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AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH

Star Wars: Schatten der Königin

E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5

Star Wars: Ahsoka

E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7

Star Wars: Meistgesucht

Rae Carson – ISBN 978-3-8332-3637-2

Star Wars: Leia, Prinzessin von Alderaan

Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3569-6

Star Wars: Blutlinie

Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3354-8

Star Wars BATTLEFRONT: Twilight-Kompanie

Alexander Freed – ISBN 978-3-8332-3259-6

Star Wars BATTLEFRONT II: Inferno-Kommando

Christie Golden – ISBN 978-3-8332-3568-9

Star Wars: THE OLD REPUBLIC – Eine unheilvolle Allianz

Sean Williams – ISBN 978-3-8332-2036-4

Star Wars: THE OLD REPUBLIC – Betrogen

Paul S. Kemp – ISBN 978-3-8332-2249-8

Star Wars: THE OLD REPUBLIC – Revan

Drew Karpyshyn – ISBN 978-3-8332-2373-0

Star Wars: THE OLD REPUBLIC – Vernichtung

Drew Karpyshyn – ISBN 978-3-8332-2608-3

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 1 – Im Zwielicht

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2906-0

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 2 – Straße der Schatten

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2983-1

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 3 – Schablonen der Macht

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2984-8

Star Wars: Shadow Games – Im Schatten

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-3158-2

Nähere Infos und weitere Bände unter:

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GALAXY’S EDGE

Schicksalsschlag

ROMAN

VON ZORAIDA CÓRDOVA

INS DEUTSCHE ÜBERTRAGEN VON
ANDREAS KASPRZAK & TOBIAS TONEGUZZO

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: Galaxy’s Edge – A Clash of Fate“ by Zoraida Córdova, published by Disney, Lucasfilm Press, an imprint of Disney Book Group, August 2019.

© & TM 2019 LUCASFILM LTD.

Design by Leigh Zieske

Cover Illustration von Matt Griffin

Deutsche Ausgabe 2017 by Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87,

70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Geschäftsführer: Hermann Paul

Head of Editorial: Jo Löffler

Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: marketing@panini.de)

Presse & PR: Steffen Volkmer

Übersetzung: Andreas Kasprzak und Tobias Toneguzzo

Lektorat: Robert Mountainbeau

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

YDSWYA003E

ISBN 978-3-7367-9914-1

Gedruckte Ausgabe:

1. Auflage, Oktober 2019, ISBN 978-3-8332-3830-7

Findet uns im Netz:

www.starwars.com

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PaniniComicsDE

Für meinen Bruder Danilo J. Córdova.
Es gibt nichts, was ich dir noch beibringen kann,
junger Padawan.

PROLOG

Das Mädchen kletterte höher und höher an der Felssäule hinauf. Nur einmal schrammte sie sich das Knie auf, doch als sie sich dem Gipfel näherte, war die Wunde bereits verschorft. Ihr rüschenbesetztes Kleid war fleckig von Schweiß und Schmutz. Sicher würde ihr Vater wütend sein. Erst gestern hatte er ein paar Zentimeter Stoff angenäht, weil sie praktisch über Nacht einen weiteren Wachstumsschub durchgemacht hatte.

„Komm schon, Jules!“, rief sie. „Wir sind fast da!“

„Das ist nicht fair!“, rief der Junge zurück. Lose Steinchen fielen auf seinen Kopf. Er hatte den Fehler begangen, kurz nach unten zu blicken. Obwohl er sich einzureden versuchte, dass er keine Höhenangst hatte, waren seine Handflächen schweißnass, und die Furcht, er könnte abstürzen, ließ seinen Magen Purzelbäume schlagen. Aber wenn er fliegen wollte, musste er seine Ängste überwinden, und um das zu tun, musste er sich ihnen zuerst stellen. Das Problem war nur: Es war leichter, sich etwas vorzustellen, als es wirklich zu tun. Als der Junge den Kopf hob, blendete ihn das Sonnenlicht, aber er konnte erkennen, dass das Mädchen bereits einen oder zwei Meter über ihm war. Mit einem Ächzen trieb er sich an, schneller zu klettern. „Deine Arme sind stärker. Das ist quasi, als würdest du schummeln!“

Quasi ist nicht wirklich“, sagte sie.

Izal Garsea klammerte sich an den Rissen und Spalten im schroffen Fels fest. Wie immer während der Trockenzeit brannten die Sonnen gnadenlos vom Himmel. Da war kein einziges Wölkchen, das Schatten spenden konnte, aber sie hatten sich die Tücher um die Köpfe gewickelt, die Jules’ Mutter erst letzte Woche gewebt hatte. Wie immer hatte Jules ihr später geholfen, sie zu färben, und seine Hände waren von der Farbe noch immer fleckig. Blaue und violette Kleckse besprenkelten seine goldbraunen Unterarme wie eine Sternkonstellation.

Sie benutzten mehrere Felsvorsprünge wie eine Treppe, um zu einem Sims hinaufzuklettern, wo der Junge und das Mädchen sich auf den Rücken legen konnten. Ein triumphierendes Lächeln lag auf ihren Gesichtern. So weit von Schwarzdorn entfernt fühlte es sich an, als wären sie ganz allein auf dieser Welt. Sie konnten so laut schreien, wie sie wollten, niemand würde deswegen mit ihnen schimpfen. Sie konnten einfach alles tun.

„Eines Tages werde ich schneller sein als du, Izzy“, erklärte Jules, während er sich aufsetzte.

Das Mädchen kicherte und wischte sich Staub und Steinchen von den Händen. „Träum weiter, Jules. Ich bin größer.“

Er grinste so breit, dass man seine Zähne sehen konnte. „Aber das wirst du nicht immer sein.“

Obgleich ein Jahr älter als das Mädchen, war Julen Rakab noch immer einen ganzen Kopf kleiner als sie. Für einen Siebenjährigen auf Batuu hatte das zur Folge, dass größere Kinder und durchreisende Ganoven ihm regelmäßig sein Taschengeld abnahmen. Aber das Mädchen behandelte ihn anders. Die zwei waren den Großteil des Tages allein, da bei beiden die Eltern arbeiteten, und so hatten sie Freundschaft geschlossen. Bei Izzy fühlte er sich in Sicherheit … na ja, so sicher man sich eben fühlen konnte, wenn man an steilen Felswänden herumkletterte. Aber er eiferte ihrer Furchtlosigkeit nach und folgte ihr einfach, wenn sie ihn dazu aufforderte.

