Impressum

 

Klaus Wagner

 

 

Mein bewegtes berufliches und sonstiges Leben im Osten und im Westen

oder:

Gefaulenzt und gesoffen wird überall!

 

Band 1

 

 

Copyright: © 2015 Klaus Wagner

 

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

ISBN 978-3-7375-6536-3

 

Epilog

Rückreise mit dem Schlafwagen

Armeezeit

Die fleißigen Bäuerlein

Ein Einblick in das Schaffen der Arbeiterklasse

Studienbeginn

Das Armeelager

Feuchtfröhliches Studium

Das Ingenieurpraktikum beginnt

Ein erster Blick in das wahre Arbeitsleben

Langeweile und Ernüchterung

Lösungsansätze

Abschiednehmen

Studienalltag

Endspurt zum Diplom

Der erste Tag im VEB

Eingewöhnung

Gammeltage und wissenschaftliche Verfahren

Wieder an der Uni

Die Weiterbildungsfirma

Das Praktikum im Westen

Der eigene Laden

Die Bewerbung

 

Epilog

 

Vor ziemlich genau 15 Jahren habe ich mehr der Not wegen in diesem unbeschreiblichen Saftladen hier angefangen um meine Brötchen zu verdienen und verbringe jetzt an meinem Schreibtisch hockend Tage voller Frust und schwerer nervlicher Anspannung. Ich muss ständig auf der Hut vor irgendwelchen bösartigen Heckenschützen sein, die sich als meine Kollegen bezeichnen und mir eigentlich nur ans Leder wollen. Hier brauchen Sie Nerven wie Stahl, um die Tage überhaupt einigermaßen zu überstehen.

Aber der Reihe nach.

 

Irgendwann hatte ich den Kanal von meinem Leben als selbstständiger Handelsvertreter für Haustüren voll gehabt, weil die Leute nach der Wende beim Kauf zwar mächtig zugeschlagen hatten und ich anfangs gewaltig absahnen konnte, aber da so eine Tür naturgemäß etliche Jährchen halten soll ging die Nachfrage dann nach einigen Jahren so rapide zurück, wie auch mein Kontostand. Ich war auf den schnellen Erfolg aus gewesen, und den hatte ich auch gehabt. An die Zukunft dachte ich damals in keiner Sekunde. Ja, in der ersten Zeit brauchte ich nur geduldig eine Straße abgrasen und hatte um die Mittagszeit schon drei bis vier Abschlüsse in der Tasche. Das lag nicht nur an der Qualität der Produkte, sondern vor allem an mir. Sie müssen wissen, dass ich damals Ende Dreißig war und für meine Begriffe blendend aussah. Über mein beachtliches rhetorisches Talent verfüge ich heute auch noch, aber ich benötige es gegenwärtig kaum, denn eine Kommunikation mit diesen dumpfen Gesellen hier im Büro wäre Perlen vor die Säue zu werfen. Jedenfalls redete ich die ahnungslosen Leute in Grund und Boden und die meisten ließen sich schnell davon überzeugen, so eine Tür zu kaufen. Da die Palette der Modelle groß war ergab sich auch, dass fast jeder der Kunden seinen eigenen Geschmack ausleben konnte und sich so ein ganz eigenartiges Bild in der Straße einstellte. Abgesehen von den teils grenzwertig designierten Türen kam es auch zu einem bunten und Augenkrebs erregenden Farbenmix, der wohl Herrn Hundertwasser sehr erfreut hätte. Die ehemals allesamt grauen und verblichenen Türen hatten nun einer wilden Mischung verschiedenster Stilrichtungen und Farben Platz gemacht. Mir war das damals vollkommen egal, die Kasse stimmte und an meine Wirkungsstätten würde ich, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren wieder zurückkommen. Die Sache lief ein paar Jahre ganz hervorragend, aber dann kam es wie schon erwähnt zu einem kräftigen Absatzeinbruch.

