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Letzter Tag vor den Sommerferien, und Paul hängt auf dem Stuhü ab. Der Stufenhügel, ein Park mitten in Berlin, ist der Treffpunkt. Ob Paul da ist, schert keinen. In der Stufe gibt es nur zwei Teams: die Gewinner und die Verlierer. Zwar sind die Reichen nicht automatisch Gewinner, aber Erzeugerkohle hilft natürlich schon. Paul gehört zu keinem Team. Damit fährt Paul ganz gut, bis er Ida kennenlernt. Und obwohl Ida die Ferien auf Sizilien verbringt, treffen sie sich täglich: online. Ida ist anders, sie stellt Fragen, wagt sich an Grenzen. Ihre direkte Art macht etwas mit Paul, er öffnet sich – und plötzlich nimmt auch sein real life an Fahrt auf. Paul lässt sich von dem Strudel aus Online- und Offline-Ereignissen mitreißen – als der Kontakt zu Ida abreißt. Das Bild gefriert: Ida, ihre Liebe, das war doch real?

Juliane Baldy fängt in ihrem Romandebüt treffsicher das Lebensgefühl der heranwachsenden Generation ein: die Zerrissenheit zwischen Übermut und Ohnmacht, die Suche nach Orientierung. Warmherzig erzählt »Paul« von der Liebe in Zeiten der Digitalisierung, Patchworkfamilien, abwesenden Vätern, ersten Verlusterfahrungen und der Bedeutung von Freundschaft.

 

Titel
Verlagslogo

 

Inhalt

0 | Ich mach jeden Scheiß mit …

1 | Ab auf den Stuhü …

2 | Beste Lage, sich die Kugel …

3 | Ewig gepennt …

4 | Mutter hat die Biege gemacht …

5 | Mutter. Ich hör die Waschmaschine …

6 |Am Stuhü wummerts …

7 | Mutter. Sie klopft …

8 | Mein Schädel brummt mega …

9 | Zock ich halt …

10 | Heute bin ich ganz früh …

11 | Na Großer. Alles gut …

12 | Zocken macht den Kopf frei …

13 | Peng. Noch ein Nest …

14 | Bist du eingecremt, Digger …

15 | Na, Großer. Da bist du ja …

16 | Fuck. Rechner …

17 | Hauptbahnhof …

18 | Auf dem Betonklotz …

19 | Es gibt noch einen Japaner …

20 | Die Bude ist schon …

21 | Bums. Wo bin ich …

22 | Wir sind special …

23 | Komisch hier …

24 | Was für ein Traum …

25 | Endlich. Homebase …

26 | Dieses Poster an der Wand …

27 | Großer. Wir müssen reden …

28 | Marie wohnt am Arsch …

29 | Diese Mücke …

30 | Hey! Hab die Nacht …

31 | Ida war nicht online …

32 | Alles okie bei dir …

33 | Okie, morgen …

34 | In der Aula geht es …

35 | Mutter mag gar kein Knofi …

36 | Doppelstunde Bio …

37 | Sorry für die gequirlte Scheiße …

38 | Wie die alle tun, als wär nichts …

39 | Check nicht, warum …

40 | Hab das erste Mal …

41 | Hab ich gepennt …

42 | Die nennen das Schmerzmittel …

43 | Warum. Nur noch das …

44 | Hast du dir schon mal …

45 | Ralf hat schon wieder …

46 | Hörst du das …

47 | Moin, Junge …

48 | Hoch soll er leben …

 

0

Ich mach jeden Scheiß mit. Aber diese Idee ist für den Arsch. WLAN-Sperre. So nennt sie das jetzt. Okie. Wenn die denkt, dass Real Life funzt.

Ich bin doch nicht real, nur weil ich draußen rumlatsche und Frischluft schnupper. Mann.

 

1

Ab auf den Stuhü. Ne Pulle. Allein deshalb, um mal den Ausweis rauszuholen. Bist du schon sechzehn. Logisch. Hier. Kannste rechnen. Siebzehn.