Die beiden krochen in den Schatten eines knorrigen Baums, der es irgendwie geschafft hatte, sein Laub zu behalten. Von ihrem Standort aus konnten sie auf die Landschaft von Batuu hinabblicken – ein Meer von Grün und schroffen Felsen. Während ihre Eltern auf verschiedenen Farmen schufteten, schmiedeten der Junge und das Mädchen hier ihre eigenen Pläne.

Sie kramten ihren Proviant aus den Taschen: einen Beutel mit Körnern, die Jules letzte Nacht noch geröstet hatte; getrocknete Früchte aus der Speisekammer von Izzys Familie; mit Schokolade überzogene Kaffbohnen, die sie aus der Süßigkeitenbüchse ihrer Mutter stibitzt hatten, und eine Flasche mit frischem Wasser. Sie teilten alles, aber der Junge gab dem Mädchen immer ein wenig mehr von den Früchten und der Schokolade und dem Wasser.

„Pa meint, ich kann in der nächsten Erntesaison auf der Farm arbeiten“, erzählte Jules, während er ihr die metallene Trinkflasche reichte.

Das Mädchen atmete scharf ein, und ihre ohnehin schon großen grünen Augen wurden noch ein Stück größer. „Aber, Jules, wer soll dann mit mir spielen?“

„Ich werde weiter mit dir spielen, versprochen.“

„Aber nicht jeden Tag. Ich sehe meine Eltern zu Hause kaum. Sie gehen bei Sonnenaufgang, und wenn sie nach Hause kommen, ist es schon dunkel, und dann sind sie zu müde, um noch irgendetwas zu tun, außer etwas zu essen, und dann fallen sie ins Bett.“

„Ja, aber sie sind auch alt.“ Der Junge schüttelte den Kopf. Er hoffte, dass sie das beruhigen würde. „Wenn meine Schwester nach Hause kommt, näht sie noch ein paar Stunden Decken, die sie dann auf dem Markt verkauft.“

„Du kannst auch noch arbeiten, wenn du älter bist“, sagte das Mädchen.

„Pa meint, wenn ich mein eigenes Schiff haben will, muss ich mir selbst das Geld dafür zusammensparen.“

„Dein eigenes Schiff?“ Sie sagte es mit ehrfürchtiger Stimme und legte den Kopf in den Nacken, um hinauf zum Himmel zu blicken. Eine kleine Sternenjacht flog gerade Schwarzdorn an. Aus der Ferne war der Außenposten nur eine winzige Ansammlung von Gebäuden, aber sie wusste, wie hektisch es dort zuging. Sie kannte die überfüllten Geschäfte und Straßen, auf denen es nach gebratenem Fleisch und gerösteten Nüssen roch. „Nimmst du mich dann mit?“

„Natürlich, Izzy. Wir werden zusammen neue Monde und Planeten erforschen.“ Er erhob sich auf die Knie und nahm einen flachen Stein in die Hand, mit dem er einen Flugvektor von sich zu Izzy in die Luft zeichnete. „Ich war bei Oga …“

„Was machst du denn in Ogas Cantina?“

„Ich sehe mir gern die Reisenden an, wenn sie landen. Da sind immer welche dabei, die tragen total protzige und absurde Sachen – oder zumindest sagt mein Vater das. Und dabei habe ich gehört, wie zwei Männer über einen Mond geredet haben, der vollkommen mit Schnee und Eis bedeckt sein soll.“

Izzy verzog das Gesicht und wickelte das Ende ihres langen schwarzen Zopfs um ihren Finger. „Ich will aber nicht frieren.“

„Wie wäre es dann mit einem Planeten, der ganz aus Wasser besteht? Denk nur an all die Tiere, die wir da entdecken könnten. Oder eine Welt, wo der Himmel ganz viele verschiedene Farben hat. Oder eine Stadt mit Milliarden von Einwohnern!“

Izzy trank den letzten Rest Wasser. Sie wusste nicht, was für eine Art von Welt sie besuchen sollte, aber sie war sich absolut sicher, dass sie nicht ohne Jules sein wollte. „Kann ich auf deinem Schiff eine Prinzessin sein?“

„Ich glaube nicht, dass man einfach so Prinzessin werden kann“, erwiderte er, nachdem sein Steinschiff vor ihren Füßen gelandet war und sich wieder in einen ganz normalen Stein verwandelt hatte.

„Woher willst du das wissen? Hast du schon mal eine Prinzessin getroffen?“

Darüber musste er erst mal nachdenken. „Na schön, du kannst eine Prinzessin sein. Aber ich bin der Captain.“

„Warum bist du der Captain?“ Sie tippte nachdenklich mit dem Finger gegen ihr Kinn. „Ich könnte auch beides sein.“

„Man kann nicht beides sein.“

„Sagt wer?“

„Es ist mein Schiff, also muss ich an Bord ja auch irgendwas zu tun haben.“

„Fein.“ Sie streckte die Hand aus und wiederholte die Worte, die sie so oft aus dem Mund ihrer Mutter gehört hatte. „Wir sind im Geschäft.“

Sie schüttelten einander die Hand, so, wie die Erwachsenen es taten, dann blieben sie noch eine Weile im Schatten sitzen. Wären Wolken über den Himmel gezogen, hätten sie ein Spiel daraus gemacht, irgendwelche Formen in ihnen zu erkennen. So wie damals, als Izzy in einer Ansammlung von Regenwolken ein fliegendes Bantha gesehen hatte. Stattdessen hielten sie nach weiteren Schiffen Ausschau, die in die Atmosphäre eindrangen und zu dem Außenposten hinüberflogen. Izzy konnte die dunklen Flecken ausmachen, wo die Farmen standen, auf denen ihre Eltern den Tag über arbeiteten. Und ringsum das helle Grasland und dahinter die Hügel. Von hier oben sah Batuu wunderschön aus, aber am schönsten überhaupt fand sie den Fluss, der sich über den Planeten schlängelte, zwischen dichten Wäldern und aufragenden Felsnadeln.

