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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Silke Foos

Lektorat: Daniela Weise

Bildredaktion: Angela Kotow

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Isabell Rid

impressum ISBN 978-3-8338-7137-5

2. Auflage 2019

Bildnachweis

Coverabbildung: Björn Kommerell

Fotos: Ursula Karven

Syndication: www.seasons.agency

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Aktualisierung: 2019/003

Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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YOGATHERAPIE

Ein Video zur Schmerzbewältigung

Die Übungen dieses Videos wurden von Ursula Karven zusammen mit Spezialisten ursprünglich zur Schmerztherapie nach Bandscheiben-Operationen entwickelt. Sie sind aber ganz hervorragend auch zur Bewältigung von Angstgefühlen geeignet: denn Schmerz ist Angst und Angst ist Schmerz.

Alle Übungsanleitungen auch online

Trainiere jederzeit und überall mit deinem kostenlosen Online-Zugang.

So einfach funktioniert’s:

Geh auf https://www.gu.de/multimedia/ursulakarven

WIR FÜRCHTEN UNS VOR DEM EIGENEN LICHT

August 2015. Upstate New York. Dreharbeiten. Eine interessante Hauptrolle, das Team ist eingespielt. Die Hälfte der Dreharbeiten liegt gerade hinter uns. Alle Schauspielerkollegen sind freundschaftlich verbunden, bringen einander Respekt entgegen und stützen sich gegenseitig. Ein wunderbarer Regisseur – die Arbeit macht großen Spaß.

Bevor wir mehrere Szenen mit einem Pferd drehen, soll und möchte ich mich mit dem Pferd vertraut machen, das ich im Film nur für kurze Momente reiten werde. Ich muss nur anreiten und anhalten, den Rest übernimmt ein Stuntman.

Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass das Pferd, nachdem ich einige Male losgeritten bin und gestoppt habe, mit mir durchgeht. Ich habe Todesangst. Trotz der unfassbaren Geschwindigkeit erlebe ich alles wie in Zeitlupe: die Stimmen und die Menschen, die versuchen, das Pferd irgendwie zum Anhalten zu bringen. Ich höre alles verzerrt, wie durch einen langen Tunnel. Ich habe den Impuls, meine Füße aus den Steigbügeln zu nehmen. Doch ich komme nicht dazu. Ich ahne, dass mich das Pferd an den Steigbügeln hängend durch die Reithalle schleifen würde. Mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit werde ich abgeworfen, schneller, als ich es realisieren kann.

Schnitt.

Ich komme zu Bewusstsein, liege auf dem Boden der Reithalle und kann kaum mehr atmen. Meine gesamte linke Seite schmerzt unfassbar, ich muss mir die Rippen gebrochen haben, fürchte ich. Vielleicht auch noch meine Hüfte. Mein Hals ist merkwürdig steif auf der rechten Seite.

Schnitt.

Im Krankenhaus. Notaufnahme. Da ich die Hauptrolle im Film spiele, mache ich mir Gedanken, wie ich am nächsten Morgen trotz dieser unerträglichen Schmerzen weiterdrehen kann, wie ich meinen Text ins Krankenhaus geliefert bekomme und die Wartezeit nutzen könnte, um ihn auswendig zu lernen. Nach Stunden Wartezeit taucht endlich der behandelnde Notarzt mit dem Ergebnis der CT-Untersuchung auf.

»Ich habe gute und schlechte Nachrichten«, sagt er. »Die gute ist, dass Sie hier sitzen und mit mir sprechen, die schlechte ist, dass Ihr Genick gebrochen ist.«

Schnitt.

Intensivstation. Luftbett. Ich bin festgeschnallt und hänge am Katheter. Überall Schläuche.

»Kann ich kurz aufstehen?«, hauche ich der Krankenschwester zu.

»Sie haben Bewegungsverbot!«, zischt sie empört. »Sind Sie verrückt? Ich habe hier Christopher Reeve gepflegt. Der hatte dieselbe Verletzung wie Sie. Bei ihm war der Wirbel eben nur quer und nicht längs gebrochen.« Christopher Reeve, denke ich, der Superman-Darsteller, der nach seinem Reitunfall Mitte der 90er Jahre im Rollstuhl gesessen hatte. Den Rest seines Lebens hatte er eine mobile Beatmungshilfe getragen und um sein Leben gekämpft, bevor er 2004 verstarb. Und nun habe ich mir denselben Halswirbel wie er gebrochen?

