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FRÖHLICHE

MÜNCHHAUSEN

ABENTEUER

 

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2018 GANZ NEU

ENTDECKT

DAS LITERARISCHE SUPERWERK DES JAHRTAUSENDS

 

1001

 

fröhliche

 

Münchhausen

 

Abenteuer

 

 

Zu Lande, zu Wasser und

zur Luft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht im Jahre der absoluten Ehrlichkeit 2018

Alle Rechte vorbehalten © Hans Jürgen Borgmann

 

 

 

Der einzig echte und ziemlich vollständige,

seinem Sekretär persönlich

und mit eigener Hand

in die Feder

diktierte

 

 

unglaublich WAHRE

Urtext der Abenteuer

des ehrlichsten

Lügenbarons

der Welt

BAND I

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KAPITELVERZEICHNIS

 

Vorwort des Verlags S. 10

 

Zur Einführung: Die wahre Geschichte der Familie von Münchhausen S. 11

 

I Kindheit und Jugend S. 14

II Meine Rückwärtsreise nach Russland S. 28

III Erlebnisse in Sibirien S. 55

IV Von Sibirien nach Petersburg S. 72

V Meine Erlebnisse in Petersburg S. 86

VI Abenteuer im Türkenkrieg S. 107

VII Abenteuer im Orient S. 121

VIII In der Levante S. 135

IX Abenteuer in Konstantinopel S. 149

X Abenteuer in England S. 171

XI Abenteuer auf dem Atlantik S. 187

XII Abenteuer vor Gibraltar S. 196

XIII Meine Reise nach Atlantis S. 207

XIV Abenteuer in Afrika S. 226

XV Abenteuer in aller Welt S. 237

 

Das vollständige Inhaltsverzeichnis

der einzelnen Geschichten

befindet sich

am Ende des

Buches

 

 

 

Vorwort des Verlags

 

In einer alten Truhe auf dem verstaubten Dachboden eines in völligem Verfall befindlichen Schlosses in Hodenwerder entdeckte der Denkmalpfleger Juan Jorge Ferdinando Borrowmann ein Konvolut von vergilbten Manuskriptblättern, das sich für ihn beim späteren Durchlesen zu seinem höchsten Erstaunen als der Originaltext der weltbekannten Memoiren des Freiherrn von Münchhausen entpuppte.

Ein oder zwei Schreiberlinge des 18. Jahrhunderts - lassen wir sie in Frieden ruhen - hatten sich anscheinend Teile davon in nicht ganz feiner Absicht angeeignet und zum großen Ärger des Barons unter seinem Namen veröffentlicht, wobei sie die Münchhausenschen Abenteuer in ein furchtbares und völlig verlogenes Durcheinander gebracht hatten.

Nun: Wir wollen nicht über Verstorbene rechten nach der alten römischen Weisheit „de mortuis nil nisi bene“, sind aber der felsenfesten Überzeugung, dass wir es nicht versäumen dürfen, die alternativlos originalen, fast vollständigen – und vor allem einzigartig wahren – Memoiren des Freiherrn von Münchhausen zur – hoffentlich großen - Freude unserer geneigten Leserschaft in die Öffentlichkeit zu bringen und als Frohsinn erzeugende Lektüre wärmstens zu empfehlen.

 

 

Zur Einführung

 

Die wahre Geschichte

der Familie von Münchhausen

Autor

Anonymus Clarus

 

Bekanntlich trug der uralte griechische Philosoph Heraklit den Beinamen „Der Dunkle“. Dies hatte seinen Grund vor allem darin, dass er seine weisen Sprüche recht unverständlich aussprach, weil er ständig lallte und die Sprüche deshalb reichlich rätselhaft klangen - was möglicherweise an übermäßigem Weingenuss gelegen haben könnte. Daher trug er nicht nur den Beinamen „Der Dunkle“, sondern auch den Spitznamen „Heraklit, der Lallit“. Seine Nachkommen wollten nicht unbedingt Herakliten heißen, eben wegen seiner Lallerei, und nannten sich darum aus völlig unverständlichen Gründen „Lalen“. Unter diesem Namen verließen sie schleunigst das antike Griechenland und breiteten sich auf dem ganzen Erdball aus, wobei sie aber so vorsichtig waren, sich ein Zentrum in Gestalt einer Stadt zu schaffen, die sie in einer völlig unbekannten Gegend unseres Planeten ansiedelten und „Laleburg“ nannten. Dadurch hatten sie eine Art Heimstatt geschaffen, wo sie sich regelmäßig zu Beratungen trafen und wohin sie flüchteten, wenn irgendein bös gesonnener Übeltäter ihnen an den Kragen und ans Leben wollte. Überall waren sie hoch angesehen wegen ihrer Weisheit und klugen Ratschläge. Doch sie mussten erkennen, dass zu viele der so genannten „großen“ Herrscher der Welt dumm, arrogant, hinterfotzig, kriegslüstern und vor allem geil waren auf Geld und Macht (oder umgekehrt), sowie auf Frauen, Männer und Tiere und die guten Ratschläge der Lalen missachteten, sofern deren Weisheit ihren primitiven Instinkten widersprach. Darauf beschlossen die Lalen während einer Ratssitzung in Laleburg, sich nur noch der Narretei zu widmen und den Mächtigen einen Streich nach dem anderen zu spielen, um ihnen ihre tierische Blödheit vor Augen zu führen. Da Laleburg inzwischen den Machthabern durchaus bekannt war, verließen die Lalen eines Nachts bei Neumond und totaler Sonnenfinsternis im vollen Schein besagter Gestirne ihre Stadt und gründeten eine neue, der sie den Namen Schilda gaben. Dort heckten sie gewaltige Streiche aus und erdachten ganz verrückte Lügenmärchen. Die besten verzeichneten sie in einer geheimen Schrift mit dem Namen „Lalebuch“, das bisher jedoch kein Mensch zu Gesicht bekommen hat.