Der Junge deutete auf ein Schiff, das ihm bekannt vorkam. „Ist das nicht die Meridian?“

Die Meridian war das Schiff von Izzys Mutter, ein leichter Frachter, der normalerweise in einer der Andockbuchten stand. Weil ihr Zuhause so klein war, benutzten sie das Schiff als Lagerraum. Das Mädchen hielt das Tuch über ihre Augen und blinzelte. Es war zu sonnig, und das grelle Licht tat ihr in den Augen weh, wenn sie zu lange zum Himmel hinaufstarrte. „Das kann nicht sein. Meine Mutter ist auf der Farm, und Pa fliegt nie alleine.“

Hinter ihnen ertönte ein Keifen, sodass sie sich abrupt umdrehten. Eine vierbeinige Kreatur war auf der anderen Seite des knorrigen Baumes aufgetaucht. Sie bewegte sich zu schnell, als dass man sie genau erkennen konnte, und dann war sie auch schon hinter Felsen verschwunden.

„Was ist das?“, rief der Junge. „Es ist zu groß, um eine Ratte zu sein.“

Das Mädchen griff nach dem größten Stein, der sich in Reichweite befand, dann schleuderte sie ihn mit aller Kraft. Mit einem Knall prallte er gegen die Felsen und scheuchte die Kreatur dahinter erneut auf. Sie war schwarz wie die Nacht. Jules folgte Izzys Beispiel, und gemeinsam scheuchten sie das Tier mit Steinen und Kieseln davon.

Schließlich trat das Mädchen an den Rand des Simses, dorthin, wo die Kreatur verschwunden war, und sie blickte an den gezackten Felsen und Spalten entlang in die Tiefe. „Es ist weg.“

„Wir sollten besser nach Hause gehen“, sagte der Junge.

Sie packten gerade ihre Sachen zusammen, da sprang das Tier wieder aus seinem Versteck hervor. Jules hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas Derartiges gesehen: halb Katze, halb Echse, mit fleckigem Fell, gelben Augen und schlitzförmigen Pupillen. Außerdem zeigte es kleine, spitze Zähne, wenn es mit dem Maul nach ihnen schnappte. Der Junge stolperte zurück, dann fiel er, und sein Kopf prallte gegen die Felswand. Blut rann über sein Ohr. Einen Moment später kletterte die Kreatur über die Wurzeln des Baumes, bereit, sich auf ihn zu stürzen.

„Nein!“ Izzys Schrei hallte von den Felsen wider. Sie hatte keine Waffe, also warf sie sich dem Tier mit geschlossenen Augen entgegen, die Hände schützend vors Gesicht gehoben. Kräftige Kiefer schlossen sich schmerzhaft um ihren Unterarm.

Der Junge kämpfte sich unterdessen wieder auf die Beine. Dabei nahm er einen kleinen, spitzen Stein auf, den er dem Tier im nächsten Moment ins Auge rammte. Heulend ließ die Kreatur von dem Mädchen ab, dann ergriff sie endgültig die Flucht.

„Izzy!“, rief der Junge. „Du blutest!“

Er nahm sein Tuch ab, wickelte es um die Wunde und knotete die Enden zusammen, um die Blutung zu stoppen.

„Du warst großartig“, sagte sie.

Er konnte sie nur anstarren. Sie weinte nicht, verzog nicht einmal vor Schmerz das Gesicht. Stattdessen grinste sie ihn einfach nur an. „Du hast mich zuerst gerettet“, erwiderte er.

„Du bist mein bester Freund. Ich könnte es nicht ertragen, falls dir etwas passiert“, erklärte sie.

Sie blieben noch ein wenig länger unter den heißen Sonnen sitzen und warteten ab, ob die Kreatur zurückkehren würde. Aber sie waren zusammen, und darum hatten sie keine Angst.

„Kannst du klettern?“, fragte Jules.

„Ich glaube schon.“ Sie blickte über den Rand des Simses, und zum ersten Mal machte die steile Felswand sie nervös. Aber sie konnte ja schlecht den Rest ihres Lebens auf diesem Felsen verbringen. Allein schon deshalb, weil Jules sie nie hier oben allein lassen würde, und dann würde er zudem auch Ärger bekommen.

Dicht nebeneinander, wie zwei Glieder einer Kette, stiegen sie in die Tiefe, wobei sie mit den Füßen nach Halt suchten und sich mit den Händen am Felsen und aneinander festklammerten.

Als sie festen Boden erreichten, jubelten sie triumphierend. Es gab nicht viel, was der Junge sein Eigen nannte, aber er besaß ein Familienerbstück: einen Ring aus glattem schwarzem Stein mit natürlichen goldenen Einsprengseln. Sein Vater hatte für jedes Mitglied der Familie einen solchen Stein angefertigt. Nun zog Jules den Ring von seinem Mittelfinger.

„Hier“, sagte er.

Izzy hielt den Ring in ihrer Handfläche, als wäre er das Wertvollste, was man ihr je geschenkt hätte. „Das kann ich nicht annehmen. Ich habe nichts, was ich dir schenken kann.“

„Mein Vater sagt, man soll keine Geschenke machen, wenn man eine Gegenleistung erwartet. Ein Geschenk ist ein Dankeschön oder ein Zeichen, dass einem jemand am Herzen liegt.“

Das Mädchen steckte den Ring auf ihren Zeigefinger, da saß er am besten. „Danke, Jules!“

Auf dem langen Rückweg sprachen sie immer wieder über den Angriff des seltsamen Tieres, und jedes Mal wurde die Kreatur größer, haariger und gefährlicher. Und immer wieder warfen sie einen Blick über die Schulter, weil sie im Stillen fürchteten, dass ihnen das Biest folgen könnte.

Es war bereits dunkel, als sich ihre Wege schließlich trennten.