Stuhü. Voll bescheuert. Stuhü nennen den alle, weil der Park auf nem Hügel ist und in dem Park sich die Stufe trifft. Ich sag doch, voll bescheuert. Ob ich da bin oder nicht, kümmert keinen.

In der Stufe gibt es zwei Teams. Die Gewinner und die Verlierer. Es ist nicht so, dass die Schönen, Reichen und Schlauen automatisch Gewinner sind und die Hässlichen, Dummen und Sozifälle Verlierer. Entweder du bist cool oder uncool. Klaro hilft es, wenn du reiche Erzeuger hast. Oder die Girls dazu kriegst, mit dir ne Runde Sterne gucken zu gehen. Eine große Fresse schadet auch nicht. Streber sein ist uncool. Wer lernt, ist feige. Ein Verlierer halt. Von denen gibt es viele. Die Gewinner nennen sie gern Spackos. Oder Hartzies. Streber. Ökos. Hosenschisser. Versager. Schwanzlutscher. Nazis. Ich bin irgendwie dazwischen. Ich kam noch nie mit nassem Kopf vom Klo, keine Kippen-Narben, kein Kleinkram wie Luft aus den Reifen.

Heute schießen sich alle ordentlich ab. Klaro. Letzter Schultag. Sommerferien. Geh ich halt hin.

Die Verlierer dürfen mit abhängen, wenn sie härteres Zeug als Bier besorgen. Marko ist einer von ihnen.

»Paul. Was machst du denn hier? Gib mal ne Fluppe.«

Ich geb ihm eine. Aus Mutters Vorrat. Das hat sie jetzt davon. Er checkt einfach nicht, dass ich nicht zu ihm gehöre. Ständig labert er mich an.

»Alex will die Neue klarmachen. Kriegt der bestimmt hin.«

»Klaro.«

»Wer, wenn nicht Alex. Alter, der fickt die.«

Ich nicke vor mich hin.

Die Neue. Ida. Als ob die mit Alex. Das passt mal so was von gar nicht. Okie, er ist der Boss. Warum, hab ich noch nie kapiert. Er ist voll das Riesenbaby. Aufgedunsen. Und Löckchen aufm Kopf. Ich denk, er ist mehr der Boss wegen seiner Erzeugerkohle als wegen seinem Kopf. Kann mir auch egal sein. Ich bin froh, dass ich ihm egal bin.

Über Ida werden die abgefahrensten Geschichten erzählt. Drogenküche im Keller. Mutter Mumienjägerin. Und Supermodel. Vater Spion. Was weiß ich. Da kannste nichts drauf geben. Geschworen. Das ist meistens nur ne Überdosis Netflix. Ich hab Ida noch nie mit jemandem abhängen sehen. Sie ist eher still und hockt in jeder Pause allein auf ner Bank. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Bock auf die Pappnasen hier hat.

Marko holt Apfelkorn raus. Hat er aus dem Keller. Von seinem Alten. Mann, bin ich froh, dass ich keinen hab. Erzeuger. Und Mutter trinkt keinen Schnaps. Nur Sekt und so. Eine Tüte geht rum. Alex zieht nicht. Sagt, er hat noch ein Date. Dabei grunzt er so dumm. Als ob.

Ich würde gern lachen. Laut. Aber ich lass es. Hat ja jeder seine Daseinsberechtigung. Also Glupscher auf halbmast und brav im Takt nicken. Daseinsberechtigung. Tolles Wort. Es gibt Wörter, die ich einfach nur gut finde. Alex würde das nicht kapieren. Der findet nur sich gut, und das wars auch schon. Zum Glück muss ich nicht mit ihm texten. Glückskind. Auch so ein Wort. Nick ich halt. Immer noch besser hier, mit den bekifften Pappnasen, als zu Hause mit Mutter. Ohne Netz.