Ein Stadtteil von Schilda hieß „Flunkhusen“, und darin lebte eine Familie, die ganz besonders begabt war, dumme Streiche zu ersinnen. Ein Mitglied dieser Familie, ein gewisser Jan van Flunkhusen, zog in die Welt, trieb überall viel Unfug und foppte alle Potentaten mit seinen Possen und dummen Späßen. Da er aufgrund seiner Lügenmärchen und üblen Schelmereien schon in ganz Europa bekannt war, obwohl er des Öfteren seinen Namen wechselte - unter anderem hieß er „Till Ulenspegel“, „Schelmuffsky“, „Simplex Simplizissimus“, „Pantagruel Pantagruelissimus“, „Narrator Narretissimus“, „Lukian der Lukiantiker“, „Alcofribas der Nasieriker“ -, und weil er fürchten musste, dass ihm die Inquisition – bestehend aus einem Haufen zynischer Pfaffenaffen in Weiberklamotten - auf die Schliche kam und ihn wg. satirischer Landschaftspflege in Gestalt seiner Schabernackiaden bösen Sinnes auf den Scheiterhaufen bringen würde wie den armen Filippo Bruno, siedelte er sich irgendwann in einem winzigen Kuhbullenkaff namens Hodenwerder an, wo sich Kuh und Bulle nie gute Nacht brüllten, es aber trotzdem taten. In Hodenwerder stand ein altes, seit Jahren unbewohntes und dem Verfall nahes Kloster - genannt „Mönkhus“ -, in das er einzog. Und weil er überall bekannt und verschrien war wie ein bunter Hund, gab er sich einen neuen Namen und hieß fortan „Jan van Mönkhusen“. Er nahm sich – wie weiland Mohammed - eine reiche Witwe zur Frau, ließ sich von ihr mehrere Kinder gebären und lebte fortan still und unerkannt vor sich hin bis er – eigentlich recht zufällig – beim Lachen über einen dummen Witz vom Stuhl fiel, sich das Genick brach und zufrieden über sein gelungenes Leben verstarb. Seine Nachkommen zeugten auf ganz natürliche Weise Kinder, die wiederum zeugten als Erwachsene neue Kinder, deren Sprösslinge weitere Nachfahren und so ging das Kinderzeugen in der Familie munter fort. Allerdings war bei den „van Mönkhusens“, - oder später „von Münchhausens“ – erstaunlicherweise nie erkennbar, ob die Männer mit ihren Frauen oder die Frauen mit ihren Männern dafür sorgten, dass immer neue Nachkommen entstanden. So lebten sie die folgenden Jahrhunderte unauffällig und ruhig dahin, ohne dass in der Familie das Erbe des Jan in irgendeiner Form bekannt geworden wäre. Bis sich am 17. Mai 1716 eine wahrhaft gigantische Explosion des flunkhusenschen Gens ereignete, deren Wirkung sich auf der ganzen Erde und im gesamten Universum zeigen würde, denn an diesem Tag wurde Knut Blöderich Sokratorix Freiherr von Münchhausen geboren, der später den schmückenden Beinamen „Der Lügenbaron“ erhielt, ein Titel, der nicht im geringsten die Wahrheit darstellt, denn alles, was der Baron erlebt, geschrieben und gesprochen hat, ist so ungemein ehrlich und ohne jede verlogene Absicht berichtet, dass man sich nur wundern kann ob der Wahrhaftigkeit seiner von ihm selbst erzählten und völlig glaubwürdigen Abenteuer. Hier folgen seine außerordentlich wahren und vor allem echt originalen Erlebnisse in schriftlicher Form aus seinem eigenen Munde.

 

 

 

KAPITEL I

 

Kindheit und Jugend

Schon vor der Geburt ein wahres Genie

 

Noch im Mutterleib beschloss ich, als ehrlichster Mensch aller Zeiten weltberühmt zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen bedarf es jedoch, wie jeder Vernunftbegabte sofort erkennt, einer geradezu unglaublichen Fähigkeit, nämlich der, nie im Leben zu lügen.

Allerdings schwante mir damals bereits, dass alle Menschen unter einer ganz besonderen Sucht leiden, die daran zu erkennen ist, dass sie sich ausnehmend gern beschwindeln lassen und mit der Wahrheit höchst ungern behelligt werden möchten.

Unter Beachtung dieses Aspektes der menschlichen Psyche und seiner tief greifenden Problematik beschloss ich, mit der ehrlichen Lüge als philosophischem Werkzeug die unergründliche Flachheit des Seins und die Wahrheit seiner vielfältigen Ereignisse so stark ans Licht der Erkenntnis zu bringen, dass niemand sie durchschauen kann.

Denn Eines war mir bewusst: Lüge und Wahrheit müssen sich mischen, damit die Lüge nur schwerlich erkannt wird und deshalb die Wahrheit umso klarer zum Vorschein kommt, was jeder Hinternzimmer-Politiker durchaus weiß.

 

Weil mir besagtes Gelass im Leib der Mutter jedoch nicht sonderlich geeignet erschien, meine grandiosen Fähigkeiten wirksam werden zu lassen, befreite ich mich so schnell ich konnte aus dem dunklen und mit Flüssigkeit gefüllten Gefängnis, das mir – nebenbei gesagt – auch irgendwie den Atem nahm. Nachdem ich eine gewisse Größe erreicht hatte, begann ich daher, mit den Füßen zu strampeln und meine Fäuste auf der Suche nach einer Öffnung in die weichen Wände dieser Gummizelle zu stoßen und plötzlich, ohne dass ich recht wusste wie, rutschte ich durch einen engen Kanal ins Licht der Welt und an die frische Luft, die ich beide mit einem fröhlichen Schrei der Überraschung begrüßte. Als ich nach diesem Akt der Befreiung an der warmen Brust meiner Mutter lag, blinzelte ich sie sofort freundlich an, um ihr verständlich zu machen, dass ich große Sympathie für sie hegte, was sie glücklich lächelnd zur Kenntnis nahm und mich mit einer gewaltigen Menge Milch versorgte, worauf ich in aller Eile zu einem strammen Bengel heranwuchs.

Genial wie ich damals schon war, lernte ich mit zwei Jahren die Bassgeige spielen, mit drei Klavier, Orgel, Violine, Posaune, Tuba und sonstige Musikinstrumente, und dies alles rein geistig, ohne dass ich sie je zu Gesicht oder in die Hände bekam. Der Grund hierfür lag darin, dass ich bereits im Mutterleib musikalisch vorgebildet worden war. Dort hörte ich nämlich täglich mehrmals die Glocken läuten, was wie „Ding Dong“, manchmal auch wie „Dong Ding“ klang und mir doch etwas befremdlich erschien, vor allem, weil es sehr häufig in ein wildes Durcheinander wie Dingelidongelidingdudelidadelieierreidideleiduedelunddaddelei geriet, so dass ich mich fragte, wer da ständig den Glockenstrang stramm zog und solch ein verrücktes Geläut erzeugte.

Nun, als ich in der Welt war, erkannte ich den Grund: Meine Mutter war außerordentlich musikbegeistert und hatte sich zwei Glöckchen in den Bauchnabel piercen lassen, um mich schon während der Schwangerschaft an schöne Geräusche zu gewöhnen, denn sie wollte, dass ich ein echter Musikus würde. Aus rein pädagogischen Gründen hatte sie daher, während sie mit mir schwanger ging, meinen Vater täglich mehrmals und zu beiderseitigem größten Vergnügen auf ihr die Glocken läuten lassen.

Später lernte ich bei Johann Sebastian Bach in Leipzig Harmonie- und Kompositionslehre, bei Gluck anlässlich seines Besuchs im Schloss meiner Eltern die Kunst der neuen Oper und bei Georg Friedrich Telemann Kammer-, Klavier- und Orgelmusik in seinem Collegium musicum in Hamburg, wo ich das „bassum incontinuum“ entwickelte, also das „Schrumm, schrumm, unten rum“, wobei nicht jeder weiß, was damit gemeint ist. Wie dem auch sei: Mein „Schrumm, schrumm, unten rum“ ist seitdem unbedingtes Beiwerk jeder „musica amoralis“, was jeder einigermaßen gebildete Mensch durchaus weiß.

