cover
Marcel Hill, Azrael ap Cwanderay

13 Gifts of Lady Santa





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Intro

 

 

 

 

 

 

 

 

13

GIFTS

of

LADY SANTA

 

 

 

Herausgegeben von

 

Marcel Hill

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vollständige Ausgabe 2019

Copyright:

© HAMMER BOOX, Bad Krozingen

(Fehler sind natürlich - wie immer - beabsichtigt und dürfen ohne Aufpreis behalten werden :-)

 

Lektorat: Hammer Boox

Korrektorat:

Doris E. M. Bulenda & Susi Swazyena

Cover: Azrael ap Cwanderay

Satz und Layout: HAMMER BOOX

 

 

 

EINE BITTE:

 

Wie ihr vielleicht wisst, ist HAMMER BOOKS noch ein sehr junger Verlag.

Nicht nur deshalb freuen wir uns alle, wenn ihr uns wissen lasst, was ihr von diesem Roman haltet.

Schreibt eine Rezension, redet darüber, fragt uns, wenn ihr etwas wissen wollt...

 

DANKE!

 

 

Vorwort (Marcel Hill)

 

Wieder einmal nähert sich ein Jahr dem Ende, man hat gute und schlechte Erfahrungen gesammelt. Neues ist entstanden, Altes wurde fallen gelassen. 

Und manchmal gibt einem das Leben nicht nur Zitronen, sondern kackt einem einen dicken Haufen direkt vor die Füße.

Da stellt sich die Frage: Wie damit umgehen?

Es gibt viele Möglichkeiten, aber die Erfahrung lehrt, die einzig funktionierende Art und Weise, mit Rückschlägen, nicht eingehaltenen Absprachen u. ä. umzugehen, besteht darin, das innere Rumpelstilzchen zu aktivieren:

 

Das Leben scheißt dich an?

Mach Gold daraus!

 

Solch einer Erfahrung habt ihr das Buch, das ihr gerade in Händen haltet, zu verdanken.

 

Mein Dank gilt allen Autoren und auch Markus Kastenholz, der sich genauso spontan wie engagiert für 13 Gifts of Lady Santa eingesetzt hat.

 

Die hier versammelten Geschichten beginnen allesamt mit der scheinbar idyllischen Festtagsstimmung,  entwickeln sich dann jedoch in amüsante, bitterböse oder grauenhafte - für den Leser, hoffentlich, stets unterhaltsame – Richtungen.

Wie beim Glanzpapier manchen Geschenks, sollte man jedoch immer darauf gefasst sein, etwas zu finden, das man eventuell gar erwartet hat.  

 

Und nun schnappt euch einen Glühwein, eine Handvoll Lebkuchen und lasst euch von Lady Santa reich beschenken!

 

Marcel Hill

Inhaltsverzeichnis

 

INHALT:

 

Ralf Kor

peccatum mortiferum

 

Nici Hope

Der Kranz

 

Cassandra Schwartz

Die Legende von Poppy Popwinkle

 

Azrael ap Cwanderay

Alter Sack

 

Doris E. M. Bulenda

Der Truthahn und die Suppe

 

Alida Gersonde

Jingle Balls

 

Thomas Tippner

Der Welten Lohn

 

David Heine

Nur der Schneemann war Zeuge

 

Jean Rises

Satan Klaus – Ein Weihnachtsgedicht

 

Rachel Raven

Im Namen des Volkes

Angeklagt: der Weihnachtsmann

 

Nici Hope

BlockhÜTTE

 

Markus Kastenholz

S – O – S

 

Marcel Hill

Dreizehn und Eine

 

 

 

 

 

 

 

Marcel Hill

hat eine Handvoll der schrägsten

Autoren versammelt, die für siffiges Lametta und vergammelten Christstollen zu bekommen waren, um gemeinsam herauszufinden,

was Lady Santa,

die uneheliche Tochter des Weihnachtsmannes,

in ihrem Sack verbirgt...

peccatum mortiferum - Ralf Kor

 

peccatum mortiferum

 

Ralf Kor

 

Anna rückte die goldene Spitze ein wenig zurecht, bis sie der Meinung war, dass sie gerade nach oben zeigte. Eine alte Langspielplatte lief knisternd über den Teller und spielte »Stille Nacht.« Mit einem zufriedenen Grinsen betrachtete sie den geschmückten Tannenbaum.