 

Nun werden Sie sich fragen, wie es mich damals zu dieser Tätigkeit verschlagen hatte und warum ich schließlich heute hier in diesem Gruselkabinett von Unternehmen gelandet bin. Das ist nicht mit zwei Worten gesagt und ich muss etwas weiter ausholen, um meinen bisherigen Lebensweg zu beschreiben. Ich bin in einem gebildeten und kultivierten Elternhaus aufgewachsen und dort legte man Wert auf gepflegte Umgangsformen. Wenn ich mich heute hier in diesem Laden umsehe kann ich nur mit dem Kopf schütteln, wie sich diese faulen und intriganten Arschlöcher benehmen. Jedenfalls wurde mir viel Zuneigung zu Hause zuteil und man lenkte mich behutsam darauf, mich ordentlich zu bilden. In der Schule hatte ich keinerlei Probleme und ich muss zugeben, das Lernen machte mir sogar Spaß. Vieles fiel mir zu, für anderes musste ich mich ein wenig anstrengen aber es war nie so, dass ich nicht ausreichend Freizeit gehabt hätte, abgesehen von ein paar kleinen Hilfen im Haushalt hatte ich nach den Hausaufgaben frei. Vorzugsweise trieb ich mich mit meinen Freunden in verlassenen Häusern in der Gegend herum, denn in der Planwirtschaft lief doch schon einiges schief und etliche Häuser verfielen immer mehr. Das sollte ich dann später auch aus eigener Anschauung erleben. In diesen Häusern spielten wir Soldaten oder bekämpften uns mit als Schwert angesehenen Knüppeln und Ästen. Ich erinnere mich sehr gut, dass mir das damals einen Heidenspaß gemacht hatte. Aber es war nicht ohne Probleme gewesen mich zu behaupten, da ich zu diesem Zeitpunkt sehr schmächtig und klein gewesen war. Mit bloßer Kraft allein wäre ich also nicht durchgekommen und gewöhnte mir schon zu dieser Zeit an, meine Widersacher genau zu analysieren, so wie es mir im zarten Alter von 10 Jahren eben möglich war. Ich erkannte schnell meine Fähigkeit, die Handlungen der anderen vorauszuahnen und mich darauf einzustellen. Ohne diese Eigenschaft wäre ich hier in dieser miesen Klitsche wohl schon ein paar Mal von diesen hinterfotzigen Zeitgenossen, die sich als meine Kollegen bezeichnen, abserviert worden. Aber zurück.

 

Da ich gute Noten in der Schule hatte und mich dort wie ein Lamm den Lehrern gegenüber benahm war es nur folgerichtig, später das Abitur abzulegen. Dem stand allerdings im Wege, dass mein Vater Ingenieur war und demzufolge nicht zur Arbeiterklasse zählte. In dieser Zeit legte man nämlich sehr viel Wert darauf, besonders Arbeiterkindern eine gute Bildung zu ermöglichen. Meine Mutter und eine Menge an Schnaps lösten das Problem dann doch ganz pragmatisch. Mein Klassenlehrer, ein knorriger aber grundehrlicher Ostpreuße, der nach dem Krieg zum Mathematiklehrer ausgebildet worden war, wurde kurzerhand eines Abends zu uns nach Hause eingeladen und meine Eltern bauten bei einem üppigen Abendessen, etlichen Bieren und harten Getränken die Legende auf, dass mein Vater ja schließlich gelernter Elektriker sei, und sich später über ein Abendstudium zum Ingenieur qualifiziert hatte. Das stimmte sogar. Er würde doch das Streben der Arbeiterklasse nach Bildung ganz hervorragend verkörpern erklärte man dem Lehrer und wenn man es recht betrachten würde, wäre er doch tief im Herzen immer ein Arbeiter geblieben. Joseph Sedlmeyer, der dann später verriet, dass er von seinen Freunden Jupp genannt wurde, kam nach etlichen Schnäpsen zu der Überzeugung, dass dem tatsächlich so sei. Ich selbst war bei diesem Gespräch natürlich nicht anwesend, aber hörte dann zu fortgeschrittener Stunde getragenen Gesang und das Klirren umstürzender Gläser. Meine Mutter musste am nächsten Tag im Bett bleiben, ein Ergebnis dieses Abends. Das andere war, dass ich nun freie Fahrt auf die Erweiterte Oberschule hatte. Meine Anerkennung für Jupp war drastisch gestiegen, denn als Genosse hätte er ja eigentlich prinzipienfest keinen Millimeter von den Vorgaben abweichen dürfen. Warum er es getan hatte konnte eigentlich nur an dem hohen Alkoholkonsum gelegen haben. Mir gegenüber tat er so, als wäre nichts gewesen, und ich hatte keinen Grund ihn am letzten Schultag daraufhin anzusprechen, wahrscheinlich hatte er es auch schon vergessen. Jedenfalls hatte diese ehrliche Haut für sich beschlossen, bei seiner Entscheidung zu bleiben, auch wenn er sie vielleicht gern wieder rückgängig gemacht hätte, und mir so den Weg geebnet. Mit dieser Grundhaltung wäre er in diesem Saftladen hier schon lange unter die Räder gekommen, denn für Jupp hatte immer die Devise „Ein Mann, ein Wort“ gegolten und nicht die Freude daran, perfide Strategien zu entwickeln, um die anderen irgendwie hinterhältig anzuscheißen.