Danach komponierte ich eine große Zahl Sinfonien, Opern, Oratorien, Kantaten, viele Divertimenti und concerti furiosi, die bekanntlich heute noch - wenn auch unter den Namen der Komponisten Torelli, Vivaldi, Aldenti, Grandiphalli, Cholestererini, Zucchini, Garibaldi, Ravioli, Mussolini, Adolfini, Bungaclowni, Botticelli, Alcofani, Tortellini, Sabbatini, Bitelini, Rolingstoni und - nicht zu vergessen - des panischen Udolindi - in der ganzen Welt aufgeführt werden. (Zum Beispiel war mein weltbekanntes „Capriccio Forzato“ das Vorbild für die Händelsche „Feuerwerksmusik“. Der alte Schlingel hatte damals stark bei mir abgekupfert, und so manches Stück aus diesem Werk ist reiner Münchhausen. Aber sei’s drum: Auch später blieb er mir ein väterlicher Freund, als ich mich in London aufhielt.) Ich war also damals bereits noch als Jungbursche ein musikalisches Wunderkind, was meine Mutter natürlich darauf zurückführte, dass sie meinen Herrn Papa während ihrer Schwangerschaft täglich mehrmals die Glöckchen auf ihr hatte bimmeln lassen.

 

Die pommersche Haustante

 

Eine meiner damaligen Gouvernanten war eine kleine, fette und ausgesprochen hässliche Alt-Juffer aus Pommern, die zwar keine Kinder geboren hatte, aber so tat, als ob sie die Amme aller Gören der Welt zu sein bereit wäre, was ja rein biologisch schon ein Unding war. Da sie so außerordentlich feist war, hatte sie ein Bekannter meiner Eltern, der eine gewisse Neigung zu satirischer Poetik besaß, zum Opfer eines etwas gemeinen Zweizeilers werden lassen:

„Das Fett quillt ihr aus allen Poren,

als „Schmalz“ sogar aus ihren Ohren.“

 

Gegenüber meinen Eltern war sie eine unterwürfige, liebedienerische, aus den Mundwinkelsabberrinnen triefende, heuchlerische Wendehälsin, wurde aber zur ekligen Furie, wenn es darum ging, innerhalb der Dienerschaft ihre von Egomanie, Machtwahn und Verschwendungssucht geprägte Stellung zu erhalten.

So manchen männlichen Untergebenen ekelte sie aus dem Amt, einfach deswegen, weil er ihr nicht gefiel.

Weibliche Bedienstete hingegen entließ sie trotz offensichtlicher Betrügereien nur zwangsweise und unter Vergießen gewaltiger Tränenflüsse und verschaffte ihnen anderswo sehr einträgliche Pöstchen, zumeist sogar auf Kosten meiner Eltern, die von diesen Hinterfotzigkeiten nichts ahnten. Viele kluge Menschen nannten solches Tun „korruptives Verhalten“. Sie selbst sprach allerdings immer von „Freundschaft erzeugenden Maßnahmen“.

Ansonsten trug sie den Spitznamen „Venus von Pemplin“, der aber nicht so zu verstehen war, dass man ihre Körperlichkeit mit der wunderschönen und weltbekannten „Venus von Milo“ verglich, sondern eher auf die Ähnlichkeit ihrer Proportionen mit denen der „Venus von Willendorf“ hinweisen wollte.

Sie besaß ein ausnehmend dummes Gesicht voll schluchtenartiger Falten, die sie mit Unmengen von Schminke zuschmierte; außerdem schlaffe Brüste, einen riesigen Hintern und hässliche Beine, weswegen sie nie wagte, kurze Röcke zu tragen, sondern sich immer nur in weite, wallende Gewänder hüllte, unter denen sie sogar Hosenanzüge trug.

Da sie gewisse physikalische Kenntnisse besaß, unter anderem über die Wirkung der „Schwerkraft“ und der daraus resultierenden Fallsucht gewisser „Äpfel“, quetschte sie bei größeren Festivitäten ihre schlappen Dutten durch darunter geschnallte Polster künstlich hoch und zeigte sie dann stolz in langen Kleidern mit riesigem Ausschnitt, was ihr bei einem bestimmten Fest in nördlichen Gefilden gewaltiges – wenn auch völlig ungerechtfertigtes – Aufsehen einbrachte.

Da sie – wie erwähnt - ein kinderloses Altweib war, bekam sie ständig Hitzewallungen. Diese führten dazu, dass sie zu achtunggebietenden Schweißabsonderungen imstande war. Nicht nur unter den Achseln gab sie diese Körperflüssigkeit von sich, was man anlässlich ihres Besuches gewisser altgermanischer Grölorgien in Brüllreuth, einem verschlafenen Städtchen im verschlafenen Südosten unseres Landes, beobachten konnte, sondern sie feuchtete auch woanders, weswegen sie nie besonders gut „roch“, um nicht ein schlimmeres Wort zu benutzen. Darum vermieden alle so gut es ging, ihr nahe zu kommen. Diese „Düfte“ waren der Grund, sie hinter vorgehaltener Hand zum „Club der Ungeküssten“ zu rechnen.

Mich dagegen meinte sie ständig umarmen zu müssen, was mir aus den genannten Gründen äußerst unangenehm war, wie sich jeder denken kann, zumal sie wenig davon hielt, sich täglich zu waschen, -vor allem an „bestimmten Stellen“ - weil ihr, wie sie behauptete, das Wasser zu nass sei. Da sie aber so ungemein schwitzte, hegte ich schon den Verdacht, dass sie zum Orden der „warmen Schwestern“ gehörte, mit dessen „MitgliederInnen“ sie sich gern umgab und mit ihnen „verkehrt verkehrte“, wie sie scherzhaft zu verstehen gab; Scherze, die ich aber nicht recht verstand, ebenso wie ihren Spitznamen „Laputalesbiana“. Nun ja.

Besagtes Schreckgespenst von Gouvernante trug ausgerechnet auch noch den etwas eigenartigen Vornamen „Bangelina“ – was ja nichts anderes bedeutet als „Bengelchen“ – und dieses „Bengelchen“ ließ mich immer an seinen prallen Hinternbacken lauschen auf die Geräusche, die es dort produzierte. So kam ich in meinem kindlichen Gemüt zu der Meinung, dass bestimmte Frauen aus dem After heraus denken können, allein deswegen, weil sie fähig sind, mit dessen Öffnung Töne zu erzeugen und auf solche – wenn auch etwas wunderliche Weise - zu sprechen; und Sprache, dies weiß jeder kluge Mensch, ist schließlich immer ein Zeichen von Intelligenz.

Ich hatte schon das absolut sichere, ja geradezu absurd alternativlose Gefühl, dass dort etwas Besseres herauskam als hineingelangt war, musste dann aber entsetzt erkennen: Alles, was herausquoll, war mit üblem, ja furchterregend analem „Mundgeruch“ verbunden und stank pestilenzialisch nach Abort, worauf ich sofort auf Distanz zu ihr ging und zeitlebens nie mehr hinter ihr stand.