Als das Mädchen durch die Tür ihres Hauses trat, war ihr Vater überraschenderweise schon da. Um diese Uhrzeit hätte er eigentlich noch auf der Farm sein müssen. Aber sie dankte den Sonnen, dass er hier war, denn ihr Arm pochte inzwischen vor Schmerzen. Er brachte sie sofort zu einem Medidroiden, damit die Wunde untersucht werden konnte. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass die Kreatur keine Krankheiten übertragen hatte, aber der Biss würde trotzdem eine Narbe hinterlassen.

In dieser Nacht schlief das Mädchen lang und tief, und sie träumte, dass sie von der Felswand stürzte. Als sie aufwachte, hob ihr Vater sie auf seine Arme.

„Wo gehen wir hin?“, fragte sie.

„Psst“, flüsterte er. „Wir unternehmen ein kleines Abenteuer.“

Das Mädchen liebte Abenteuer, und schon bald war sie wieder eingeschlafen.

Vage nahm sie das Zischen einer Einstiegsrampe wahr, dann fragte die angespannte Stimme ihrer Mutter, ob sie irgendetwas vergessen hätten. Nein, antwortete ihr Vater, hatten sie nicht. Aber Izzy hatte etwas vergessen.

Das Mädchen wachte vollends auf, als sie gerade die Atmosphäre verließen. Sie war auf einen Sitz geschnallt, und sie begann, zu schreien und um sich zu schlagen. „Nein! Wir müssen zurück! Ich habe mich nicht verabschiedet!“

„Es tut mir leid, mein Liebling“, sagte ihr Vater. „Aber wir werden ein neues Zuhause finden, und du wirst neue Freunde haben.“

Er nahm sie in den Arm, bis sie aufhörte zu weinen. Über seine Schulter hinweg konnte sie den unendlichen Weltraum voller Sterne vor ihnen sehen.

Später, als sie allein auf ihrer Koje saß, drehte das Mädchen den Ring auf ihrem Finger hin und her und flüsterte: „Ich werde dich finden, Jules. Ich werde zurückkommen und dich mitnehmen.“

Es sollte das erste Versprechen sein, das Izal Garsea nicht einhielt.

IZZY

1. KAPITEL

Den ganzen Tag wartete Izal Garsea auf das Feuerwerk.

Die Vorfreude war das Einzige, was ihr durch die langweiligen Arbeiten des Tages geholfen hatte. Damar Olin hatte ihr auf Befehl von Ana Tolla eine Liste mit Aufgaben übergeben. Ana war nicht ihr Boss – Izzy und Damar gehörten noch nicht offiziell zu ihrer Mannschaft –, aber irgendwie fielen die lästigsten Pflichten trotzdem immer auf sie beide ab, und Izzy musste deswegen die Wartung ihres eigenen Schiffs vernachlässigen.

Erst hatte sie der Mannschaft geholfen, Ana Tollas Schiff mit Vorratskisten zu beladen, die sie für ihre nächste Mission brauchen würden. Dann war sie zu einem Botengang aufgebrochen, um einen zweiten Energiekonverter abzuholen; völlig sinnlos, wo ihr Konverter doch tadellos funktionierte. Und danach hatte sie einen Fehler im Navigationscomputer behoben, die einzige Aufgabe des Tages, die sich nicht wie Zeitverschwendung anfühlte. Erst hatte sie geglaubt, dass Damar sie mit dieser Aufgabe aus dem Konzept bringen wollte, aber als sich die Nacht über den rostfarbenen Himmel von Actlyon legte und alle auf die Terrasse der Cantina strömten, um noch etwas zu trinken, kamen ihr Zweifel. Damar war viel zu berechenbar, um irgendjemanden zu überraschen.

Die Cantina befand sich in einem der überbevölkerten unteren Bezirke von Actlyon City, und sie war düsterer und lauter als die meisten vergleichbaren Etablissements. Der süßliche Geruch von altem Alkohol hing in der Luft. Die Gäste waren betrunken, aber nicht gefährlich – zumindest noch nicht. Izzy vergewisserte sich trotzdem, dass ihr Blaster lose im Holster saß. Es war ein altes Modell ohne moderne Modifikationen, aber er hatte ihrer Mutter gehört, und sie nahm ihn überallhin mit. Ana Tolla ging wie immer voran, wobei ihr langer roter Zopf wie eine Peitsche hin und her schwang. Von den Tischen auf der Terrasse konnte man die Berge auf der einen Seite und die Verladehangars und Transportschiffe auf der anderen Seite sehen. Der Gestank von Treibstoff wehte von dem nahen Frachterhafen herüber, aber der Ausblick auf die Sterne machte das beinahe wieder wett.

Sie wählten einen der klebrigen Tische, und weil es nicht genug Stühle gab, blieb Izzy stehen. Lita setzte sich auch nicht, aber da sie eine Ketzalianerin war, konnte die kleine, reptiliengesichtige Frau mit ihren halb durchsichtigen violetten Flügeln neben Izzy in der Luft schweben.

Auf einer behelfsmäßigen Bühne spielte eine Band: Intelligenz-7 und die Rassler. Izzy trommelte kurz auf der Tischplatte mit, während sie auf die Bedienung warteten, gab es aber rasch auf, als ihre Finger bei jeder Berührung mit der Oberfläche klebriger wurden. Der Organist der Band, ein Rodianer, zwinkerte mit einem funkelnden Insektenauge in ihre Richtung. Dutzende Gäste waren auf der Terrasse zusammengedrängt und wippten im Rhythmus des Liedes mit dem Oberkörper, aber Izzy war sich ziemlich sicher, dass der Musiker sie anblickte.

Wenigstens einer, der mich nicht ignoriert, dachte sie.

Sie zupfte an Damars Jacke – der tiefblauen Lederjacke, die sie ihm gegeben hatte, weil sie so gut zu seinem blau gefärbten Haar passte. Die tiefen Schatten auf der Terrasse verbargen seine grauen Augen, aber seine Verärgerung war trotzdem deutlich zu erkennen, als er die Brauen zusammenzog.

„Iz“, sagte er mit schmalen Augen. So sprach er sie nur an, wenn er sie tadeln wollte, ohne einen Streit anzufangen. Seit sie Ana Tollas Mannschaft getroffen hatten, nannte er sie praktisch nur noch Iz.

„Sollten wir vielleicht den Plan für morgen durchgehen?“, fragte Izzy.