Und dann kommt sie doch. Nicht Mutter. Die Neue. Ida. Ich glaubs nicht. Zu spät für Alex. Der macht mit Franzi rum. Franzi macht so ziemlich mit jedem rum, aber das kümmert Alex nicht. Ida auch nicht. Marko holt die nächste Pulle raus. Schon wieder dieser Deppensong. Alle grölen mit. Je dichter, desto lauter. Ida setzt sich. Neben mich. Sie sagt irgendwas.

»Was.«

»Was du hier machst.«

Ich check es nicht. Sie meint wirklich mich. Echt jetzt.

»WLAN-Sperre.«

»Versteh.«

Über WLAN texten ist voll daneben, weiß ich doch. Aber ich weiß nicht, was ich da sonst.

»Jepp. Brutal.«

»Und deshalb bist du hier?«

»Wie?«

»Sperre?«

»Logisch. Meine Mutter. Zeugnis. Hab ein kurzes Tief in Bio nicht weitergeleitet.«

»Blöd.«

»War halt abgelenkt.«

»Versteh.«

»Jepp.«

Sie hockt nur neben mir und schaut mich an. Grad kapier ich, was das heißt, ne Runde Sterne gucken gehen. Sie ist so. Ich weiß nicht. Alles andere als eine billige Bitch halt.

»Und das ist der einzige Grund?«

»Was?«

»Hätte ja sein können, dass es noch einen anderen gibt. Immerhin sitzen wir zwei ja jetzt hier.«

Bam. Über lit. Klingt gar nicht nach Matratze. Ich bin geschworen voll anti Romantik. Aber sie, es, es hat mich voll erwischt. Aus der Kalten. Bam. Ich krieg nasse Pfoten. Direkt ab in die Pumpe. Voll der Akt, da was zu kontern.

»Cool.«

Ich mein. Cool. Echt jetzt. Und sie, cool wie sie ist, bleibt sitzen.

»Vorsicht.«

»Was?«

»Da.«

Sie zeigt auf eine Schnecke. Eine Nacktschnecke. Obereklig.

»Gerade noch mal gut gegangen.«

»Jepp.«

Sie meint echt das Glibberding. Glaub ich.

»Schon irre, was hier alles passiert. Oder?«

Scheiße Mann, aber nicht schlecht jetzt, nein, nur, ich weiß einfach nicht, was ich da sagen soll. Null Output. Mann.

»Da kämpfen sich so viele Minileben einen ab. Und wir kriegen das gar nicht mit. Sind einfach nur da.«

Ich muss lachen. Ein bisschen. Minileben. Nice. Das Wort. Minileben. Sie rückt ein bisschen ran. Nicht auffällig und auch nicht von wegen Lass mal rumlecken oder so. Eher wie Huch, ich muss mal kurz rücken, damit ich dieses Glibberding nicht zerquetsche.

Marko schon wieder.

»Eieiei. Mach dich locker. Ida. Andere Söhne haben auch schöne Väter. Alex ist ein Arsch. Brauchst nicht traurig sein.«

»Als ob ich wegen dem hier bin.«

Ida hat voll die schöne Lache.

»Der hat echt ultra lange auf dich gewartet. Und wenn du ficken willst. Ich bin bereit.«

Marko meint das ernst.

»Komm schon. Ich zeig dir, wo der Mond seinen Hammer hat.«

Der spinnt doch. Ida rührt sich nicht. Dann check ich, dass das wohl mein Part ist. Jetzt.

»Mach du dich locker.«

»Willste auch mal einführen, oder was? Kommt schon jeder dran. Schön hinten anstellen, Digger.«

Der Spinner will Ärger. Ich kann so was eigentlich nicht. Ich musste das nie. Ich hab echt immer anti Konflikt geschoben, geschworen. Immer. Und jetzt das.

»Sag mal, checkst du es nicht?«

Ich packe Marko und stoße ihn weg. Es ist viel einfacher, als ich dachte. Er ist so dicht, dass er direkt hinfällt. Plumpst. Hinplumpst. Die anderen gucken gar nicht. Marko murmelt und macht sich davon.

»Siehst du. Es gibt Schlimmeres als WLAN-Sperre. Hirnsperre zum Beispiel.«

Ich glaube, sie meint Marko. Hoffe. Verdammt.