Später, als Erwachsener, durfte ich allerdings zu meiner größten Freude erleben, dass die schönen Frauen ihr echtes Gehirn, mit dem sie am liebsten „denken“, weiter vorn sitzen haben, so dass ich gern bei vielen Damen mit diesem Denkorgan zu beiderseitigem, großem Vergnügen sehr häufigen Gedankenaustausch pflegte. Aber darüber schweigt natürlich der anständige Kavalier und protzt nicht herum wie ein vergreister, übrigens auch aus Pommern stammender und in den Diensten meiner Eltern aufgeblasener Windsack, der noch lebt, weshalb ich seinen Namen tunlichst nicht erwähne. Dieser ehemalige Pastor, ein Zwerg von Gestalt, aber ein Riese an Großmäuligkeit, ein gewohnheitsmäßiger Schwätzer, Schwadroneur, Saufaus und Vorgaukler auf dem Kanzelthrönchen, der die Füllung des Hohlkörpers auf seinem Hals, die aus einer exorbitant minimalen Nanomasse besteht, als sein „Gehirn“ bezeichnet, wobei er völlig übersieht, dass sie - infolge seiner Saufausserei - so weich ist wie ein zu stark gekochter Blumenkohl. Er ist ein geradezu entsetzlicher Blöd-Jockel, der überall herumprotzt, er könne den von mir erwähnten „Gedankenaustausch mit der holden Weiblichkeit“ aufgrund der Einnahme gewisser Pillen mindestens ein einziges Mal pro Monat schaffen, ohne müde zu werden. Deswegen heißt er in Damenkreisen unter anderem „das Rostocker Flitz-Jockelchen von Pfaffengaukelhausen“, was natürlich eine Anspielung auf die außerordentliche Schnelligkeit seines „Denkens“ und seinen beruflichen Werdegang ist, wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass er den Spitznamen „krächzende Schnapsdrossel“ trägt, weil er die klaren Weizenextrakte liebt und nach ihrem Genuss nur noch aus tiefster Kehle von „Fraihait für alle und Fraihait für alles“ gurgeln kann.

Solche Hohlbeutler, Lügenbolde, Maulfurzler, Leerhirnler, Hosentrompeter, Aufschneider, Nulldenkler, Faselbuben, Negativler, Korruptiker, Schwindelhuber, Zungendrescher und – man lese und staune -: Rodomontesistiker sind mir wirklich ein entsetzliches Gräuel, so wahr ich Münchhausen heiße!

Nebenbei erwähnt: Nach endloser Pöstchenhuberei der schmierigen Gouvernante erkannten meine Eltern, welch ein durchtriebenes und intrigantes Weibsbild sie über lange Zeit belogen und betrogen hatte, und jagten das furzunkenhaft-hässliche Ungeheuer zusammen mit dem albernen Schwatzpfaffen unter Schimpf und Schande aus dem Schloss.

Leider hatten beide Anspruch auf eine lebenslange Pension, so dass sie meinen Eltern unverdienterweise noch eine Ewigkeit auf der Tasche lagen.

 

 

 

Meine Schulzeit

 

Als ich neun Jahre alt war, gaben Vater und Mutter mir ungefähr zwanzig bis dreißig Hauslehrer. Demgemäß lernte ich wie im Fluge neben der deutschen Sprache perfekt französisch, englisch, lukianisch, spanisch, italienisch, polnisch, russisch, gargantuanisch und pantagruelisch, serbokroatisch, dänisch, norwegisch, schwedisch, finnisch, baskisch, türkisch, plattdütsch, - allerdings nur „up’m Hoff“, – weiter alle dreihunderttausend chinesischen Dialekte sowie indisch, arabisch, polynesisch, afrikanisch, indianisch; außerdem wurde ich geschult in allen Wissenschaften, die zu meiner Zeit wichtig erschienen, also Physik, Chemie, Mathematik, Abrakadabraistik, Logik, Nasologie, Philosophie, Najalogie, Achgottistik, Geografie und Geologie, Knofelogie, Biologie, Auweiatrie, Astronomie und Pornographie sowie Bramarbasie, und alles dies nur nebenbei, denn mein Leben war in Wirklichkeit gefüllt mit kindlichen Doktorspielchen, die auf den Bauernhöfen der Umgebung häufig in dunklen Ecken von Scheunen im weichen Heu stattfanden und die mir, meinen Freunden und unseren Gespielinnen immer sehr viel Spaß machten und mich auf die Unwägbarkeiten des echten Lebens durchaus vorbereiteten.

Ich kann also, ohne zu übertreiben, behaupten, der einzige Mensch meiner Zeit zu sein, der bereits im Alter von neun bis zehn Jahren alles Wissen der Menschheit in sich vereinigte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ich als Zehnjähriger bereits wohl gerüstet war für den Kampf des Lebens, den ich in einer Kadettenanstalt Berlins kennen lernte. Innerhalb nur weniger Tage absolvierte ich den sonst Jahre dauernden soldatischen Ausbildungsgang und war schon Offizier, bevor ich es überhaupt wusste.

 

Das Studium

 