„Das machen wir schon noch.“ Damar strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr, dann blickte er zu den anderen hinüber und setzte ein viel zu breites Lächeln auf. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte Izzy alles getan, um dieses Lächeln zu sehen. Aber nicht heute Nacht. Er winkte eine Bedienung herüber. „Lass uns erst mal essen. Ich bin schon halb verhungert.“

Lita warf ihm einen finsteren Blick zu. „Dann ist es ja gut, dass du meinen letzten Javakeks gegessen hast, ansonsten wärst du jetzt vermutlich ganz verhungert.“

Sie gaben ihre Bestellungen bei einer sichtlich lustlosen Trandoshanerin auf, die brummte und seufzte, während sie auf ihren Datenblock kritzelte. Izzy war sich sicher, dass sie nur Strichmännchen malte; sie erwartete jedenfalls nicht, dass sie wirklich bekommen würden, was sie bestellt hatten.

Ana Tolla strich ihren feuerroten Zopf über die Schulter nach hinten und betrachtete die anderen Gäste. Ihre hellblauen Augen machten Izzy nervös, weil sie kälter wirkten als die obersten Atmosphärenschichten von Orto Plutonia. Sie sah aus, als würde sie einem nie wirklich zuhören, als würde es sie nie wirklich interessieren, was man zu sagen hatte. Aber ihre Mannschaft umringte sie, wie ein Hofstaat seine Königin umringt. Da war der junge Safwan, halb Mensch, halb Twi’lek, mit pfirsichfarbener Haut – außer auf seinen bunten Lekku – und Tätowierungen auf seinen muskulösen Armen. Dann natürlich Lita, die nach ihrer letzten Mission mit niemandem mehr ihre Kekse teilen wollte. Und zu guter Letzt der stämmige Zygerrianer mit dem stoppeligen Gesicht, dessen Name Izzy sich einfach nicht merken konnte, vermutlich, weil er so schweigsam und mürrisch war, wie man es nur sein konnte, wenn man sich sein ganzes Leben vor jemandem versteckte. Izzy wusste das, weil ihre Mutter auf eine ganz ähnliche Weise schweigsam gewesen war.

Als die Bedienung mit einem großen Tablett an ihren Tisch trat – es war definitiv nicht das, was sie bestellt hatten, aber niemand beschwerte sich –, aßen sie sich an dem gebratenen, in scharfen braunen Sirup getunkten Fleisch satt und tranken gierig aus ihren Gläsern. Izzy fühlte sich mehr wie ein ungebetener Gast und nicht wie ein Teil einer reibungslos funktionierenden Mannschaft. Damar hingegen plauderte eifrig mit und trug sogar Kommentare zu Missionen bei, an denen er überhaupt nicht teilgenommen hatte. Zum Beispiel über das eine Mal, als Ana Tolla einen glücksspielsüchtigen Senator entführt hatte, weil er einem Hutten ein kleines Vermögen schuldete. Der Senator war danach nie wiederaufgetaucht. Oder das andere Mal, als ein Ölbaron Ana Tolla angeheuert hatte, um seinen Konkurrenten auszuschalten, was damit geendet hatte, dass sie nicht nur diesen Konkurrenten, sondern versehentlich eine ganze Stadt in Flammen gesetzt hatte.

Izzy konnte sich nicht überwinden, mit den anderen zu lachen, aber sie brachte ein gequältes Grinsen zustande. Das war doch genau, was sie gewollt hatte, oder etwa nicht? Eine Mannschaft. Eine Gruppe, zu der sie dazugehörte. Wenn Ana Tolla für einen Job angeheuert wurde, dann brachte sie ihn auch zu Ende. Ihr Name wurde von einer gewissen Erwartungshaltung begleitet. Und falls Izzy in der Galaxis reich werden und am Leben bleiben wollte, dann brauchte sie jemanden wie Ana. Oder zumindest hatte Damar ihr eingeredet, dass dem so war.

Damar war derjenige gewesen, der Ana und ihre Mannschaft in einem staubigen Raumhafen auf Abelor aufgespürt hatte. Er und Izzy waren zu jenem Zeitpunkt am Ende gewesen: Sie hatten keinen Treibstoff gehabt, nichts zu essen und auch keine Kontaktpersonen, die ihnen helfen konnten. Izzy war in der Überzeugung aufgewachsen, dass das Schmuggelgeschäft die einzige Branche im gesamten Universum war, die wirklich krisensicher wäre. Aber es war schwierig, potenzielle Kunden an Land zu ziehen, wenn in allen Winkeln der Galaxis Panik herrschte. Es waren inzwischen ein paar Monate vergangen, seit das Hosnian-System und mit ihm die Regierung der Neuen Republik ausgelöscht worden war, aber was das daraus entstandene Chaos anging, war noch immer kein Ende in Sicht. Die meisten ihrer Kontaktpersonen waren entweder tot oder untergetaucht. Ana Tolla hatte die Hälfte ihrer Mannschaft verloren, und so war beinahe so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft entstanden. Dass Izzy und Damar ihr eigenes Schiff besaßen, hatte Ana natürlich besonders gut gefallen. Izzy hoffte, dass sie durch ihre nächste Mission endlich wirklich Teil der Mannschaft werden würden.

Aber während sie den letzten Schluck von ihrem Naboo-Kühler nahm, wurde sie einfach das Gefühl nicht los, dass sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand. Und das auch noch zusammen mit den falschen Leuten.

Die Musik dröhnte weiter, die Menge wurde lauter, und die Bedienung war weit und breit nicht zu sehen. Die Mischung aus Nervosität und Anspannung nahm zu, und Izzys Mund fühlte sich schrecklich trocken an.

„Ich hole mir noch was zu trinken“, erklärte sie, ohne sich etwas dabei zu denken.

„Bringst du mir was mit?“, fragte Damar.

Ana Tolla hob ihr eigenes leeres Glas hoch und drehte es zwischen langen, schwieligen Fingern. Ihre dünnen Brauen wanderten in die Höhe. „Ja, falls du so nett wärst, Kleines.“

Und dann hoben auch die anderen ihre Gläser.