 

An der Erweiterten Oberschule zog das Lerntempo ein wenig an, aber anfangs kam ich ohne Klimmzüge oder erhöhten Aufwand gut durch. Da ich zu dieser Zeit viele andere Dinge im Kopf hatte – mich mit den Kumpels in Diskotheken rumzudrücken, Feiern jeglicher Art mitzunehmen, Rockkonzerte zu besuchen, heimlich zu rauchen und sich möglichst cool zu geben – musste ich dann feststellen, dass ich so ganz nur mit links wohl nicht am Ziel ankommen würde. Also intensivierte ich die Lernarbeit ziemlich unlustig ein wenig und als ich keine Vieren mehr hatte ließ ich die Zügel wieder schleifen, denn die jungen Frauen wurden langsam interessant und das billige Bier in den Kneipen schmeckte gut. Es kam wie es kommen musste. Ich erhielt zwar das Abiturzeugnis, aber in den naturwissenschaftlichen Fächern prangten durchweg Dreien darauf. Außer in Mathematik, da war ich gut. Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass ich zu dieser Zeit extrem viel las, in einem Schreibzirkel war und mir viele Dinge am Arsch vorbei gingen. Eigentlich wollte ich ja mal Journalist werden, aber als ich die Tageszeitung studierte und dort seitenweise Hymnen vom Sieg des Sozialismus zur Kenntnis nehmen musste wurde mir klar, dass das wohl doch eher nicht mein Ding war. Ich musste mich für etwas anderes entscheiden. Damals wusste ich schon, dass ich niemals ein Techniker werden würde, dafür fehlten mir die entsprechenden geistigen Voraussetzungen. Was lag da näher, als sich für Betriebswirtschaft zu entscheiden. Ich war der einzige Junge in der Klasse mit diesem Studienwunsch und wurde mit Hohn und Spott überzogen, richtige Kerle wären doch nur diejenigen, die einen Ingenieurberuf ergreifen würden. Ich ging nicht darauf ein und tat so, als würde das von mir abprallen. Gewiss, es waren keine ersthaften Herabwürdigungen sondern eher Spötteleien und unser Verhältnis untereinander blieb ganz hervorragend.

 