Nach Hause zurückgekehrt, musste ich erkennen, dass ich als Soldat kein Geld verdienen konnte, weil man erstaunlicherweise gerade nirgendwo auf der Erde einen Krieg führte, was mir – um ehrlich zu sein – auch ganz recht war. Daher begab ich mich von Hodenwerder aus zur von meinem Onkel Gerlach Adolph geschaffenen Universität im nahe gelegenen Göttingen und erwarb dort innerhalb eines einzigen Semesters aus lauter Langeweile diverse Doktorgrade in Albernistik, Laberlogie, Koboldistik, Dummologismus, Aleatorik, Konsequentologie, Ulkistik, Promenadologie, Flatulenzistik, Schlimmologie, politischer Schleimitis und deren furchterregenden Folgen, lagadonischer Kackistik, Theolohohlhirnologie und Bürokratidiotie, Etepeteteristik, (hier schrieb ich sogar eine Habilitation), zudem in Humbugistik, Kannschonseinologie, Prosopographie, Ichomanie und Reibachistik, Rülpsologie, Angeberistik und derlei Wissenschaften, die eigentlich zu nichts taugen, außer, dass sie den Menschen in die Lage bringen, weniger hoch- dafür umso mehr tiefgeistigen Unsinn zu verzapfen. Neben anderem entwickelte ich innerhalb kürzester Zeit nicht nur die Farbenmathematik, sondern auch die Minus-Null und die Plus-Null, was viele professorale Rechenkünstler in hellste Aufregung versetzte, weil sie nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen waren. Als ich dann aber auch noch die Plus-Minus-Null und die Doppel-Null erdachte, gerieten sie völlig aus dem Häuschen vor Neid und Missgunst und versuchten mir, der ich ja eigentlich noch Student war, allerlei Knüppel zwischen die geistigen Beine zu werfen. Vor allem die Erfindung der Doppel-Null brachte die verquasten Pseudogelehrten - unter Führung eines gewissen Professors mit dem schönen Namen „Anus Praeter“ - derart in Rage, dass sie – nur um mich zu ärgern - diese zwei Ovale an die Türen der „stillen Örtchen“ hängten, in denen sie mit entblößten Rückwärtigkeiten und ganz im Widerspruch zum Namen der Gelasse ihre wahre Geistigkeit dadurch bewiesen, dass sie unter mächtigem Krach, Rumoren und gewaltigen Explosionen jenes Unaussprechliche hinaus donnerten, das hinten gewöhnlich zum Vorschein kommt. Der Missbrauch dieser so außerordentlich wohlgeformten Ovale hat sich gemeinerweise und zu meinem größten Bedauern fast in der ganzen Welt verbreitet, so dass sie heute an den Türen beinahe aller wissenschaftlichen Brummanstalten zu finden sind. Ich kann dies nur als ästhetischen Trugschluss der Menschen deuten, weil sie in gewisser Weise an die mehr oder weniger schönen Ovale erinnern, die man auf dem bekannten, großen Oval platziert und zwischen denen dann das oben bereits Erwähnte hervorquillt, welches hoffentlich schnell mit knatterndem Schall und formvollendetem Duft im Orkus alles Endlichen verschwindet. Ich jedenfalls verdammte diese wissenschaftlichen Hohlköpfe mit dem Fluche eines meiner Vorfahren: „Totschlago vos sofortissime, nisi vos benehmitis bene“. Doch sie hörten nicht auf mich und so verlegte ich mich – vor allem, um ihren gemeinen Nachstellungen keinen Anlass mehr zu geben -, auf andere Gebiete und erfand ganz nebenbei die Verkreisung des Quadrats sowie das Kugelbuch, entwickelte eine besondere, nämlich zweigeschlechtliche Kunst, die feminine der Fuge und die maskuline des Unfugs, den mann mit ihr treibt; das ein- und ausgangslose Labyrinth, die Dezimierung des Pentagons, den täglichen Stuhlgang, die Denkerei des Ungedachten, die „heidnische Musik in Gotteshäusern“ sowie die lesboralen Späße in Nonnenklöstern; des Weiteren eine besondere Art der Rhetorik, die mir später jemand gestohlen hat und die wegen falscher Anwendung als Krankheit der „Salbaderitis nuttenbergensis“ in die Geschichte des blöden Schwätzens eingegangen ist. (Der Ideendieb hat sich für diese „Leistung“ von irgendwelchen universitären Trotteln sogar zum „Dok-Tor“ promovieren lassen. Allerdings wurde ihm zu Recht der Titel „summa cum klaude“ verliehen.) Ferner entdeckte ich die Entschleunigung des Lebens, die in die Wissenschaft der Methusalemalistik mündete, das Perpetuum mobile (dessen Konstruktionszeichnungen ich dummerweise auf einer meiner Weltreisen verloren habe), entwickelte zur Freude aller Klempner die „makkaronische Dichtung“, bei der aneinander geschraubte Makkaronistangen in undichte Wasserrohre geschoben werden und so für einen vortrefflichen Wasserdurchlauf sorgen, die kammeralistische Schnarchmusik sowie die Fersuhr, die um die Ferse gebunden wird, damit man beim Rückwärts-Gehen immer die Tageszeit erkennen kann; außerdem den philosophischen Leichtsinn, die reduktionatorische Intellenz und den „furor sapiens“ – falls ihn nicht schon jemand vor mir erfunden hat - , sowie die aufblasbare Zirpgeige und das Taschenbillard, ein Spielchen, das ich häufig mit den Damen des Adels trieb und zwar zu ihrem und meinem höchsten Ergötzen, wobei sie am liebsten mit dem Queue spielten, wofür ich volles Verständnis hatte.

 

 

 

Der verklemmte Gedanke

 

Eines Tages stürmte ich in der Universität mit jugendlichem Schwung eine Treppe hinab, stolperte und stürzte mitten zwischen zwei Professoren, die gerade in ein wissenschaftliches Gespräch vertieft waren. Ich riss die beiden würdigen Herren zu Boden, und unsere Glieder verkeilten sich derart, dass wir uns nicht voneinander lösen konnten. Dies scherte die zwei aber nicht im Geringsten, und so war ich gezwungen ihrem Disput zu lauschen. Sie besprachen gerade ein geistig-körperliches Problem, das vielen ihrer Kollegen widerfahren ist, widerfährt und widerfahren wird: Sie redeten nämlich über verklemmte Gedanken in ihren Hirnen. Das außerordentlich tiefschürfende Gespräch dieser wahren Meister der Edel-Logizistik will ich trotz meines phänomenalen Gedächtnisses nicht vollständig und in aller Länge wiedergeben. Ich darf aber festhalten, dass einer der Disputanten ein Professor namens „Schwach“ war und der andere ein Doktor, der den feinen Namen „Sinn“ trug und ein ausgesprochener Schönling war, was er noch dadurch unterstrich, dass er seine Glatze mit einer „Schifferkrause“ schmückte.

Später erfuhr ich, dass diese zwei Starkdenker die Erfinder der „Phlosophie“ waren, einer hochedlen Disziplin der Ein- Durch- und Ausdenkerei, die später als „Schwachsinnistik“ in die Welt der Wissenschaften einging und nichts – dies schwöre ich beim Blute meines klopfenden Herzens – zu tun hat mit dem üblichen Unsinn, den die meisten „Wissenschaftler“ im allgemeinen von sich geben. Denn viele aus dieser Clique bezeichnen ja das, was sie beim Genuss von Bier, Wein und Schlimmerem vor sich hin phantasieren, als Wissenschaft, wobei jeder vernünftige Mensch sofort erkennt, dass sie nur von den berühmten „weißen Mäusen“ reden, mit denen sie ja bekanntlich in ihren Laboren – sprich: Kneipen - ständig herumexperimentieren.

Ich mischte mich in das hochgeistige Gespräch ein und machte den zwei außerordentlich gelehrten Dozenten den freundlichen Vorschlag, sich doch einfach einen völlig leeren Gedanken zu denken, diesen an den verklemmten heranzuführen und mit Hilfe des Vakuums des Leergedankens den eingekeilten Gedanken aufzusaugen und wieder flott zu machen.

Sie starrten mich erstaunt an ob der verblüffenden Einfalt meines Vorschlags und versprachen, ihn in Form eines Gedankenexperiments sofort zu prüfen. Später erhielt ich einen Brief von ihnen, in dem sie sich überschwänglich bei mir bedankten, denn mit dem Vakuumgedanken hätten sie ihre geistige Verklemmtheit augenblicklichst beseitigt. Außerdem boten sie mir die Leitung eines wissenschaftlichen „Instituts für allgemeine Glaubwürdigkeit“ an, um über das Thema ihrer geistigen Verklemmtheit zu promovieren. Ich lehnte dankend ab, da ich ja bereits diverse Doktortitel vor meinem Namen hertragen musste, was mir, um ehrlich zu sein, langsam zu beschwerlich wurde.