Izzys Augenlid zuckte, aber sie riss sich zusammen. Dies war eine Gelegenheit, zu beweisen, dass sie teamfähig war. Sie wollte mehr sein als das Mädchen, dem sie zuriefen: „He, Damars Freundin, hol mir den Hydroschraubenschlüssel!“ Damar selbst musste sich aus irgendeinem Grund nie beweisen. Er war einfach nur da mit seinen markanten Wangenknochen und seiner sympathischen Art. Er hatte ein Talent dafür, sich in eine Gruppe einzufügen – oder zumindest, andere davon zu überzeugen, dass er Teil der Gruppe war. Auf diese Weise hatte er sie beide schon aus einigen brenzligen Situationen gerettet. Aber wenn Izzy ehrlich sein sollte, war er mindestens genauso gut darin, sie überhaupt erst in solche brenzligen Situationen zu bringen.

Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge, gab die Bestellung auf und zupfte am Reißverschluss ihrer nachtschwarzen Lederjacke, während sie an der Bar wartete. Ihr Getränk erschien wie aus dem Nichts. Sie hatte einen Melonensaft bestellt, doch als sie daran nippte, stellte sie fest, dass er deutlich süßer roch, als er schmeckte. Aber das Glas kostete fünfzehn Credits, also würde sie es verflucht noch mal auch trinken. Einmal mehr blickte Izzy zum dunklen Sternenhimmel hinauf. Mit jedem gut gelaunten Akkord der Band wurde ihre eigene Laune finsterer.

Vielleicht war das alles Teil von Damars Plan – damit sie glaubte, dass er es vergessen hatte. Einen Monat zuvor hatten sie sich gestritten, und Izzy hatte damit gedroht, zu gehen. Da hatte Damar versprochen, dass er etwas Großes für sie geplant hätte. Etwas Gewaltiges. Ein Feuerwerk. „Unvergesslich!“ war nicht ganz das Wort, das er benutzt hatte, aber als er ihre Hand genommen und ihr in die Augen geblickt hatte, auf diese ganze spezielle Weise, da hatte sie gewusst, was er meinte. Wenn Damar wollte, konnte er ihr dieses Gefühl vermitteln, dass sie etwas Besonderes war, das einzige Mädchen im ganzen Sternensystem. Manchmal fragte sie sich, ob er sie mit seinem Charme ebenso zu manipulieren versuchte wie die anderen. Aber dann redete sie sich ein, dass sie zu schlau sei, um auf so einen Trick hereinzufallen. Es war leicht, ihm zu vertrauen, wenn er die richtigen Worte fand. Außerdem wusste sie tief in ihrem Innersten: Damar zu haben, war besser, als ganz allein zu sein. Also schluckte sie ihre Bedenken hinunter, wann immer sie das Gefühl überkam, dass etwas falschlief.

Aber sollte sie nicht mehr als das für ihn empfinden?

Immerhin war er es gewesen, der ihnen diese Chance eröffnet hatte. Ohne ihn würde Izzy sich noch immer von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob hangeln, nur um ihr Schiff flugtauglich zu halten. Damar kannte sie besser als jeder andere. Und davon abgesehen hatte er einen ganz eigenen Stil – und ein Lächeln, das einen Eismond zum Schmelzen bringen konnte.

Jetzt saß er drüben auf der Terrasse über die halb leeren Gläser auf ihrem Tisch gebeugt und unterhielt sich lebhaft mit Ana Tolla und den anderen. Als Ana sich in der kühlen Nachtluft die nackten Arme rieb, reichte er ihr hastig seine Jacke. Izzy verzog das Gesicht, aber was sie fühlte, war nicht Eifersucht, wie sie überrascht feststellte. Es war Abscheu. Weder Safwan noch der Zygerrianer hatten ihrem Captain ihre Jacken angeboten, aber Damar schon. Er war absolut versessen darauf, Anas Aufmerksamkeit zu bekommen. Izzys Magen zog sich vor Unbehagen zusammen. Ihr Blick wanderte ziellos zu der Band hinüber, und der rodianische Organist zwinkerte ihr erneut zu. Oder vielleicht war ihm ein Insekt ins Auge geflogen. Oder er meinte eigentlich das hübsche Menschenmädchen, das hinter Izzy tanzte. Sie entschied, es zu ignorieren. Rechts von ihr unterhielt sich eine Gruppe von Frauen, und eine von ihnen sagte etwas, das Izzys Aufmerksamkeit erregte.

„Meint ihr, dass die Gerüchte stimmen?“

„Ich glaube, ich würde so weit von dort wegwollen wie nur irgendwie möglich“, erklärte eine andere Frau.

„In den Übertragungen heißt es, nicht mal medizinische Frachter werden noch durchgelassen“, warf eine dritte Frau ein. „Es ist, als wollten sie die Region vollständig abriegeln. Was sollen die Kranken machen, wenn ihnen die Vorräte ausgehen?“

„Mein Cousin meint, er habe in einem Holo gesehen, dass der Widerstand mehrere Frachter vom Himmel geschossen hat.“

„Das glaubst du doch wohl nicht!“

Das Gespräch artete in eine heftige Debatte aus, der Izzy nicht mehr folgen konnte. Egal, wohin es sie auch verschlug, überall hörte sie Gerüchte über den Widerstand. Nicht, dass sie sich wirklich dafür interessierte. Sie wollte nur ihren Job erledigen, das war alles. Ihr Vater hätte nicht gewollt, dass sie Schmugglerin wurde, aber ihre Eltern waren beide tot. Sie konnten sich nicht mehr an ihren Entscheidungen stören. Davon abgesehen: Solange sie ihre Fracht ablieferte und sich einen guten Ruf erarbeitete, sollte der Rest ein Kinderspiel sein.

Ein fischköpfiger Bivall drängte sich vor, um die Aufmerksamkeit einer Barfrau zu erregen, und schob Izzy dabei grob zur Seite. Sie seufzte schwer und blickte zum Himmel hinauf. Es wurde höchste Zeit für das Feuerwerk.