Was mich allerdings mehr als grämte war die Drei in Deutsch. Nun will ich nicht sagen, dass ich in diesem Fach fehlerfrei war oder jedes literarische Werk besonders geschliffen interpretieren konnte. Aber bis zur 10. Klasse stand ich auf einer absolut sicheren Eins. Die Lage änderte sich, als mit den Jungs in der Klasse Gespräche geführt wurden, um sie für den Beruf eines Offiziers zu gewinnen. Obwohl ich mich damals und auch heute noch sehr für Militärgeschichte und Waffentechnik interessiere kam das für mich nicht in Frage. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Offiziere als Pfeifen und Deppen der Nation angesehen wurden, die nur rumbrüllen und saufen konnten und nicht viel im Kopf hatten. So eine Karriere entsprach nicht unbedingt meinen Vorstellungen. Nach unzähligen Gesprächen, die die Klassenlehrerin mit mir zu diesem Thema führte, war sie wohl zu dem Schluss gekommen, dass sie mit mir nicht weiterkam. Sicher hatte sie auch eine Quote zu erfüllen gehabt. Da ich in Mathe ganz gut war erkannte ich dann in der darauffolgenden Zeit eine gute Korrelation zwischen meiner Ablehnung für den Offiziersberuf und der Entwicklung meiner Noten in Deutsch, denn dieses Fach unterrichtete sie. Eben war ich noch ihr Liebling in diesem Fach gewesen, dann sackte ich gnadenlos immer weiter ab, um dann zum Schluss eine miese Drei zu bekommen. Das ärgerte mich zwar maßlos aber hob mich dann nicht mehr weiter an, denn das Studium war mir sicher und es lag ja in jedem Falle noch die Armeezeit vor mir. Wahrscheinlich war es sogar eine multiple Korrelation gewesen, denn ich konnte mich nicht einmal dazu durchringen, 3 Jahre zur Armee zu gehen. Hätte ich mich dazu entschlossen wäre vielleicht eine Zwei in Deutsch rausgesprungen, aber wer ist schon so bescheuert, für eine Note, die dann später kein Schwein mehr interessiert, eine 18 Monate längere Armeezeit auf sich zu nehmen. Jedenfalls rasselte keiner aus der Klasse durchs Abitur und jetzt lagen einige Monate freie Zeit vor uns, denn im Herbst würde es zur Armee gehen.

 

Leider muss ich mich hier als Akademiker mit einer Schleudertruppe von minderbemittelten Sachbearbeitern und arroganten und rasselblöden Vorgesetzten auseinandersetzen, die allesamt keinen blassen Schimmer von Unternehmensführung und keinerlei Vorstellung von Einsatzbereitschaft haben. Vor der Armeezeit blieb aber noch eine Zeit von gut drei Monaten und um nicht gänzlich in der Gammelei zu versacken nahm ich ein mir interessant erscheinendes Ferienarbeitsangebot an. Kurz vor dem Abitur war ein Typ der Deutschen Reichsbahn in der Schule aufgekreuzt und hatte für einen zeitweiligen Job als Schlafwagenschaffner geworben. Ich unterschrieb den Arbeitsvertrag mit einer gewissen Vorfreude.

 