(Wie ich später hörte, hatten sie kurz darauf einen gewissen „Dünnmann“ mit der Leitung des Instituts beauftragt. Dieses fröhliche Menschlein stammte aus Intelligenzentzien, der Hauptstadt einer Region weit unterhalb des Wendekreises des IQuators und war entsprechend seiner Herkunft begabt in einigen, eigentlich durchaus sehr wenigen, Dingen. Ihm war allerdings durch eine misslungene Operation an einem lebenswichtigen Organ - sie betraf die Vergrößerung einer winzigen, warzenähnlichen Vorstülpung zwischen den Oberschenkeln seines Körpers - der Lebensmut abhanden gekommen.

Dieser „Dünnmann“ - übrigens ein Verehrer des römischen Gottes „mutunus tutunus“, (auf Deutsch: „Furzender Penis“) - stellte dann mit großen Bildern unbekleideter junger Damen und außergewöhnlich kargen Worten die Wirklichkeit des Lebens so glaubwürdig dar, dass er sich selbst daran erfreute, und deswegen seine winzige Vorstülpung immer größer wurde, – vor allem dadurch, dass er sie beim Betrachten der entblößten Damen ständig mit seinen Händen pflegte. Aber dies sei nur nebenbei erwähnt.)

Statt mich also mit wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit zu befassen, gründete ich eine Akademie für Fressologistik und Analogie. Erstere befasste sich fachlich kompetent mit dem Einführen von Nahrungsmitteln in den Verdauungstrakt; letztere äußerst virtuos mit dem Ausführen derselben aus demselben. Leider verhunzten später bestimmte Labermäuler und Handwerker meine außerordentlich tolle Idee zur völlig absurden Lehre des künstlerischen Zwiebeln Schälens und Knoblauchzehen Hackens, was mir jetzt noch die Tränen in die Augen treibt und mich die Nase rümpfen lässt vor so viel Unverstand. Nach Abschluss meiner Studien reiste ich von Göttingen nach Hodenwerder zurück. Unterwegs machte ich in Einbeck eine kurze Pause, erlernte dort die Kunst des Bockbierbrauens und wurde zum Braumeister ernannt.

Bei meiner Reise umkurvte ich mit aller Vorsicht eine Region, die von sich behauptete, „Bielefeld“ zu heißen. Zwar war sie noch nie jemandem zu Gesicht gekommen, weswegen dieses „Nichts im Sein“ als große „Bielefeldverschwörung“ weltweit größte Anerkennung genießt, wo doch jeder einigermaßen mit Vernunft begabte Mensch sofort erkennt, das diese Nicht-Existenz des ontologischen Unsinns nur ein kleinerer Riss im Furz eines Flohs aus Paderborn ist.

Sei’s drum: Unberührt von solch bodenlosem Schwachsinn ostwestfälischer Dumpfköpfler, packte mich, zuhause angelangt, das pubertierende Fernweh. Als junger Mensch ist man schließlich auf Abenteuer erpicht, die ein echter Jungmann – wie er glaubt - nur in der Ferne erleben kann. Da ich viel von den riesigen, unerschlossenen Weiten des russischen Zarenreiches gehört und gelesen hatte, beschloss ich kurzen Geistes, mich dorthin aufzumachen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KAPITEL II

 

Meine Rückwärts-Reise nach Russland

 

Ich reiste nicht etwa, wie es das Narrengeschwätz behauptet, das gewisse Lügenbolde über mich verbreitet haben, mitten im Winter durch Norddeutschland, Polen und das Baltikum nach Sankt Petersburg, der Hauptstadt Russlands.

O nein! Die reine Wahrheit klingt ganz anders: In Wirklichkeit näherte ich mich dem Zarenreich sozusagen in doppelter Weise von hinten. Ich hatte nämlich für kleines Geld bei einem Pferdehändler aus Mühlen bei Dinklage einen wundersamst begabten Gaul erstanden, einen rassigen Oldenburger, der allerdings nur rückwärts galoppieren konnte, weswegen ihn niemand hatte kaufen wollen. Auf diesem Pferd namens „Schockegoilchen“ brach ich also auf, von Hodenwerder aus gesehen in Richtung Nordseeküste, genauer gesagt: nach Bremen, durchquerte im Rückwärtsgalopp einen der gewaltigen und deswegen weltberühmten Oldenburger Palmenwälder, trank vor der Abreise im Bremer Ratskeller in Gesellschaft eines gewissen Roland noch ein Fläschchen Muskateller, ließ mir dabei von den Bremer Stadtmusikanten ein Ständchen bringen, trabte dann – leicht angeheitert und schwankend, wie ich zugeben muss –, mitsamt meinem Ross an Bord eines Nudelklippers und segelte in ostwestlicher Richtung nach Kap Hoorn, der südlichsten Spitze Amerikas, wo ich mich und mein Reittier mitten im stärksten Orkan des Jahrtausends an der Steilküste Feuerlands ausschiffen ließ.

Patagonische Riesen, ein „Feuchtgebiet“ und Humboldt

 

In Eilritten durchquerten mein Gaul und ich im Rückwärtsgalopp ganz Süd- und Mittelamerika in Richtung Alaska, das ja zu meiner Zeit zum Zarenreich gehörte und sozusagen das Hinterteil Russlands darstellte. Dabei führte ich im Vorüberreiten ein kurzes Gespräch mit den sagenhaften patagonischen Riesen – auch kleine Gargantuanen genannt -, das für mich jedoch nicht sehr erfreulich verlief, weil sie mich als Zwerg verspotteten, der ihnen nicht mal an die Knie reichte, wobei sie meine geistige Größe völlig verkannten.

Dann ritt ich durch das Pantanal, ein Feuchtgebiet mitten in Südamerika, wo vorn die Nassmaul-Frösche schmatzen und hinten die Anus-Unken grunzen; eine Gegend, die von den preiswerten Bioforscherinnen Catherine Milletputana und Charlotte Röchel-Hämorrhoidilie sehr ausführlich untersucht wurde, wobei sie bemerkenswerte, vor allem äußerst wissenschaftliche Erkenntnisse gewannen, die ihrem Geldbeutel eine durchaus angenehme Füllung verschafften.

Außerdem machte ich eine Fünf-Minuten-Pause in den Anden, während der ich meinen alten Studienfreund, den großen Naturforscher Alexander von Humboldt traf, mit dem zusammen ich in aller Kürze den Chimborasso bestieg, das bei vollem Tageslicht in schwarz-weißen Edelfarben glühende Zebra-Glühwürmchen sowie den ganz erstaunlichen Salamander Katzlfurzlkoetl entdeckte, der in der Lage war, nicht nur seinen Schwanz ständig zu erneuern, falls dieser abbrach – welch ein wunderliches Ereignis für alle männlichen Säugetiere! (aber der Salamander ist ja kein solches) -, sowie die Beine, sein Herz, die Lunge und die Leber; ja, er konnte sogar - man glaubt es kaum - seinen eigenen Kopf nachwachsen lassen für den Fall, dass er ihn einmal verlieren würde, weswegen er unter bestimmten Umständen eine Art ewigen Lebens zu erwarten hatte, falls er nicht vorher durch einen dummen Zufall starb.