Endlich wurde der Rest der Getränke vor ihr abgestellt. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht genügend Hände hatte, um sie alle zu tragen. Mit Müh und Not schaffte sie es aber trotzdem, sich zwei braune Flaschen, zwei Naboo-Kühler, ein sprudelndes Rosenwasser und ihren Melonensaft zwischen Arme und Brust zu klemmen.

Während sie sich durch die Menge schob, versuchten Hände und andere Gliedmaßen, sie auf die Tanzfläche zu ziehen, sodass klebrige Flüssigkeit über ihre Finger schwappte. Schwebende Scheinwerfer tauchten sie in romantisches Licht, aber Izzy scheuchte sie energisch fort. Als sie kurz durch die Tür nach draußen blickte, sah sie, dass sich die Gäste auf der anderen Seite der Terrasse zusammendrängten. Vermutlich war dort eine Schlägerei ausgebrochen. Aber die erste Schlägerei in einer Cantina bedeutete nur, dass es noch früh am Abend war.

Izzy erreichte den Tisch und stellte die Getränke in der Mitte ab. Das Bier und das Rosenwasser hatten das Gedränge unbeschadet überstanden, die Naboo-Kühler leider nicht. Ana Tolla nahm eines der Gläser und hob es vor ihre Augen.

„Hast du unterwegs Durst bekommen, oder was?“, fragte sie mit ihrer kratzigen, tiefen Stimme.

Izzy starrte den Captain an. Ana Tolla war gerade fünf Jahre älter als sie, aber sie hatte ihr ganzes Leben schon Aufträge angenommen, die sonst niemand übernehmen wollte. Angeblich hatte sie einer cuyacanischen Prinzessin eine Diamantkette vom Hals gestohlen und die Ernte eines kleinen Farmers niedergebrannt, weil dieser sich weigerte, sein Land an ein Bauunternehmen zu verkaufen. Natürlich würde so eine Frau keine Dankbarkeit zeigen, nur weil man ihr ein Getränk brachte.

„Gern geschehen“, murmelte Izzy leise, dann nahm sie ihren Cocktail zwischen den anderen Gläsern heraus. Sie ignorierte das hartnäckige Prickeln auf ihrer Haut, das sie immer dann bekam, wenn irgendetwas nicht stimmte. Stattdessen ermunterte sie sich, den Abend zu genießen. Das Wetter war auf ihrer Seite, die Musik beschwingt und fröhlich.

„Auf einen erfolgreichen Flug“, sagte sie und erhob ihr Glas. Bislang hatten sie am Abend vor jedem neuen Auftrag zu diesem Spruch angestoßen. Aber heute zögerten die anderen.

Alle Augen richteten sich auf Damar, und er fuhr sich mit den Fingern durch sein kunstvoll hochgegeltes blaues Haar. Das waren die Dinge, auf die er größten Wert legte: seine perfekt sitzenden Hosen, seine perfekt polierten Stiefel – und seine perfekt frisierten Haare. Falls er diese Frisur mit zappeligen Fingern durcheinanderbrachte, dann bedeutete das, dass er nervös war. Er hatte ihr noch kein einziges Mal in die Augen gesehen, seit sie an den Tisch zurückgekehrt war. Das verstärkte ihr Gefühl noch – nein, die Gewissheit –, dass er ihr etwas vorenthielt. Dies war nicht der Abend, den er ihr versprochen hatte. Inzwischen wäre es ihr lieber gewesen, er hätte ihr überhaupt nichts versprochen.

Izzy hielt weiterhin ihr Glas mit dem überteuerten Melonensaft in die Höhe, auch wenn niemand mit ihr anstieß. Der kleine Cocktailschirm klebte noch am Rand des Glases, aber ein Teil der trüborangenen Flüssigkeit war während des Rückwegs auf ihre Bluse geschwappt. Die Bluse war verflucht teuer gewesen. In Izzys Leben gab es nicht viele Anlässe für weiche Stoffe und kunstvolle Stickmuster, aber dieser Abend hatte etwas Besonderes werden sollen. Ein Feuerwerk. Unvergesslich. Und so weiter.

„Was ist?“, fragte sie. Ihr Lächeln war so angespannt, dass ihre Wangenknochen davon wehtaten.

„Iz …“, begann Damar, dann schien er seine Worte zu verschlucken. Eine Strähne blauen Haars fiel vor seine grauen Augen. „Iz, es tut mir leid.“

Die anderen Mannschaftsmitglieder ringsum wandten den Blick ab. Alles in der zwielichtigen Cantina schien mit einem Mal eine unglaubliche Faszination auf sie auszuüben: die schwebenden Scheinwerfer; die Twi’lek-Barfrauen, die einander hinter der Bar Flaschen zuwarfen; der Inhalt ihrer Gläser.

„Was tut dir leid, Olin?“, rief Izzy gegen die Musik an. „Dass du mir heute kein Feuerwerk liefern kannst?“

Er sog den Atem ein und schürzte seine vollen Lippen, wie man es tat, bevor man zu einer Erklärung ansetzte. Nein, keine Erklärung. Eine Ausrede. Wie damals, als er all ihr Geld auf ein Rennen verwettet hatte; oder damals, als er eine Astromech-Einheit gekauft hatte, nur um festzustellen, dass sie vollkommen ausgeschlachtet war; oder damals, bei ihrem ersten richtigen Auftrag nach der Zerstörung von Hosnian, als er vergessen hatte, ihr Flugverzeichnis zu löschen und sie deswegen eingesperrt worden waren. Warum glaubte sie überhaupt noch an seine Versprechungen? Warum war sie nicht einfach gegangen, als er ihre Bedenken wegen Ana und den anderen mit einem Lachen abgetan hatte? Vielleicht, weil sein Versprechen diesmal ganz allein für sie bestimmt gewesen war.

„Ich verspreche es dir, Izzy“, das waren seine Worte gewesen, „alles wird besser. Ich habe etwas Besonderes geplant. Etwas Gewaltiges. Ein Feuerwerk. Bäng! Du wirst es lieben.“

Die Rassler spielten noch lauter, und der hektische Rhythmus des Basses kam fast an Izzys rasenden Herzschlag heran, während sie auf Damars Erklärung wartete.