»Der kapiert einfach nicht, dass man auch mal nur so. Dahocken kann. Hier. Sorry.«

Ich stammel voll. Hoffentlich findet sie mich jetzt nicht minus.

»Danke.«

Das sagt sie nicht nur, weil sie denkt, das jetzt sagen zu müssen. Nein. Das sagt sie voll dankbar. Dieses Danke. Und dann hocken wir einfach nur da. Ich weiß nicht, wie lange. Das ist wie. Piece of cake. Hatten wir mal in Englisch. Das heißt wohl so was wie Himmel auf Erden. Wenn ich das richtig abgespeichert hab. Ich finde Kuchenstück aber viel geiler. Was weiß ich, wie der Himmel und ob der Himmel überhaupt. Aber Kuchen geht immer.

»Du hast ein Tier getötet.«

Fuck. Nein. Alter, das Glibberding ist Matsche.

»Was? Nein. Noch nie.«

»Eine Mücke. Eine Spinne. Eine Wespe. Fliege. Käfer. Wurm. Ameise.«

Ich muss lachen. Ich fand ewig nichts mehr so witzig.

»Okie. Klaro. Sorry.«

Sie lacht nicht. Ich habs vergeigt.

Und dann. Echt. Sie schaut mich an und grinst.

»Ich muss los.«

Sie ist wohl doch nicht so happy.

»Klaro.«

Ich hab keine Ahnung, was ich sonst sagen soll. Ist ja nicht so, dass ich das ständig tu. Mit der Megabraut auf ner Mauer. Kann sie ja schlecht fragen, einfach so, ob ich sie. Mann, ich komm mir wie der letzte Loser vor, und morgen sind Ferien. Sechs Wochen Sendepause. Noch nie war ich so anti Ferien.

»Kommst du ein Stück mit? S-Bahn-Lichter gucken?«

Sie ist aufgestanden, und ich Trottel denk an Ferien und nicht Ferien, und sie fragt mich, ob ich mitkomme. Echt jetzt.

»Klaro.«

Ich könnte ausrasten. Immer noch nasse Pfoten. Das klingt voll peinlich, aber steh du da mal mit der Wahnsinnsbraut. Und dann gehen wir tatsächlich. Wir gehen zusammen den Berg, Berg ist übertrieben, Hügel halt, den gehen wir runter. Als die anderen uns nicht mehr sehen, nimmt sie meine Hand. Einfach so. Sie sagt nichts. Wir gehen den Stuhü runter, und sie hat meine Hand. In ihrer. Ich sag auch nichts. Ich denke viel zu viel. Vor allem an die nassen Pfoten. Hoffentlich merkt sie das nicht. Ich trau mich gar nicht, sie anzugucken. Es ist ja nicht so, dass ich immer fürs Labern bin, aber gar nicht labern ist auch komisch. Es rattert nur in meinem Hirn. Ob ich sie fragen soll, ob ihr kalt ist, ob sie noch zu Macces will, ob sie ein Monatsticket hat, ob sie es weit hat nach Hause, nur ob ob ob. Und dann wie wie wie. Wie ich mich. Wie ich sie fragen soll, wann wir uns wiedersehen, wie ich versuchen soll, sie zu küssen, wie ich jemals wieder diese verdammte Pfote waschen soll.

»Schreibst du mir?«

Das sagt sie so gar nicht aufgeregt. Voll locker eher. Cool halt.

»Klaro.«

Mir fällt einfach nichts anderes ein. Sie lässt meine Hand los, schaut so, und, was, ihre Lippen da, auf meinen, ganz schnell, kurz, viel zu kurz, kann da gar nicht reagieren, Schockstarre. Dann geht sie hoch. Zur S-Bahn. Ich steh da. Wie ein Trottel. Glotz nur. Auf die Treppe. Stufe für Stufe. Sie dreht sich nicht um. Mann. Ich hör die S-Bahn, seh sie nicht mehr, logisch.