Schnitt.

Drei Uhr morgens. Ein Neurologie-Spezialist kommt zu mir. »Sie haben ein wahnsinniges Glück gehabt, dass der Knochen nicht aufgesplittert ist. Wir können keine kleinen Partikel um den Bruch herum erkennen. Die hätten sofort einen Hirnschlag verursacht. Sie haben einen glatten Bruch des zweiten Halswirbels, es wird sich, so wie es jetzt scheint, alles wieder verknöchern, und alles wird mit größter Wahrscheinlichkeit wieder so wie vorher.«

Schließlich sagt er: »Don’t ask why. Just say thank you.« Was für ein Satz! Ich soll mich nicht fragen, warum mir so etwas passiert ist – ich soll einfach nur dankbar sein.

Schnitt.

Etwa fünf Monate später sagt mir mein behandelnder Arzt an der Charité, dass ich die bislang Tag und Nacht durchgetragene harte Halskrause zeitweise entfernen darf, damit sich die Halsmuskulatur langsam wieder aufbauen kann. Freundlich fügt er hinzu: »Am besten nicht schubsen lassen!«

Schnitt.

Von da an war mein Leben noch komplizierter als vorher. Ich war diszipliniert und hatte alles getan, was in meiner Macht stand, um meine Gesundung nicht zu gefährden. Ich hob nie etwas und ich duschte und schlief mit Halskrause. Mein Bad richtete ich behindertengerecht ein und meinen geliebten Hund gab ich in Pflege. Und nun sollte ich mich ohne die schützende Krause bewegen und mich möglichst »nicht schubsen lassen«?

Ab da versuchte ich, jede Erschütterung meines Körpers im Vorfeld auszuschließen. Ich konnte nicht zulassen und ertragen, dass jemand hinter mir ging. Autofahren kam nicht mehr infrage. Fliegen auch nicht. Nachts wachte ich mit dem Gefühl auf, ins unendlich Bodenlose zu fallen. Es gab dann keine Kontrolle, nur völlige Verzweiflung. Es wurde so schlimm, dass ich überhaupt nicht mehr schlafen konnte und mein ganzer Körper nur noch brannte.

Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren. Yoga durfte ich nicht praktizieren, weil mein Körper zu schwach war. Es funktionierte nichts mehr in meinem Leben. Alles entglitt mir. Meine Freude, mein Lachen, mein Glück. Ich verließ das Haus kaum noch und wollte niemanden mehr treffen. Bei geschäftlichen Meetings, zu denen ich mich zwingen musste, fühlte ich mich wie in Watte gepackt, wie in einer anderen Welt. Ich konnte kaum verstehen, was die Anwesenden sagten, und war komplett dissoziiert. Tiefer und tiefer drehte ich mich in die Angstspirale hinein.

Ich wusste, dass ich es so allein nicht mehr schaffen konnte, und suchte mir therapeutische Hilfe. Eine posttraumatische Belastungsstörung wurde festgestellt. Im Lauf meiner Therapie erarbeitete ich mir viele Antworten auf viele Fragen. Weil ich eine zweite Chance, sozusagen ein neues Leben, bekommen hatte, wollte ich unbedingt mehr über meine versteckten Ängste wissen. Ich wollte das mir zurückgeschenkte Leben so leben, dass die Angst nicht mehr so viel Raum darin einnahm. Wollte mich nicht mehr von ihr bestimmen und manipulieren lassen. Ich wollte ein Leben ohne faule Kompromisse.

Viele Kompromisse, die ich bis dato eingegangen war, fielen mir überhaupt erst jetzt auf. Sie stellten sich mir in einem neuen Licht dar. Ich merkte, dass meine langjährige Liebesbeziehung nicht mehr erfüllt war. Sie basierte zu großen Teilen auf Angst. Aufgrund der Dankbarkeit, die ich empfand, weil mein Genickbruch so glimpflich ausgegangen war, konnte ich auf einmal aus einer unfassbaren Kraft und Entschlossenheit Entscheidungen treffen. Ich trennte mich von dem Mann, mit dem ich acht Jahre meines Lebens verbracht hatte. Auch beruflich wollte ich nur noch Schritte machen, die mich innerlich erfüllten.