 

Kants Traum von Eurasien

Um die Weiterreise für mich etwas erfreulicher zu gestalten, hatte Humboldt mir die Luftpostadresse Immanuel Kants in Königsberg zugesteckt, mit dem er auf seinen Weltreisen eifrig Briefe und Informationen wechselte.

Der Nachrichtenaustausch ging folgendermaßen vor sich: Humboldt schrieb einen Brief, rollte ihn in eine Hülse aus getrockneten Tabakblättern, band die Kapsel einer Taube auf den Rücken und schickte sie los. Die Taube flog zu den Kapverdischen Inseln vor der Küste Afrikas, wo sich eine Brieftaubenstation befand. Ein Postbote der Firma „Tun und Praxis“ übertrug die Hülse mit Inhalt einer anderen Taube, die den Brief nach London transportierte. Von London brachte eine dritte Taube ihn nach Königsberg. Dort wickelte Kant das Schreiben aus dem Tabakblatt und las den Brief, während er den zerbröselten Tabak trotz seiner schwächlichen Lungen genüsslich in der Pfeife schmauchte. Die Antwort kam per Brieftauben postwendend innerhalb weniger Tage. Auf diese Weise hielt Humboldt Kontakt mit dem wichtigsten Denker unserer Zeit und versorgte ihn gleichzeitig mit größeren Mengen Wissenswertem aus Amerika und zusätzlich mit Knaster.

Vertrauensvoll wandte auch ich mich per Luftpost an den Königsberger Philosophen mit der Frage, ob meine Reise rückwärts nach Russland seine Zustimmung fände. Seine Antwort war etwas unersprießlich für mich, denn er schrieb mir, ich sei wohl ein rechter Trottel, dass ich meine Russlandreise nach einer tausende von Meilen langen Seefahrt am südlichsten Zipfel Amerikas begonnen hätte, wo doch der kürzeste und daher klügste Weg von Hodenwerder nach Russland über Land führe, wobei er nicht zu erwähnen vergaß, dass Königsberg auf dieser Strecke läge. Eifrig plädierte er für eine große Landstraße von „Europa“ nach Russland und fort nach China, nannte sie: „Transeurasia“ und verglich sie mit den uralten Seidenstraßen, die von China bis in den Westen des asiatischen Kontinents reichten, also bis in unser gutes, altes „Europa“. „Eine Magistrale von Peking bis Paris!“ schrieb er in besonders fetten und außerdem kursiven Buchstaben sowie mit Ausrufezeichen, was bei ihm, der ansonsten ein sehr zurückhaltender Mensch war, viel besagte. „Oder noch besser“, fuhr er fort, „eine Verbindung von Wladiwostok bis Lissabon!“ zitierte er einen besonders großen Staatsmann unserer Zeit (wieder fette Buchstaben, wieder kursiv, wieder mit Ausrufezeichen). Ja, er verstieg sich sogar zu der Behauptung, „Europa“ sei doch nur ein Anhängsel des riesigen asiatischen Kontinents und verlangte voller Inbrunst, wir „Europäer“ – also „wir WESTASIATEN!“ - (erneut fette Buchstaben, erneut kursiv, erneut mit Ausrufezeichen) sollten unsere Interessen nicht auf die jenseits des Atlantiks in weiter Ferne liegende amerikanische Landmasse richten, sondern uns mit allen Kräften unserem eigenen Kontinent, also dem asiatischen, zuwenden und zwar als Freunde und Partner und nicht als Eroberer, weil wir schließlich auf diesem Kontinent lebten, wenn auch auf dessen kleinstem Teil, aber doch einem sehr wichtigen, während uns Amerika und die dort liegenden Kolonien allein wegen der großen Entfernung gestohlen bleiben könnten. Ja, er ging in seiner Feindschaft gegenüber Amerika so weit, dass er prophetische Aussagen über die Zukunft machte, die darin gipfelten, die Amerikaner - also die dort eingewanderten Trumploidotiden, eine leerbehirnte Rasse autistischer Narzissten - würden „Europa“ in nicht allzu ferner Zeit wegen seiner Zersplitterung in viel zu viele Kleinstaaten und der innereuropäischen Selbstzerfleischung durch von Idioten angezettelte, verrückte Kriege untereinander um ein paar Hektar Land oder wegen irgendwelcher dümmlichen Ideologiestreitereien, überwältigen, mit betrügerischen Geldspekulationen ausbeuten und in eine ewige Schuldknechtschaft bringen, was mir recht befremdlich erschien, da sich doch gerade die europäischen Staaten durchaus als Weltherrscher darstellten, und Amerika mir eher als Objekt unserer, also europäischer, Ausbeutung vorkam. Doch Kant schien diesen Einwand bereits im Voraus bedacht zu haben, denn er brachte ein schlagendes Beispiel aus alten Zeiten, nämlich die Selbstentmachtung Griechenlands durch den peloponnesischen Krieg zwischen Sparta und Athen, der am Ende das klassische Griechenland zu einer Kolonie des primitiven „imperium romanum“ – also der damaligen „United States of „Europe“ - hätte werden lassen. Ähnlich wie die römischen Kulturbanausen den Weltkulturträger Griechenland unterjocht hätten, würden uns „Europäer“ die barbarischen „USAFFEN“ knechten und unterwerfen, etwa so, wie sie es mit den Indianern getrieben hätten. Aus diesen Gründen sei er geradezu besessen von seiner Idee der Transeurasia-Straße, denn sie würde die Länder „Europas“ durch das russisch Reich hindurch verbinden mit den uralten Kulturen Asiens, vor allem denen Chinas und Indiens, und so eine gewaltige kulturelle und wirtschaftliche Blüte auf unserem gemeinsamen Kontinent erzeugen, die nicht ihresgleichen auf dem Planeten hätte. Der Transport der Waren könnte mithilfe eines dampfgetriebenen Gefährts namens „Automobil“ erfolgen, der Erfindung eines Franzosen namens Cugnot. (Kant nannte sie überschwänglich und in Großbuchstaben geschrieben:

„DIE ERFINDUNG DES JAHRTAUSENDS!“

(noch einmal fett, kursiv, Ausrufezeichen!).

Außerdem könnte man fahrbare Dampfmaschinen konstruieren, auf eiserne Schienen stellen und sie auf diesen Eisengleisen von West nach Ost und von Ost nach West bewegen. Diese Gefährte seien in der Lage. sich aus eigener Dampfkraft fortzubewegen und Waren zu transportieren. Man müsse nur eine riesige Eurasien-Magistrale bauen, mit zehn Fahrspuren, fünf Spuren von West nach Ost, fünf von Ost nach West. Und auf dieser gewaltigen Eisen- und Autobahn würden ungefährdet von irgendwelchen missgünstigen Seemächten hunderttausende von Automobilen und schienengebundenen Dampfrössern Millionen von Tonnen an Waren transportieren und die Menschen Eurasiens durch Handel und Wandel vereinen.

