liegt die Versuchung nahe, einfach Absätze wegzulassen und so den Text auf die Begrenzung zu kürzen.

Das sollte man nie, nie, nie tun. Denn dadurch verliert Ihr Text so viel, dass die Chancen auf den Nullpunkt schwinden. Ein Text mit ungenügender Gliederung, mit zu wenigen Absätzen wirkt dilettantisch. Da kann die Geschichte selbst noch so gut sein.

Lieber darüber nachdenken, welchen Teil der Erzählung man ganz weglassen könnte.

Womit wir wieder bei der chronischen Absatzscheu wären. Man kann natürlich auf die Lektoren hoffen. Ich halte das für keine gute Idee. Denn Absätze sind ein wichtiges Stilmittel und das sollte kein Autor aus der Hand geben.

Stephen King schreibt in Das Leben und das Schreiben:

Ich bin der Meinung, dass nicht der Satz, sondern der Absatz die kleinste Einheit eines Textes darstellt, in der Kohärenz entsteht und Wörter die Chance haben, über sich hinauszuwachsen. Wenn es Zeit wird, das Tempo zu erhöhen, geschieht das auf Absatzebene. (S 151).

Und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Szenen

Nach den Absätzen sind die Szenen die nächstgrößeren Unterteilungsmöglichkeiten.

Eine Szene umfasst eine Handlung und/oder einen Dialog, der sich am gleichen Ort zur gleichen Zeit abspielt.

Der Prolog im Himmel im Faust ist eine Szene, der Osterspaziergang eine andere. Und knurr nicht Pudel eine dritte.

Spannungsbogen einer Szene

Jede Szene benötigt einen Spannungsbogen, einen Konflikt. Deshalb sind Szenen, die nur die Aufgabe haben, dem Leser Informationen zu vermitteln, keine gute Idee. Natürlich vermitteln Szenen immer auch Informationen. Aber nicht dadurch, dass der Autor dem Leser etwas erzählt. Sondern dass die Handlung dem Leser Neues verrät.

Beginn und Ende

Eine alte Filmregel sagt: So spät wie möglich in die Szene springen, so früh wie möglich herausgehen. Immer eine gute Idee, das in Erinnerung zu behalten. Eine Szene beenden Sie mit einer Leerzeile, damit der Leser sich besser orientieren kann. Das gilt auch für Rückblenden, die Szenen sind. Manchmal, vor allem in der Fantasy, verwendet man auch die amerikanische Methode: Eine Leerzeile, eine Zeile mit einem oder mehreren Sternchen in der Mitte, wieder eine Leerzeile.

In Papyrus und anderen Schreibprogrammen können Sie Szenen markieren, so dass Sie jederzeit den Überblick behalten. Doch auch die alte Art mit Karteikarten an einem Pinnbrett, auf dem jede Szene eine Karteikarte ist, können Sie benutzen.

Szenenlänge

Szenen können eine halbe Seite bis zu fünf Seiten umfassen. Mehr ist selten.

Szenenfolge

Jeder Roman besteht aus einer Folge von Szenen. Deshalb lohnt es sich, diese Folge im Auge zu behalten und eine Szenenfolge zu schreiben. Ein oder zwei Sätze zu jeder Szene. Welche Personen treten auf, wo spielt die Szene, welcher Konflikt, eventuell auch das Datum. Mit einigen Autorenprogrammen lässt sich das einfach realisieren. Man kann die Szenenfolge vorab planen (Kopfschreiber) oder hinterher (Bauchschreiber) oder auch immer wieder während des Schreibens.

Für die Überarbeitung ist die Szenenfolge unendlich nützlich, vor allem im Lektorat. Damit kann man über die Struktur sprechen und auch prüfen, ob nicht eine andere Szenenfolge besser wäre.

Kapitel

Kapitel fassen Szenen zusammen. Nicht jede Szene ist ein Kapitel, das wird gern verwechselt. Im Kapitel fassen Sie Szenen zusammen. Wenn Sie die multipersonale Perspektive nutzen, können Sie in jedem Kapitel die Szenen einer Perspektive vereinigen. Also drei Szenen des Kommissars, vier des Mörders oder zwei eines Unschuldigen, der verdächtigt wird.

Oder Sie vereinigen Szenen eines ähnlichen Konflikts.

Kapitel 1

Szene 1: Die Kripo bekommt den Tipp, dass sich der Mörder im Theaterkeller versteckt. Alle rasen los.

Szene 2: Im Theaterkeller ist niemand. Nur verstaubte Kostüme. Der Kommissar bekommt einen Anruf, drückt ihn weg, weil er jetzt alles im Keller untersuchen will. Später, sagt er sich.

Szene 3: Die Kripoleute stehen enttäuscht vor dem Eingang, der Kommissar checkt nun doch sein Handy. Eine Meldung auf der Mailbox von der Kriposekretärin, die als einzige im Büro geblieben ist. Sie hat beim Googeln entdeckt, dass der Täter eine Gartenlaube hat. »Ich fahr da mal hin und schau mir das an«, sagt sie.

Szene 4: Alle stürzen zu den Autos und brausen los. Der Kommissar versucht verzweifelt, die Sekretärin zu erreichen. Doch »dieser Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar«.

Ende Kapitel

Kapitel 2