So ist er perfekt.

Rot passte besser. Die dunkelgrüne Tanne und der tiefrote Baumschmuck, bestehend aus mattglänzenden Kugeln und schimmerndem Lametta, bildeten die ideale Farbkombination für Weihnachten. Das sagte sie schon immer.

Sarah, ihre jüngere Schwester, wünschte sich seit frühester Kindheit weiße Kugeln. Ihre Eltern hatten es ihr erlaubt. Ebenso wie im folgenden Jahr und dem darauf.

Anna erlag dem Glauben, in ihrem eigenen Heim würde sie den Baum nach ihren Wünschen dekorieren dürfen, doch da hatte sie sich getäuscht. Bernd, ihr Mann, sagte immer:

»Deine Schwester ist zu Gast und wünscht sich weißen Schmuck. Du kannst doch nächstes Jahr dekorieren, wie es dir beliebt, aber dieses Jahr schmückst du ihn weiß. Deiner Schwester zuliebe.«

Also wurde der Baum weiß dekoriert. Ebenso wie im folgenden Jahr und dem darauf.

Weiß, jetzt mal ehrlich, das ist doch total kitschig. Steril und kalt. Interessanterweise trafen diese Charakteristika auch auf ihre Schwester zu. Ein Narr, der darin einen Zufall sah …

Heute Nachmittag, als ihre Familie eintraf, fing es genauso an, wie in jedem Jahr:

»Mir wäre das alles ja viel zu dunkel, geradezu erdrückend«, erklärte Sarah und stöckelte mit erhobener Nase an ihr vorbei ins Haus. Ihre Bluse trug sie eine Konfektionsgröße zu klein, doch das hatte Methode. Seit ihrer Operation rieb sie jedem ihre neu gemachten Titten unter die Nase. Und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Anna stieg die Trittleiter herunter, da fuhr der Schmerz durch ihren Körper, wie ein Blitzschlag. Mit jedem Jahr verschlimmerten sich ihre Hüftprobleme!

»Du siehst gut aus, Schätzchen«, säuselte ihre Mutter, als sie heute Nachmittag eintraf. Höflichkeit oder Wahrnehmungsstörungen? Anna wusste es nicht mit Gewissheit zu sagen. Überschwänglich drückte ihre Mutter sie an den aufgedunsenen Körper. Sie hatte zugelegt und roch schlecht. Den Gestank von Nagelpolitur hätte man noch als Parfüm abtun können, aber Anna wusste es besser. Das »Parfüm« ihrer Mutter schüttete man sich nicht auf den Körper.

»Kein Wunder, dass ihr kein Land seht, so wie du immer auffährst«, verlautete indes ihr Vater und quetschte sich an der Mutter vorbei in den Flur. »Ich wäre heute nicht dort, wo ich bin, wenn ich so ausschweifend leben würde wie du.«

Geizig wie immer, dachte sie. Zumindest wenn es um sie ging.

Nachdenklich betrachtete Anna die Strohsterne, die sie mit ihren beiden Sprösslingen gebastelt hatte, als diese noch klein und pausbäckig gewesen waren.

»Kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen«, pflegte ihre Mutter in ihren klaren Momenten zu sagen, wenn Anna zur Schmerztherapie und Trauma-Behandlung musste. Außerdem sagte sie: »Aus einem Kevin kann ja nichts werden, wieso musstet ihr ihn auch so nennen?«

Der Name war auf Bernds Mist gewachsen. Aber wer konnte schon damit rechnen, dass ein technikaffiner Junge zu einem videospielsüchtigen, fetten Schulabbrecher mutieren würde?

Ihre Tochter stand ihrem älteren Bruder in nichts nach und lag ihr mit Dingen wie »Bei Tante Sarah sehen die total geil aus!« oder »Ohne größere Titten kann ich mit den anderen nicht mithalten!« in den Ohren. Immer wollte sie, was andere besaßen.