Doch dann verwandelte sich die Musik in laute Schreie. Der Himmel leuchtete auf, aber anstelle eines Feuerwerks waren es rote Blasterstrahlen, die für Helligkeit sorgten.

Izzy griff nach ihrer Waffe und zielte. Eine Gruppe mit schwarzen Masken vor den Gesichtern stürmte auf die Terrasse. Wer ist verrückt genug, eine Cantina voller Schmuggler und Kopfgeldjäger auszurauben?

Die Antwort war simpel: Andere Kopfgeldjäger, die hier waren, um eine Prämie einzustreichen.

„Wir müssen verschwinden!“, rief Ana Tolla. Ihr langer roter Zopf peitschte durch die Luft, als sie eine Hand auf das Geländer der Terrasse stemmte und darüber hinwegflankte. Die anderen folgten ihrem Beispiel. Es war ein brillanter Fluchtweg, der direkt zu den Andockbuchten führte, wo ihre beiden Schiffe standen. Nachdem sich Damar über das Geländer katapultiert hatte, griff auch Izzy nach dem Metall. Sie wollte gerade springen, da riss jemand sie nach hinten.

Sie wirbelte herum, bereit zuzutreten. Erschrocken stellte sie fest, dass es die trandoshanische Kellnerin war. Sie wollte ebenfalls fliehen. Izzy blickte zu Damar hinab, aber er stand nur da und starrte verwirrt zu ihr hinauf. Einen Moment später packte einer der maskierten Kerle die Kellnerin am Nacken und zischte ihr etwas über eine Schuld zu, die sie zu begleichen habe. In dieser Galaxis ist wirklich jeder irgendjemandem etwas schuldig, dachte Izzy finster.

Die anderen Maskierten demolierten derweil die Cantina. Sie stießen Tische um und beförderten Gläser zu Boden. Einen kurzen Moment lang wollte Izzy bleiben und helfen, aber dann dachte sie an Damar. Wenn sie schon von ihm keine Unterstützung bekam, dann würden ihr auch die anderen nicht beistehen.

Ihr Blick huschte wieder zu ihm hinüber. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Ana Tolla stand ein paar Meter entfernt, noch immer mit seiner blauen Lederjacke über den Schultern – Izzy hatte sie ihm vor ein paar Monaten zu seinem Geburtstag geschenkt. Sie waren auf einem Markt auf Chandrila gewesen, und sie hatte dafür die Credits geopfert, die sie eigentlich gespart hatte, um die hinteren Kanonen der Meridian zu reparieren.

„Komm schon, Olin!“, rief Ana, dann rannte sie davon.

„Izzy“, sagte Damar. „Es tut mir leid. Der Job … Ana … Was ich sagen will, ist … Du kommst nicht mit. Bitte hass mich nicht.“

Sie blinzelte langsam. Es war, als würde die Bedeutung dieser Worte die Rotation des Planeten zum Stillstand bringen. Die Zeit schien stillzustehen. Sie konnte sich nicht bewegen. Dann wirbelte Damar herum und ließ sie in dem Handgemenge auf der Terrasse allein.

Jemand packte ihre Schulter und riss sie herum. „Zeig mir deine …“

Izzy hielt noch immer den Blaster in der Hand. Sie drückte ab, und die letzten Worte des Mannes starben gemeinsam mit ihm.

Der Rest der Bande hatte sich bereits mit ihrer Beute zurückgezogen. Die Band kroch zu ihren Instrumenten zurück. Die Bedienungen hoben die Gläser vom Boden auf. Putzdroiden rollten herbei, um die Scherben zu ordentlichen Haufen zusammenzufegen und die Leichen nach draußen zu ziehen. Es war kurz nach Mitternacht.

Izzy ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und atmete den Geruch von Rauch und verbranntem Fleisch ein. An Tod und Gewalt war sie gewöhnt, aber nun stellte sie fest, dass sie nicht daran gewöhnt war, ihr Herz gebrochen zu bekommen.

„He“, sagte eine leise Stimme.

„Nicht jetzt“, murmelte Izzy. Sie legte ihren Blaster auf den Tisch und leerte ihr Glas – wie es der Zufall wollte, war Ana Tollas Tisch einer der wenigen gewesen, die die Kopfgeldjäger nicht umgestoßen hatten. Der Melonensaft schmeckte schrecklich bitter. Bitte hass mich nicht.

Eine grüne Hand stellte ein volles Glas vor ihr ab. Der Inhalt war genauso hellgrün wie die Haut des Rodianers.

Sie runzelte die Stirn. „Was?“

„Izal Garsea?“

„Ein hübscher Name.“

Der Rodianer lachte, ein seltsam blubberndes Geräusch. „Ich weiß. Du bist nach deinen Großeltern benannt worden.“

Izzy nahm das Glas und versuchte, so zu tun, als wäre ihre Welt während der letzten Minuten nicht völlig auf den Kopf gestellt worden.

„Sagt wer?“, fragte sie.

„Sagt jemand, der Arbeit für dich hat. Falls du interessiert bist, versteht sich.“

Sie wollte ihm nicht zuhören. Sie wollte einfach nur ihr Glas nehmen und gehen. Aber wohin? Ihre vermeintliche Mannschaft hatte sie im Stich gelassen. Der Junge, mit dem sie zehn Monate lang umhergereist war, hatte sie sitzen lassen und ihr Geschenk einer anderen Frau gegeben. Izzy wunderte sich, warum die Sache mit der Jacke sie mehr ärgerte als alles andere. Aber bevor sie weiter in ihrem Zorn versinken konnte, nahm sie einen Schluck aus dem Glas. Das Getränk war süß und sprudelnd, und im Gegensatz zu dem Melonensaft musste sie davon nicht würgen. Also beschloss sie, dass sie das Glas ebenso gut austrinken und dem edlen Spender zuhören konnte. „Na schön. Woher kennst du meinen Namen?“

„Es gehört zu meinem Job, Dinge zu wissen“, antwortete der Rodianer. Glassplitter knirschten unter seinen Stiefeln, als er sich einen Stuhl heranzog. Der Rest der Band begann wieder zu spielen, und schon bald hatte sich die Tanzfläche erneut gefüllt. „Ach ja, und übrigens: Alles Gute zum Geburtstag!“