Lauf ich halt los. Ich bin echt nicht so für einfach rumlaufen. Kein Plan nur, was ich machen soll. Ich lauf die ganze scheiß Greifswalder hoch. An der Ecke gibt es den besten Döner. Die ganze Nacht. Mir ist nicht nach Döner. Mir ist schlecht. Nicht schlecht schlecht. Gut schlecht.

Keinen Schimmer, wo sie wohnt, und in welche Richtung ich müsste, damit die Chancen steigen, sie zufällig zu treffen. Und dann so Nein, du, hier, hey, was für ein Zufall, wusste gar nicht, dass du hier, egal. Weiß ich ja auch nicht. Also Richtung Homebase.

Vorm Supermarkt hockt dieser Penner. Der mit dem Einkaufswagen.

»Na du Pisser! Was glotzte?«

Ich halte die Klappe, logisch, anti Konflikt. Er zieht sich aus, eine Frau redet auf ihn ein. Jeden Tag eine gute Tat. So eine ist das. Oder sie ist einfach nur dicht. Mich kümmert das nicht. Ich find den nur eklig. Der hängt oft auch vor der Sparkasse ab und rotzt vor sich hin. Immer so ein Miniradio an. Er stinkt wahnsinnig. Nein. Stopp. Das ist gelogen. Ich kann gar nicht sagen, wie er riecht. Er sieht nur aus, als würde er mega stinken. EGAL.

 

2

Beste Lage, sich die Kugel zu geben. Spießiger geht kaum. Auf der einen Seite Platte, auf der anderen wir. Wir, das sind Mutter-Vater-Kind-Butzen oder Rentnerhütten. Wir sind die Einzigen in diesem kack Verein, die den Rasen nicht jede Woche mähen. Das ist ganz korrekt von Mutter.

Fuck. Noch Licht in der Küche. So was von null Bock jetzt. Wie war denn dein Abend. Erzähl doch mal. Immer dieses Erzähl doch mal was, nie erzählst du was. Zu spät.

»Bis morgen. Pass auf die Gabi auf.«

Und dann grunzt sie so. Warum telefoniert die denn nicht weiter. Mann.

»Je später der Abend. Ach, Großer.«

Und immer diese Vorwürfe. Sie hat keine Zeit angesagt, Mann. Das sag ich natürlich nicht. Am besten so lange wie möglich anti Konflikt. Geschworen. Das ist die beste Überlebensstrategie. Alleinerziehende Mütter laufen nur mit anti Konflikt. Ich schwör, alles andere hab ich schon hinter mir. Also zusammenreißen.

»Und? Wie war dein Ausflug ins Leben?«

»Haben gechillt. Musik gehört. Gelabert. Wie krass zugepisst die Spree ist, obereklig. Findest du nicht auch?«

Irgendwas behaupten ist eine sichere Nummer. Mutter nickt voll beeindruckt. Und dazu diese toten Augen. Die hat sie, wenn sie dicht ist. Sie guckt dann voll geschockt, so wie ich mir vorstelle, wie Leute gucken nach nem Autounfall. Oder wenn was Schlimmes passiert ist. Dazu grinst sie, und das ist mal über spooky. Diese Schockstarre-Augen und dieses Grinsen.

Sie nippt an ihrem alkfreien, seit wann denn das, weird, sie nippt an ihrem, echt jetzt, ALKFREIEN Bier. Und grinst trotzdem.

»Setz dich doch mal zu mir, Großer.«

»Sorry, ich bin voll müde, Mutter. Gut Nacht.«

»Weißt du. Ach. Schlaf gut, mein Schatz. Gut siehst du aus.«

Gut seh ich aus. Wie peinlich. Zum In-die-Ecke-Stellen, Mann. Ab in den Keller.