Dass Anna ihrer 16jährigen Tochter keine Brust-OP erlauben konnte, verstand sie nicht.

Anna zupfte einige Strohsterne von den Zweigen und arrangierte sie so, dass sie ein gleichmäßiges Bild ergaben. Heute Abend musste alles perfekt sein, denn es war allein ihr Fest.

Die Weihnachtsmusik brach ab und Anna wendete die Platte. Die Nadel wog über die Rillen und gab »Ihr Kinderlein kommet« wieder.

Mit verträumtem Blick widmete sie sich ihrer Familie, die seelenruhig auf ihren Stühlen schlief. Was eine Rolle Panzerband und ein ärztlich verschriebenes Sedativum doch bewirken konnten …

Mit Stolz betrachtete Anna die leergegessenen Teller auf dem Esstisch. Sie hatte sich besondere Mühe gegeben, um allen ein prächtiges Festtagsmahl zu bieten. Die zwei übrigen Scheiben des saftigen Bratens zeugten davon, dass es allen geschmeckt hatte. Anna lief bei diesem Anblick das sprichwörtliche Wasser im Mund zusammen, doch sie begnügte sich mit Kartoffelpüree und Gemüse. Ein Schläfchen würde sie sich nach der Bescherung gönnen.

Ihre Tochter war die erste, die blinzelnd aufwachte und an dem Panzerband um ihre Handgelenke rüttelte. Sie aß sowieso zu wenig, um so schlank wie die Models in den unzähligen TV-Shows zu sein, und hatte deshalb nicht so viel von dem Schlafmittel zu sich genommen wie die anderen.

»Mama, was soll das? Warum … bin ich gefesselt?«

»Keine Panik, Liebes.« Anna streichelte ihr über die Wange. »Du bist hier, um eine Lektion zu lernen. Pass gut auf.« Gerade als Anna ihr einen Kuss auf die Stirn geben wollte, stöhnte jemand. Ihre Mutter.

Anna hatte erwartet, dass sie als eine der Letzten aufwachen würde. Generell bildete Alkohol in Verbindung mit Sedativum eine brisante Mischung. Ihr frühes Erwachen spielte Anna jedoch in die Karten. Sie eilte zum Weihnachtsbaum und zog ein schmales Geschenk darunter hervor. Klimpernd trug sie es zum Tisch, an dem ihre Mutter derweil um Besinnung rang. Anna humpelte. Sie hatte sich übernommen, was sich durch Hüftschmerzen bemerkbar machte. Mit einem verkrampften Grinsen schluckte Anna die Schmerzen hinunter.

»Ich hätte es auspolstern sollen. Sicher errätst du, was du bekommst«, trällerte Anna und stellte ihrer Mutter das Paket vor die Nase. Erst jetzt realisierte diese, in welcher Lage sie sich befand und rüttelte an ihren Fesseln. Im Gegensatz zu ihrer Enkelin hinderte ein Streifen Klebeband sie am Sprechen.

Anna schnappte sich das lange, scharfe Tranchiermesser und putzte das Bratenfett an einer Serviette ab. Mit der Spitze der Klinge malte sie Formen in die Luft vor dem Gesicht ihrer Mutter, die unter dem Klebeband um Gnade flehte.

»Keine Sorge, das brauche ich nicht für dich.« Anna ritzte das Geschenkpapier ein und riss es auf. Zum Vorschein kamen sechs Flaschen mit einer klaren Flüssigkeit darin.

Plötzlich rührte sich eine weitere Person am Tisch. Annas Schwester. Warum wunderte sie das nicht? Kaum stand sie nicht mehr im Mittelpunkt, da setzte sie sich wieder in Szene.

Mit der Klinge deutete Anna auf sie. »Du bekommst deinen Auftritt früh genug, Schwesterchen. Ich kümmere mich zuerst um Mama, dann bin ich bei dir.«

Mit einem reißenden Geräusch zog Anna ihrer Mutter das Klebeband vom Mund und schraubte eine der Flaschen auf. Sie wehrte sich kaum, als Anna ihr die Öffnung an die Lippen presste. Das Mittel und der Alkohol benebelten sie.