Ich war in den Schulferien schon immer mal jobben gewesen und deswegen auch ziemlich gespannt, wie es diesmal ablaufen würde. Vielleicht sogar so lustig wie in der Brauerei und nicht so stressig wie in der Wäscherei. Aber zuerst zur Brauerei. Dort befand sich mein Arbeitsplatz im Fasskeller und meine Aufgabe bestand darin, leere Bierfässer aus Holz auf eine Art Förderband zu wuchten, den Verschluss zu entfernen und die Fässer dann mit einem Wasserschlauch auszuspritzen. Das konnte jeder Idiot und es war auch so, dass die Arbeitsbelastung nicht ganz so hoch war. Mit mir hielten sich noch zwei Arbeiter im Fasskeller auf, die die Fässer dann vom Förderband nahmen und in einer Ecke aufstapelten. Ab und an wurden wieder leere Fässer angeliefert aber man geriet kaum in Schweiß. So ein Fasskeller hat nämlich den Vorteil, dass er in den Fels geschlagen worden war und es demzufolge angenehm kühl dort war. In diesem Juli war es draußen drückend heiß. Die zweite nicht zu unterschätzende Sache war die, dass die findigen Arbeiter wie auch immer eine kleine Kupferleitung mit einem Absperrhahn in ihren und meinen Wirkungsbereich verlegt hatten. Damals waren ja Bügelflaschen absolut üblich und jeder von uns verfügte über so ein Gefäß. Nun werden Sie sich fragen, was das bedeuten soll. Sicher musste man seinen Flüssigkeitsverlust ausgleichen und was lag in einer Brauerei näher, als dies mit Bier zu tun. Man trat mit seiner Flasche also an den Hahn, hielt seine Flasche darunter und füllte diese je nach Bedarf. Da die Leitung offensichtlich mit einem der riesigen Biertanks verbunden war gab es somit eine nie versiegende Quelle und man konnte ständig aus dem Vollen schöpfen. Meine beiden Mitstreiter ermunterten mich, mit ihnen ordentlich mitzuhalten und so kam es, dass wir eigentlich immer ziemlich gut drauf waren und die Arbeit locker von der Hand ging. Was mich allerdings verwunderte war, dass die beide ihre Flaschen immer in einen Eimer mit warmem Wasser stellten aber dann begriff ich, dass man sich sonst die Nieren verkühlen würde, weil es wie gesagt im Fasskeller doch recht kalt war. Da mein Einsatz dort aber zeitlich auf 2 Wochen begrenzt war unterließ ich die Temperierung des Biers. Am ersten Arbeitstag war ich noch mit dem Fahrrad angereist. Als ich jedoch die Brauerei mit 6 Flaschen Haustrunk im Rucksack verließ ahnte ich, dass ich wohl besser auf die Straßenbahn umsteigen sollte. Das hatte zwei Gründe. Erstens war es wirklich sehr heiß, und zweitens bekam ich einen Schlag vor den Kopf, denn ich hatte ja etliche Bierchen im kühlen Fasskeller zu mir genommen. Jedenfalls fuhr ich dann die restlichen Tage mit der Straßenbahn, hinzu zur Brauerei noch mürrisch und gereizt weil ich ziemlich früh aufstehen musste, rück zu aber durchaus beschwingt und bester Laune. In dieser Zeit muss wohl meine Vorliebe für Bier erweckt worden sein.

 

Der Zufall sollte mich später als Student abermals in so eine Einrichtung führen. Es wurden Pauschalarbeitskräfte gesucht und man holte uns mit einem Kleinbus direkt nach der Vormittagsvorlesung von der Uni ab und fuhr uns in die bekannte Brauerei nach Radeberg. Die Arbeitsschutzbelehrung fiel knapp aus und gipfelte in der Bemerkung durch den Meister, dass Alkoholgenuss strengstens verboten wäre und wer dabei erwischt würde wäre das letzte Mal hier gewesen. Der Blick in die Abfüllhalle war durchaus beeindruckend, denn dort war alles vom Feinsten. Und alles aus dem Westen. Lange und schlangenförmig angeordnete Transportbänder für die Flaschen beförderten diese zu verschiedenen Stationen und am Ende kam eine etikettierte Flasche raus. Dort griff sich ein Automat eine bestimmte Anzahl an Flaschen und verfrachtete sie in Pappkartons. Ich musste zusammen mit einem Kumpel diese noch flachgedrückten Kartons auffalten. Nach Anfangsschwierigkeiten kamen wir bald gut klar und konnten auf dem Hof eine Rauchpause einlegen. Selbstredend hatten wir uns jeder eine Pulle vom Band gegriffen und das wiederholte sich noch einige Male. Da das Bier in der Abfüllanlage pasteurisiert worden war hatte es eine unangenehme Temperatur aber wir lösten das Problem ganz pragmatisch, indem wir uns unser eigenes Flaschenlager hinter Gerümpel auf dem Hof einrichteten und die Biere dort schön herunterkühlten. In der Schicht werde ich wohl so drei bis vier große Flaschen Bier vertilgt haben. Der Meister hatte dieses Maß aber höchstwahrscheinlich deutlich überschritten, denn als er uns so gegen 22 Uhr in bar auszahlte, entrangen sich seiner Kehle nur noch dumpfe animalische Laute und ich hatte Bange, dass er gleich vom Stuhl fallen würde, so voll war er. Ich war noch so sechs sieben Mal in Radeberg im Einsatz und konnte jedes Mal die Metamorphose des Meisters von einem scheinbar normalen Menschen zu einer lallenden Alkoholleiche miterleben. Hier in dieser miesen Bude ist es nicht einmal erlaubt, zum Geburtstag ein Schlückchen zu trinken und die Rauchpausen müssen per Zeitkarte abgezogen werden. Alles in allem hatte mir die Sache in der Brauerei Spaß gemacht, mir ging im Gegensatz zu hier keiner auf die Nerven, der Verdienst war okay und ich bekam auch wieder Haustrunk. Flüssiges Gold in Gestalt von Radeberger Exportbier. Das war damals eine nicht zu unterschätzende Währung. Diese faule Brut hier in der Firma verdient ungerechtfertigter Weise so viel Geld, dass die sich jeden Tag einen Kasten Radeberger leisten könnte, was sage ich, zwei oder drei sogar!