Wahrscheinlich ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass ein Genickbruch dazu führt, dass man über Kompromisse im Leben nachdenkt. Wer einen schweren Unfall erlebt hat, weiß, mit welcher Wucht einen die Angst ergreifen und das ganze Leben auf den Kopf stellen kann. Am Thema Angst hängen wiederum sehr viele andere Themen, und so führen von meinem Unfall viele Linien zu allen möglichen Momenten in meinem Leben, in denen ich Angst hatte – bis in mein tiefstes Inneres. Viele Kompromisse sind genau solche Angstbaustellen.

Die Angst blickte mich in der Zeit, in der ich mich ihr stellte, direkt aus dem Spiegel heraus an. Und ich tat das, was ich jedem raten kann – ich trat ein Stück vom Spiegel zurück, um das ganze Bild meines Lebens zu erkennen. Ich fragte mich: Wie findet man überhaupt heraus, was einen alles ängstigt und zu faulen Kompromissen führt? Welcher Schatten in uns macht uns so kompromissbereit, dass wir nicht mehr glücklich sein können? Dass wir uns nicht einmal trauen, das Licht darauf zu richten?

Weil ich, wie gesagt, nicht sofort mit dem Yoga anfangen durfte, widmete ich mich dem Schreiben. Es half mir sehr, alles zu notieren, wovor ich Angst hatte.

Die Liste wurde länger und länger …

Ich hatte Angst, allein zu sein, keinen anderen, geschweige denn passenderen Mann an meiner Seite zu finden, allein alt zu werden, beruflich außer Tritt und damit finanziell in eine existenzielle Schieflage zu geraten. Ich hatte Angst um meine Kinder, um meine Familie und um meine Freunde. Ich hatte Angst, nicht mehr erfolgreich zu sein, wenn ich Kompromisse einging. Als ich diese ganzen Ängste aufgeschrieben hatte, stellte mir meine Therapeutin am Ende die Frage: Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?

Ganz ehrlich, ich hätte fast alles anders gemacht. Die ganze lange Liste war ein Beweis dafür, wie viele Kompromisse ich aus Angst in meinem Leben eingegangen war. Ich war angstbestimmt!

Die Beschäftigung mit dem Thema Angst zog also weite Kreise in meinem Leben und in meinen Entscheidungen. Mit meiner neu gewonnenen Erkenntnis konnte ich nun versuchen, zaghaft neue Wege zu beleuchten.

Und genau dieses Beleuchten hat mich letztlich Jahre später daran gehindert, das Buch zu schreiben, das sich der Verlag von mir ursprünglich gewünscht hat: ein Buch über die innere Strahlkraft und wie man mit ihr andere Menschen in seinen Bann ziehen kann. Doch je mehr ich mich damit beschäftigte, was uns glücklich macht oder was uns glücklich scheinen lässt, desto öfter stellte ich mir die Frage, was uns dabei stört, glücklich und zufrieden zu sein, was uns im Innersten daran hindert, die gewünschte Strahlkraft zu erlangen.

Man kann eigentlich überhaupt erst über Glück sprechen, wenn man sich damit beschäftigt, was unser Glück verhindert und kaputt macht. Und da war sie wieder: die Angst. Sie ist der große Blockierer in unserem Leben, sie ist der große Verhinderer, der uns häufig unbewusst und unmerklich niederdrückt, uns scheinbar grundlos Brust und Kehle zusammenschnürt und dafür sorgt, dass wir, anstatt energiegeladen und strahlend in die Welt zu sehen, unseren Blick scheu und distanziert über die Dinge und Menschen schweifen lassen. Wir sind nicht bei uns, wenn wir Angst haben. Wir sind nicht wir selbst, wenn unser Glück in einer Angstblockade feststeckt.

Gewissermaßen ist dieses Buch dann doch ein Buch über Strahlkraft geworden. Doch der Weg zur Strahlkraft, zum Glück, zum Losgelöstsein ist ein ganz anderer, als der Verlag am Anfang angenommen hatte. Wir müssen uns dem stellen, was uns erzittern lässt. Wir müssen, wenn die Angst anklopft oder ihre Schlingen um uns zieht, innehalten und dem ungebetenen Besucher ins Gesicht sehen: Dann haben wir die Chance zu verstehen, was mit uns passiert.