»Keine Sorge«, erklärte sie im beruhigenden Tonfall. »Ich habe dir dein Lieblingsgetränk geschenkt. Wodka. Man riecht es nicht, und in der Wirkung ist es ausgesprochen effizient.«

Ihre Mutter schluckte den klaren Schnaps, bis sie prustend den Kopf wegdrehte. Anna rümpfte die Nase, als sich die Flasche gluckernd über ihrer Mutter entleerte und sie selbst einige Tropfen davon abbekam. Sie verabscheute Alkohol.

»Eine halbe Flasche?«, staunte Anna und schwenkte den restlichen Inhalt. »Fürs Erste reicht das. Aber keine Sorge, du bekommst später nachgeschenkt. Meinen Gästen soll es an nichts mangeln.«

Anna bemerkte, dass ihr Vater sie aus großen Augen anstarrte. Mit hochrotem Kopf hing er zitternd in seinem Stuhl.

»Wer ist denn da still und heimlich aufgewacht? Du sparst sonst an allem, nur nicht an Worten. Warte, ich bringe dir dein Geschenk. Du darfst es zwar noch nicht öffnen, aber die Spannung ist doch stets die halbe Freude, oder?«

Anna eilte zum Weihnachtsbaum und zog ein quadratisches Paket unter den Tannen hervor. Nach mehreren Versuchen stemmte sie es hoch. Es wog schwer und rasselte.

»Es dürfte eine wahre Bereicherung für dich sein, Papa«, flüsterte sie ihm ins Ohr und schlenderte zu ihrem Mann, der sich bewusstlos auf den Bauch sabberte.

Anna beugte sich zu ihm und schüttelte empört den Kopf. »So geht das aber nicht. Verschläft die ganze Bescherung. Was sagt man dazu, Schwesterherz? Ich wette, bei dir ist ihm das nie passiert.«

Sarah jammerte unter dem Streifen auf ihrem Mund. Tränen verschmierten die Schminke, die sie wie ein Clown erscheinen ließ.

»Du hast wie immer recht, wir sollten ihn aufwecken.« Mit der flachen Hand klatschte sie mehrmals auf seine Wange, doch Bernd blieb bewusstlos. Sie hob das scharfe Messer und zog es an seinem linken Ohr entlang. Mit langsamen Bewegungen säbelte sie durch die Haut, Blut floss in dünnen Bahnen seinen Hals hinab, durchtrennte den Knorpel. Da riss Bernd die Augen auf! Beherzt zog Anna am Ohr und hielt es schließlich halbiert in der Hand.

Unter dem silbernen Klebestreifen brüllte Bernd gedämpft, eine dicke Ader pulsierte auf seiner Stirn. Die Kinder in ihrem Rücken stimmten kreischend mit ein.

»Ich muss sauberer arbeiten.« Enttäuscht betrachtete Anna das halbe Ohr in ihrer Hand und ließ es auf Bernds Teller fallen, wo es sich zu ein paar Erbsen und Möhren gesellte.

Bernd hyperventilierte, rang nach Luft.

Anna betrachtete eine Weile sein Leiden, hörte das Jammern der anderen und schloss genervt die Augen.

»Jetzt reicht’s!« Sie hämmerte mit ihrer Faust auf den Tisch, sodass die Teller schepperten.

Bis auf leise Schluchzer stellte sich eine gespannte Stille ein. Das erste Mal, dass sie die Stimme erhob - und es war ein erhebendes Gefühl.

»Euer Gepäpe ist ja kaum zu ertragen!« Eine senkrechte Zornesfalte bildete sich auf Annas Stirn. Sie blickte in die Runde.

Alle zuckten zusammen und wichen ihrem drohenden Blick aus. Abgesehen von ihrer Schwester. Die Einzige, die sie mit Wut in den verquollenen Augen betrachtete.

»Nun zu dir.« Anna ging um den Tisch herum und versorgte ihre Mutter wie beiläufig mit weiteren Schlucken aus der Wodkaflasche, die sie bereitwillig in sich aufnahm. Dann widmete Anna sich ihrer Schwester und kniete sich vor sie.