 

Um ein bisschen Kohle zu machen, denn ich wollte mir ein Tonbandgerät kaufen, arbeitete ich drei Wochen in den Ferien in einer Wäscherei. An diese anfangs alptraumhafte aber auch schöne Zeit muss ich heute noch manchmal denken. Es waren vier Sachen, die die Sache so erinnerlich machen. Die anstrengende Arbeit, die nervenden und obszönen Frau dort, und die Spätschicht. Die vierte Sache hatte nicht genervt, ganz im Gegenteil. Aber dazu später. Stellen Sie sich einmal vor, sie stehen auf einer Art Podest. Vor ihnen sind fahrbare Körbe aufgereiht, in die bestimmte Wäschearten hineingeworfen werden. Hinter Ihnen rumpelt eine fast zwei Meter hohe Industriewaschmaschine vor sich hin. Vor der Luke der Waschmaschine befindet sich ein Transportband von vielleicht zwei Meter Länge. Alle gefühlten 10 Minuten spuckt die Waschmaschine einen wild durcheinandergewurstelten Knäul aus Bettwäsche, Handtüchern, Arbeitsbekleidung und anderen Sachen aus. Damals hätte ich die Konstrukteure dieser Waschmaschine gern eigenhändig erwürgt, denn es passierte nie, dass die Wäschestücke einzeln aus der Trommel kamen, es war immer ein Knäul. Nun wäre das nicht so schlimm gewesen, aber die Waschmaschine saß mir buchstäblich im Nacken, wenn ich die Wäsche in die dafür vorgesehenen Körbe warf. Ich war damit noch nicht fertig, als sich die Trommel bereits wieder entleerte. Nach zwei Stunden war ich fertig mit den Kräften und Nerven, dann war Pause. Es gab eine Art Pausenraum, wo sich die Arbeiterinnen einfanden. Das waren Frauen von zwanzig bis vierzig. Ich war siebzehn, hatte ziemlich lange Haare und mächtig Schiss vor den Damen.

„Sach ma, wie fickt‘n dein neuer Kerl“ eröffnete eine das Gespräch.

„Ni schlecht“ war die Antwort „der hatn ziemlich großen Riemen. Und der hat Ausdauer. Mann, der wollte gar nich mehr ofhörn mit der Rammelei. Mir tut heute noch alles weh. Aber der war gut.“

„Haste n Freundin“ fragte mich eine der Jüngeren.

„Klar“ log ich wenig überzeugend, denn irgendwie traute ich mich damals an die Weiber nicht ran, sie waren für mich rätselhafte und unberechenbare Wesen.

„Erzähl ma, wie die aussieht“ wurde ich aufgefordert.

Natürlich sah ich damals den jungen Frauen an meiner Schule nach, aber mir fehlte wie gesagt der Mut, mich an eine ranzumachen. Da gab es eine Blonde mit langen Beinen und beachtlicher Oberweite.

„Sie ist blond“ sagte ich.

„Weiter“ bohrte eine andere nach „is blond. Na da wissmr ja genau Bescheid. Hattse große Titten? Wie isse im Kahn?“

Vermutlich war ich in diesem Augenblick puterrot angelaufen. Ich sah nur noch die Möglichkeit, den Baron Münchhausen zu geben, also schamlos zu lügen und mich in der Wortwahl den Damen anzupassen.