Ich bin froh, dass ich endlich hier unten hocken darf. Früher war mein Zimmer direkt neben ihrem. Dazu echt kein Kommentar. Jetzt fängt sie an, Musik zu hören. Seitdem sie mit Spotify klarkommt, wird es immer absurder. Sie findet jedes Mal mehr Sachen, zu denen sie mitgrölen kann. Nicht assi. Eher so jauchzend. Peinlich halt. Mann, ich Vollidiot. Spotify. WLAN am Start. Ich liebe meinen Zockerplatz. Lieben ist Kitsch und Mädchenkram, ich weiß. Aber ich finde kein anderes Wort. Das ist der einzige Platz auf der ganzen Welt. Plopp. Sie. Ida. Online. Echt jetzt.

IDA: Cool wars. ;-)

ICH: Klaro.

Ich Trottel. Getextet klingt das ja noch bescheuerter. Auch wenn es nicht klingen kann. Mann, du weißt schon. Voll daneben halt.

IDA: Was machst du?

Wie. Was mach ich.

ICH: Chille.

IDA: Fährst du weg?

Okie. Jetzt oder nie.

ICH: Nein. Können uns die Ferien mal treffen.

Bam. Zu spät. Enter. Ab damit. Sie hat schließlich meine Hand genommen. Sie hat mir einen Kuss. Auch wenn es kein richtiger. Sie ist das Mädchen. Da kann man doch fragen, ob man mal chillt in den Ferien. Und wenn nicht, ist es in sechs Wochen auch wieder vergessen.

IDA: So gern. Aber ich bin bei meinen Großeltern.

Fuck.

ICH: Okie.

IDA: Wir fahren gleich los. Schreiben wir?

ICH: Klaro.

IDA: :-)

Offline. Mann.

Ich hab gar nicht gefragt, wo sie hinfährt. Und wann sie wiederkommt. Bestimmt in die Sonne. Sie sieht so aus. Wie ein Mädchen, das viel Familie hat. Dort irgendwo, wo die anderen Urlaub machen. Ich frag sie das nächste Mal. Das nächste Mal. Hat sie ja gesagt. Dass wir texten. Das ist doch auch irgendwie ein Date. Nicht real. Okie. Aber, hey, Date ist Date. Ich hab ein Date mit dem heißesten Mädchen der Stadt.

 

3

Ewig gepennt. Und geil geträumt. Kann man ja mal sagen. Ich mein, das kennen die meisten doch. Geil geträumt. Von Mel. Und so. Mann, ich hätte gestern einfach mehr den Macker machen müssen, ich Trottel. Ein bisschen mehr rumknutschen wär schon cool gewesen. So schnell, wie sie ab ist. Süß. Irgendwie. Auch wenn süß an sich ein No-Go ist, doch in Kombi mit Ida geht das schon. Sie ist halt anders als die anderen. Da wars vielleicht schon genau richtig, erst mal auf locker zu machen. Also. Sich Zeit. Und so. Wir haben ja noch ein Date. Jepp.

Voll der Frust. Den ganzen Tag. Ida war keine Sekunde online. Das kann doch nicht sein. Okie, wir haben keine Zeit ausgemacht, aber warum sagt sie dann nicht, die Tage mal oder so. Hab vorm Rechner gehockt und gezockt. Logisch. Und Pizza gesnackt. Zum Glück hat Mutter keinen ihrer Kochversuche gestartet.

Vielleicht ist Ida irgendwohin, wo Zeitverschiebung ist. Kann doch sein.