Erst dann spüren wir die Freiheit von unseren inneren Dämonen. Erst dann können wir wieder strahlen und leuchten. Erst dann können wir mit den schönen Worten von Marianne Williamson, der US-amerikanischen Bestseller-Autorin, sagen: »Nur das Licht in uns ist wirklich. Wir fürchten weniger die Dunkelheit in uns, wir fürchten uns mehr vor dem Licht in uns. Die Dunkelheit ist uns vertraut. Sie kennen wir.«1 Williamson findet, dass wir uns selbst klein machen, indem wir unser Leben von Angst beherrschen lassen. Aus Angst, an die eigene Großartigkeit zu glauben, richten wir unser Leben in der Überzeugung ein, dass wir für viele Dinge nicht gut genug sind. Die Angst vor der eigenen Größe überwiegt sogar die Angst vor unserer Unzulänglichkeit. »Das Licht, der Gedanke, dass wir tatsächlich gut genug sein könnten, stellt eine derartige Bedrohung dar, dass es seine stärksten Kanonen ausfährt, um sich dagegen zu verteidigen.«2 Diese Angst, die uns den Weg zu unserem wundervollen Selbst versperrt, sollten wir loslassen, wenn wir unser eigenes Leben leben wollen.

Es gibt also Ängste, die uns daran hindern zu strahlen. Ängste, von denen wir Schweißausbrüche und Herzrasen bekommen. Die zu endlosen Gedankenschleifen führen. Die uns den Atem rauben.

Je älter und somit wohl erwachsener ich werde, desto besser kann ich gute Ängste von schlechten Ängsten unterscheiden. Bei unseren Vorfahren lösten Instinkte Angst aus, damit sie sich schnell in Sicherheit bringen konnten, wenn der Himmel donnerte und die Erde bebte. Heute, dem natürlichen Lebensraum entrissen, haben wir hypermodernen Menschen mit anderen Bedrohungssituationen zu tun. Es gibt zwar noch die alten Instinkte, aber jetzt spielen Ängste eine ganz andere Rolle.

Nicht immer beziehen sich unsere Ängste auf etwas Konkretes. Man könnte sagen, dass sie viel komplizierter geworden sind. Wir merken und verstehen es oft nicht einmal, wenn (oder weshalb) wir Angst haben. Die Experten zu diesen Themen bieten uns unzählige Möglichkeiten, Angst und deren Symptome zu deuten – und irgendwie ist das alles so weit weg, theoretisch und unerreichbar. Es meint uns, aber es scheint irgendwie nicht wirklich zu uns zu passen.

Trotzdem versuchen wir, uns die Angst wissenschaftlich zu erklären. Und kaum haben wir etwas intellektuell durchschaut, fühlen wir uns ganz kurz beruhigt, um kurz darauf wieder vom gleichen Problem heimgesucht zu werden. Die Angstgefühle bleiben, ob der Verstand sie nun durchschaut hat oder nicht.

Es gibt eben verschiedene Arten des Verstehens. Nüchternes Verstehen halte ich nicht für nachhaltig. Es gibt auch ein ganz anderes, sehr viel effektiveres Verstehen – und damit sind wir beim Yoga angekommen.

Yoga spielt in meinem Leben eine große Rolle. Eigentlich habe ich aufgrund von körperlichen Beschwerden zum Yoga gefunden. Interessanterweise wurde es mir von einem Arzt verschrieben. Meine Wirbelsäule ist genetisch durch eine Skoliose total verschoben und ich hatte schon als Teenager fürchterliche Rückenschmerzen.

Yoga war also zuerst als Kräftigung meines Muskelapparats gedacht, doch es wandelte sich nach vier Wochen Yogapraxis – ich konnte nach langer Zeit endlich wieder schmerzfrei gerade stehen – in ein tiefes Gefühl von Erkenntnis. Ich konnte nicht wirklich begreifen, was mit mir in einer Yogastunde geschah, außer dass ich ein großes Gefühl von unerklärlichem Frieden in mir spürte. Es war, als hätte ich einen Stecker in ein Universum gesteckt, von dem ich nicht einmal wusste, dass es tatsächlich existiert und so leicht zu finden ist – nämlich in uns selbst! Seitdem hat mir Yoga, ohne zu übertreiben, mehrfach das Leben gerettet, sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass mich der Notarzt nach meinem Pferdesturz gefragt hat: »What kind of sports do you do?«

»Yoga«, antwortete ich.