»Weißt du, ich bin wirklich neidisch auf dich. Schon immer. Du hast Erfolg, hast keine verzogenen Kinder, die dir erst deinen Körper verkorksen und dann den letzten Nerv rauben. Alle lieben dich, Schwesterchen. Papa hat dir immer alles gegeben, und selbst mein Mann liegt dir zu Füßen. Ist es nicht so, Bernd?«

Sie drehte ihren Kopf und sah in das blutverschmierte Gesicht.

»Ach«, tat Anna erschrocken, »wirkt die Extrapille, die ich dir ins Essen gemischt habe?«

Bernd rollte den Kopf hin und her. Ein Speichelfaden seilte sich von seinem Mundwinkel ab.

»Warten wir noch ein Weilchen. Kommen wir zu dir.« Sie strich mit der Spitze der Klinge über Sarahs Kinn. »Ich habe was Feines für dich.« Sie sah nach oben, und ihre Schwester folgte dem Blick. Eine Stahlöse hing von der Decke. »Ahnst du schon etwas?«

Sarah hackte wütend mit dem spitzen Absatz ihrer Pumps nach Annas Fuß und traf sie. Anna jaulte vor Schmerz und stürzte zu Boden. Das Messer schlitterte übers Parkett und blieb vor dem Weihnachtsbaum liegen.

Sarah rüttelte an den Fesseln, versuchte ihre Chance zu nutzen, doch das Tape gab nicht nach. Ächzend kämpfte Anna sich hoch, da traf Sarahs Knie sie an der Schläfe und sie brach erneut zusammen. Fauchend kroch sie auf allen Vieren in Richtung Messer.

Sarah wippte mit dem Stuhl, bis sie nach hinten kippte und hart aufschlug. Benommen von dem Aufprall suchte sie nach ihrer irren Schwester. Auf dem Kopf stehend erkannte sie, dass Anna das Messer erreicht hatte. Sie hielt es in der Hand und grinste sie diabolisch an.

Sarah bäumte sich mit der Kraft der Verzweiflung gegen das Panzerband. Durch Rütteln und Bewegen rollte es sich zusammen und schnitt ihr ins Fleisch. Anna richtete sich keuchend auf.

»Genau wie in deinem Job: bissig und kämpferisch. So kenne ich dich.« Anna stellte sie mitsamt dem Stuhl wieder auf. Sarah erkannte eine Beule, die sich bläulich verfärbte. Ein schwacher Trost für ihre vergeblichen Bemühungen.

»Dein Problem, Schwesterchen, ist, dass du deine Nase immer zu weit oben getragen hast. Aber weißt du was? Ich helfe dir, dass du sie ganz oben tragen kannst!« Überraschend schlug sie Sarah ins Gesicht. Knackend gab die Nase nach, und ein Schwall Blut schoss aus ihr hervor. Anna zog den Kopf an der nunmehr schiefen Nase nach vorn und trennte sie mit wenigen Schnitten ab. Das Klebeband löste sich, und ihre Schwester schrie aus voller Kehle. Blut rann ihr in den Hals und sie hustete es wieder aus.

Anna setzte die Nase auf Sarahs Scheitel und richtete sie vorsichtig mit den Fingern aus.

»Wenn du nicht ständig rumhampeln würdest, ginge es leichter von der Hand«, ermahnte sie Anna.

»Warum?«, schluchzte Sarah.

»Das fragst du? Gründe gibt es mehr als genug. Such dir einen aus. Aber den wichtigsten kennst du. Jetzt aber erst mal zu deinem Geschenk …«

Anna humpelte zum Weihnachtsbaum und kam mit einem Seil zurück, das zu beiden Enden Schlingen hatte.

»Du musst das nicht tun«, bettelte Sarah. Vergebens …

Ohne Gegenwehr legte Anna die Schlinge um den Hals ihrer Schwester. Sie zog sich einen Stuhl heran und fädelte das Seil durch die Stahlöse. Das andere Ende des Seils legte sie um den Hals ihrer Mutter, der Anna bei dieser Gelegenheit den Rest der Flasche einflößte.

»Was soll das, Anna«, knurrte ihr Vater.