Man könnte Stationen an dieser neuen Seidenstraße einrichten, Dörfer und Städte ansiedeln, schöne Dinge aus China und Indien nach „Europa“ transportieren und als Gegenleistung handwerkliche und technische Produkte in den Osten senden. Denn dort, so begründete er seine Meinung, wo die Herstellung von Waren betrieben werde, blühe und wachse der Handel mit ihnen und ebenso blühe und wachse der Reichtum in den Siedlungen entlang der Handelsstraße, und Kultur werde sich ausbreiten in diesen Regionen „wie die Blüten der Orchideen, die duften wie Vanille“. (Original Kant bitteschön!). Stattdessen, so mäkelte er, richteten sich die Blicke der „Europäer“ verrückterweise über tausende Meilen gefährlichster Wasserwüste nach Westen, der untergehenden Sonne zu, wo doch der Blick nach Osten, der rosigbackigen Eos entgegen, die wahre Lust des Glücks verspreche.

Diese üble West-Sicht der Dinge sei den Engländern zu verdanken, die sich als meeres- whisky- und biersüchtiges Volk nur den flüssigem Elementen in Gestalt von Salzwasser, Schnaps und Gerstenplempe verschrieben und sich daher als autistisches Inselvölkchen innerlich vom eurasischen Kontinent getrennt hätten, um ihren albernen Ticks, hanebüchenen Spleens und wahnwitzigen Marotten zu frönen, und neben anderen Dummheiten etwas zu vollführen, das sie „Sport“ nönnten, (Kant benutzte manchmal eine recht eigenwillige Grammatik), indem sie reichlich sinnlose Spielchen ausübten wie etwa den aus der Schamgegend erzeugten, höchst albernen Baumstamm-Weitwurf.

Außerdem würden sie sich bekanntlich damit vergnügen, kleine Gummibälle mit darmbespannten Lochbrettern durch die Luft zu schlagen oder aufgepumpte Schweinsblasen mit den Füßen über den Rasen zu treten, um sich auf derart dümmliche Weise in närrischer Kraftprotzerei, verrückter Balltrampelei und albernem Herumgehopse ihre vom Stout-, Whisky- und Gin-Saufen vernebelten Ganglien und Synapsen zu belüften, so dass wir „Kontinentalasiaten“ uns beim Anblick solch törichter Leibesverrenkungen ja bekanntlich die Bäuche halten müssten vor Lachen!

Diese hohlhirnigen Engländer mitsamt ihren Kolonien im nordamerikanischen Abendland sollten doch zusehen, wie sie mit ihrer Seefahrerei zurande kämen, und uns echten Asiaten nicht weiter zur Last fallen mit ihrer lächerlichen Meinung, dass Wasserwege besser seien als Straßen über Land, wo doch jeder vernünftige Mensch wisse – so vermerkte er mit seiner feinen Kantischen Ironie -, dass man zwar von einem Schiff ins Wasser fallen und jämmerlich ertrinken könne, dies aber bekanntlich noch nie jemandem untergekommen sei, der in einer Kutsche über Land fahre.

Ja, zum Ende seines Schreibens rief er sogar auf zur „europäischen Wende von West nach Ost“, weil nur sie dem Kontinent das wahre Heil bringen könne, zumal keine anglo-ame-rikanische Seemacht imstande sei, eine solche innerasiatische Magistrale auf „vernünftige Weise“ zu zerstören.

Sein Brief endete mit dem geradezu revolutionärem Aufruf: „Ceterum censeo: Transeurasiam esse bauendam!

Basta! Punkt!! Bastabumm!!!“

 

Nun, ich war sehr beeindruckt, von seiner weisen, eurasischen Sicht der Weltpolitik.

Ich fand die Kritik an den armen Engländern zwar etwas übertrieben, denn als Inselbewohner waren sie ja auf die Seefahrt angewiesen. Andererseits schien mir der Gedanke einer großen Straße quer durch unseren Riesenkontinent Asien höchst bedenkenswert, denn auf ihr könnte man Waren von China und seinen Nachbarn in viel kürzerer Zeit als auf dem Seeweg nach „Europa“ transportieren und umgekehrt. Und vor allem könnte man die europäische und fernöstliche Zivilisation zu einer einzigen vereinen, was eine gewaltige Kulturblüte der gesamten Menschheit erzeugen würde. Denn ein Schiff legt ab in Shanghai und landet in Hamburg. Aber es bringt einzig und allein nur Waren, aber keine Kultur mit sich und ist somit als Kulturträger völlig ungeeignet. Eine gewaltige Straße über Land hingegen, an der überall Dörfer und Städte liegen, erzeugt Kontakte zwischen allen Menschen, die an dieser Straße leben und auf ihr reisen.

Bei diesen Überlegungen erinnerte ich mich an eine Nachricht, die ich noch während meiner Studienzeit in Göttingen gehört hatte, dass nämlich eine Karawane mit fünfzig Gespannen und hundert Kamelen von Peking aus über Land nach Hamburg gereist sei und den Weg in nur einem Drittel der Zeit bewältigt habe, die ein Schiff benötigt. Ich beschloss also, diese Überlegungen des Denkers aus Königsberg in Petersburg bei Hofe vorzutragen.

Immerhin aber blieb mir etwas in Erinnerung: Dass unser fröhlicher Philosoph wohl einer der ersten Nikotinsüchtigen „Eurasiens“ war, was mir, der ich ja auch ein fleißiger Qualmkopf bin, durchaus Anlass zu brüderlicher Belustigung gab. Ja, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass er seine tiefgründelnden, philosophischen Gedankengebäude beim Knasterpaffen zusammengebastelt hat, so wie ich die außerordentlich ungelogenen Berichte über meine grandiosen Abenteuer, nicht wahr?

Übrigens ist mir später gerüchterweise etwas recht Absonderliches zu Ohren gekommen, nämlich, dass er seinem Tabak immer klein geschnittene rohe Zwiebeln beigemischt hatte. „Wegen der unnachahmlichen Würzung des Räucherkrams“, wie er behauptet haben soll. Gott ja: Über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Mir persönlich schmecken in Knoblauchöl geröstete Chilischoten im Tabak weit angenehmer. Und dass Immanuel bei einem abendlichen Dinner schon mal den Mittelfinger seiner Tischdame zum Stopfen seiner „Pfeife“ benutzt hat – wer wird denn Böses dabei denken?

 

 

 

 

 

 

 

„Dschoordsch Dabbeljuh Pfush“

 

Später, auf dem Weg durch Texas, ritt ich einen dummen Kuhjungen nieder, – im Rückwärtsgalopp kann man schließlich nicht immer nach vorne schauen. Dieser „Cowboy“ jedenfalls war ein recht rüpelhafter Bengel und nannte sich „Dschoordsch Dabbeljuh Pfush“. Als er, wenn auch etwas wackelig, wieder auf den Füßen stand, brüllte er: „Goddam, what a bullshit! Du kannst übrigens „Pfushi-Bushi“ oder „Dabbeljuh“ oder noch besser: „Pfush-Maker“ zu mir sagen. Ich stehe nämlich immer unter Strom und sehe alles mindestens doppelt. Und weil ich immer alles doppelt sehe, erkenne ich nie die Wirken dann mehrere Flaschen eines braun gefärbten Gesöffs namens „Böben“.