»Well, Yoga saved your life.«

Ich habe sofort verstanden, was er meinte, denn obwohl ich äußerlich sehr zerbrechlich wirke, habe ich ein starkes Muskelkorsett, das mich davor bewahrt hat, dass sich mein Kopf während meines Sturzes vom rasenden Pferd – und Zeugen haben mir erzählt, dass ich wirklich zuerst direkt mit meinem Kopf auf die Erde gestürzt bin – zweimal um sich selbst gewickelt hat. Ich bin körperlich entgegen meiner genetischen Disposition sehr stark geworden.

Yoga ist Übung. Eine Übung macht nur Sinn, wenn sie wiederholt wird. Wer Yoga praktiziert, weiß, wie flüchtig Momente der Steigerung sein können, weiß, wie wichtig Wiederholungen sind. Ein Yogi weiß, dass Erkenntnis kein kurzer Geistesblitz ist, der das Blatt mal eben für immer wendet. Er weiß, dass nachhaltige Erkenntnis ein langer Prozess ist, bei dem es auf Disziplin ankommt. Wer Yoga praktiziert, über sich und die Welt nachdenkt und seine Ängste und Reaktionen erkennt, der hat eine gute Chance, die Ängste in den Griff zu bekommen und sich mit ihnen am Ende vielleicht anzufreunden.

Yogaübungen helfen uns, im Hier und Jetzt anzukommen. Dieses Heimischwerden in der Gegenwart nehme ich als Yogapraktizierende mit nach Hause, mit zur Arbeit, mit in meine Beziehungen. Deshalb ist Yoga sehr viel mehr als ein neumodisches Entspannungs- oder Freizeitprogramm. Was wir in dieser Kunst der Gegenwärtigkeit lernen, das transformiert unsere innere Haltung. Wir müssen nicht zwingend auf einer Yogamatte stehen, um Yoga zu praktizieren. Zwar beginnen wir mit den Übungen auf der Matte, doch mit dieser Erfahrung werden wir auch in den alltäglichsten Situationen gegenwärtig sein und den Worten unseres Gegenübers immer unabgelenkter lauschen können, nach einer Weile Praxis sogar ohne heimlich unsere innere To-do-Liste zu checken. Auch das ist Yoga. Wir nennen es auch Achtsamkeit. Gut trainiert darin, ganz im Augenblick anzukommen, werden wir spüren, wie der Griff der Angst allmählich lockerer wird.

Wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, nebenbei die Wissenschaft zur Ergründung zu Hilfe holen, ist das gut, auch ich mache es nicht anders, wenn ich mich über Psychologie und Neurologie informiere. Auf die neuesten Erkenntnisse in der Hirnforschung habe ich mich in letzter Zeit ganz neugierig gestürzt. Aber damit sich solche Erkenntnisse nachhaltig festsetzen können, machen wir Achtsamkeitsübungen.

Wie oft ist es mir schon so gegangen: Ich lese ein Buch, klappe es zu und fühle mich imstande, einen kleinen Vortrag darüber zu halten, was Angst ist. Und was ändert sich? Nichts. Leider.

Die Angst muss innerlich losgelassen werden. Doch selbst der Wille hierzu reicht oft nicht aus. Man kann aber das Loslassen selbst trainieren, als wäre es ein Muskel. Ich kenne keine effektivere Kunst des Loslassens als Yoga. Deswegen bin ich mir sicher, dass einer der besten Ratgeber zum Thema Angst nur ein Buch sein kann, welches das Atmen zur Grundlage der Bewältigung von Angst macht.