Überrascht drehte sich die Angesprochene zu ihm.

»Da seht her, wer seine Stimme wiedergefunden hat!«

»Hör gefälligst auf damit und binde uns los«, knurrte er und rüttelte ebenso vergeblich an den Fesseln wie Sarah zuvor.

»Zuerst dein Geschenk.« Anna setzte sich neben ihn hin und schnitt das Paket auf. Aus dem Inneren holte sie einen Trichter hervor. »Und jetzt schön die Klappe öffnen«, säuselte sie und schob ihm das Ende des Trichters in den Mund. Es drang bis in seinen Schlund vor und löste den Würgereflex aus. »Schön still halten«, befahl sie und riss seinen Kopf brutal zurück.

Mit der Hand griff sie in das Paket und schaufelte eine Handvoll Münzen daraus hervor.

»Meine Ersparnisse, Papa. Vielleicht bekommst du jetzt den Hals endlich voll.« Dann prasselten die Münzen in den Trichter, wo sie verschwanden. Immer wieder griff Anna in den Karton und holte sich Münzen, die sie ihm einverleibte. Bis das leise Fluchen von Bernd sie aus ihrer Tätigkeit riss.

Ihr Mann warf ihr einen verzweifelten Blick zu.

Anna tätschelte die Wange ihres Vaters, dessen Kopf kraftlos zwischen den Schultern baumelte. »Wir machen eine kurze Pause, du fettes Sparschweinchen, okay?«

Mühsam richtete sie sich vom Stuhl auf. Ihre Lenden blockierten die Bewegung, und die wenigen Schritte zu ihrem Mann legte sie gebeugt wie eine alte Vettel zurück. Ungeniert griff sie ihm zwischen die Beine und grinste diebisch.

»So wollte ich dich haben«, zischte sie und öffnete ihm die Hose. Sein erigiertes Glied sprang ihr prompt entgegen. Seine Versuche, die Beine zu kreuzen, um seine Scham zu bedecken, waren lächerlich.

»Was soll das«, fragte Bernd.

»Frag meine liebe Schwester.«

Sarah brach in Tränen aus.

»Tut sie das auch, wenn du ihn ihr in den Arsch schiebst?«, wollte Anna wissen.

Ihm fiel die Kinnlade herunter. »Du weißt es?«

»Hältst du mich für dämlich? Die Blicke? Die Treffen? Ich weiß alles. Wusste es schon lange.«

»Es tut mir leid«, winselte Sarah hinter ihr. Ein unverständlicher Brei aus Tränen, Rotze und Blut, blubberte ihr aus Mund und Nasenloch.

»Pst.« Anna drehte sich zu ihr und legte den Finger auf die Lippen. »Bei dir geht‘s gleich weiter. Aber erst bediene ich Bernd. Das ist mein Vorrecht als Ehefrau.«

Anna humpelte zum Baum und zog von dort ein längliches Kästchen hervor. Sie riss es auf und holte zwei Scheiben blutiges Fleisch heraus, die sie ihm um das Glied wickelte.

»Schon Lust auf Frischfleisch?«, fragte sie ihn, der hastig den Kopf schüttelte. »Macht nichts. Ich kenne jemanden, der alles frisst.«

Mit diesen Worten mühte sie sich zum Keller. Nach nur wenigen Minuten kehrte sie mit einer grunzenden Sau zurück, die sie an einer Leine hinter sich führte.

»Das ist Emma und sie ist gespannt darauf, dich kennenzulernen.«

»Mama, nicht!«, flehte ihre Tochter.

»Papa macht das schon immer so, Liebes.« Sie band die Sau am Tischbein fest und ließ sich erschöpft auf einen Stuhl fallen. Zeit, auch mal an sich zu denken und die Show zu genießen.

»Nimm das weg!«, schrie Bernd.

Emma schnüffelte mit ihrem Rüssel in der Luft und auf dem Boden, nahm Witterung auf. Grunzend führte sie der Weg zu Bernds Beinen, der hektisch die Hüfte wegdrehte. Der Rüssel schnupperte an seinem nackten Bein hoch und hinterließ eine klebrige Schnodderspur an den Haaren.