Denk ich halt an Mel. Klaro. Eigentlich heißt sie Melanie. Auch eine von Mutters Macken. Sport und so. Ein Junge muss ein Hobby haben. Hab ich halt Kickboxen. Die meisten im Club waren auf anderen Schulen oder auf keiner. Und dann gabs da halt Mel. Wir haben immer zusammen die U-Bahn bis zum Alex genommen. Logisch. Ohne nasse Pfoten und Pumpe. Ja, kann schon sein, dass das bei ihr so war. Und dann, voll Klischee, Mann, war aber so, geschworen, Trainingslager. So Beschäftigungstherapie in der Pampa. Mel ist jetzt keine Hübsche, aber mega gebaut. Das sagt man doch, wenn alles funzt und irgendwie heiß ist. Obwohl heiß gar nicht passt, wenn ich daran denke, dass ich Ida auch heiß finde. Und Ida ist mal so was von nicht Mel.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich wäre mit Ida im Trainingslager. Alter. Klaro, ich denk oft daran, so generell. Ist doch normal. Aber jetzt. Das ist echt fett übertrieben. Mann, ich könnte ausrasten. Warum schreibt die denn nicht. Mit Mel kann ich nicht mehr texten. Sie war der Megastalker. Von wegen Was machst du heute. Was machst du morgen. Ständig an mir dran. Wegen n paarmal rumfummeln und okie, wir haben es auch getan. Aber nur einmal. Und ich glaube, dass sie nicht gecheckt hat, dass es das erste Mal war. Für mich. Sie hat immer genau gesagt, was sie will und auch wann und so. Da konnte man gar nichts fragen. Oder sagen. Ich meine Sachen, die man so denkt, dass man die dann sagt, wenns in die letzte Runde geht. Nichts davon. Deshalb war es ja nachher umso krasser. Ihr Stalken. Ich hab mich einfach nicht mehr gemeldet. Sie war zum Glück eh nicht so oft online. Ist nicht so, dass ich nicht gern noch mal mit ihr. Ich mein, klaro, das war schon ziemlich der Hammer. Aber das Gelaber. Als ob ich den Alten Hallo sage und dann ihr Kinderzimmer. Nein, Mann, voll der Abturner. Da wars schon gut, dass sie schnell auf Abstand ist. Den Club hab ich an den Nagel gehängt. Nicht nur wegen ihr. Hat mich eh angeödet. Klaro.

 

4

Mutter hat die Biege gemacht. Skatabend. Freakshow in Dieters Stampe. Seit ein paar Jahren geht das so. Einmal in der Woche. Und es gibt echt nichts Gechillteres, als die Bude für sich zu haben. So ist Life echt nice.

Hoch in die Küche. Es ist Bier da. Seit ich sechzehn bin, hat sie nichts dagegen. Solang ich es nicht übertreibe. Obwohl ich glaube, dass sie das eh nicht mitschneidet. Und plopp. Mann. Nicht das Bier, das auch. Ida. Online.

IDA: Noch wach?

ICH: Klaro.

IDA: Bist du unterwegs?

ICH: Nee. Hab sturmfrei. Wann kommst du denn wieder?

IDA: Ich bleib die ganzen Ferien. Hab viel Zeit hier. ;-)

ICH: Fänd es nice, dich mal wiederzusehen.

IDA: Mach doch die Cam an. Dann ist das fast wie treffen.

ICH: Okie. Du auch?

IDA: Geht grad nicht.

Fuck. Jetzt kann ich ja schlecht nein. Und wieder nur Fürze im Hirn. Wie seh ich aus. Echt jetzt. Wie seh ich aus. Geht das so. Ich bin doch nicht meine Mutter, Mann. Cam an.

IDA: Trinkst du?

ICH: Logisch.

Macht die jetzt einen auf Erziehungspersonal, oder was.

IDA: Ich bin gern klar im Kopf. ;-)

Das find ich jetzt schon ein bisschen verkorkst. Aufm Stuhü hat sie das doch auch nicht gestört.

ICH: Soll ichs Mikro anmachen?

IDA: Hier schlafen alle. Schön, dich zu sehen.

ICH: Jepp.

IDA: Tolles Shirt.

ICH: Jepp.

IDA: Was steht da drauf?

ICH: Weiß nicht.

IDA: Guck doch mal.

ICH: Okie.

Guck ich halt.

ICH: Kanns nicht lesen.

Loch buddeln und rein da, Mann. Echt jetzt. Wenn das so weiter geht. Mann.

ICH: Sorry.

Das nächste Mal werde ich besser. Wenn es ein nächstes Mal gibt. So wird das eher eine Turboniete. Zieh ich mich hier einfach aus, oder was.

IDA: Wofür? Sieht doch hot aus.