Es gibt Ängste, die jeder von uns kennt, etwa die Angst, Fehler zu machen, nicht akzeptiert zu werden oder nicht die richtige Entscheidung zu treffen. Wir sind in Sorge um das Wohlergehen von Familie und Freunden. Wir fürchten uns vor Prüfungen, vor dem Älterwerden, vor dem Alleinsein, vor dem beruflichen und sozialen Abstieg und vor den Dingen, die wir nicht beeinflussen können.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Auch ich habe solche Ängste, das habe ich schon gesagt. Doch ich reagiere mittlerweile anders auf sie, weil ich nicht mehr zulasse, dass sie mich beherrschen. Manchmal gelingt es mir sogar, aus der Beschäftigung mit der Angst gestärkt hervorzugehen. Das fühlt sich dann an, als hätte ich eine Schlacht mit mir selbst gewonnen. Das Leben zwingt uns merkwürdigerweise manchmal dazu, durch einen langen Tunnel voller Verlustempfindungen und Trauer zu gehen. Auch wenn es am Anfang nicht so aussieht: Oft sind es die Lernphasen, die zur Helligkeit führen.

Der Weg zur Helligkeit kann das reinste Scheißchaos sein! Will man Wut und Verzweiflung in positive Energie umwandeln, so ist das harte, harte Arbeit. Auch ich muss wieder und immer wieder meine Hausaufgaben gründlich machen.

Über die hilfreiche Kraft der Gegenwärtigkeit habe ich Ihnen bereits einiges gesagt, über das Ankommen im Jetzt. Wenn Sie sich mit Yoga und Meditation schon mal beschäftigt haben, werden Sie wissen, dass es vor allem die bewusste Atmung ist, die hilft, uns zu erden und in der Gegenwart anzukommen, dem Teufelskreis des sorgenvollen täglichen Gehirnschlamassels, dem Mindfuck, zu entkommen. Yoga hat mir das Atmen überhaupt erst beigebracht.

Wir halten das Atmen für selbstverständlich. Das ist es aber nur insofern, als wir mithilfe der automatisch ablaufenden Atmung gut funktionieren können. Doch bewusstes Atmen ist sehr viel mehr als das. Es ist ein komplexes Feld, über das man sich austauschen kann und muss.

Bevor ich gleich die heilende Kraft des Yoga ausführlich erkläre, wünsche ich mir, dass Sie jetzt den Link zu den Übungsanleitungen öffnen, der am Anfang dieses Buches steht und am besten gleich mit dem Üben anfangen. Die Übungen, die Sie dort finden, lassen sich perfekt in den Alltag integrieren – für jedes Zeitkontingent. Sie können sich das für Sie passende Trainingsprogramm aussuchen, größer oder kleiner, ganz wie Sie möchten. Wichtig ist nur, dass Sie Tag für Tag etwas Zeit dafür erübrigen, diszipliniert sind und dranbleiben. Yoga macht etwas mit einem. Wenn Sie üben.

Diese Übungen habe ich selbst entwickelt – zusammen mit führenden Experten auf dem Gebiet der Physiotherapie, Yogatherapie und Schulmedizin. Sie können mit diesen Übungen die Beweglichkeit verbessern, Schmerzen lindern, Beschwerden vorbeugen und Ihr inneres Gleichgewicht wiederherstellen. Das Training ist ebenso sanft wie hochwirksam. Gehen Sie auf die Matte. Fangen Sie einfach an. Jetzt.

Wenn Sie sich regelmäßig Zeit fürs Üben nehmen, werden Sie schon bald merken, wie sich durch das konzentrierte Atmen Verkrampfungen lockern und Blockaden lösen. Sie lernen, Blockaden bewusst wahrzunehmen, statt in sie hineinzudrücken oder sie zu ignorieren. Sie verweilen bei Ihren Blockaden, ohne sie zu bekämpfen oder zu bewerten. Gerade durch das Gegenteil dessen, was Sie normalerweise beim täglichen Umgang mit Ihren Blockaden oder auch Ängsten tun – nämlich, einen inneren Alarm auszulösen, sich zu verspannen und das Unangenehme zu verdrängen –, verschwinden sie, unsere inneren Plagegeister. Oder sie werden leiser. Dann atmen Sie endlich durch. Aber: Damit Körper und Geist das auch verinnerlichen, brauchen sie Wiederholung. Sie brauchen Übung und Disziplin. Ich bin ein großer Fan von Disziplin, auch wenn das Wort oft negativ besetzt ist. Denn sie hilft uns, Prioritäten zu setzen. Und letztlich führt uns das in die Freiheit.