„Sie hat große Titten, lange Beine und sieht sehr gut aus“ stammelte ich heraus.

„Na und, wie fickt se?“

„Ganz toll.“

„Bring ma n Bild von deiner Tussi mit“ wurde mir noch aufgetragen, dann war ich erst einmal aus der Gesprächsrunde entlassen und froh, dass die Pause dann bald vorbei war.

 

Nach weiteren zwei Stunden zitterte ich der Pause entgegen und ahnte neues Ungemach auf mich zukommen.

„Sag‘ ma“ sprach mich eine der Frauen an „wie hastn am liebsten?“

„Wie meinen Sie das?“

„Na wie rammelstn am liebsten?“

„Ähm, ganz normal“ stotterte ich und würde sofort brüllend ausgelacht.

„Weeste was“ rief eine aus „ab sofort biste für uns hier der Missionar!“

Erneutes Aufbrüllen.

Nie zuvor hatte ich gehofft, dass eine Pause schnell vorbeigehen würde, aber hier schien der Uhrzeiger am Ziffernblatt angenagelt zu sein. Das mit dem Missionar hatte ich durchaus begriffen, da ich mit Kumpels diverse Bücher ausgetauscht hatte, die theoretisch die ganze Sache erklärten. Jedenfalls war ich dann nicht mehr Zielscheibe des Spotts, sondern die Damen tauschten sich über ihre Vorlieben aus.

„Wenn mir ma dr Rückn vom vieln Stehn wehtut lass ich mich von mein Olln gerne von hinten im Liegen vögeln“ erklärte eine.

„Ich find‘ die Hundestellung ni schlecht“ meinte eine andere „da kommtr rischt tief rein.“

„Wenn ich mein Kerl reite wird der immr wie verrückt“ erklärte eine dritte „der sacht, dass er bald durchdreht wennr sieht wie meine Titten wackeln. Und da bestimm ich das Tempo, verstehste? Der dreht dann bald durch, wenn ich ma ne Pause mache. Der bettelt dann rischt dass ich weitermachn soll.“

 

Zur letzten Pause ging es weiter.

„Sag‘ ich doch meinm Alten gestrn, komm, wir fickn ma ne Runde, ich bin heiß. Sacht der, is doch erst kurz vor siebn un de Kinder sin nor wach. Sach ich, mach den ma n Fernsäher an, die könn dor n Sandmann gucken. Un sach den, wir müssn im Schlafzimmr ma was beredn un die solln uns ni dabei störn. Der kommt dann wieder un will de Dür abschließn. Sach ich, mach das ni, da merkn die dor was. Ich zieh mein Schlüpper runter und knie mich vors Bette mitm Blick of de Dür un mein Alter legt los wien Stier. Ich muss brülln, weil der mich so gut vögelt. Da geht de Dür of, un de Kindr glotzn uns an. Ich bin nor ganz auser Puste aber mein Alter sagtn Kindrn, dass de Mutti Rücknschmerzn hat und er mich grade massiern tun tut un se solln jetzte wiedr gehen un de Dür zumachn. De Kindr gehen wiedr un machn de Düre zu, da massiert mich dor geile Bock tatsächlich wiedr, der steckte nämlich noch in mir drinne. Mir kommst noch ma aber mein Alter drückt mirs Gesicht ins Kissen. War ne tolle Nummer.“

Ich zitterte dem Pausenende entgegen.

„Du musst de Kerle bloß rischt scharf machen, dann fressn se dir aus der Hand“ erklärte eine andere „un ich versteh überhaupt ni, warum die so durchdrehn, schon wenn se bloß ma n paar Titten sähn. Erklär mir das ma“ wandte sie sich an mich.

„Nun“ stotterte ich „Brüste sind schön anzusehen.“

Lautes Gelächter.

„Was hastn vom Ansähn, hä? Packn musste de de Dinger“ wurde ich belehrt.