Er trat nach der Sau, die die Tritte ignorierte und sich den Weg zwischen seine Beine wühlte.

Schlabbernd tat sie sich am Fleisch gütlich. Bernd flehte Anna an, das Vieh von ihm wegzuziehen - da riss er seine Augen weit auf und schrie! Die Sau hatte das Fleisch weggefressen und verschlang nun die darunter liegenden Leckereien. Sie knabberte, leckte und suhlte sich in den blutigen Weichteilen Bernds, der panisch mit dem Stuhl wippte, bis er umkippte. Mit dem Hinterkopf schlug er gegen die Kante des Sideboards und blieb bewusstlos liegen.

Die Sau freute sich sichtlich, dass er keinen Widerstand mehr leistete und feierte es, indem sie ihre Schnauze tief in das feuchtwarme Loch zwischen Bernds Beinen steckte und es ausleckte.

»Jedes Schwein bekommt, was es verdient«, scherzte Anna.

»Oh, mein Gott, Anna«, schluchzte ihre Schwester, »was ist los mit …«

Es rumpelte und ihre Worte endeten in einem Gurgeln, als sich das Seil spannte und ihr Körper in die Höhe befördert wurde.

»Oh, Mama hat wieder zu viel intus«, erklärte Anna und zog prüfend an dem gespannten Seil, an dessen anderen Ende ihre Mutter hing. Sie war vom Stuhl gekippt und nur das Seil hinderte sie daran, auf dem Boden aufzuschlagen. Sarah rang nach Luft und versuchte, nach ihrer Mutter zu rufen, aber ihre Stimme versiegte in kläglichem Japsen. Gegen den aufgedunsenen Körper als Gegengewicht hatte sie mit ihrer schlanken Statur keine Chance.

»Mama, hör auf. Bitte!«

Anna betrachtete ihren Sohn mit hochgezogener Augenbraue. »Dafür, dass du diese gewalttätigen Spiele spielst, bist du nicht sonderlich hart im Nehmen.«

»Bitte«, weinte ihre Tochter, »wir sind deine Kinder.«

»Keine Sorge«, sagte Anna und strich beiden über die Wange. »Ihr werdet schon nicht leer ausgehen.«

Sie kämpfte sich ächzend zum Weihnachtsbaum und legte ihnen zwei Geschenke auf den Tisch. Ihr Gesicht war verzerrt von der schmerzenden Hüfte und dem Tritt ihrer Schwester. Schweiß glitzerte auf ihrer Stirn. Mit dem Messer schlitzte sie das erste Geschenk auf, versenkte die Klinge in der Tischplatte und holte eine ellenlange Metallspritze hervor.

»Was ist das?«, fragte ihre Tochter mit leiser Stimme.

»Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, Liebes«, hauchte Anna. »Leider hat Opa das Gros meiner Kohle im Wanst, aber ich kenne eine kostengünstige Methode, deinen Traum wahr werden zu lassen.« Sie tätschelte die Spritze und sagte: »Das ist Silikon aus dem Baumarkt.«

Ihre Tochter schloss die Augen und weinte.

»Da kommen dir sogar die Freudentränen.« Anna gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie warf ihrem Sohn, dessen Unterlippe bebte einen Seitenblick zu. »Für dich habe ich mir auch etwas überlegt.« Mit diesen Worten nahm sie das letzte Geschenk auf und entfernte das Papier. In einem Einmachglas wuselte eine gelbliche Masse aus kleinen Leibern umher.

»Maden?«, stotterte er.

»Du bist ein helles Köpfchen, mein Sohn. Ein Jammer, dass dein Verstand in einer Hülle aus faulem Fleisch gefangen ist. Deshalb werde ich dich aufschneiden und sie in dich krabbeln lassen, sodass sie vielleicht deine Trägheit kurieren. Klingt das nicht toll?«

»Peccatum mortiferum«, sagte ihr Sohn und rang seiner Mutter damit ein Lächeln ab.

»Du hast vollkommen recht«, sagte sie und deutete mit ihrer Hand über ihre Familie, die die Unterhaltung vor Schock und Entsetzen kaum mitbekam. »Meine Schwester, die sich für etwas Besseres hält, euer Vater, der mit jeder Frau ins Bett gestiegen ist, die er bekommen konnte, euer Opa, der alte Geizhals, der lieber meine Schwester statt mich unterstützt hat, eure Oma, die betrunken einen Unfall verursacht hat. Die Gute ist mit Kratzern davongekommen, nur die kleine Anna hat seitdem einen irreparablen Hüftschaden. Und schlussendlich« - sie tippte ihren Kindern auf die Stirn - »ihr beide. Die neidische Tochter und der faule Sohn.«

»Und was ist mit dir?«, spottete ihr Sohn.

»Mit mir?«

»Es sind sieben Sünden«, erklärte er.

»Ich bin außen vor«, schnaubte Anna. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und betrachtete ihr Werk. Sarah kämpfte immer noch gegen die Schlinge um ihren Hals. Zähes Biest, dachte sie. Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, denn ihre Mutter sabberte auf den Boden und schlief den Vollrausch aus. So wie sie sie kannte, konnte das eine Weile dauern. Wenn sie erwachte, würde sie noch ein Leben auf dem Gewissen haben.

Bernd lag reglos am Boden, vermutlich tot, und Emma genoss ihren Festtagsbraten.

Ihr Vater blinzelte apathisch ins Leere. Ob das an einer Metallvergiftung von den unzähligen Münzen in seinem Magen lag oder an dem Völlegefühl, vermochte sie nicht zu sagen.

Annas Augenlider wogen schwer und sie hatte Mühe, sie offen zu halten. Immer wieder fielen sie ihr zu, und die Dauer, bis sie sie erneut öffnete, wurde länger und länger. Die Geschenke zu verteilen hatte sie ausgelaugt. Dann versank sie in einem tiefen Schlaf.

 

 

Langsam öffnete sie die Augen. Stimmen drangen entfernt an ihr Ohr. Sie tuschelten miteinander. Blinzelnd kämpfte sie gegen das Licht an, das sie blendete.

»Hallo, Mama.« Das war ihre Tochter. Zwei Gesichter schoben sich in ihr Blickfeld. Anna konnte ihre Arme nicht bewegen. Man hatte sie gefesselt.

»Wie … wie habt ihr …«

»Uns befreit?«, beendete ihre Tochter den Satz. Vor Annas Augen blitzte die Klinge des Messers auf, das sie zuletzt in die Tischplatte gerammt hatte. »Das hast du vergessen, als du eingeschlafen bist. Damit ist es uns gelungen, die Fesseln durchzuschneiden.«

»Du hättest es getan, oder?«, fragte ihr Sohn.

»Nein, ich …«

Eine Ohrfeige schnitt ihr das Wort ab.

»Lüg uns nicht an! Du hättest uns das angetan.«

»Dein Jähzorn hat dich zerfressen«, erklärte ihr Sohn. »Dafür wirst du jetzt zerfressen.«

Ein Grunzen. Anna riss an ihren Armen, die an den Lehnen gefesselt waren. »Was war das?«

»Emma hat noch Platz für eine alte Giftschlange«, flüsterte ihre Tochter ihr ins Ohr und steckte ihr ein zusammengeknülltes Spültuch in den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen.

Anna spürte den schnuppernden Rüssel zwischen ihren Beinen. Eine dicke, raue Zunge leckte ihr über die Schamlippen. Immer wieder grub sich der Lappen durch ihre Spalte und befeuchtete sie. Das heiße Schnauben des Rüssels auf ihrer Haut jagte ihr einen Schauder nach dem Nächsten über den Rücken. Der Kiefer bewegte sich. Dann biss die Sau zu und fetzte die Haut weg. Sie leckte das Blut auf, steckte den Rüssel in das größer gewordene Loch und schleckte es aus.

Mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu sahen die Kinder dabei zu, wie sich die Sau durch ihre Mutter fraß.

»Was machen wir jetzt?«, fragte der Junge.

»Dieses Todsündending«, überlegte seine Schwester, »es gefällt mir.«

Der Junge grinste. »Mir auch.«